Chefarzt Dr. Holl 1908 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1908 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Lara Baumgart ist ein international gefragtes Topmodel. Ihr apartes Gesicht ziert die Werbeplakate der Weltmetropolen. Ihr Name steht für Glamour und Luxus.
Doch der Schein trügt - hinter Laras makellosem Lächeln verbirgt sich ein zur Molligkeit neigendes, elternloses Mädchen, das von seinem Pflegevater und Manager Bruno zu einem einsamen Leben und ständigem Verzicht gezwungen wird.
Lara hält sich eisern an die strengen Ernährungsregeln, trotzdem ist für sie seit einigen Wochen jeder Gang auf die Waage ein regelrechter Horror. Denn sie nimmt ständig zu! Und beim Blick in den Spiegel sieht sie nicht mehr in ein klassisch-schönes Gesicht, sondern auf Hamsterbäckchen mit roten Flecken und ein Doppelkinn!
Was stimmt nur nicht mit ihr?


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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Aus der Bahn geworfen

Vorschau

Impressum

Aus der Bahn geworfen

Dr. Holl überbringt Lara die Diagnose Morbus Cushing

Von Katrin Kastell

Lara Baumgart ist ein gefragtes Topmodel. Ihr apartes Gesicht ziert die Kampagnen angesagter Kosmetiklabels. Ihr Name steht für Glamour, Eleganz und Luxus.

Doch der Schein trügt – hinter Laras makellosem Lächeln verbirgt sich ein zur Molligkeit neigendes, elternloses Mädchen, das von seinem Manager Bruno Schulz zu einem einsamen Leben und ständigem Verzicht gezwungen wird.

Lara hält sich eisern an die strengen Ernährungsregeln, trotzdem ist für sie seit einigen Wochen jeder Gang auf die Waage ein regelrechter Horror. Denn sie nimmt ständig zu! Und beim Blick in den Spiegel sieht sie nicht mehr in ein klassisch-schönes Gesicht, sondern auf Hamsterbäckchen mit roten Flecken und ein Doppelkinn!

Was stimmt nur nicht mit ihr?

»Warum ist dein Gesicht so verquollen?«

Bruno Schulz betrachtete seine Mitbewohnerin mit kritischen Blicken, während die Falten auf seiner Stirn Besorgnis signalisierten.

»Danke für dein Kompliment«, murrte Lara missgelaunt. »Ich bin erkältet. Und schlecht geschlafen habe ich auch.«

»Warst du schon beim Arzt?«

»Natürlich nicht. Was soll ich da? Gegen Erkältungsviren gibt es kein Medikament. Ich werde mich ein paar Tage schonen und heiße Zitrone trinken.«

»Du musst nächste Woche wieder auf dem Damm sein. Denk an den Termin in Frankfurt.«

»Ja, ja«, winkte sie ab. »Du wirst mich schon pünktlich daran erinnern. Aber jetzt bin ich erst mal krank. Lass mich also bitte allein. Ich brauche meine Ruhe. – Eine heiße Zitrone könntest du mir aber noch bringen«, fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu.

Reichlich hilflos schaute er Lara an.

»Wie soll ich die zubereiten?«

»Meine Güte, Bruno! Du bist ein erwachsener Mann, du musst doch wissen, wie so was geht«, beschwerte sich Lara entnervt. »Zitrone ausdrücken, ein Löffel Zucker ins Glas und mit heißem Wasser aufgießen. Aber zur Not tut's auch ein heißer Tee. Beutel in die Tasse, kochendes Wasser drauf, fertig. Wenigstens das wirst du doch wohl schaffen, oder?«

Der fünfzigjährige Bruno Schulz, Manager des gefragten Models Lara Baumgart, zog nur kurz die Schultern hoch und verließ den Raum. Laras Sticheleien prallten an ihm ab wie Wassertropfen von einer Glasscheibe. Er hatte sich längst an eine gewisse Spannung zwischen ihnen gewöhnt, nahm ihre Launen hin und ließ sich niemals provozieren.

Aber er nutzte auch jede Gelegenheit, es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen. Dann nämlich, wenn sie wieder gegen die Richtlinien verstieß, die für ihre Karriere verbindlich waren.

Penibel achtete er darauf, dass sie ihren strengen Diätplan einhielt und alle Regeln befolgte. Weder durfte sie alles essen, noch durfte sie rauchen, und vor allem war es ihr strengstens untersagt, Alkohol zu trinken.

Wenn es bei einer Modenschau oder einer Party Champagner gab, war ihr nur ein einmaliges Nippen beim Anstoßen gestattet. Geriet sie dann doch in Versuchen, ein Schlückchen mehr zu trinken, nahm er ihr das Glas nur zu gerne aus der Hand und erinnerte sie mit tadelndem Blick an die vereinbarten Regeln.

Zu Lauras Pflichten gehörte es selbstverständlich auch, ausreichend Sport zu treiben, um ihren Körper geschmeidig zu halten. Es kam auf jeden Zentimeter an. Die gewünschten Modelmaße für den Catwalk waren 84 – 60 – 89, die Kleidergröße nannte man »Size zero«

Bruno selbst lehnte jede sportliche Betätigung ab. Seine ganze Fürsorge galt Lara, seinem Star, seinem Goldschatz. Seiner Einschätzung nach konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie die Berühmtheit einer Heidi Klum erreicht hatte.

Das viele Geld, das sie verdiente, verwaltete er, führte ordentlich die Steuern ab und sorgte für die ständige Vermehrung des Vermögens.

Sie lebten höchst komfortabel zusammen in einer Gräfelfinger Villa, die Lara erst im letzten Jahr gekauft hatte.

In diesem Nobelviertel verbanden sich die eleganten Gründerzeitvillen mit modernen Bauten zu einem gelungenen Ortsbild reizvoller Gegensätze. Die Würm plätscherte nach ihrem Abfluss aus dem Starnberger See gemütlich an Häusern und Tennisplätzen entlang und vermittelte zusätzlich ein angenehmes Ambiente. Die architektonisch vielseitige »Gartenstadt« erfreute sich bei zahlungsfreudigen Käufern allergrößter Beliebtheit. Hier lebten die Wohlhabenden unter sich.

Bruno war stolz, für Lara ein so tolles Objekt erworben zu haben, das zudem eine sichere Wertanlage darstellte.

Lara wohnte im oberen Stockwerk der Villa. Bruno hatte im Erdgeschoss seine Künstleragentur eingerichtet, ein Büro mit zwei Räumen. In einem weiteren, eher schlichten Zimmer schlief er. Er stellte keine großen Ansprüche an das Mobiliar, ganz im Gegensatz zu Lara, die eigens zu Ausstattungszwecken einen Innenarchitekten zurate gezogen hatte.

Immer hatte Bruno alle anstehenden Termine im Kopf – auch jetzt, als er in der Küche nach einigem Suchen endlich das Fach mit den verschiedenen Teesorten fand. Er wählte einen Pfefferminztee, den er als Junge im Internat auch oft getrunken hatte und bis heute verabscheute. Aber er wusste, dass Lara den Geschmack mochte.

Er trug die Tasse in den Wohnraum, wo Lara es sich inzwischen mit einer flauschigen Decke auf der üppigen Sofalandschaft bequem gemacht hatte.

»Danke, Bruno«, sagte sie. »Bist ja doch ein lieber Mensch.«

»Hattest du je Zweifel daran?«, fragte er augenzwinkernd. »Du und ich, wir beide sind ein super Team und werden es noch weit bringen. Jetzt trink deinen Tee und geh früh schlafen. Morgen wird es dir schon wieder besser gehen. Und im Kühlschrank ist noch ein Stück Hühnerfilet, das braucht nur aufgewärmt zu werden.«

Die Haushälterin kam jeden Tag, um ihren Pflichten nachzugehen. Sie reinigte alle Räume, kümmerte sich um die Pflanzen und wusch die Wäsche. Meistens kochte Frau Huber nach Brunos Anweisungen noch ein Gericht für Lara, das nur sehr wenig Kohlenhydrate enthielt und dem Model helfen sollte, seine Traumfigur zu behalten.

Bruno bestand darauf, dass sich Lara täglich auf die Waage stellte. Bei fünfhundert Gramm über dem für sie festgelegten Idealgewicht schlug er schon Alarm, was Lara für reichlich übertrieben hielt.

In kleinen Schlucken trank sie den heißen Tee.

»Ich habe heute keinen Appetit mehr«, meinte sie.

»Gut, ich gehe dann runter. Wenn du noch irgendwas brauchst, gib mir Bescheid.«

»Danke, aber ich komme schon klar«, erwiderte Lara. »Ich werde noch eine Folge meiner Lieblingsserie auf Netflix schauen. Gute Nacht.«

Sie wartete noch, bis Bruno endlich draußen war, dann erst erlaubte sie sich einen erleichterten Seufzer. Diesen Kontrollfreak ertrug sie immer weniger.

***

Seit vielen Jahren wohnte Chefarzt Dr. Holl mit seiner Familie am Münchner Stadtrand in einer geräumigen Villa mit parkähnlichem Garten. Zwei Söhne und zwei Töchter hatten hier eine unbeschwerte Kindheit erlebt oder erlebten sie noch. Denn Juju Holl, mit ihren elf Jahren die Jüngste in der Familie, befand sich noch mitten in dieser Lebensphase.

Gerade blätterte sie ein Modejournal durch und betrachtete höchst interessiert die die Frauen auf den Fotos.

»Die sind alle so schön«, befand sie schließlich. »Werde ich auch mal so aussehen, Mama?«

»Ganz sicher, mein Schatz. Du bist doch heute schon das hübscheste Mädchen weit und breit.«

»Wie wird man eigentlich Model?«

»Hm.« Diese Frage brachte Julia Holl, Familienmittelpunkt und Kinderärztin, erst mal aus dem Konzept. »Das weiß ich nicht so genau. Ich glaube, es gibt keine spezielle Ausbildung. Vielleicht muss man von einer Agentur oder einem Fotografen entdeckt werden? Eine besondere Ausstrahlung, Schönheit und eine schlanke Figur sind natürlich wichtig. Außerdem muss ein Model lernen, auf hohen Absätzen die neuesten Mode-Kreationen vorzuführen.«

»Oder barfuß!«, warf Juju ein.

»Auch das, aber nur selten. Gefragte Models fliegen viel in der Welt herum. Sie dürfen nicht alles essen, schon gar nichts, was dick macht. Also, ein einfacher Beruf ist das nicht. Man braucht ganz viel Disziplin.«

Julia dachte angestrengt nach, was sie ihrer Tochter noch erklären konnte. »Wenn man als Model für Werbespots gebucht wird, braucht man auch einiges Talent vor der Kamera. Schauspielunterricht ist sicher hilfreich, damit die Bewegungen nicht aufgesetzt wirken. Aber zum Glück musst du dich ja noch nicht entscheiden, welchen Beruf du später ausüben willst, Schatz. Vorerst bleibst du noch bei Papa und Mama im Nest. Da ist es doch auch schön, oder etwa nicht?«

»Ja, sehr«, erwiderte Juju und umarmte ihre Mutter. »Vielleicht bleibe ich sogar für immer bei euch, auch wenn ihr mal alt seid. Dann kaufe ich für euch ein, koche und mache das Haus sauber.«

»Das ist wirklich lieb von dir, mein Engel.« Julia drückte ihre Jüngste an sich. Sie mochte es sehr, tagsüber viel Zeit mit ihrer Jüngsten zu verbringen. Juju war das Nesthäkchen, von allen geliebt und verwöhnt. »Wie wär's, wenn wir beide uns jetzt noch ein Stück Apfelstrudel gönnen?«

Juju war sofort einverstanden und eilte in die Küche. Den Strudel hatte Cäcilie gebacken, die Wirtschafterin der Holls. Wenn sie einen freien Tag hatte, so wie heute, sorgte sie immer dafür, dass die Familie mit Gebäck oder vorgekochten Gerichten versorgt war. Julia Holl genoss Cäcilies Fürsorglichkeit.

Wie seine Frau war auch Dr. Stefan Holl ein Familienmensch. Die beiden wollten am liebsten immer alle Kinder um sich haben, aber es war nun einmal der Lauf der Welt, dass die Jugend irgendwann ausflog.

Trotz seines aufreibenden und auch zeitintensiven Berufs versuchte Stefan, wenigstens einige Male pro Woche mit der Familie gemeinsam am Tisch zu sitzen.

Das war nicht ganz einfach, weil die erwachsenen Zwillinge Daniela und Marc schon verstärkt ihre eigenen Wege gingen und oft in der Uni-Mensa aßen.

Und auch der sportbegeisterte Chris, mit seinen fünfzehn Jahren das Sandwichkind der Holls, befand sich oft zu verschiedenen Tageszeiten beim Training.

Juju hingegen war meistens zu Hause, doch auch sie hatte schon ihre Verabredungen.

Jetzt kam sie mit einem Tablett zurück, auf dem sie zwei gefüllte Kuchenteller und zwei Gläser mit Orangensaft balancierte.

Julia genoss die Stunden, die Juju und ihr ganz allein gehörten. Wenn erst die anderen nach und nach eintrudelten, würde es wieder lebhafter und lauter zugehen.

Ihre Tochter kam noch einmal auf das vorige Gesprächsthema zurück.

»Als Model bekommt man bestimmt viel Geld«, sagte Juju mit vollem Mund.

»Kommt darauf an, für wen oder was jemand modelt. Wenn man das Gesicht einer bekannten Kosmetikfirma ist, verdient man sicher gut. Aber das sind Ausnahmen. Ein einfacher Job ist das nicht, auch wenn es so aussieht. Models müssen sehr diszipliniert sein. Sie dürfen nicht alles essen, schon gar nichts, was dick macht. Zum Beispiel müssen sie ihre Finger von Schokolade lassen ...«

»Auch von Gummibärchen?«

Julia nickte. »Ja, auch von Gummibärchen. Models müssen ständig auf ihr Gewicht achten. Die meisten jungen Frauen machen das nur ein paar Jahre. Ab einem gewissen Alter werden dann auch die Aufträge weniger.« Sie lächelte ihre Jüngste an. »Vor ein paar Tagen wollest du doch noch Pilotin werden?«

»Stimmt.« Juju seufzte. »Ich muss ja auch erst so schön werden wie die da!«

Sie tippte auf ein Gesicht, dessen Makellosigkeit angeblich von einer wahren Wunder-Creme herrührte.

»Solche Fotos entsprechen nicht der Wirklichkeit«, versuchte Julia, ihre Tochter aufzuklären. »Falten im Gesicht werden wegretuschiert. Auf der Straße würdest du an einem solchen Model vorbeigehen, weil du es nicht wiedererkennen würdest.«

Nach diesem Gespräch mit ihrer Mama fand Juju den Pilotenberuf eigentlich doch wieder gar nicht so übel.

Dann kam Chris nach Hause und hatte viel von seinem Handball-Training zu erzählen.

Juju liebte ihren Bruder, auch wenn sie sich oft ein wenig kabbelten. Was aber nie zu einem wirklichen Streit ausartete.

An diesem Abend kamen sogar die Zwillinge pünktlich zum Essen, sodass Stefan, der kurz nach Chris eingetroffen war, wieder einmal alle am Tisch um sich versammelt hatte.

***

Eigentlich wollte Bruno Schulz noch einmal zu Lara gehen. Vielleicht hatte sie jetzt wieder Lust, mit ihm gemeinsam einen Film anzuschauen. Doch er scheute sich, die Stufen wieder hochzusteigen.

Das lag nicht nur an Laras schlechter Laune. Seit ein paar Tagen fühlte sich Bruno ausgesprochen schwach und kurzatmig. Der Elan, der ihn sonst verlässlich beflügelte, gleich mehrere Angelegenheiten auf einmal in Angriff zu nehmen, schien sich eine Auszeit genommen zu haben.

Im Grunde war er nicht hypochondrisch veranlagt, aber dieser unerklärliche Zustand machte ihm nun doch zu schaffen. Es hieß ja immer, ein Mann in seinem Alter sollte sich regelmäßig durchchecken lassen. Doch davor schreckte er zurück, denn es war auch bekannt, dass die Ärzte bei diesen Gelegenheiten immer etwas fanden.

Also verwarf er seine Idee, Lara für einen Film zu begeistern, und ging zu Bett.

Morgen würde es ihm hoffentlich besser gehen.

Doch im Bett wollte sich der ersehnte Schlaf einfach nicht einstellen. Also stand er wieder auf und wanderte im Haus umher. Er hätte auch einen Gang durch den Garten machen können, aber Regentropfen trommelten gegen die Scheiben.

Die restliche Nacht verbrachte er auf dem Sofa in seinem Wohnraum. Immer wieder nickte er ein und schreckte kurze Zeit später wieder hoch.

Bruno empfand ein permanentes Druck- und Völlegefühl im Oberbauch und konnte sich nicht erklären, woher es kam. Er war zwar Zeit seines Lebens kein Kostverächter gewesen, was Essen und besonders das Trinken anbelangte, und hatte sicher auch unzählige Male über die Stränge geschlagen. Aber er hatte sich nie davon gesundheitlich beeinträchtigt gefühlt.

Tief in seinem Inneren hielt er sich für unangreifbar. Dennoch verzichtete er schon seit einigen Monaten auf Alkohol in jeder Form, hauptsächlich wegen Lara, der er kein schlechtes Vorbild sein wollte. Sie regte sich immer öfter über seine Vorschriften auf und ließ außer Acht, dass die doch nur ihrem Wohl galten.

Aus dem anpassungsfähigen Mädchen war leider eine widerspenstige junge Frau geworden, die alles besser zu wissen glaubte. Immer öfter fühlte er sich hilflos, wenn Lara gegen seine Vorstellungen argumentierte. Auch darum konnte er sich ausgerechnet jetzt keine Krankheit erlauben. Seine Schwäche würde sie sofort ausnutzen und möglicherweise ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen.

Bruno fragte sich oft, warum sich ihre Beziehung so entwickelt hatte. So vieles hatten sie gemeinsam geschafft. Und so vieles würden sie noch gemeinsam erreichen, wenn es nach ihm ginge. Nur müsste Lara mitziehen. Danach sah es aber zurzeit nicht aus.

Er nahm ein paar tiefe Atemzüge und hoffte auf ein wenig Entspannung. Tatsächlich schien sich die Beklemmung in der Brust zu lösen, was er voller Dankbarkeit registrierte.

Gedanken an die Vergangenheit stellten sich ein.

Als er Lara mit knapp achtzehn Jahren in seine Obhut genommen hatte, war sie ein trauriges und ziemlich pummeliges Mädchen gewesen, das sich nach dem Tod ihres Vaters vor lauter Kummer in sich selbst zurückgezogen hatte.

Hinzu war noch eine Liebesgeschichte gekommen, über die sie noch heute nicht gern sprach.

Die Geschichte war ohnehin nicht sonderlich erwähnenswert. Lara hatte sich zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt, und der Auserwählte, ein gewisser Jan, schien das nicht bemerkt zu haben. Wohl deswegen, weil sie einfach zu dick gewesen war, hatte sie Bruno gegenüber geklagt.

Selbstverständlich hatte er sie getröstet und ihr erklärt, dass sie nur noch ein wenig Babyspeck habe, dem man ganz schnell den Garaus machen könne.

Und so war es dann auch geschehen.

Nach Laras Schulabschluss waren sie gemeinsam von Nürnberg nach München gezogen. Anfangs hatte er sich noch gefragt, wie er das schaffe sollte, sich neben dem Vollzeit-Beruf auch noch um ein junges Mädchen zu kümmern und das kleine Erbe für sie zu verwalten.

Ausgerechnet er, ein eingefleischter Junggeselle, der an Lebensgenuss und grenzenlose Freiheiten gewöhnt war, sollte den Ersatzpapa spielen?

Aber er hatte es Erich Baumgart nun mal auf dem Sterbebett versprochen, sich um seine mutterlose Tochter zu kümmern.

Bruno hatte sein Versprechen erfüllt. Er hatte die knapp Achtzehnjährige, die nach dem Tod des Vaters ganz allein gewesen war, zu sich genommen und mit einer strengen Diät dafür gesorgt, dass sie rank und schlank geworden war. Er hatte eine attraktive junge Frau aus ihr gemacht, ihr Selbstbewusstsein gestärkt und ihr beigebracht, sich modisch zu kleiden und trotz unbequemen Schuhwerks anmutig zu gehen.

Lara hatte überraschend schnell gelernt. Von einem der besten Fotografen hatte Bruno Bilder in verschiedenen Outfits machen lassen und sie Kosmetikkonzernen und Modehäusern angeboten. In weniger als zwei Jahren war Lara Baumgart ein gefragtes Model geworden. Ihr apartes Gesicht zog jeden Betrachter in seinen Bann.

In der Zeit hatte sie sich keine Ausrutscher geleistet und äußerst diszipliniert nach seinen Anweisungen gearbeitet. Sie hatte viel Geld verdient. Natürlich hatte er ebenfalls seinen Anteil bekommen.

Die Verträge waren ganz auf sie zugeschnitten worden. Dabei hatte ihm Astrid Loibl, eine tüchtige Münchener Rechtanwältin, geholfen.