Chefarzt Dr. Holl 1919 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1919 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Die strahlende Sonne, die herrliche Natur, die gute Luft und ausgiebig Zeit mit der Familie - darauf freut Dr. Holl sich schon seit Tagen. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen startet er samt seiner Frau Julia und den Kindern in den wohlverdienten Urlaub am Tegernsee. Nicht wissend, dass bei seiner Rückkehr sein bisher kniffligster Fall auf ihn wartet. Und der betrifft nicht irgendeinen Patienten, nein, ausgerechnet seinen neuen Chirurgen, Dr. Sandro Bremer, hat’s erwischt. Dieser klagt seit einiger Zeit über starke Schmerzen in der Schulter. Nachdem Dr. Holl den jungen Arzt operiert hat, wird alles noch viel schlimmer. Mit sorgenvoll gekrauster Stirn muss er mit ansehen, wie sein Kollege leidet und auch Sandros Bilderbuchehe mit seiner schwangeren Frau Roberta an den Strapazen zu zerbrechen droht.
Wird Chefarzt Dr. Holl am Fall Bremer scheitern?


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Inhalt

Cover

Wenn es eng wird ...

Vorschau

Impressum

Wenn es eng wird ...

Kann Dr. Holl seinen ungewöhnlichsten Fall lösen, bevor es zu spät ist?

Von Katrin Kastell

Die strahlende Sonne, die herrliche Natur, die gute Luft und ausgiebig Zeit mit der Familie – darauf freut Dr. Holl sich schon seit Tagen. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen startet er samt seiner Frau Julia und den Kindern in den wohlverdienten Urlaub am Tegernsee. Nicht wissend, dass bei seiner Rückkehr sein bisher kniffligster Fall auf ihn wartet. Und der betrifft nicht irgendeinen Patienten, nein, ausgerechnet seinen neuen Chirurgen, Dr. Sandro Bremer, hat's erwischt. Dieser klagt seit einiger Zeit über starke Schmerzen in der Schulter. Nachdem Dr. Holl den jungen Arzt operiert hat, wird alles noch viel schlimmer. Mit sorgenvoll gekrauster Stirn muss er mit ansehen, wie sein Kollege leidet und auch Sandros Bilderbuchehe mit seiner schwangeren Frau Roberta an den Strapazen zu zerbrechen droht.

Wird Chefarzt Dr. Holl am Fall Bremer scheitern?

»Hier, trink was.« Roberta griff nach der Wasserflasche. »Du warst heute ziemlich schwach.«

Sandro keuchte, nahm seiner Frau die Flasche aus der Hand und trank so gierig, dass er sich verschluckte, was einen Hustenanfall zur Folge hatte.

Roberta schlug ihm auf den Rücken.

»Was war los mit dir? So kenne ich dich gar nicht.«

Sie hatten gemeinsam gegen ein bekanntes Paar ein Doppel gespielt, saßen nun am Rand des Courts und schauten anderen beim Tennismatch zu.

»Wahrscheinlich brüte ich irgendwas aus«, vermutete Sandro immer noch keuchend. »Kein Wunder bei dem wechselhaften Wetter der letzten Woche.«

Vor zwei Tagen hatte ihn ein Gewitter beim Radfahren erwischt. Völlig durchnässt war er nach Hause gekommen.

Auch Roberta trank jetzt.

»Du bist nicht in Form«, stellte sie fest, aber der Klang ihrer Stimme war nicht vorwurfsvoll. »Warum lässt du dich nicht von deinen Klinik-Kollegen untersuchen?«

»Es ist wirklich nur was Harmloses«, lehnte er Robertas Vorschlag ab. »Das ist heute einfach nicht mein Tag. Morgen bin ich wieder topfit, versprochen.«

Er ärgerte sich insgeheim selbst über die plötzliche Schwäche. An keinen einzigen der entfernteren Bälle war er heute herangekommen, um sie ins Feld zurückzuschlagen. Die Hitze hatte es ihm zusätzlich schwer gemacht, das Match durchzustehen. Am liebsten hätte er vorzeitig aufgegeben, wollte sich aber vor den anderen keine Blöße geben.

»Wie du meinst ...« Roberta beobachtete ihn schon seit Tagen. Und da Sandro ein leidenschaftlicher Radfahrer und Tennisspieler war, fiel ihr natürlich auf, wenn er nur mit halber Kraft seinen Sport ausübte. »Ich gehe jetzt unter die Dusche«, teilte sie ihm mit und verstaute die Schläger in der Sporttasche.

Sandro stand auf. »Ich dusche zu Hause«, entschied er.

»Ich dachte, wir trinken noch was im Club«, erwiderte sie erstaunt.

»Heute habe ich keine Lust, aber du kannst gern noch bleiben.«

Roberta zögerte. Eigentlich wollte sie mit ihrer Freundin Tanja plaudern, die sich noch wacker auf dem roten Sand schlug.

»Und du bist mir nicht böse?«

»Aber nein, meine Süße.« Sandro zog sie an sich. »Ich radele gemütlich heim, nehme eine Dusche und leg mich dann ins Bett. Mach dir keine Sorgen.«

»Also dann, bis später.«

Noch ein Abschiedskuss vor der Trennung musste sein. Gleich zu Beginn ihres Zusammenlebens hatten sie beschlossen, sich immer zärtlich voneinander zu verabschieden. Wenn sie es im Alltag eilig hatten, kam es wenigstens noch zu einem schnellen Küsschen.

Obwohl Sandro gemächlich nach Haus fuhr, spürte er wieder dieses merkwürdige Gefühl im Schulterbereich, das ihn jetzt etwas häufiger befiel. Das Ziehen kam von der Wirbelsäule, vermutete er.

Im letzten Winter war er auf der glatten Straße ausgerutscht und nach hinten auf den Rücken gefallen. Da er direkt danach keinerlei Schmerzen verspürt hatte, hatte er sich nicht untersuchen lassen, auch wenn es kein Problem gewesen wäre, da die Diagnosegerätschaften und Fachärzte in der Berling-Klinik stets verfügbar waren. Und ganz sicher hätte sich der nette Kollege von der Röntgenabteilung auch dazu bereit erklärt, ihn einmal auf Herz und Nieren zu durchleuchten.

Als endlich ihr Haus in Sicht kam, fuhr er etwas schneller. Hier in Thalkirchen hatten sie ihre Traumimmobilie gefunden, in der Nähe vom Tierpark und der Isar.

In manchen Dingen waren sie nicht unbedingt immer einer Meinung, aber als sie dieses Haus besichtigt hatten, hatten beide sofort gewusst, dass sie genau hier leben wollten.

Die Kosten für eine gründliche Renovierung hatten sie ebenfalls in Kauf genommen. Da sie beide gut verdienten und Roberta über ein kleines Erbe verfügte, war es ihnen nicht schwergefallen, eine gute Anzahlung zu leisten. Den Rest hatten sie als Kredit von der Bank bekommen.

Sie fühlten sich sehr wohl in ihrem Haus mit großem Garten, der allerdings auch viel Arbeit machte. Anfangs hatten sie versucht, es allein zu schaffen, doch jetzt kam zwei- bis dreimal im Jahr ein Gärtner.

Erleichtert stieg Sandro vom Rad und schob es in die Garage, durch die er dann das Haus betrat. Er nahm eine Dusche, trank noch einen Saft und machte es sich anschließend auf einer Liege auf der Terrasse bequem, geschützt von einem Sonnenschirm.

Es tat ihm gut, so ausgestreckt dazuliegen. Seine Schulter schmerzte rechts ein wenig. Er hatte beim Tennisspiel wohl mit dem Arm zu weit ausgeholt. Bald döste er ein. Als er erwachte, ging es ihm schon wieder besser.

***

Am nächsten Tag fuhr Sandro zeitig zu seinem Arbeitsplatz in der Berling-Klinik. Um neun Uhr stand der Chirurg mit Chefarzt Dr. Stefan Holl im OP. Der Patient lag bereits anästhesiert in Seitenlage. Mit von der Partie waren Oberarzt Dr. Jordan und Assistenzarzt Dr. Germersbach.

»Der Tumor in der linken Niere des Patienten ist leider zu groß, um noch organerhaltend zu operieren«, erläuterte Dr. Holl seinem Team. »Wir haben uns für den radikalen Weg entschieden und müssen offen operieren. Die Niere samt ihrem Fettgewebe und den vergrößerten Lymphknoten muss raus. Und was wir dabei besonders beachten müssen, wissen Sie ja alle. Um Risiken bei der Wundinfektion zu vermeiden, ist der Patient prophylaktisch bereits mit Antibiotika vorbereitet worden.«

Sandro fühlte sich zwar nicht direkt angesprochen, aber es war ihm als neuer Mitarbeiter ein Bedürfnis, auch etwas zu sagen.

»Zunächst müssen alle zu- und abführenden Gefäße sorgfältig verschlossen und der Harnleiter gekappt sein, bevor wir die Niere entfernen können.«

Stefan Holl nickte. »Sehr richtig. Und ich dachte, diese Phase sollten Sie übernehmen, Doktor Bremer.«

Der Patient lag in Flankenlagerung auf einer Vakuummatratze. Im Rücken war der Operationstisch aufgeklappt worden, sodass die seitliche Lagerung der Lendenwirbelsäule gesichert war und der Patient während des Eingriffs nicht versehentlich in die Rückenlage geraten konnte.

»Dann los!« Stefan Holl nickte dem Oberarzt zu.

Die OP-Schwester drückte Jan Jordan ein Skalpell in die Hand, mit dem er einen schönen Flankenschnitt zwischen der elften und zwölften Rippe zog und penibel darauf achtete, den vorderen Ast der Thorakalnerven zu schonen, der mit der Bauchhöhle verbunden war. Dr. Germersbach übernahm die Blutstillung.

Um die Nierenvene sichtbar zu machen, schob Dr. Jordan das Bauchfell zurück. Einige Augenblicke später legte er den Harnleiter frei und wandte sich an Dr. Sandro Bremer.

»Herr Kollege, übernehmen Sie«, forderte er Sandro auf.

Mit einem Blick zeigte Stefan Holl seine Zustimmung. Dr. Bremer sollte jetzt beweisen, wie gut er einen Harnleiter verschließen konnte. Die beiden Chirurgen tauschten die Plätze.

Sandro suchte entlang des Harnleiters mit ruhiger Hand zunächst den Nierenhilus auf und fand rasch diese typische Einbuchtung am konkaven mittleren Rand der Niere, wo sich sämtliche Ein- und Ausgänge des Organs befanden.

Mit der Overholt-Klemme fasste er die Nierengefäße, befestigte zwei weitere Klemmen an Nierenvene und Nierenarterie. Dann durchtrennte er nacheinander die Hilusgefäße.

Anschließend nahm Dr. Jordan eine doppelte Ligatur vor, für die er ausgesprochen dickes Fadenmaterial verwendete. Nun war alles bereit, die Niere komplett aus ihrer Fettkapsel zu entfernen und herauszuheben.

Alle Augenpaare überzeugten sich von der Lage der Niere. Dr. Jordan begann mit der Präparation des Organs, hielt jedoch abrupt inne, als Verwachsungen zwischen Fett- und Nierengewebe sichtbar wurden.

Fragend schaute er zum Chefarzt.

»Nehmen wir alles heraus, oder lassen wir die Fettkapsel drin?«

»Alles raus«, entschied Dr. Holl.

Nun schnitt er selbst durch das Fettgewebe an der Niere entlang, um sie so herauszulösen. Vierzig Minuten später war der Eingriff beendet. Eine Drainage blieb zum Abfluss von Wundsekret noch an den Patienten angeschlossen.

»Gute Arbeit«, lobte Dr. Holl sein Team.

Sandro war mit sich zufrieden und hoffte einmal mehr, bald selbständig operieren zu dürfen, obwohl Oberarzt Dr. Jordan ihn manchmal immer noch behandelte, als wäre er sein Assistenzarzt. Dabei hatte Sandro seine Facharztausbildung schon vor einem Jahr beendet.

***

Zur gleichen Zeit saß Roberta mit ihrer Kollegin Jasmin in der Kantine des Amtsgerichts, wo sie zu Mittag aßen. Mit Appetit verspeiste die junge Richterin einen Salatteller mit Putenstreifen und einen Himbeerjoghurt.

Heute hatte sie lauter Sorgerechtsfälle entschieden. Bei zweien akzeptierten die Eltern, die vorher anderer Meinung gewesen waren, sich das Sorgerecht für ihr Kind zu teilen. Das war ganz im Sinne des Familiengerichts, deren Mitarbeiter stets versuchten, Eltern zu dieser Lösung zu bewegen, da sie in fast allen Fällen für das Kind am besten war. Bei zwei weiteren Elternpaaren war Roberta erfolglos geblieben.

Es fiel ihr immer sehr schwer, in diesen Fällen ein Elternteil vom Sorgerecht auszuschließen, aber oft blieb ihr keine andere Wahl. Denn an allererster Stelle stand das Wohl des Kindes. Und wenn durch Mutter oder Vater dieses Wohl gefährdet war, musste sie konsequent handeln, damit das Kind keinen Schaden nahm.

Die Sorgerechtsregelung oblag dem Gericht nur bei uneinigen Eltern, bei denen leider oft einer danach strebte, sich am anderen Teil durch Kindesentzug zu rächen.

An diesem Tag standen keine weiteren Prozesse mehr an. Sie würde noch einige Akten für die nächsten Verhandlungstermine sichten, ein Urteil schreiben und dann nach Hause fahren.

»Da sitzen wir Tag für Tag auf unserem hohen Thron und bestimmen, wann und ob der Mann eine Besuchserlaubnis bekommt. Warum nur können sich die Eltern nicht einigen? Es handelt sich doch immer um das gemeinsame Kind. Natürlich ist mir die Psychologie klar, die dahintersteckt, aber ich verstehe es trotzdem nicht.«

»Bei mir war es heute einmal umgekehrt, ich habe einer Frau ein Besuchsrecht erteilt, allerdings nur unter Aufsicht«, erzählte Jasmin, die schon ein paar Jahre mehr Erfahrung hatte als Roberta. »Diese Mutter leidet nachweislich am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom und hat ihr Kind ständig mit Tabletten zugedröhnt ...«

»Entsetzlich«, warf Roberta ein.

»Ja, findest du nicht auch? Das Kind war zu Hause immer krank. Kam es in die Klinik, verschwanden die Symptome. Zu Hause begannen sie von Neuem. Wenn es krank war, brachte sie es mit allen Anzeichen der Verzweiflung in die Klinik, wo die Symptome schnell verschwanden. War das Kind wieder zu Haus, erkrankte es erneut. Zum Glück wurde sie auf frischer Tat ertappt. Dem geschiedenen Vater wurde natürlich das komplette Sorgerecht zugesprochen.«

»Also konnte bei der Mutter eine psychische Störung diagnostiziert werden«, kommentierte Roberta. »Kann man die nicht behandeln?«

Jasmin zog nur die Schultern hoch.

»Möglich, aber darum müssen sich die Betroffenen selbst kümmern.«

»Machst du heute noch lang?«

»Ich treffe mich nachher noch mit ein paar Kollegen. Jetzt ist Biergartenwetter. Das müssen wir ausnutzen. Kommst du mit?«

»Ich weiß nicht.« Roberta konnte sich so schnell nicht entscheiden. Wenn ihr Liebster gekocht hätte, würde sie lieber nach Hause fahren. »Ich telefoniere noch mit Sandro.«

»Musst du erst seine Erlaubnis einholen?«

So ganz konnte Jasmin die Ironie in ihrer Stimme nicht verbergen.

Roberta nahm der Kollegin diese Frage nicht krumm.

»Nein, ganz bestimmt nicht«, erwiderte sie locker. »Wir stimmen uns nur ab, sagen einander Bescheid, wo wir sind oder dass wir später heimkommen. Das ist für mich auch eine Frage der Höflichkeit. Und der andere soll sich ja auch keine Sorgen machen. Nein, Sandro ist kein Kontrollfreak.«

»War nicht so gemeint«, versuchte Jasmin sofort, die Wogen zu glätten.

»Weiß ich doch.«

Roberta zwinkerte ihr zu und griff nach ihrem Handy, um Sandro anzurufen.

Er war noch in der Klinik und würde voraussichtlich bis in die späteren Abendstunden bleiben.

»Klar, geh nur mit deinen Kollegen was trinken. Und nimm dir für den Heimweg ein Taxi«, riet er ihr zum Abschied.

Es wurde dann ein richtig lustiger Abend. Roberta bestellte sich eine Leberkässemmel und trank einen Wein dazu, was in der Runde als Stilbruch belächelt wurde, aber sie mochte nun mal lieber Wein als Bier.

Als sie ziemlich spät heimkam, lag Sandro schon im Bett. Als sie unter ihre Decke schlüpfte, streckte sie ihre Hand nach ihm aus.

»Bin wieder da«, flüsterte Roberta. »Und ich liebe dich.«

Es kam keine Antwort. Sandro schlief tief und fest.

***

Zwei Tage später verstärkten sich die Schmerzen in der rechten Schulter noch, sodass Sandro bei seinem ersten Eingriff an diesem Vormittag kurz überlegte, ob er einen Kollegen bitten sollte, für ihn einzuspringen. Als Rechtshänder war ihm der rechte Arm unentbehrlich. Doch er verwarf diesen Gedanken schnell wieder.

Einem jungen Patienten musste wegen einer Infektion der Wurmfortsatz entfernt werden. Dieses kleine Anhängsel des Blinddarms konnte im Fall des Falles erhebliche Komplikationen verursachen und unbehandelt zu einem Darmdurchbruch, schlimmstenfalls sogar zu einer lebensgefährlichen Bauchfellentzündung führen. Während der gesamten Laparoskopie biss Sandro die Zähne zusammen, um sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Mit Hilfe der minimalinvasiven Operationsmethode holte er das entzündete Stückchen Darmgewebe aus dem Bauchraum. Im Grunde handelte es sich um einen Routineeingriff von kurzer Dauer. Aber weil seine Schulter derart wehtat, wurde jede Bewegung zunehmend zu einer Tortur.

»Der Wurmfortsatz ist raus. Verschließen Sie die kleinen Löcher«, wies er den Assistenzarzt Hansen an, der Sandros Aufforderung erfreut nachkam.

Jochen Hansen hatte schon befürchtet, während der ganzen OP ohne Aufgabe zu bleiben.

Als Sandro die Lupenbrille abnehmen wollte, verstärkte sich der Schmerz im rechten Schulter-Arm-Bereich so sehr, dass ein unwillkürlicher Laut über seine Lippen kam. Zum Glück hörte es niemand.

Mit der Linken zog er sich notdürftig die OP-Kleidung ab und stopfte alles in den Behälter im Vorraum. Spätestens da wurde ihm klar, dass er diesem Symptom nachgehen musste.

Am Nachmittag suchte Sandro den Mann auf, der in der Berling-Klinik den Fachbereich für Orthopädie leitete.

»Haben sie einen Moment Zeit für mich?«

»Guten Tag, Doktor Bremer«, grüßte Robin Maiwald, der in der Berling-Klinik Orthopäde und ein anerkannter Spezialist für Sportverletzungen war. »Aber klar, für einen lieben Kollegen doch immer. Was kann ich denn für Sie tun?«

»Ich habe häufig Schmerzen im Arm und in der Schulter, rechte Seite.«

»Sind Sie gestürzt? Mit dem Rad zum Beispiel?«

»Nein, im Winter bin ich mal auf den Rücken gefallen. Aber das ist schon lang her. Und die Schmerzen im Arm habe ich erst seit Kurzem.«

»Seit wann genau?«

»Kann ich gar nicht sagen, zwei Wochen vielleicht. Oder auch drei.«

»Treiben Sie Sport?«

»Ja, ich fahre Rad und spiele Tennis. Aber beim letzten Match habe ich nicht geglänzt, da waren die Schmerzen schon zu groß.«

»Haben Sie Kopfschmerzen? Verspannungen im Nacken? Schmerzen zwischen den Schulterblättern? Taubheitsgefühle?«

»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Sandro.

»Schmerzen entstehen häufig durch Überlastung. Aber sie sind eben auch sehr unspezifisch. Das heißt, Sie müssen mir mehr erzählen. Ich habe aber gleich eine Knie-OP. Morgen am späteren Nachmittag würde es besser passen. Dann können wir in Ruhe reden und uns ein paar diagnostische Maßnahmen überlegen.«

Sandro war sofort einverstanden. Das Gespräch mit dem sympathischen Kollegen half ihm schon ein wenig, nicht mehr so oft daran zu denken, wie es bei der nächsten Operation sein würde. Wenn er die Arme stillhielt, spürte er die Schmerzen kaum. Er vertraute auf seine gute Gesundheit, die ihn bisher noch nie im Stich gelassen hatte, und hoffte, dass die Schmerzen von allein wieder verschwanden.

***

»Nächste Woche geht es endlich los«, sagte Stefan Holl mit einem kleinen erleichterten Seufzer.

An diesem Tag war er früher nach Hause gekommen als erwartet, was seine Frau Julia freute. Sie fand, dass sie in der letzten Zeit viel zu wenig von ihrem Mann hatte.