Chefarzt Dr. Holl 1925 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1925 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Übermüdete Ärzte mit dunklen Ringen unter den Augen und gestressten Mienen hetzen über die Flure der Münchener Berling-Klinik. Oje, die vielen Extraschichten hält mein Team nicht mehr lange durch, sorgt sich Dr. Stefan Holl und begibt sich auf die Suche nach ambitionierten Nachwuchsärzten.
Ein glücklicher Zufall kommt ihm zu Hilfe, als sein ehemaliger Doktorvater, Professor Alexander Pechstein, zum Gesundheitscheck nach München kommt. Begleitet wird der Professor von seinem hochbegabten Schützling, und der tatsächlich sucht tatsächlich nach einer Anstellung.
Es klingt zunächst perfekt- doch die Sache hat einen Haken, denn Dr. Mischa Oswald ist Autist. Empathie und soziale Interaktion sind ihm fremd.
Kritischen Gegenstimmen zum Trotz wagt Dr. Holl den Versuch und stellt Mischa als Assistenzarzt in der Chirurgie ein. Was der Klinikleiter nicht ahnt: Diese mutige Entscheidung wird seinem langjährigen Freund das Leben retten - und vielen mehr ...


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Inhalt

Cover

Das Genie in der Chirurgie

Vorschau

Impressum

Das Genie in der Chirurgie

Er ist Autistund hat unglaubliche Fähigkeiten

Von Katrin Kastell

Übermüdete Ärzte mit dunklen Augenringen und gestressten Mienen hetzen über die Flure der Münchener Berling-Klinik.

Oje, die vielen Extraschichten hält mein Team nicht mehr lange durch, sorgt sich Dr. Stefan Holl und begibt sich auf die Suche nach ambitionierten Nachwuchsärzten.

Zur gleichen Zeit begibt sich sein ehemaliger Doktorvater, Professor Alexander Pechstein, zum Gesundheitscheck nach München. Begleitet wird der Professor von seinem hochbegabten Schützling, und der sucht doch tatsächlich nach einer Anstellung.

Es klingt zunächst perfekt – doch die Sache hat einen Haken, denn Dr. Mischa Oswald ist Autist. Empathie und soziale Interaktion sind ihm fremd.

Kritischen Gegenstimmen zum Trotz wagt Dr. Holl den Versuch. Er stellt Mischa Oswald als Assistenzarzt in der Chirurgie ein. Was der Klinikleiter nicht ahnt: Diese mutige Entscheidung wird seinem langjährigen Freund das Leben retten – und vielen Menschen mehr ...

»Bist du bereit?« Professor Theodor Pechstein betrat das Zimmer seines Schützlings.

Hochkonzentriert blickte Mischa Oswald auf das Bett, auf dem ordentlich aufgereiht sämtliche Kleidungsstücke lagen, die er für das größte Abenteuer seines noch so jungen Lebens benötigte.

»Sieben Paar schwarze Socken, sieben graue Shorts, sieben weiße T-Shirts, sieben weiße Hemden, sieben ... nein, zwei Paar schwarze Jeans«, zählte er auf.

Zum dritten Mal an diesem Morgen packte er die Reisetasche komplett aus und wieder ein.

»Du kannst den Reißverschluss jetzt zuziehen und zulassen«, schritt der Professor mit ruhiger Stimme ein. »Ich habe genau mitgezählt. Du hast nichts vergessen.«

»Sicher nicht?«

»Nein, Mischa, hast du nicht.«

»Gut.«

Mischa durchquerte das Zimmer und trat an den Schreibtisch. Er zog die Schublade auf und zählte die Stifte, die, fein säuberlich nach Farben sortiert, nebeneinander lagen. Die Bücher auf dem Tisch legte er Kante auf Kante, genau wie die Schreibtischunterlage, die exakt in der Mitte der Tischplatte liegen musste. Er betrachtete sein Werk und nickte. Endlich war alles in Ordnung.

»Können wir jetzt gehen?«

Professor Pechstein sah auf die Uhr. In etwas mehr als einer Stunde fuhr der Zug, der ihn und seinen Schützling nach München bringen würde.

Es grenzte an ein Wunder, dass Mischa nach dem schrecklichen Unglück vor knapp zwanzig Jahren dieses Verkehrsmittel wieder benutzen konnte. Zahllose Therapiestunden waren dazu nötig gewesen, und in einigen Momenten war die Therapeutin an ihre Grenzen gestoßen. Trotzdem wollte der Professor die Hoffnung nicht aufgeben, dass Mischa Oswald schon bald ein ganz normales Leben führen konnte. Dies war auch der Grund, warum er sich heute gemeinsam mit seinem Schützling auf den Weg nach München machte.

Von der Straße ertönte ein Hupen. Professor Pechstein trat ans Fenster, schob den Vorhang beiseite und blickte hinaus in den grauen Tag.

»Das Taxi ist da.«

»Moment.« Mischa schloss die Schublade und ging zur Garderobe. Er nahm die Jacke vom Haken und schlüpfte hinein. Sorgfältig schloss er einen Knopf nach dem anderen, auch den obersten. Bevor er nach dem Gepäck griff, steckte er die Hand in die Tasche. Seine Finger schlossen sich um das weiche Fell seines Plüschhundes. Er atmete auf. Jetzt konnte ihm nichts mehr geschehen. »Wir können gehen.«

Der Professor schickte ein Stoßgebet in den Himmel. Bis zuletzt hatte er gefürchtet, Mischa nicht dazu bewegen zu können, die gewohnten Strukturen zu verlassen.

Doch auch in dieser Hinsicht war die Arbeit der Therapeutin von Erfolg gekrönt. Mischas ausgeprägtes Bedürfnis nach Beständigkeit, Routine und Ordnung hinderte ihn nun nicht mehr daran, ein halbwegs normales Leben zu führen.

Die Psychologin hatte ihm eine Art geplante Flexibilität beigebracht, die ihm half, wie ein Schachspieler mögliche Züge anderer Menschen oder das Geschehen vorauszudenken und Pläne zu entwickeln, wie er darauf reagieren konnte. Denn für Mischa war das Handeln seiner Mitmenschen chaotisch und nicht nachvollziehbar, besonders dann, wenn Emotionen ins Spiel kamen.

Zum Glück wusste sein Mentor das und ging entsprechend darauf ein.

»Das Taxi bringt uns jetzt zum Bahnhof. Dort kaufe ich eine Zeitung und etwas Proviant, bevor wir in den Zug Richtung München steigen«, erklärte Professor Pechstein auf der Fahrt durch Hamburgs Straßen.

Die erste Welle des Berufsverkehrs war bereits verebbt, die Häuser der Stadt zogen an Mischas Augen vorbei. Wenn der Wagen an einer roten Ampel hielt, betrachtete er die Fußgänger – Eltern mit Kinderwägen und Kleinkindern auf Laufrädern, Passanten mit Aktentaschen, die es offenbar eilig hatten, ins Büro zu kommen.

Auf dem Weg durch den Hamburger Bahnhof richtete Mischa Oswald seinen Blick stur geradeaus. Die rechte Hand steckte in der Jackentasche und streichelte unablässig das weiche Plüschfell.

Während Theodor Pechstein an der angekündigten Imbissbude anstand, um Sandwiches und Wasserflaschen zu kaufen, nahm ein kleiner Junge mit tränenüberströmtem Gesicht Mischas Aufmerksamkeit gefangen.

»Warum weint der Junge?«, erkundigte er sich bei seinem Mentor, als der mit dem Essenspaket zurückkehrte.

»Ich glaube, seine Kekse sind heruntergefallen und zerbrochen.«

»Na und? Wenn er sie isst, gehen sie doch eh kaputt.«

»Das stimmt.« Professor Pechstein schmunzelte. »Aber stell dir doch mal vor, es wären deine Kekse, die deine Großmutter für dich gebacken hat. Oder ein Schoko-Nikolaus, den dein Papa dir geschenkt hat. Dann wärst du auch traurig, wenn sie kaputtgehen würden.«

Nach kurzer Bedenkzeit pflichtete Mischa seinem Mentor bei.

Ruckelnd setzte sich der Zug nach München in Bewegung, langsam erst und dann immer schneller, bis die Landschaft als bunte Striche an den Passagieren vorbeiflog. Mischas Hand streichelte unaufhörlich das Fell seines kleinen Plüschhundes.

Das große Abenteuer – eine eigene Wohnung mitten in der Stadt, ein Arbeitsplatz, der Beginn einer großen Karriere –, Dinge, die für andere junge Menschen selbstverständlich waren, stand unmittelbar bevor. Das hatte ihm der Professor angekündigt.

Was Mischa nicht wusste und auch nicht erfahren musste: Der Plan war noch nicht perfekt. Ein kleines, entscheidendes Detail fehlte noch, und Professor Theodor Pechstein konnte nur hoffen, dass ihn sein langjähriger Freund Dr. Stefan Holl in diesem Punkt nicht im Stich lassen würde ...

***

»Aus dem Weg!«

Eine Fahrradklingel trieb die drei Assistenzärzte auseinander, die in aller Frühe auf den Eingang der Berling-Klinik zustrebten.

Dr. Ruben Schmidt stöhnte auf.

»Bin ich froh, dass Ella nicht meine Freundin ist. So viel Temperament am frühen Morgen würde mich eindeutig überfordern.«

Seine beiden Kollegen Peter Donat und Christian Seefelder lachten herzhaft.

»Habt ihr meine E-Mail von gestern bekommen?«, rief Dr. Ella Neuhaus vom Fahrradständer herüber. Sie überprüfte, ob das Schloss auch eingeschnappt war, hängte sich die Tasche über die Schulter und gesellte sich zu ihren Kollegen. »Ich habe euch die Dienstplanänderung geschickt.«

Ruben schüttelte den Kopf.

Peter zog sein Handy aus der Jackentasche.

»Einen Moment, das haben wir gleich.« Wie angewurzelt blieb er stehen. »Wie bitte? Das ganze Wochenende Bereitschaft?«

»Das ist doch bestimmt ein Scherz«, vermutete Ruben.

Ella verzog den Mund. »Leider nein.«

»Ich dachte, wir haben nur heute Bereitschaft, und Sonntag ist ausnahmsweise mal frei«, schimpfte Christian Seefelder lautstark.

»Beschwerden bitte direkt an den Chef«, wehrte sich Ella gegen die Angriffe. »Er hat den Dienstplan höchstpersönlich abgesegnet.«

Die Türen der Berling-Klinik schoben sich vor den Kollegen auf. Trotz der Verstimmung vergaßen die Männer ihre guten Manieren nicht und ließen Ella Neuhaus den Vortritt.

Dort, wo es tagsüber zuging wie in einem Taubenschlag, herrschte um diese Uhrzeit noch eine angenehme Ruhe.

Die Schwestern hinter dem Empfangstresen tauschten im Flüsterton die neuesten Nachrichten aus, zwei Ärzte durchschritten Seite an Seite die Halle. Ein Servicemitarbeiter befüllte den Kaffeeautomaten in der Ecke neu.

Die Assistenzärzte warteten am Aufzug, als sich Dr. Holl zu ihnen gesellte. Auch er hatte die Klinik erst vor ein paar Minuten betreten und war auf dem Weg in sein Büro.

»Guten Morgen, die Herrschaften«, grüßte er mit strahlendem Lächeln in die missmutigen Gesichter.

Ausgerechnet Ruben Schmidt – der Jüngste im Bunde – nahm nun allen Mut zusammen und sprach seinen Chef auf die Neuigkeiten an: »Herr Doktor Holl ...«

»Sie haben vollkommen recht. Der Dienstplan ist eine Zumutung«, kam der Klinikleiter seinem Assistenzarzt zuvor.

Die Aufzugtüren öffneten sich. Stefan Holl trat ein. Seine Mitarbeiter tauschten flüchtig irritierte Blicke und folgten ihm schweigend.

»Warum haben wir alle gleichzeitig so lange Bereitschaft?«, wagte Dr. Christian Seefelder dann eine Frage.

»Leider gibt es keine andere Option.« Es war Stefan Holl anzusehen, dass er gerne andere Nachrichten für seine Mitarbeiter gehabt hätte. »Ich habe ausführlich mit den Kollegen der Fachabteilungen darüber diskutiert.«

»Aber wie kann es dann sein, dass Jochen Hansen Urlaub hat?«, erkundigte sich Ella Neuhaus.

»Kollege Hansen ist auf einer Fortbildung. Die ist wichtig für ihn und kommt letztlich auch Ihnen zugute.«

»Nicht, wenn wir wegen Burn-out ausfallen.«

»Oder vor Erschöpfung am OP-Tisch einschlafen«, murrte Ruben Schmidt.

Dr. Holl warf einen Blick in die Runde.

»Ich weiß, dass dieser Dienstplan alles andere als erfreulich ist. Aber leider haben wir keine Wahl. Momentan sind wir hoffnungslos unterbesetzt.« Er machte gar nicht erst den Versuch, das Problem schönzureden. »Ich versichere Ihnen, dass ich sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt habe, um diese Situation so schnell wie möglich zu ändern.« Stefan Holl blieb nichts anderes übrig, als an die Kollegialität seiner Mitarbeiter zu appellieren. »An diesem Wochenende müssen wir aber leider alle in den sauren Apfel beißen und zusammenhalten.«

Mit einem »Ping!«, hielt der Aufzug im zweiten Stock. Dr. Ella Neuhaus verabschiedete sich als Erste. Alle anderen folgten in den nächsten Etagen, bis Dr. Holl schließlich allein in der Chefetage ausstieg.

»Guten Morgen, Moni«, grüßte er seine Assistentin.

»Guten Morgen, Chef.« Trotz ihrer Jugend entging ihrem geschulten Auge nichts. »Na, haben Sie schlecht geschlafen?«

»Wie kommen Sie denn darauf?«

»Weil Sie so grimmig aussehen. Außerdem haben Sie Augenringe.«

Ein Lächeln huschte über Dr. Holls Gesicht.

»Tut mir leid. Ich gelobe Besserung«, versprach er und wollte in seinem Büro verschwinden, als er sich auf halber Strecke noch einmal umdrehte. »Sie oder Ihr Mann kennen nicht zufällig einen oder noch besser mehrere Kollegen, die auf der Suche nach einer Stelle sind?«

Bedauernd schüttelte Moni Wolfram den Kopf.

»Michael und ich zerbrechen uns schon seit Tagen die Köpfe. Er hat sogar das Internet nach ehemaligen Kommilitonen durchforstet und sogar mit zwei oder drei alten Freunden telefoniert. Aber es ist wie verhext.«

»Das ist lieb von Ihnen, vielen Dank.« Nur mit Mühe konnte Dr. Holl ein Seufzen unterdrücken. »Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als auf ein Wunder zu hoffen und erst einmal weiterzumachen. Was steht heute an?«

Moni Wolfram beugte sich über den Kalender auf ihrem Schreibtisch. Wegen der besseren Übersichtlichkeit wollte sie trotz der technischen Möglichkeiten nicht auf ihren Tischkalender verzichten.

»In einer halben Stunde haben Sie einen Termin mit der Pflegedienstleitung. Die Agenda habe ich Ihnen per E-Mail geschickt. Danach kommen eine Dame und ein Herr von der Firma ›MedTec‹.«

»Ach, da geht es um das neue Angiografiesystem«, erinnerte sich der Klinikleiter. »Dieses Gerät soll für mehr Flexibilität und Schnelligkeit in der Diagnostik und Therapie von Gefäßerkrankungen sorgen. Ich bin gespannt.«

Wie immer saugte Moni Wolfram jedes Wort ihres Chefs auf. Als Frau des Chirurgen Dr. Michael Wolfram nutzte sie jede sich bietende Gelegenheit, um ihr Wissen auf medizinischem Gebiet zu erweitern. Es bereitete ihr eine diebische Freude, Michael mit ihren Kenntnissen zu verblüffen.

»Ich freue mich schon auf Ihren Bericht. Aber der wird wohl bis nachmittags warten müssen«, bemerkte sie mit einem Blick in den Kalender. »Wie jeden Freitag steht heute Vormittag auch noch Ihre Privatsprechstunde auf dem Programm. Ein gewisser Professor Pechstein hat sich angemeldet. Er meinte, Sie kennen sich.«

Schlagartig erhellte sich Dr. Holls Miene.

»Natürlich kenne ich Professor Pechstein! Er war damals mein Doktorvater. Ihm und seiner Förderung und Unterstützung habe ich meinen reibungslosen Berufseinstieg zu verdanken.« Ein Gedanke kam ihm in den Sinn. »Aber was macht der Professor hier in München? Ich dachte, er treibt sich irgendwo im Norden Deutschlands herum.«

»Er ist seit vierzehn Tagen zurück in München und möchte sich gründlich durchchecken lassen«, wusste Moni zu berichten.

»Es ist mir eine Ehre«, versicherte Dr. Holl und machte sich endgültig auf den Weg in sein Büro.

Die Freude über den Besuch seines Mentors, mit dem ihn inzwischen eine lockere aber nicht minder innige Freundschaft verband, ließ die drängenden Sorgen wenigstens für eine Weile in den Hintergrund treten.

***

Die Zeit verging wie im Flug, und ehe es sich der Klinikchef versah, betrat sein ehemaliger Doktorvater das Sprechzimmer.

»Theodor, was für eine Freude!«

Die beiden Männer umarmten sich.

»Die eigene Klinik scheint dir gut zu bekommen«, lobte Professor Pechstein nach einem prüfenden Blick. »Gut siehst du aus. Wenn auch ein bisschen müde.«

Stefan Holl geleitete seinen Besucher zum Schreibtisch und bot ihm einen Platz an.

»Ehrlich gesagt muss ich meiner lieben Frau momentan recht geben. Ich verbringe wesentlich mehr Zeit in der Klinik, als mir guttut. Leider kann ich im Augenblick nichts daran ändern.«

Dankend nahm Theodor Pechstein das Glas Wasser an, das Dr. Holl ihm anbot.

»Wir sind ja hier unter uns.« Er zwinkerte dem Freund zu. »Du kannst ruhig zugeben, dass es dir genauso geht wie mir. Wir beide können nicht ohne unsere Arbeit leben.«

Stefan Holl erwiderte das Lachen kaum.

»Im Prinzip gebe ich dir natürlich recht. Aber was zu viel ist, ist zu viel. Deshalb bin ich dringend auf der Suche nach neuen Assistenzärzten. Doch es ist wie verhext.« Er lauschte dem Nachhall seiner Worte. Dann lächelte er doch noch. »Aber was rede ich da! Du bist sicher nicht gekommen, um dir mein Lamento anzuhören. Was kann ich für dich tun?«

Professor Pechsteins Augen blitzten auf.

»Eine Hand wäscht die andere. Du checkst mich durch und findest heraus, warum ich mich nicht fit fühle. Im Gegenzug verschaffe ich dir einen neuen Assistenzarzt.«

Stefan Holl konnte sein Glück kaum fassen.

»Du kennst wirklich jemanden? Das hatte ich nicht zu hoffen gewagt, zumal du ja inzwischen im Ruhestand bist«, meinte der Chefarzt, während er seinen Freund auf die Untersuchungsliege bat.

»Trotzdem habe ich den Kontakt zu meinen Kollegen nicht verloren.« Theodor Pechstein knöpfte das Hemd auf, damit Stefan Holl mit der Untersuchung beginnen konnte.

»Allerdings muss ich gestehen, dass es sich bei Doktor Mischa Oswald um einen ganz besonderen Fall handelt.«

Der Klinikchef zog die Oliven des Stethoskops aus den Ohren.

»Inwiefern?«, fragte er und bat den Professor, aufzustehen und ihm den Rücken zuzuwenden.

Theodor Pechstein zögerte. »Nun ... Mischa Oswald ist Autist.«

»Moment.« Schlagartig unterbrach Dr. Holl seine Untersuchung. Er fasste seinen Patienten an den Schultern und drehte ihn wieder zu sich herum. »Habe ich das richtig verstanden? Du empfiehlst mir, einen Autisten als Assistenzarzt einzustellen?«

»Genau genommen will Mischa Facharzt für Chirurgie werden. Es wäre also schön, wenn ihn dein Chefarzt der chirurgischen Abteilung unter seine Fittiche nehmen könnte.«

Dr. Holl musterte seinen Mentor aus schmalen Augen.