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Kisten packen, streichen und Möbel aufbauen - darum dreht sich die Welt der Holl-Zwillinge dieser Tage. Denn ein schickes Altbau-Appartement in der Münchener Innenstadt ist frei geworden.
Während der Umzug in vollem Gange ist, wird Marcs erste feste Freundin Samira Abadi nach einem Sturz in die Berling-Klinik eingeliefert. Dr. Stefan Holl bittet seinen Sohn um Hilfe. Marc soll Samiras Vertrauen gewinnen, denn der Chefarzt vermutet Schlimmes. Anstatt vor Glück zu strahlen, ist die aufstrebende Popsängerin erschreckend dünn und zerbrechlich geworden ...
Ihr Lächeln wirkt aufgesetzt, als Marc das Patientenzimmer betritt. Doch fühlt sich für beide alles so aufregend an wie früher. Eines Nachts im Musikraum der Klinik vertraut Samira ihm ihr schreckliches Geheimnis an: Durch den immensen Erfolgsdruck hat die Sängerin eine Bulimie entwickelt ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Abschiedstränen im Hause Holl
Vorschau
Impressum
Abschiedstränen im Hause Holl
Die Zwillinge Marc und Dani ziehen aus
Von Katrin Kastell
Kisten packen, streichen und Möbel aufbauen – darum dreht sich die Welt der Holl-Zwillinge dieser Tage. Denn ein schickes Altbau-Appartement in der Münchener Innenstadt ist frei geworden.
Während der Umzug in vollem Gange ist, wird Marcs erste feste Freundin Samira Abadi in die Berling-Klinik eingeliefert. Dr. Stefan Holl bittet seinen Sohn um Hilfe. Marc soll Samiras Vertrauen gewinnen, denn der Chefarzt vermutet Schlimmes. Seit der Schulzeit ist die aufstrebende Popsängerin erschreckend dünn und zerbrechlich geworden ...
Ihr Lächeln wirkt aufgesetzt, als Marc das Patientenzimmer betritt. Doch fühlt sich für beide alles so aufregend an wie früher. Eines Nachts im Musikraum der Klinik vertraut Samira ihm ihr schreckliches Geheimnis an: Durch den immensen Erfolgsdruck hat die Sängerin eine Bulimie entwickelt ...
»Wow!«, entfuhr es Marc Holl, kaum dass sein Vater Stefan die Tür zu der Wohnung aufgeschlossen hatte, die das neue Zuhause der Holl-Zwillinge werden sollte.
»Das ist ja der Hammer!« Beim Anblick der hohen Decke und der weiß gelackten Flügeltüren schlug Dani die Hand vor den Mund. Diese Wohnung übertraf ihre kühnsten Träume. In Socken schwebte sie förmlich über den honigfarbenen Parkettboden. »Oh Marc, schau doch mal die schönen Fliesen im Bad! Und es hat sogar ein Fenster.«
»Und ein extra Gäste-WC, auch mit Tageslicht. So was findet man heutzutage nur noch in Altbauwohnungen.« Julia Holl spähte in den länglichen, schmalen Raum. Ihr Mann trat hinter sie, um sich ebenfalls ein Bild zu machen. Sie schickte ihm einen Schulterblick. »Hast du nicht neulich den Vorschlag gemacht, wir könnten das Haus den Kindern überlassen?«
Stefan bemerkte das Glitzern in den Augen seiner Frau.
»Du meinst, wir sollten in diese Wohnung einziehen?«
»Genau das meine ich.« Julias Stimme hallte durch die leeren Räume. »Drei Zimmer, schicke neue Küche mit Balkon, Bad und Gäste-WC. Das ist perfekt für uns.«
Mit angehaltenem Atem, um nicht laut loszulachen, griff sie nach Stefans Arm und hielt ihn fest. Kurz herrschte Stille.
»Kommt überhaupt nicht infrage!«, widersprach Marc empört.
»Außerdem habt ihr Juju und Chris vergessen. Die hätten hier überhaupt keinen Platz«, schlug sich Dani auf die Seite ihres Bruders.
»Oh, wir dachten, ihr könntet euch dann um eure Geschwister kümmern.«
Stefan hatte den Arm um die Schultern seiner Frau gelegt. Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig.
Marc stieß seine Schwester in die Seite.
»Du kannst dich entspannen.« Er grinste. »Mama und Papa veräppeln uns.«
Fröhliches Gelächter hallte von den kahlen Wänden wider, die schon bald mit Bildern gefüllt werden sollten.
»Keine Sorge«, beschwichtigte Stefan seine beiden Kinder schließlich. »Manuel Velazquez vermietet die Wohnung ausdrücklich nur an euch beide.«
»Das ist so nett von ihm«, geriet Dani unvermittelt ins Schwärmen. »Auf dem freien Wohnungsmarkt hätte er das Dreifache an Miete rausschlagen können. Warum gibt er sie so günstig her?«
»Papa und sein Team haben seiner Freundin Anni das Leben gerettet«, erklärte Julia und strich bewundernd über die grau lasierten Holzfronten der Küche.
»Und warum bleibt er nicht selbst hier?«, erkundigte sich Marc und öffnete die Tür, die hinaus auf den kleinen, schmiedeeisernen Balkon führte.
Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick in den begrünten Innenhof.
Um diese Frage befriedigend zu beantworten, musste Stefan Holl weiter ausholen.
»Manuel und seine Freundin Anni – sie war Hoteltesterin – waren vor ein paar Jahren schon einmal ein Paar. Damals planten sie eine Weltreise im ausgebauten Campingbus und wollten im Anschluss nach Teneriffa auswandern, um dort eine Pension zu eröffnen.«
»So ein toller Plan!«, schwärmte Marc ein wenig sehnsüchtig. »Warum ist nichts draus geworden?«
»Kurz vor der Abreise wurde Anni überraschend schwanger. Manuel war nicht gerade begeistert, aus einem Missverständnis wurde ein Streit, Anni erlitt eine Fehlgeburt. Die beiden trennten sich.«
»Wie furchtbar traurig«, seufzte Dani.
Doch Stefan war noch nicht am Ende der Geschichte angelangt.
»Keine Sorge. Es gibt doch noch ein Happy End«, konnte er seine älteste Tochter beruhigen. »Auf einer von Annis Geschäftsreise trafen sich die beiden hier in München zufällig wieder und stellten fest, dass sie sich immer noch liebten.«
»Leider wurde Anni sehr krank, aber Papa und die Ärzte an der Klinik konnten ihr in letzter Minute helfen.« Julia ließ es sich nicht nehmen, den Rest der romantischen Geschichte zu erzählen. »Jetzt sind die beiden unterwegs nach Teneriffa, um sich ihren Traum von der eigenen Pension zu erfüllen.«
»Und wir bekommen die tolle Wohnung!«
Marc drehte sich um die eigene Achse.
Schon länger flatterte der Traum der Eigenständigkeit durch die Köpfe der Holl-Zwillinge. Monatelang hatten sie den Münchener Mietmarkt nach geeigneten Objekten abgesucht – vergeblich. Doch dann war ihnen dieser fantastische Zufall zu Hilfe gekommen. Eine Drei-Zimmer-Altbauwohnung mit einer Bushaltestelle direkt vor dem Haus und einer U-Bahnstation, die in wenigen Minuten erreichbar war. Genauso wie der kleine Supermarkt um die Ecke.
Aber was das Beste war – zumindest aus Julias Sicht: »Sie ist nicht weit von unserem Haus entfernt. Ihr könnt uns also weiterhin besuchen kommen, wann immer ihr Lust dazu habt.«
»Nur nicht, um die Wäsche waschen zu lassen«, erinnerte Stefan Holl mit hochgezogener Augenbraue.
Dani lachte. »Keine Sorge, Papa. Wir wissen schon, worauf wir uns mit einem eigenen Haushalt einlassen.«
»Was zu beweisen wäre«, platzte Julia Holl heraus.
Ihre Bedenken waren nicht ganz unbegründet. Seit die Kinder klein waren, bestand sie auf Mithilfe bei der Hausarbeit, die Haushälterin Cäcilie aber oft schon erledigt hatte, bis die Kinder aus der Schule gekommen waren.
»Das bisschen Haushalt schaffen wir mit links«, behauptete Marc im Brustton der Überzeugung und wandte sich schnell angenehmeren Themen zu. »Aber jetzt müssen wir uns erst mal einigen, wer welches Zimmer bekommt. Ich hätte gerne das mit der Nische. Da passt mein Schreibtisch perfekt rein.«
»Sehr gut. Mir gefällt das Zimmer mit dem Ausblick auf den Innenhof sowieso besser«, erwiderte Dani und blickte durch das Sprossenfenster hinüber zu dem mächtigen Ahornbaum, der schon bald zu neuem Leben erwachen würde.
Julia und Stefan tauschten vielsagende Blicke.
»Hoffentlich ist diese Harmonie von Dauer«, unkte sie auf dem Weg zur U-Bahn.
Nach der Wärme in der Wohnung fröstelte sie in der kühlen Februarluft und schlug den Mantelkragen hoch.
Stefan lachte und schob ihre Hand in seine Jackentasche.
»Die eine oder andere Überraschung werden wir schon noch erleben. Aber gehört das nicht zu diesem Abenteuer dazu?«
***
»Das Leben ist so bunt und schön ... lalala ... bis du irgendwann verstehst ... lalaaa ... dass nicht jeder Abschied meint, dass wir uns auch wiedersehen«, trällerte die Musicaldarstellerin Charlotte Greiff vor sich hin.
Schon seit Tagen konnte sie nicht genug bekommen von der Akustik des leer stehenden Hauses, in das sie gerade mit ihren Freunden einzog.
Der ehemalige Tontechniker Michael Kuhn und die pensionierte Maskenbildnerin Martha Rohinsky stellten Schachteln und Stehlampen ab, um ihrer Freundin Applaus zu spenden.
»Bravo!«, rief Martha begeistert aus.
»Bravissimo! Umso unverständlicher, dass eine Frau wie du ab einem gewissen Alter keine Rollen mehr bekommt«, seufzte Michael und griff wieder nach der Stehlampe, um sie an ihren neuen Platz im Wohnzimmer zu stellen.
»Dabei bist du so gut wie eh und je«, versicherte Martha.
In Charlottes Lachen lag Wehmut.
»Kein Mensch will eine Oma als Eliza Doolittle sehen. Oder die Katze Bombalurina, die ihre arthritischen Glieder über die Bühne schleppt, statt leichtfüßig zu tänzeln.« Sie schüttelte den Kopf. »Da beschäftigte ich mich lieber mit der Einrichtung unserer Senioren-Residenz.« Sie bückte sich nach einem Spiegel im barocken Goldrahmen und hielt ihn mit ausgestreckten Armen von sich. »Dieses schöne Stück habe ich vor achtzehn Jahren von einem Verehrer bekommen. Er meinte, ich bräuchte einen großen Spiegel, damit ich meine Schönheit immer bewundern kann.« Die Erinnerung schmerzte. »Diese Zeiten sind ja wohl ein für alle Mal vorbei. Ich stelle dieses Ding in den Keller.«
Schon wollte sie sich auf den Weg machen, als ihr Michael zuvorkam.
»Moment mal! Das ist doch keine Arbeit für eine glänzende Diva.«
»Willst du damit etwa sagen, dass ich noch nicht einmal mehr für die niederen Dienste zu gebrauchen bin?«, fragte Charlotte beleidigt.
Michael rollte mit den Augen. Martha tätschelte lachend seinen Rücken.
»Du siehst das falsch. Wozu haben wir uns schließlich einen Mann ins Haus geholt?«
Doch davon wollte Charlotte nichts wissen.
»Ihr vergesst, dass wir ab heute eine Wohngemeinschaft sind«, belehrte sie ihre Freunde. »Das bedeutet: Gleiche Rechte und Pflichten für alle. Also los, gib mir den Spiegel zurück, und lass mich machen!« Sie packte den Rahmen mit beiden Händen und machte sich auf den Weg. »Aber bevor du jetzt dumm in der Gegend herumstehst, kannst du mir die Kellertür aufmachen.«
Seufzend kam Michael der Aufforderung nach.
»Ich hatte vergessen, wie despotisch unsere Charly sein kann«, raunte er Martha zu, als Charlotte im Kellerabgang verschwunden war.
»Ich nicht. Schließlich hat sie mich lange genug in der Maske herumkommandiert.«
Martha hatte kaum ausgesprochen, als es klirrte und polterte. Ein markerschütternder Schrei folgte.
Martha erstarrte. »Ach, du liebes bisschen! Das klang nicht gut.«
Michael war schon auf dem Weg in den Keller.
»Um Gottes Willen, Charly!«, rief er. »Wie konnte das passieren?«
Doch seine Frage blieb unbeantwortet.
Charlotte Greiff hatte das Bewusstsein verloren. Blut färbte den hellen Schal um ihren Hals rot.
***
Nach ein paar sonnigen Tagen hatte der Winter offenbar beschlossen, noch einmal zurückzukehren. Ein stürmischer Wind zerrte an den Köpfchen der Schneeglöckchen, weiße Flocken stoben durch den Garten.
Juju, jüngster Sprössling der Familie Holl, stand am Fenster und blickte hinaus in den ungemütlichen Samstagnachmittag.
»Warum feiern wir Weihnachten eigentlich im Dezember und nicht im Februar?«, fragte sie ihre Mutter, die nach dem Mittagessen am Esstisch saß.
Ihr Mann war auf einen Sprung in die Klinik gefahren, und Julia nutzte die Gelegenheit, um die Unterlagen für die Steuerberaterin zusammenzusuchen.
»Wenn ich weiße Weihnachten haben will, schmilzt der Schnee immer vorher wieder weg«, sprach das Nesthäkchen weiter. »Und wenn ich mich auf den Frühling freue, dann schneit es auf einmal.«
Julia blickte von ihren Unterlagen auf und lächelte.
»Da hast du recht. Aber wir verschieben deinen Geburtstag doch auch nicht, wenn die Sonne mal nicht scheint, oder?«
Über diese Antwort musste Juju eine Weile nachdenken.
»Stimmt. Trotzdem ist mir langweilig«, seufzte sie und drehte das weiße Stoffrollo zu einer Wurst zusammen. Ihre beiden älteren Geschwister rumorten in ihren Zimmern, und ihr Bruder Chris war mit seiner Freundin im Olympiabad. »Was soll ich denn bei diesem Mistwetter machen?«
»Du könntest Cäcilie fragen, ob du ihr beim Backen helfen kannst.«
Danis Lachen tanzte durchs Haus und brachte Julia auf eine weitere Idee.
»Oder du gehst hinauf zu Marc oder Dani. Beim Zusammenpacken gibt es bestimmt jede Menge zu entdecken. Da springt mit Sicherheit der eine oder andere Schatz für dich heraus.«
Bis jetzt war die Tatsache, dass die Zwillinge bald ein eigenes Leben lebten, kaum mehr als ein Gedanke gewesen. Doch die Umzugskartons, die zusammengefaltet im Flur an der Wand lehnten, zeugten davon, dass der Auszug in naher Zukunft Realität werden würde.
Manchmal empfand Julia dieses Abenteuer als spannend, hin und wieder bekam sie es aber auch mit der Angst zu tun. Würde sie ihre großen Kinder sehr vermissen? Oder würde ihre Abwesenheit kaum auffallen, da sie ja auch jetzt schon fast ständig unterwegs waren? Wie würde sich ihr Kontakt entwickeln? Würden sie sich von ihren Eltern und Geschwistern entfremden? Fragen über Fragen, denen Julia nachhing, während Juju die Treppen hinauf in den ersten Stock und direkt in Danis Zimmer stob.
Sie fand ihre ältere Schwester in einem Chaos aus Kleidungsstücken, Stapeln von Büchern, längst vergessenem Spielzeug und abgeliebten Kuscheltieren. Völlig versunken blätterte sie in einem alten Jahrbuch aus den Anfängen ihrer Gymnasialzeit.
»Oh, mein Gott! Das kann ich gar nicht glauben«, kicherte sie und wischte sich eine Lachträne von der Wange.
»Was ist denn?« Mit Storchenbeinen stieg Juju über Kisten und Schachteln, bis sie endlich einen Blick über die Schulter ihrer Schwester werfen konnte.
»Schau mal, das Klassenfoto!« Bereitwillig hielt Dani ihrer kleinen Schwester das Heft hin. »Erkennst du mich?«
»Du bist die neben dem Jungen mit dem Lockenkopf. Aber was hast du denn da für eine Frisur?«
»Das musst du Mama fragen. Wahrscheinlich war das früher modern.«
»Heute würde der Friseur eine Anzeige wegen Körperverletzung bekommen.«
Die beiden Mädchen lachten, und Dani blätterte weiter. Juju dagegen sah sich in dem Durcheinander um. Ein kleiner Berg an Kleinkram weckte ihre Aufmerksamkeit. Handspiegel, geheimnisvolle Schmuckschatullen mit Kettchen, Armbändern und Ohrringen darin, ein Sammelalbum mit Klebebildchen, Marmorier-Farbe und viele Schätze mehr konnte sie auf den ersten Blick erkennen.
Juju setzte sich neben ihre Schwester auf den Boden und war im Handumdrehen in einer anderen Welt versunken, aus der sie erst wieder auftauchte, als Marc ins Zimmer kam. In seiner Hand zitterte ein Foto, das er in einer Fotobox gefunden hatte.
»Schau mal! Erinnerst du dich an Samira?«
Er reichte Dani das Bild.
»Klar!« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Mit fünfzehn wollte ich immer so sein wie Samira Abadi.«
Juju hob den Kopf. Solche Informationen waren immer spannend.
»Warum?«, hakte die Elfjährige nach.
Versonnen betrachtete Dani das Foto.
»Weil Samira schon damals so schön war wie eine Prinzessin aus Tausendundeiner Nacht. Und weil sie obendrein auch noch singen konnte und allen Jungs der Schule den Kopf verdreht hat.«
Auch Marc! Aber das musste Juju nicht unbedingt wissen.
Die hatte sowieso gerade einen neuen Schatz entdeckt – ein eingeschweißtes Bastelset für selbst geknüpfte Armbänder – und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer, um sich sofort ans Werk zu machen.
Marc dagegen schenkte seiner großen Schwester ein dankbares Lächeln. Vertraut, wie die Zwillinge miteinander waren, wusste Dani von seiner Liebelei mit Samira, die nach dem Abitur jedoch im Sande verlaufen war.
»Weißt du, was aus ihr geworden ist?«, fragte er mit einem verträumten Blick auf das Foto, das ungefähr vier Jahre alt sein musste.
»Keine Ahnung.« Mit einem Satz war Dani auf den Beinen. »Aber dank unserer modernen, technischen Möglichkeiten ist es ein Kinderspiel, das herauszufinden.«
Sie schnappte sich ihren Laptop und ließ sich aufs Bett fallen – momentan die einzige freie Fläche im Zimmer.
Marc war weniger optimistisch. Skeptisch beobachtete er Dani, wie ihre Finger über die Tastatur flitzten.
»Wenn sich Samira nicht mit ihrem richtigen Namen auf den sozialen Plattformen angemeldet hat, finden wir sie nicht.«
»Hat sie aber!«, jubelte Dani und drehte den Laptop um, damit ihr Bruder an ihrem Erfolg teilhaben konnten. Sie hatte Samira nicht nur gefunden, es gab auch eine Neuigkeit: »Und stell dir vor, sie hat tatsächlich eine Karriere als Popsängerin gestartet.«
Diese Nachricht nahm Marc nur am Rande wahr. Wie gebannt starrte er auf die Fotos auf Samiras Internetseite und wusste: Er musste sie wiedersehen. Koste es, was es wolle!
***
Die Türen der Notaufnahme öffneten sich lautlos. Eilig schoben die Sanitäter eine Trage in den Flur. Inzwischen war Charlotte Greiff wieder bei Bewusstsein. Erleichterung stand in ihrem Blick, als sie ihre Freunde Michael und Martha erkannte, die dem Notarztwagen im eigenen Auto gefolgt waren.
»Was ist passiert?«, erkundigte sich die Internistin Dr. Anke Petersen, die an diesem Nachmittag Dienst in der Ambulanz hatte.