Chefarzt Dr. Holl 1937 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1937 E-Book

Katrin Kastell

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dr. Holls Vertrauen in den autistischen Assistenzarzt Dr. Mischa Oswald bröckelt. Sein Schützling verängstigt die Patienten. Immer mehr Kollegen weigern sich, mit dem angehenden Chirurgen zu arbeiten. Das Risiko, das sie mit seiner Anwesenheit eingingen, sei zu groß, sagen sie.
Dabei ist er ein medizinisches Genie sondergleichen. Viele Heldentaten gehen bereits auf sein Konto. Und auch jetzt könnte nur durch ihn ein erst sechs Wochen altes Baby gerettet werden. Dennoch hält der Klinikchef die Luft an. Kann er sich auf seinen Assistenzarzt verlassen?


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Eine Frage des Vertrauens

Vorschau

Impressum

Eine Frage des Vertrauens

Baby Mila in Lebensgefahr und Dr. Oswalds zweiter großer Einsatz

Von Katrin Kastell

Dr. Holls Vertrauen in den autistischen Assistenzarzt Mischa Oswald bröckelt. Sein Schützling verängstigt die Patienten. Immer mehr Kollegen weigern sich, mit dem angehenden Chirurgen zu arbeiten. Das Risiko, das sie mit seiner Anwesenheit eingingen, sei viel zu groß, behaupten sie.

Dabei ist er ein medizinisches Genie sondergleichen. Viele Heldentaten gehen bereits auf sein Konto. Und auch jetzt könnte nur durch ihn ein erst sechs Wochen altes Baby gerettet werden. Dennoch hält der Klinikchef die Luft an. Kann er sich auf seinen Assistenzarzt verlassen?

Es war vollkommen still in der Wohnung. Nur das Tropfen eines Wasserhahns und das leise Plätschern der Toilettenspülung zeugten davon, dass die Zeit nicht stehen geblieben war.

Dr. Mischa Oswald stand in der Küche seiner neuen Wohnung an der Arbeitsplatte.

»Vier ... fünf ... sechs Löffel«, zählte er und legte sie in Reih und Glied wie Soldaten in die Schublade zurück. Als Nächstes waren die Gabeln dran. »Eins ... zwei ... drei ... vier ...«

Mitten in seiner Arbeit hielt er inne und spitzte die Ohren.

Auf der Brüstung seines Balkons war eine Taube gelandet und gurrte mit nickendem Kopf.

Mischa überlegte noch, ob er sie füttern sollte, als es klingelte.

Das Telefon? Es läutete noch einmal.

Endlich hatte Mischa identifiziert, woher das Geräusch kam, und ging zur Tür.

Eine junge Frau stand davor. Ihr Lächeln war offen und freundlich.

»Hallo, mein Name ist Liliana Merck. Meine Freunde nennen mich Lilli.«

»Guten Abend, Liliana Merck.« Im Gegensatz zu seiner Nachbarin lächelte Mischa nicht. In seinem Blick lag eine gewisse Scheu. »Ich bin vor zwei Wochen hier eingezogen. Meine Hausnummer ist die dreizehn. Das ist eigentlich ein schlechtes Omen. Aber ich bin nicht abergläubisch.«

»Oh, gut«, erwiderte Lilli leicht irritiert und legte den Kopf schief.

Was war denn das für ein seltsamer Zeitgenosse? Dabei sah er doch eigentlich ganz gut aus. Sehr gut sogar, wenn sie es sich recht überlegte. Groß und schlank, mit warmen Augen und kantigem Kinn. Genau die richtige Mischung aus Sanftheit und Männlichkeit, zumindest für ihren Geschmack. Doch das war nicht der Grund, warum sie hier war ...

»Ich wollte gerade Pfannkuchen backen«, fuhr sie lächelnd fort, »aber leider sind mir die Eier ausgegangen. Hast du zufällig zwei oder drei da? Ich kaufe morgen welche und gebe sie dir dann zurück.«

Lilli stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, einen Blick über seine Schulter in die Wohnung zu erhaschen.

Spärlich möbliert, wie die Räume waren, wirkten sie wie ein unbewohntes Hotelzimmer. Nirgendwo stand oder lag etwas herum. Noch nicht einmal eine Jacke hing an der Garderobe.

Inzwischen hatte Mischa seine Gedanken gesammelt.

»Mein Name ist Doktor Mischa Oswald. Ich bin Assistenzarzt an der Berling-Klinik, wo ich zum Facharzt für Chirurgie ausgebildet werde«, erklärte er.

Lilli stellte sich zurück auf die Fußsohlen.

»Wirklich?« Das Staunen stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Das ist ja toll.«

Mischa nickte lächelnd, sagte aber nichts mehr.

Hatte er ihre Bitte überhaupt verstanden?

»Die Eier?«, hakte Lilli nach und wackelte mit dem leeren Karton vor seiner Nase herum. »Hast du welche?«

Ohne eine Antwort wandte sich Mischa ab und verschwand um die Ecke. Lillis Blick fiel durch die Wohnung und durch das Fenster hinaus auf den Balkon, wo die Taube inzwischen auf dem runden Klapptisch herumspazierte.

Gleich darauf kehrte Mischa mit zwei Eiern zurück.

»Reicht das für Pfannkuchen?«

»Auf jeden Fall.« Lilli bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln. »Ich bringe dir später einen vorbei.«

»Ich mag keine Pfannkuchen.«

Was für ein seltsamer Mensch!

»Gut. Dann nicht.« Schon wollte sich Lilli abwenden, als ihr noch etwas einfiel. »Ein kleiner Tipp. Wenn du keine Taubenfamilie auf deinem Balkon haben willst, solltest du sie nicht füttern. Dann wirst du die Plagegeister nämlich nicht mehr los.«

»Guten Abend, Liliana Merck«, erwiderte Mischa Oswald und schloss die Tür vor seiner Besucherin.

Einen Moment lang blieb Lilli verdutzt stehen. Dann wandte sie sich ab und kehrte in ihre Wohnung zurück.

Mischa dagegen ging schnurstracks zum Schrank, in dem er sein Frühstücksmüsli aufbewahrte und verstreute Haferflocken und Rosinen auf dem Balkon.

***

Inzwischen hatte der Frühling Fahrt aufgenommen. Mit jedem Tag gewann die Sonne an Kraft. Und mit der Helligkeit und Wärme kehrte nicht nur die Lebensfreude der Menschen zurück. Auch Natur und Tierwelt erwachte zu neuem Leben. Es grünte und blühte, zwischen den Ästen der Bäume und Sträucher bauten Vögel emsig an ihren Nestern. Überall herrschte eine fröhliche Aufbruchstimmung, die auch vor der Berling-Klinik nicht haltmachte.

Obwohl die Mitarbeiter wie immer alle Hände voll zu tun hatten, war in diesen Zeiten öfter als sonst Lachen und Kichern auf den Fluren und aus den Aufenthaltsräumen zu hören. Der Klinikleiter Dr. Holl liebte diese gute Stimmung, die alle Kräfte mobilisierte und eine angenehme Leichtigkeit in den Arbeitsalltag brachte.

»Machen Sie nicht mehr zu lange, Moni«, empfahl er seiner Sekretärin, als er an diesem Spätnachmittag bereits in Straßenkleidung vor sie trat, um die Klinik zu verlassen.

Seine Frau Julia hatte einen Ausflug in eine Gärtnerei auf dem Land vorgeschlagen, und ihr Wunsch war ihm Befehl.

Moni Wolfram sah vom Schreibtisch hoch und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

»Keine Sorge. Ich muss nur noch einen Termin bestätigen, dann mache ich auch Feierabend. Michaels Dienst ist nämlich auch schon zu Ende, und wir wollen noch ein bisschen im Englischen Garten spazieren gehen.«

Monis Mann Dr. Michael Wolfram arbeitete als Chirurg ebenfalls in der Berling-Klinik. Hier hatte sich das Paar kennen- und lieben gelernt.

»Eine weise Entscheidung«, lobte Dr. Holl. »Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.« Er zwinkerte seiner Sekretärin zu, ehe er das Vorzimmer verließ.

Statt den Aufzug entschied er sich, die Treppen zu nehmen. Nach den Stunden am Schreibtisch kam Stefan Holl jede Bewegung recht.

In der Lobby fiel ihm ein Mitarbeiter auf, der fix und fertig angezogen am Empfangstresen stand und wartete.

Normalerweise hätte Dr. Holl das nicht weiter gewundert. Doch für diesen Kollegen fühlte sich der Klinikchef besonders verantwortlich. Das lag nicht nur daran, dass er seinem ehemaligen Professor Theodor Pechstein versprochen hatte, seinen Schützling an die Hand zu nehmen.

Stefan Holl erinnerte sich gut an das Gespräch mit seinem Doktorvater. Mit Tränen in den Augen hatte Professor Pechstein die Geschichte des jungen Mannes erzählt, die auch Dr. Holl unter die Haut gegangen war ...

Vor zwanzig Jahren war nach einem Zugunglück ein kleiner Junge in die Klinik des Professors eingeliefert worden. Der Siebenjährige hatte mit ansehen müssen, wie Mutter und Schwester vor seinen Augen ums Leben gekommen waren. Nicht genug damit, verkraftete der Vater den Verlust nicht und zerbrach an diesem Unglück. In dieser Situation hatte Theodor Pechstein nicht anders gekonnt, als Vater und Sohn zur Seite zu stehen. Inzwischen war Mischa Oswald erwachsen. Mit Bravour hatte er ein Medizinstudium absolviert und brauchte nun eine Chance, um Facharzt zu werden. Mit dieser Bitte war Professor Pechstein an Dr. Holl herangetreten. Dieser hatte den Wunsch seines ehemaligen Mentors entgegen des dringlichen Rats einiger Kollegen erfüllt, nicht ahnend, wie groß die Schwierigkeiten tatsächlich werden würden, die mit Dr. Oswalds Arbeitsantritt auf ihn zukamen.

»Guten Abend, Mischa!« Obwohl Julia auf ihn wartete, nahm sich Stefan Holl eine Minute Zeit. »Du bist ja noch hier. Dabei ist deine Schicht doch längst zu Ende.«

Mischa Oswald drehte sich um und sah den Klinikleiter an.

»Doktor Falk hat gesagt, ich kann gehen, wenn mein Kollege Ruben Schmidt da ist. Aber er ist noch nicht gekommen. Deshalb warte ich auf ihn.«

Stefan Holl wunderte sich.

»Du musst nicht auf einen verspäteten Kollegen warten. Oder warst du allein auf Station?«

Dr. Oswald verneinte. »Doktor Jordan, Doktor Bremer und der Kollege Platow sind da.«

»Na bitte!« Dr. Holl klopfte seinem Schützling auf die Schulter. »Dann kannst du beruhigt Feierabend machen.«

Mischas Augen flogen hin und her.

»Sind Sie sicher, Doktor Holl?«

»Ganz sicher. Und jetzt komm!«

Stefan Holl trat durch die Glastür, Mischa folgte ihm zögerlich, als sich eilige Schritte von draußen näherten.

»Entschuldigung!«, rief Dr. Ruben Schmidt schon von Weitem. Keuchend machte er vor Chef und Kollege halt. »Mein Seminar ...«

»Wie alle anderen möchte auch der Kollege Oswald pünktlich Feierabend machen«, ermahnte Dr. Holl den jungen Assistenzarzt, als sich eine weitere Gefahr in Gestalt des Verwaltungsdirektors näherte.

Der Klinikchef winkte Mischa mit sich und verschwand endgültig durch die Tür. Die Standpauke konnte er getrost Kurt Huber überlassen.

Vor der Klinik blieb Stefan Holl noch einmal kurz stehen.

»Was stellst du mit diesem herrlichen Abend noch an, Mischa?«, erkundigte er sich bei seinem Schützling und erntete einen seltsamen Blick.

»Warum sollte ich denn etwas anstellen? Ich will keinen Ärger bekommen.«

Der Klinikchef lächelte. Eigentlich sollte er wissen, dass zweideutige Formulierungen ein Problem für Mischa waren.

»Tut mir leid, das war wohl die falsche Formulierung«, entschuldigte Dr. Holl sich. »Ich meinte, was hast du noch vor?«

Es dauerte einen Augenblick, ehe Mischa fragte: »Was essen Tauben?«

»Ich denke, normales Vogelfutter«, erwiderte Dr. Holl verwundert.

»Gut. Dann kaufe ich heute Abend Vogelfutter. Auf Wiedersehen, Herr Doktor Holl.«

Mischa Oswald machte auf dem Absatz kehrt und marschierte davon.

Stefan Holl sah ihm einen Augenblick lang nach. Sein Herz wurde schwer vor Sorge.

Dr. Oswald hatte eine erstaunliche Begabung, die ihn aus der Masse herausstechen ließ. Neben einem nahezu perfekten, fotografischen Gedächtnis verfügte er über ein einzigartiges analytisches Denkvermögen. Diese Eigenschaften in Kombination mit seinem Interesse für Medizin machten ihn zu einem Genie seines Faches. Um ganz groß Karriere zu machen, gab es aber leider einen Haken: Mischa Oswald war Autist. Es hatte Dr. Holl sämtliche Überredungskünste gekostet, um nicht nur den Verwaltungsdirektor, sondern auch die Kollegen von Dr. Oswalds Qualitäten zu überzeugen. Nach einer heldenhaften Diagnose waren die Vorbehalte zwar kleiner geworden. Trotzdem gab es noch genug Überzeugungsarbeit zu leisten ...

Doch für heute hatte Dr. Holl erst einmal Feierabend. Jetzt war seine Familie, allen voran seine Frau Julia an der Reihe.

Der Gedanke an seine große Liebe genügte, um die Sorgen um Mischa fürs Erste beiseiteschieben zu können. Mit Vorfreude im Herzen und der Abendsonne im Gesicht begab sich der Klinikchef auf den Nachhauseweg ...

***

Auf der Strecke zur U-Bahn zog Mischa Oswald ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Jackentasche. Es war beidseitig mit Fragen für die Facharztprüfung bedruckt.

Bis es so weit war, dauerte es zwar noch einige Zeit. Aber es war nie falsch, früh genug mit der Vorbereitung zu beginnen. Mischa überflog die Vorderseite und faltete das Blatt wieder sorgfältig zusammen.

»Was verstehen wir unter direkten und indirekten Antikoagulanzien?«, wiederholte er die erste Frage aus dem Gedächtnis und beantwortete sie gleich. »Orale Antikoagulanzien beeinflussen die plasmatische Gerinnung. Direkte orale Antikoagulanzien, kurz DOAK, hemmen die Gerinnungsfaktoren auf direktem Weg ...«

»Vorsicht! Passen Sie doch auf!«

Die schrille Stimme erschreckte Mischa so sehr, dass sein Herz einen Schlag aussetzte, um gleich darauf in doppelter Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Er schnappte nach Luft, Schweißperlen glitzerten ihm auf der Stirn. Mit der Hand fuhr Mischa in die Jackentasche. Erst, als er das weiche Plüschfell seines kleinen Stoffhundes zwischen den Fingern spürte, beruhigte er sich wieder.

»Entschuldigung.« Er sah hoch und betrachtete die Frau mit dem Kinderwagen, den er um ein Haar angerempelt hätte. Blitzartig nahm er jedes noch so kleine Detail ihres Gesichts wahr. Nicht nur, dass ihr die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben stand. Er sah auch die hektischen, roten Flecken, die auf ihren Wangen tanzten, bemerkte ihre ungesunde Gesichtsfarbe. Ihre heruntergezogenen Mundwinkel beim Bücken ließen auf Schmerzen schließen. Und das war noch längst nicht alles. »Die Gelbfärbung Ihrer Haut und der weißen Sklera in Ihren Augen deutet auf eine Hepatitis hin. Dafür spricht auch, dass Sie leichtes Fieber haben und offenbar obendrein unter Muskel- und Gelenkscherzen leiden. Ihre eingefallenen Wangen zeugen von Appetitlosigkeit.«

Die junge Mutter starrte den fremden Passanten an, als hätte er ihren Todestag vorausgesagt.

»Woher wissen Sie das alles? Und – wer sind Sie überhaupt?«

»Mein Name ist Doktor Mischa Oswald. Seit zwei Wochen arbeite ich als Assistenzarzt in der Chirurgie der Berling-Klinik und werde dort meinen Facharzt machen«, erklärte Mischa in aller Selbstverständlichkeit.

Die junge Mutter atmete auf.

»Dann bin ich ja genau richtig bei Ihnen. Ich wollte nämlich gerade in die Berling-Klinik. Mein Name ist Katja Aue, und das ist meine Tochter Mila.«

Stimme und Blick wurden zärtlich, als sie auf den Kinderwagen deutete.

Dr. Oswald sah hinein.

»Das Baby ist ebenfalls krank«, konstatierte er sachlich.

Katja Aue schnappte nach Luft.

»Aber nein! Wie kommen Sie denn auf so was? Ich bin wegen mir hier. Mila ist kerngesund.«

Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie die Augen verdrehte.

Mit hängenden Armen stand Mischa Oswald da. Kurz vor dem Boden fing er die zusammensackende Frau auf und legte sie in aller Seelenruhe vor sich auf den Asphalt. Erst dann drehte er sich um und machte sich zügigen Schrittes auf den Weg in Richtung Notaufnahme ...

***

»Ich brauche eine Trage und eine Schwester«, erklärte Mischa am Empfangstresen der Ambulanz. Er sah sich um, entdeckte aber nur Pfleger Johann. »Oder einen Pfleger.«

Bisher hatten sich die beiden Männer nicht persönlich kennengelernt. Aus mehr oder weniger zuverlässigen Quellen hatte Johann bislang nur erfahren, dass der neue Doktor einen etwas seltsamen Sinn für Humor hatte.

»Und ich wünsche mir einen Burger und eine große Dose Cola.«

Johann lacht amüsiert auf. Schon wollte er sich abwenden, als Mischa ihm den Weg vertrat.

»Ich brauche eine Trage und jemanden, der mir hilft, die Frau dort draußen hochzuheben. Und irgendwer muss den Kinderwagen schieben.«

In diesem Moment wurde dem Pfleger klar, dass Dr. Oswald nicht scherzte.

»Sagen Sie das doch gleich!«, rief er, schnappte sich eine Trage und rannte los.

Katja lag noch immer hilflos am Boden. Mit vereinten Kräften bugsierten die beiden Männer sie auf die Krankenliege. Dr. Oswald schob sie in die Notaufnahme, Pfleger Johann folgte mit dem Kinderwagen.

»Bringen Sie das Baby auf die Kinderstation. Es ist krank«, befahl Mischa Oswald.

Pfleger Johann widersprach nicht mehr und machte sich mit Mila auf den Weg. Mischa blieb zurück.

»Der Puls ist kaum tastbar«, stellte er nach einer kurzen Bestandsaufnahme fest, als Dr. Anke Petersen zu ihm trat.

Sie kam von der Behandlung eines anderen Notfalls.

»Was ist passiert?«, erkundigte sie sich.

»Patientin Katja Aue leidet an einer Leberentzündung, vermutlich Hepatitis C. Sie ist vor der Klinik kollabiert«, gab Mischa Oswald die gewünschte Auskunft.

Dr. Petersen runzelte die Stirn.

»Wie kommen Sie auf diese Diagnose?«

Wie immer, wenn er sich konzentrierte, faltete Mischa Oswald die Hände und richtete den Blick starr geradeaus.

»Die mit Hepatitis C verbundenen Symptome sind in der ersten Zeit nach der Infektion in der Regel unauffällig. Nur etwa ein Viertel der Kranken entwickelt eine akute Leberentzündung. Dabei treten die Symptome wie Gelbsucht, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Fieber und Gelenkschmerzen meist in milder Form auf. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, wie dieser schwere Krankheitsverlauf zeigt.«