Chefarzt Dr. Holl 1939 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1939 E-Book

Katrin Kastell

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Ärzte schlagen bei seinem Anblick die Hände über den Köpfen zusammen. Gerade entlassen, wird Noah Freudensprung, der Geschäftsinhaber des Online-Möbelhauses Wohnwelt, schon wieder mit einer TIA in die Berling-Klinik eingeliefert.
Hat der werdende Vater denn den Ernst der Lage noch nicht begriffen?
Mit Engelszungen redet Dr. Holl auf seinen Patienten ein: "Bei Ihren TIAs handelt es sich um Vorboten eines Schlaganfalls, Herr Freudensprung! Bitte treten Sie kürzer. Denken Sie doch an Ihre Frau und Ihr ungeborenes Kind. Ruhe, gesunde Ernährung und Sport sind jetzt das A und O, wenn Sie eine Zukunft mit Ihren Liebsten erleben wollen!"
Aber alles gute Zureden hilft nichts, schon bald sitzt Noah wieder in seinem Büro, raucht eine Zigarette und bespricht sich mit seinem Geschäftspartner. So passiert das Unvermeidliche ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Der unbelehrbare Patient

Vorschau

Impressum

Der unbelehrbare Patient

Selbst nach einem Schlaganfall will er sein Leben nicht ändern

Von Katrin Kastell

Die Ärzte schlagen bei seinem Anblick die Hände über den Köpfen zusammen. Gerade entlassen, wird Noah Freudensprung, der Geschäftsinhaber des Online-Möbelhauses Wohnwelt, schon wieder mit einer TIA in die Berling-Klinik eingeliefert.

Hat der werdende Vater denn den Ernst der Lage noch nicht begriffen?

Mit Engelszungen redet Dr. Holl auf seinen Patienten ein: »Bei Ihren TIAs handelt es sich um Vorboten eines Schlaganfalls, Herr Freudensprung! Bitte treten Sie kürzer. Denken Sie doch an Ihre Frau und Ihr ungeborenes Kind. Ruhe, gesunde Ernährung und Sport sind jetzt das A und O, wenn Sie eine Zukunft mit Ihren Liebsten erleben wollen!«

Aber alles gute Zureden hilft nichts, schon bald sitzt Noah wieder in seinem Büro, raucht eine Zigarette und bespricht sich mit seinem Geschäftspartner. So passiert das Unvermeidliche ...

»Wenn ich nur wüsste, wie ich in dieses Haus ohne viel Aufwand ein bisschen frischen Wind hereinbringen könnte«, murmelte Julia Holl.

Nach zwei Stunden, die sie damit verbracht hatte, Möbelstücke zu rücken und Kinderzimmerböden mit Malervlies und Zeitungspapier abzudecken, gönnte sie sich eine Pause. Sie saß am Esstisch und blätterte sich durch den Stapel Wohnzeitschriften, die ihr eine Freundin geschenkt hatte.

Genauso, wie die Natur sich jedes Jahr wieder im Frühjahr mit einem neuen Kleid schmückte, überkam auch Julia mit den wärmeren Temperaturen die Sehnsucht nach Veränderung. Die Renovierung der Kinderzimmer tat ein Übriges.

Doch es war wie verhext.

»Bei diesen Deko-Tipps müsste ich gleich das ganze Haus umbauen ...«

Mit wachsender Verzweiflung betrachtete sie riesige Lampen im Industrial-Design und Paravents aus echten Birkenstämmen.

Der Wasserhahn in der Küche rauschte. Julias jüngste Tochter, die elfjährige Juju, gesellte sich mit einem Glas Wasser zu ihrer Mutter.

»Warum schaust du nicht mal im Internet?«

Julia schickte ihr einen zweifelnden Blick.

»Das ist doch alles dasselbe.«

»Gar nicht.« Chris kam die Treppe hinunter. Er nahm seiner Schwester das Glas aus der Hand und leerte es in einem Zug. Ehe Juju protestieren konnte, fuhr er fort: »Die Eltern von meiner Klassenkameradin Emma kaufen immer in der ›Wohnwelt‹ ein. In diesem Online-Geschäft gibt es nicht nur alle möglichen Möbel und Dekorationsartikel, sondern auch Ideen und Vorschläge, wie man sein Zuhause mit wenig Aufwand aufhübschen kann.«

Chris griff nach dem Tablet, das auf einem Stapel Papier auf dem Tisch lag. In Windeseile tippte er den Namen des Geschäfts in das Gerät ein. Eine bunte Seite poppte auf.

Julia und ihre Jüngste rückten neben Chris. Gleich steckten die drei die Köpfe zusammen.

»Wohnzimmerideen für jedes Budget«, las der Fünfzehnjährige laut vor und deutete auf das Bild mit der blauen Couch, das eine Ecke der Homepage zierte. »Na bitte, da haben wir es ja schon.«

»Können wir zuerst bei den Spiegeln schauen?«, bettelte Juju. »Ich wünsche mir einen großen Spiegel an der Wand.«

»Tu das nicht, Mama. Dann steht sie den ganzen Tag davor und spielt Modenschau«, neckte Chris seine kleine Schwester.

»Na und? Besser, als den ganzen Tag irgendwelche technischen Sachen zu erfinden, die kein Mensch brauchen kann«, konterte Juju grinsend.

»Die Winkekatze, die ich dir geschenkt habe, hat dir aber schon gut gefallen«, erinnerte Chris seine kleine Schwester.

Juju lächelte. »Das stimmt. Trotzdem möchte ich einen Spiegel. Bitte, bitte, Mama.«

Die freundschaftliche Diskussion ihrer Kinder hatte Julia genutzt, um sich ein wenig in dem Onlineshop umzusehen. Chris hatte recht. Ein paar der Vorschläge gefielen ihr richtig gut. Und das Beste daran war: Sie konnten mit nur wenig Aufwand auch in ihrem Zuhause umgesetzt werden.

»Schaut mal, diese Kissenbezüge passen toll zu unserer Couch. Was haltet ihr davon?«

»Oh! Ich wünsche mir so einen Schrank!« Juju stieß einen entzückten Schrei aus und deutete auf einen blau lackierten Kleiderschrank mit fantasievollen, bunten Mustern auf den Türen, der neben dem Sofa mit den Kissen abgebildet war. »Bitte, bitte, Mama, kann ich den haben? Das ist der schönste Schrank, den ich je gesehen habe!«

»Dann wünsche ihr mir eine Vitrine, in der ich meine Erfindungen ausstellen kann«, erwiderte Chris wie aus der Pistole geschossen.

Seufzend lehnte sich Julia zurück.

»Eigentlich wollte ich nur ein paar Kleinigkeiten fürs Wohnzimmer kaufen und keine komplett neue Einrichtung«, erinnerte sie ihre Jüngsten. »Aber ich mache euch einen Vorschlag: Wir könnten in den Baumarkt fahren und Farbe besorgen. Dann kannst du, Juju, den Schrank in deinem Zimmer nach dieser Vorlage selbst bemalen. Und du, Chris, bist handwerklich doch eh so geschickt. Im Keller steht Opas altes Regal mit den Türen. Die Türfüllungen könntest du herausnehmen und durch Glas ersetzen. Und fertig ist die neue Vitrine!«

Lange musste Chris nicht über diesen Vorschlag nachdenken.

»Das ist eine super Idee! Ich fange gleich damit an.«

»Und ich suche nach Mustern, mit denen ich meinen Schrank bemalen kann«, beschloss Juju voller Tatendrang.

In schönstem Einverständnis wollten die Kinder loslaufen, als Julia sie lachend zurückhielt.

»Halt, halt! Zuerst müssten die alten Tapeten von euren Wänden runter. Danach kümmern wir uns um eure Möbel.«

Die Geschwister tauschten vielsagende Blicke.

»Na gut«, seufzte Chris.

»Wenn's unbedingt sein muss«, lamentierte Juju.

Julia sah den beiden nach, wie sie mit hängenden Köpfen davonschlichen. Dabei konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Sie wusste, wie glücklich sie sich schätzen konnte. Trotz des Wohlstands der Familie – als Leiter der Berling-Klinik verdiente Stefan Holl sehr gut – war die ganze Familie bescheiden geblieben. Und machte es nicht viel mehr Spaß, ausgediente Möbel nach eigenem Gusto selbst zu verschönern, statt einfach alles neu zu kaufen?

Hinter dieser Idee stand Julia mit voller Überzeugung. Trotzdem konnte sie an diesem Nachmittag der Versuchung nicht widerstehen und gab eine kleine Bestellung bei der Wohnwelt auf.

Schon jetzt freute sie sich über die Gesichter der Kinder, wenn sie ihre Überraschungen präsentierte ...

***

Obwohl ihr Mann von den vergangenen fünf Jahren mehr Zeit in der Firma verbracht hatte als zu Hause, hatte Sandra Freudensprung ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, wann Noah heimkam. Es fühlte sich fast so an, als seien ihr Fühler gewachsen, mit denen sie seine Nähe spüren konnte.

Und tatsächlich. Als sie sich vom Herd abwandte, auf dem ein Chili sin Carne köchelte, und aus dem Fenster sah, parkte Noah den Sportwagen gerade vor dem Haus.

Ein Prickeln rieselte durch ihren Körper.

Konnte ein Wagen erotisch sein? Nein, definitiv nicht. Dafür aber die langen, schlanken Finger, die das Steuerrad so sicher lenkten. Diese Hände, die eine neue Einrichtungsidee geschickt auf ein Blatt Papier bannen konnten. Diese Hände, die beim Bau eines Möbelstücks fest zupacken konnten, im Gegensatz dazu aber nach Feierabend sanft wie eine Feder über ihre Wangen, ihren Hals, ihren Körper tanzten.

Sandra musste lächeln. Manchmal kam es ihr so vor, als hätte eine gute Fee an ihrer Wiege gestanden und ihr nur die besten Zutaten für ein glückliches Leben mit auf den Weg gegeben. Zuerst die einzigartige Liebe ihrer Eltern, die ihren beiden Kindern die Kraft gegeben hatte, ihren Interessen und Talenten zu folgen; dann das Innenarchitektur-Studium und ihre Anstellung in der Redaktion eines renommierten Verlags für Inneneinrichtung und Dekoration, in der sie noch heute arbeitete; und schließlich ihre Bekanntschaft mit dem Unternehmer Noah Freudensprung, dem Mitbegründer und Geschäftsführer der Wohnwelt, eines erfolgreichen Möbel- und Deko-Onlinehandels.

Sandra hatte einen Artikel über ihn für das Lifestylemagazin Wohlfühloase schreiben sollen. Noch während des Interviews hatte Noah die junge Journalistin um eine Verabredung gebeten. Nur vier Monate später hatte er um ihre Hand angehalten. Zu der Hochzeit an einem Karibikstrand träumte sich Sandra noch immer gerne zurück, auch wenn der Alltag sie längst eingeholt hatte.

Aber nun sollte ein neuer, ganz besonderer Abschnitt beginnen. Sandra legte die Hände auf ihren runden Bauch.

Wo es wohl passiert war? In dem wunderschönen, orientalisch angehauchten Hotel auf Sansibar, wo Noah sich mit einem Produzenten von Holztruhen getroffen hatte? Oder aber hier in ihrem Schlafzimmer mit Blick auf den Englischen Garten? Vielleicht war es aber auch anlässlich des Besuchs der Fachmesse für Wohnideen und Lifestyle in Rostock im vergangenen September geschehen?

Sandra erinnerte sich noch gut an das gemütliche Boutique-Hotel, das ihr so viel besser gefallen hatte als die Luxustempel, in denen sie für gewöhnlich abstiegen.

Letzten Endes war es jedoch völlig gleichgültig, wo es passiert war. Es machte einfach nur Spaß, an die Momente der Liebe zu denken, denen sie den runden Bauch, die Tritte und Stöße zu verdanken hatte.

Inzwischen war die Küche erfüllt vom Duft des vegetarischen Chilis. Sandras Herz schlug schneller, als sich der Schlüssel im Schloss der Haustür drehte. Daran hatte sich auch nach fünf gemeinsamen Jahren nichts geändert. Absichtlich blieb sie am Herd stehen und rührte im Topf.

Von hinten schmiegte sich Noah an seine Frau. Er legte die Hände um den Babybauch und schmiegte den Kopf in ihre Halskuhle.

»O Sandy, das riecht fantastisch«, seufzte er. »Wie geht es meiner kleinen Familie?«

Sandra lehnte sich an ihn und lachte leise.

»Noch musst du dich mit einer Frau begnügen.«

»Aber mit was für einer!«

Sandra stellte den Herd ab und drehte sich zu ihrem Mann um. Wenn sie ihn ansah, konnte sie ihr Glück oft immer noch nicht fassen. Natürlich lag Schönheit im Auge des Betrachters. Aber Noah Freudensprung sah auch ganz objektiv betrachtet atemberaubend gut aus.

Einen Meter fünfundachtzig groß, gut gebaut, aufrechte Haltung, verstörend dunkle Augen, die auf ihrem Gesicht ruhten.

»Warum siehst du mich so an?«, flüsterte sie, obwohl sie die Antwort schon kannte.

Doch die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.

»Dein Essen riecht köstlich, und ich kann dir gar nicht sagen, wie gerne ich den Abend mit dir auf der Couch verbringen würde ...«

»Aber leider hast du noch ein Geschäftsessen mit Geschäftspartnern aus Peking, die überraschend vor fünf Minuten gelandet sind«, vollendete Sandra den Satz ihres Mannes.

Lächelnd schüttelte Noah den Kopf und hob die Hände.

»Diesmal bin ich unschuldig«, beteuerte er. »Eigentlich war das Davids Termin. Heute Nachmittag fiel ihm ein, dass seine Schwiegereltern heute Abend zum Essen da sind.«

»Guter Trick«, seufzte Sandra. »Schade, dass er bei dir nicht funktionieren würde. Wenn ein Kunde ruft, vergisst du sogar meinen Geburtstag. Oder unseren Hochzeitstag.«

»Nicht böse sein, Sandy«, bat Noah mit diesem Blick, dem seine Frau nie lange widerstehen konnte. »Darüber haben wir doch schon öfter gesprochen. Der Möbel- und Dekorationsmarkt ist heiß umkämpft. Diese Phase ist wahnsinnig wichtig. Wenn die Geschäfte alle in trockenen Tüchern sind, habe ich wieder mehr Zeit für dich. Und für Pünktchen.« Zärtlich streichelte er Sandras Bauch. »Und wenn ich dich daran erinnern darf: Ich habe noch keinen Ultraschalltermin verpasst und bin bei jeder Geburtsvorbereitungsstunde dabei gewesen. Obendrein habe ich dich in die Berling-Klinik begleitet, um den Kreißsaal und die Neugeborenen-Station zu besichtigen.«

Fast sofort hatte Sandra ein schlechtes Gewissen.

»Das stimmt.« Sie legte die Hand auf seine Wange und lächelte zärtlich. »Und jetzt raus mit dir! In zehn Minuten fängt meine Lieblingsserie an. Ich werde mit dem Chili und einer riesigen Packung Eis auf dem Sofa lümmeln und mich darüber freuen, dass ich meine Ruhe habe.«

Noahs Augen leuchteten vor Liebe.

»Habe ich dir schon einmal gesagt, dass du eine großartige Frau bist?«

Sandra schnitt eine Grimasse.

»Ich kann mich nicht erinnern.«

»Gut, dann sage ich es dir ab sofort so lange, bis du es nicht mehr hören kannst. Du bist die großartigste Frau, die ich kenne.«

»Raus mit dir!« Lachend packte Sandra ihn an den Schultern und schob ihn aus der Küche.

Noah beugte sich ihrem Befehl und sprang die Treppe hinauf ins erste Stockwerk.

Als er frisch geduscht und duftend zurückkehrte, hatte Sandra es sich auf dem Sofa bereits bequem gemacht.

»Du ahnst nicht, wie gerne ich jetzt hierbleiben würde«, raunte er seiner Frau ins Ohr und küsste sie.

Ehe sie etwas erwidern konnte, fiel die Haustür schon hinter ihm ins Schloss.

Einen Moment lang saß Sandra da und kämpfte mit den Tränen. Aber nur kurz.

»Du führst ein Leben wie eine Prinzessin«, schalt sie sich. »Das ist aber noch lange kein Grund, sich auch wie eine zu benehmen.«

Sie rang sich ein Lächeln ab, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.

***

»Ich glaube, ich kann heute nicht aufstehen«, stöhnte Julia Holl am nächsten Morgen und streckte die Hand unter der Bettdecke hervor, um den Wecker auszuschalten.

Erst Viertel nach sechs. Und selbst der junge Tag konnte sich augenscheinlich noch nicht dazu entscheiden, den Kampf gegen die Dunkelheit aufzunehmen. Ein schwacher Lichtstreifen fiel durch einen Spalt des Vorhangs ins Schlafzimmer des Ehepaares Holl.

Weder das schlechte Wetter noch seine Müdigkeit hielten Stefan davon ab, sich über seine Frau zu beugen.

Was war los? Normalerweise begrüßte sie jeden Tag voller Elan.

»Was ist mit dir, mein Schatz?«, erkundigte er sich besorgt. »Du bist doch nicht etwa krank?«

»Doch. Und wie!«, kam postwendend die nicht sehr ernst gemeinte Antwort. »Vorausgesetzt, du lässt Muskelkater als Krankheit durchgehen.«

Stefan lachte erleichtert und küsste Julia auf die Nasenspitze.

»Ich habe dir angeboten, dich bei den Renovierungsarbeiten zu unterstützen.«

»Wann willst du das denn auch noch machen?« Julia streichelte die Wange ihres Mannes. »Außerdem haben wir genügend Kinder, die mir helfen können. Schließlich geht es um ihre Zimmer.«

»Kinderarbeit, soso«, scherzte Stefan. »Das lass mal nicht das Jugendamt hören.«

»Du verpetzt mich doch hoffentlich nicht.« Julia kämpfte sich aus dem Bett. Auf dem Weg ins Bad zwinkerte sie ihrem Mann zu. »Schade, dass Dani und Marc ausgezogen sind. Die beiden wären jetzt eine echte Hilfe. Wenn ich Chris und Juju nur bitte, einen Schrank auszuräumen und die Sachen auszusortieren, können sie plötzlich alles brauchen. Dabei bin ich sicher, dass Chris das Raketenmodell niemals fertig bauen und Juju kein Patchwork-Kissen aus den Stoffresten nähen wird.«

Stefan Holl gesellte sich zu seiner Frau. Eine Weile waren nur Wasserrauschen und das Summen der elektrischen Zahnbürste zu hören.

»Vielleicht wäre es vernünftiger, sie zum Abziehen der Tapeten einzuteilen.«

»Schon geschehen. Auch deshalb, weil ich mich vor lauter Muskelkater kaum mehr bewegen kann.« Julia stieg aus der Dusche und wickelte sich in ein Handtuch ein. Ihr Blick ruhte auf ihrem Mann, um ihre Lippen spielte ein Lächeln, das Stefan nur allzu gut kannte. »Du kennst doch bestimmt eine wirkungsvolle Therapie dagegen.«

»Lass mich raten. Du denkst an eine Nackenmassage.«

Stefan legte seine Hände auf ihren oberen Rücken und knetete die Muskeln sanft.

»Ein paar Streicheleinheiten würden den Genesungsprozess bestimmt verstärken, Herr Doktor.«

Genüsslich schmiegte sie sich in seine Arme.

»Nichts lieber als das«, seufzte Stefan Holl. Doch dann erinnerten ihn die Stimmen seiner beiden jüngeren Kinder daran, dass auch er nicht endlos Zeit hatte. »Was hältst du von einer kleinen Auszeit am Wochenende? Wir könnten mal wieder nach Rottach fahren, die Handys ausschalten und es uns so richtig gut gehen lassen.«