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Eine moralische Zwickmühle, wie sie im Buche steht, ergibt sich dieser Tage für Dr. Stefan Holl. Nie ist es dem integren Chefarzt so schwergefallen, sich an die ärztlichen Vorschriften zu halten. Denn das Leben eines werdenden Familienvaters steht auf dem Spiel.
Großes Glück und furchtbares Pech geben sich im Fall dieses Patienten die Klinke in die Hand. Denn der Mann hat eine extrem seltene Blutgruppe. Und doch will es der Zufall, und die passende Spenderin befindet sich in der Datenbank der Berling-Klinik!
Nur von Elisa Trautmann fehlt seit der letzten Spende jede Spur.
Mit Hochdruck suchen Dr. Holl und sein Team nun weltweit nach einem alternativen Blutspender, doch Fehlanzeige.
Fast gibt der Chefarzt schon die Hoffnung auf, da erscheint ein verliebt dreinblickender Antiquitätenhändler in der Notfallambulanz - im Arm hält er Elisa! Doch um ihren Gesundheitszustand steht es schlecht ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Die vermisste Blutspenderin
Vorschau
Impressum
Die vermisste Blutspenderin
Elisa soll ein Leben retten,doch sie bleibt verschwunden ...
Von Katrin Kastell
Eine moralische Zwickmühle, wie sie im Buche steht, ergibt sich dieser Tage für Dr. Stefan Holl. Nie ist es dem integren Chefarzt so schwergefallen, sich an die ärztlichen Vorschriften zu halten. Steht doch das Leben eines werdenden Familienvaters auf dem Spiel.
Großes Glück und furchtbares Pech geben sich im Fall dieses Patienten die Klinke in die Hand. Denn der Mann hat eine extrem seltene Blutgruppe. Und doch will es der Zufall, und die passende Spenderin befindet sich in der Datenbank der Berling-Klinik!
Nur dann der nächste Rückschlag: Von Elisa Trautmann fehlt seit der letzten Spende jede Spur.
Mit Hochdruck suchen Dr. Holl und sein Team nun weltweit nach einem geeigneten Blutspender, doch Fehlanzeige.
Fast gibt der Chefarzt schon die Hoffnung auf, da erscheint ein verliebt dreinblickender Antiquitätenhändler in der Notfallambulanz – im Arm hält er Elisa!
Doch um ihren Gesundheitszustand steht es schlecht ...
»Ein Sommergewitter! Und was für eins!«
Marius Fitzek stand am Fenster seiner Wohnung im zweiten Stock und sah hinaus. Angesichts des seit Tagen blauen Himmels hatte er nicht damit gerechnet, dass die Wettervorhersage wirklich recht haben könnte.
Es regnete in Strömen. Blitze zuckten über den Himmel, Donner erschütterte die Luft. Der Wind peitschte die Tropfen so wütend vor sich her, dass sie waagrecht gegen die Scheibe trommelten.
Auf dem Kopfsteinpflaster im Innenhof entstanden im Handumdrehen kleine Seen. Von den Tauben, die den Hof normalerweise bevölkerten oder aus Wandnischen und auf Absätzen gurrten, war keine Spur zu sehen.
Und das alles ausgerechnet heute! Marius haderte mit sich. Sollte er sich wirklich wie jeden ersten Montag im Quartal auf den Weg in die Berling-Klinik machen, um dort Blut zu spenden? Wenn er nicht kam, würde Pfleger Johann ihn bestimmt vermissen. Aber das war nicht der einzige Grund, warum Marius den Termin nicht einfach auf den kommenden Montag verschieben wollte. Viel gewichtiger war, dass er Gefahr lief, die schöne Elisa zu verpassen.
Schon bei ihrem ersten Treffen im Blutspende-Saal der Berling-Klinik war ihm die dunkeläugige Schönheit sofort aufgefallen. Beim zweiten Mal hatte Pfleger Johann die Buchhalterin sogar mit einem verschwörerischen Zwinkern auf die Liege neben Marius gelegt. Elisa hatte ihn angelächelt und sich ein wenig mit ihm unterhalten. Und mit jedem weiteren Treffen hatte er ein Stückchen mehr über sie erfahren.
Marius wusste, dass Elisa nicht weit entfernt von der Klinik mit ihrem Kater Carlo in einer Altbauwohnung lebte; dass sie als Buchhalterin für eine Software-Firma arbeitete, aber viel lieber Tänzerin oder Poetin geworden wäre; dass sie den veganen Imbiss um die Ecke genauso schätzte wie Spaziergänge im Englischen Garten. Mit leuchtenden Augen hatte sie ihm von den Büchern erzählt, die sie so sehr liebte, und von ihrer Silberdosen-Sammlung aus Indien, der Heimat ihrer Großeltern.
Viel war es also nicht, was er bislang erfahren hatte, aber genug, um zu wissen, dass er Elisa unbedingt wiedersehen musste.
Da die Berling-Klinik von seinem Wohnhaus am schnellsten zu Fuß zu erreichen war und er obendrein kein Auto besaß, hatte Marius keine Wahl.
»Ich muss laufen ...«
Missmutig kramte er die Regenkleidung hervor, die er fürs Fahrradfahren angeschafft hatte. Eine Regenhose, Regenjacke, dazu einen Regenhut und Gamaschen, um die Schuhe trocken zu halten. Auf einen Regenschirm konnte er bei dem Wind getrost verzichten.
»Ach Gottchen, Herr Fitzek, wo wollen Sie denn bei diesem Wetter hin?«, rief ihm die Hausmeisterin aus der Hofeinfahrt nach.
Statt einer Antwort winkte Marius und sprang über den Bach, der sich im Rinnstein gebildet hatte.
Schon das Überqueren der Straße bedeutete ein Abenteuer. Der Regen peitschte ihm waagrecht ins Gesicht, sodass er die Autoscheinwerfer kaum von den Reklameschildern und Spiegelungen der Straßenlaternen unterscheiden konnte. Marius blinzelte aus halb geschlossenen Lidern in Richtung des heranrollenden Verkehrs. Mit ein paar kühnen Sprüngen musste es zu schaffen sein. Er sprang los, eine Böe riss ihm den Hut vom Kopf und wehte ihn unter die Räder eines Autos.
»So ein Mist!«, fluchte Marius, erreichte aber sicher die andere Straßenseite.
Das regennasse Haar hing ihm in die Augen, ein Rinnsal floss an seinem Nacken hinab. Er nestelte die Kapuze aus dem Kragen und zog den Kopf ein.
Der Englische Garten war menschenleer, Blätter wirbelten durch die Luft, abgerissene Äste lagen auf Wiesen und Wegen.
»Selbst schuld. Kein Mensch geht bei diesem Wetter vor die Tür«, schalt Marius sich selbst.
Der Wind riss ihm die Worte aus dem Mund und trug sie hinüber zur Klinik, die endlich in Sicht kam.
»O Gott!« Beim Anblick seines treuen Spenders schlug Pfleger Johann die Hände über dem Kopf zusammen. »Herr Fitzek, dass Sie bei diesem Wetter herkommen, ... das wäre doch nicht nötig gewesen. Schließlich öffnen wir jeden Montag hier zur Blutspende.«
Dankend nahm Marius das Handtuch, das der Pfleger ihm reichte. Seine Wangen glühten, seine Haut war klamm, sein Herz klopfte schnell in seiner Brust. Trotzdem strahlte er von einem Ohr zum anderen.
»Jeden ersten Montag im Quartal habe ich eine Verabredung hier«, erinnerte er Pfleger Johann. »Hoffentlich bin ich nicht zu spät.«
Ein Blick auf die Armbanduhr beruhigte ihn.
Der Pfleger machte ein betroffenes Gesicht.
»Tut mir leid, aber heute sind Sie der Einzige, der sich aus dem Haus gewagt hat.«
Nach dem ersten Schrecken konnte Marius nur den Kopf schütteln. Wie konnte er so vermessen sein zu glauben, Elisa fühlte ähnlich wie er?
»Kommen Sie!« Johann erkannte die Not seines Spenders und fasste ihn sanft am Arm. »Jetzt trinken Sie erst einmal eine schöne Tasse Tee. Danach fühlen Sie sich bestimmt gleich besser.«
***
Ein Ast klatschte an die Scheibe. Elisa Trautmann fuhr hoch.
Schwer atmend saß sie im Bett und versuchte herauszufinden, was sie so sehr erschreckt hatte. Erst jetzt bemerkte sie das Rauschen des Regens. Sie atmete auf und sank zurück in die Kissen, wickelte sich wieder in die Decke ein. Der Dunkelheit in ihrem Schlafzimmer nach war es noch sehr früh am Morgen. Da konnte sie ruhigen Gewissens die Augen noch einmal schließen. Denn obwohl sie am Abend zuvor schon früh ins Bett gegangen war und geschlafen hatte wie ein Stein, fühlte sie sich so erschöpft, als wäre sie die ganze Nacht unterwegs gewesen.
Den Grund für diese Erschöpfung hatte ihr Dr. Peter Donat von der Berling-Klinik vor ein paar Wochen am Telefon mitgeteilt.
»Sie leiden unter einer Eisenmangelanämie«, hatte er gesagt. »Bitte kommen Sie bei Gelegenheit in die Klinik, um das abklären zu lassen.«
Daraufhin hatte Elisa das Internet zurate gezogen. Nicht ungewöhnlich war eine Blutarmut bei Frauen, die jeden Monat unter einer starken Blutung litten und damit auch viel Eisen verloren. Kein Grund zur Panik also, zumal in der Firma, in der sie als Buchhalterin arbeitete, momentan umstrukturiert wurde. Undenkbar, für einen Arztbesuch, der nicht lebensnotwendig war, auch nur einen halben Tag Urlaub zu nehmen. Deshalb hatte sich Elisa vorgenommen, der Ursache beim nächsten Blutspende-Termin auf den Grund zu gehen.
War heute nicht der erste Montag im Quartal?
Elisa schob die Hand unter der Bettdecke hervor und tastete nach dem Wecker. Blinzelnd hielt sie ihn vors Gesicht. Im nächsten Moment war sie hellwach.
Schon viertel nach sieben! Ihr blieb nur noch eine Viertelstunde, um sich zu waschen, anzuziehen und den Bus zur Berling-Klinik zu nehmen. Sicher, die Türen des Blutspende-Saals standen auch noch länger offen. Aber abgesehen von ihrer Arbeit hätte sie dann das Treffen mit Marius verpasst, auf das sie schon seit Wochen hin fieberte. Heute wollte sie sich ein Herz fassen und ihn endlich nach seiner Telefonnummer fragen.
Dieser Gedanke machte Elisa Beine. Sie schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett. Zwei Meter weiter stolperte sie über etwas Flauschiges. Das Fellknäuel fauchte und maunzte empört. Ein scharfer Schmerz raubte Elisa kurz den Atem, der Boden unter ihren Füßen schwankte. Sie sank auf den Teppich und begutachtete die Spuren, die die Krallen ihres Mitbewohners hinterlassen hatten. Ein Tropfen Blut rann über ihr Schienbein. Der Kater stand in der Tür und beobachtete sie aus sicherer Entfernung.
»Tut mir leid, Carlo, das war nicht böse gemeint. Warum liegst du auch immer mitten auf dem Teppich, wo du so viele Höhlen und Bettchen hast?«
Die Antwort kannte Elisa längst. Der Flokati war nicht nur für ihre Füße kuschlig weich.
Seufzend rappelte sie sich hoch und ging zuerst in die Küche, um Carlo mit einer Mahlzeit versöhnlich zu stimmen.
Im Bad muss eine Katzenwäsche heute genügen, dachte sie und lächelte matt über den Wortwitz.
Nur auf ein sorgfältiges Make-up verzichtete Elisa auch an diesem Morgen nicht. Schließlich wollte sie sich Marius von ihrer besten Seite zeigen. Da spielte es keine Rolle, dass sie auch ohne Nachhilfe aus dem Schminkkasten eine Schönheit war, der ihre indischen Wurzeln einen besonderen Zauber verliehen. In silbernen Döschen und Dosen bewahrte sie ihre Schätze auf – Puder, Kajal für die Augen, Wimperntusche und Lippenbalsam.
Zuletzt tupfte sie Rosenöl auf die Handgelenke und betrachtete das Ergebnis im Spiegel. Die Blässe war verschwunden, doch gegen den müden Ausdruck in ihren Augen war selbst das beste Make-up machtlos.
»Wenn ich ihm so nicht gefalle, hat er mich nicht verdient!«, teilte Elisa ihrem Spiegelbild mit, ehe sie Carlo streichelte und ohne Frühstück die Wohnung verließ.
***
Draußen tobte noch immer das Sommergewitter.
Schon im Eingang zerrte der Wind an Elisas schwarzem Haar. Wassertropfen klatschten ihr ins Gesicht. Ein Glück, dass die Bushaltestelle nicht weit entfernt war. Sie zog die Kapuze tief ins Gesicht und lief los.
Weit kam Elisa nicht. Nach wenigen Metern bekam sie kaum mehr Luft. Auf ihrer Stirn mischten sich Schweißperlen mit den Regentropfen. Schwer atmend suchte sie Halt an einem Baum. Sie spürte, wie ihr schwarz vor Augen wurde.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«
Der Wind trug eine Stimme herüber und bewahrte sie vor der drohenden Ohnmacht.
»Danke, es geht schon«, rief sie zurück, lächelte und winkte dem fürsorglichen Mann, der sich tapfer gegen den Gewittersturm stemmte.
Er nickte und kämpfte sich weiter in Richtung Bushaltestelle. Hilflos musste Elisa mit ansehen, wie der Bus einfuhr. Vielleicht hätte sie es tatsächlich noch geschafft. Doch der Gedanke daran, was danach noch vor ihr lag, raubte ihr die Energie.
Nein, sie hatte keine Kraft für den Weg in die Klinik und schon gar nicht für die Weiterfahrt in ihre Firma, um dort einen ganzen Tag am Schreibtisch zu verbringen.
Die Bustüren öffneten und schlossen sich wieder. Durch den Regen sah sie den Rücklichtern nach, bis sie sich zwischen all den anderen Lichtern auflösten.
Elisa blieb unter dem Baum stehen, bis Wind und Regen endlich nachließen. Dann machte sie sich auf den Rückweg.
Meter für Meter schlich sie vorwärts, jeder Schritt war eine Qual. Der Mann aus dem veganen Imbiss erkannte ihre Not. Er eilte aus seinem Geschäft und führte Elisa zurück zum Wohnhaus.
»Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst?«, erkundigte er sich vor der Haustür.
»Vielen Dank. Ich rufe gleich meinen Hausarzt an. Er kommt später bestimmt vorbei.«
Elisa legte all ihre Überzeugungskraft in die Stimme und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, das erlosch, kaum dass die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war.
In ihrer Wohnung kochte sie schwarzen Tee, der ihre kalten Glieder wärmen sollte. Bewaffnet mit Kanne und Tasse ging sie auf direktem Weg ins Bett. Auf der Arbeit meldete sie sich krank. Ihr Chef tobte und zeterte, doch das nützte ihm nichts. Die Sprechstundenhilfe des Hausarztes versprach einen Besuch in der Mittagspause.
Erleichtert legte Elisa das Handy weg, trank eine Tasse Tee und rollte auf die Seite. Sie bettete den Kopf auf die Hände und dachte an Marius, den sie frühestens in drei Monaten wiedersehen würde. Im nächsten Augenblick war sie eingeschlafen.
***
Wann immer es das Wetter erlaubte, schwang sich Stefan Holl auf sein Fahrrad, um in die Klinik zu fahren. Doch an diesem Morgen verzichtete er liebend gerne auf die körperliche Ertüchtigung.
Diese Entscheidung fand die volle Unterstützung seiner Frau.
»Nicht, dass du am Ende noch in die Isar geschwemmt wirst«, scherzte Julia.
»Und im Meer landest«, ergänzte die elfjährige Juju den Satz ihrer Mutter.
»Die Isar mündet doch nicht im Meer«, verlachte der fünfzehnjährige Chris seine Schwester.
»Tut sie doch«, beharrte Juju. »Wir haben nämlich in der Schule gelernt, dass die meisten Flüsse irgendwann im Meer münden.«
»Fakt ist, dass die Isar in die Donau fließt, die wiederum nach ihrer Reise durch zehn Länder ins Schwarze Meer mündet«, erklärte Stefan, während er sich zum Aufbruch rüstete. »Und wenn ihr euch nicht beeilt, mündet eure Diskussion in einem Eintrag im Klassenbuch, weil ihr zu spät gekommen seid.«
Die Geschwister musterten ihren Vater mit großen Augen. Schlagartig waren sie wieder einer Meinung.
»Wir haben gedacht, du nimmst uns mit dem Auto mit.«
Chris setzte eine Unschuldsmiene auf.
»Bei so einem Wetter jagt man noch nicht einmal eine Maus vor die Tür«, versicherte Juju mit unwiderstehlich niedlichem Augenaufschlag. »Und du willst doch ganz bestimmt nicht, dass wir klatschnass im Unterricht sitzen und uns eine Lungenentzündung holen.«
Chris und Juju kannten ihre Eltern gut genug. Daher wussten sie: Kinder, die alt genug waren, um sich ein Eis zu kaufen oder Freunde zu treffen, wenn sie Lust darauf hatten, konnten auch selbstständig zur Schule kommen. Doch das Wetter spielte ihnen in die Karten. Gegen diese Argumente war Stefan Holl machtlos.
»Also schön. Ich bringe euch hin. Aber das ist eine absolute Ausnahme, verstanden?«
Während die Kinder in Windeseile ihre Sachen zusammenrafften, verabschiedete sich Stefan mit einem Kuss von seiner Frau.
Wenn Juju dreizehn Jahre alt war, wollte Julia wieder in ihren Beruf als Kinderärztin zurückkehren. Doch an diesem stürmischen, regnerischen Tag war sie froh, zu Hause bleiben zu können.
Ein Windstoß fuhr in den Flur und brachte Laub und Wasser mit. Schnell verabschiedete sie ihre Lieben. Sie schloss die Tür und holte ein Bodentuch, um die Tropfen wegzuwischen.
Inzwischen hatte Chris auf dem Beifahrersitz Platz genommen, Juju kletterte auf ihre Sitzerhöhung auf dem Rücksitz. Als alle ordnungsgemäß angeschnallt waren, startete Stefan Holl den Motor.
Das Gymnasium war nicht weit entfernt.
»Seht euch die Schlange an!«
Er war beileibe nicht der einzige Vater, der ein Einsehen mit seinen Kindern gehabt hatte. Es dauerte ein paar Minuten, bis er einen Parkplatz am Straßenrand ergattern und sich von Sohn und Tochter verabschieden konnte.
Und weiter ging die Fahrt. Zum Glück ließ der Regen endlich nach. Eine Böe riss ein Loch in die Wolkendecke, ein Sonnenstrahl fiel auf die nasse Welt und ließ die Straßen glänzen wie frisch lackiert.
Als Stefan Holl den Wagen auf dem Klinikparkplatz abstellte, schien es fast, als wäre nichts geschehen. Es nieselte nur noch leicht, das herumliegende Laub und die abgerissenen Äste kündeten vom überstandenen Gewittersturm.
»Das ist ein Wetter wie im April. Dabei haben wir schon Ende Mai«, sagte er zur Empfangsdame am Tresen, als ein Mann zu ihnen trat.
»Guten Tag, darf ich kurz stören?«
»Davon kann keine Rede sein.« Freundlich begrüßte der Klinikchef den Besucher und stellte sich vor. »Um was geht es denn?«