Chefarzt Dr. Holl 1946 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1946 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Das Erwachsenwerden ist eine aufregende Zeit voller neuer Entdeckungen, Unsicherheiten und Veränderungen. Themen wie die erste Periode werden auch noch heute von den Heranwachsenden lieber auf eigene Faust im Internet erforscht oder hinter vorgehaltener Hand mit Gleichaltrigen besprochen, bevor die Eltern zurate gezogen werden.
Das könnte auch Emma Fink so unterschreiben. Als sie mit fünfzehn Jahren, später als alle anderen Mädchen in ihrem Umfeld, die erste Periode bekommt, wendet sie sich in ihrer Aufregung zuerst an ihre beste Freundin. Die schenkt ihr den ersten Tampon. Als Emma am wenige Stunden danach, begleitet von starken Kopfschmerzen und Schwindel, hohes Fieber bekommt, spielt sie das herunter. Ihre beste Freundin hat schließlich gesagt, sie habe auch immer Bauchkrämpfe und Migräne - also wird das schon normal sein, denkt sich Emma mit schweißnasser Stirn und bricht bewusstlos zusammen ...


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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Gestern war ich noch Kind

Vorschau

Impressum

Gestern war ich noch Kind

Beunruhigende Krankheitssymptome begleiten Emmas erste Periode

Von Katrin Kastell

Das Erwachsenwerden ist eine aufregende Zeit voller neuer Entdeckungen, Unsicherheiten und Veränderungen. Themen wie die erste Periode werden auch noch heute von den Heranwachsenden lieber auf eigene Faust im Internet erforscht oder hinter vorgehaltener Hand mit Gleichaltrigen besprochen, bevor die Eltern zurate gezogen werden.

Das könnte auch Emma Fink so unterschreiben. Als sie mit fünfzehn Jahren, später als alle anderen Mädchen in ihrem Umfeld, die erste Periode bekommt, wendet sie sich in ihrer Aufregung zuerst an ihre beste Freundin. Die schenkt ihr den ersten Tampon. Als Emma wenige Stunden danach, begleitet von starken Kopfschmerzen und Schwindel, hohes Fieber bekommt, spielt sie das herunter. Ihre beste Freundin hat schließlich gesagt, sie habe auch immer Bauchkrämpfe und Migräne – also wird das schon normal sein, denkt sich Emma knapp eine Woche später mit schweißnasser Stirn und bricht bewusstlos zusammen ...

»Wie findest du das hier?«, wollte Verena Fink von ihrer fünfzehnjährigen Tochter Emma wissen und drehte sich einmal vor dem Schlafzimmerspiegel der bescheidenen Zweizimmerwohnung.

Sie lebten seit über zehn Jahren hier, zu zweit.

»Genauso schön wie das andere. Wieso trägst du nicht das Kleid vom letzten Mal?«

Wenn du schon die Männer bei deinen Dates wechselst, fällt es doch keinem auf, fügte sie gedanklich hinzu und verdrehte heimlich die Augen.

Verena hielt mitten in der Bewegung inne. Der Stoff des Unterrocks raschelte ein letztes Mal fröhlich um ihre Beine. Sie betrachtete Emma eingehend über das Spiegelglas.

»Was ist los, mein Schatz? Dich bedrückt doch etwas.«

Emma blickte auf. Sie freute sich ehrlich, dass ihre Mutter wieder flirtete, nachdem sie jahrelang von den Männern nichts hatte wissen wollen. Die Untreue ihres Mannes, der schließlich mit einer anderen durchgebrannt war, hatte ihr Vertrauen zutiefst erschüttert.

Doch jetzt stürzte sie sich regelrecht in eine Affäre nach der anderen.

»Nichts. Es ist alles okay«, log Emma und zwang sich zu einem Lächeln. Verena bemerkte ihr Schauspiel zum Glück nicht. »Aber ich frage mich, wieso du ständig neue Kleider anziehst, wenn du doch sowieso nie mit demselben Mann zweimal ausgehst.«

»Es hört sich vielleicht komisch an, aber ich empfinde es jedes Mal als Neuanfang, egal, mit welchem von ihnen. Irgendwann wird der Richtige dabei sein, das weiß ich. Und dann werde ich dasselbe Kleid sicher häufiger tragen. Ich brauche diesen groben Schnitt zwischen ihnen ganz für mich selbst. Ich möchte das Gefühl haben, dass tatsächlich etwas Neues beginnt, verstehst du?«

»Ja, schon ...«, behauptete das Mädchen und strich sich eine störende blonde Strähne hinters Ohr.

Eigentlich verstand sie rein gar nichts von dem, was ihre Mutter plötzlich antrieb. Die Jahre zuvor hatte sie sich doch auch nicht um das andere Geschlecht geschert. Eventuell kam Verena in eine Phase, in der sie ihren eigenen Marktwert austesten wollte. In den Frauenmagazinen las sie manchmal davon.

In Wirklichkeit wirkte es auf Emma jedoch, als dränge sie jemand von außerhalb, dabei gab es in ihrem Leben bloß sie beide. Bei Verena hatte sich ein Zwang entwickelt, der sich seit zwei Jahren stetig verhärtete. Vielleicht litt ihre Mutter unter dieser »Torschlusspanik«, von der ein Artikel in der letzten UpStyle gehandelt hatte?

»Aber wir haben gar nicht so viel Geld, um deinen Kleiderschrank ständig auszutauschen«, setzte das Mädchen nun kleinlaut hinzu.

»Mach dir darum keine Gedanken, meine Kleine«, gab Verena zur Antwort, wieder ganz in ihr Spiegelbild vertieft. »Zur Not schiebe ich Überstunden. Dir wird es an nichts fehlen, Emma.«

Außer an einem Vater. Das denkst du doch. Oder, Mama? Das ist doch der wahre Grund, warum du von einem Date zum nächsten rennst, dachte ihre Tochter besorgt.

Behutsam strich Verena das geblümte Sommerkleid glatt. Sie wirkte heute jünger und fröhlicher als sonst, beinahe jugendlich.

Emmas Mutter war ohnehin nicht alt. Sie hatte ihre Tochter mit gerade einmal achtzehn Jahren bekommen. Bereits ab der Geburt hatte es Probleme mit dem Kindsvater gegeben, der kein Interesse an seinem Nachwuchs gezeigt hatte. Weder hatte er sich um Emma gekümmert noch Verena anders unter die Arme gegriffen. Er war lieber in Kneipen und im Internet auf Frauenfang gegangen.

Seit dieser herben Enttäuschung hatte sich Verena zunächst von Männern ferngehalten, doch nun war Emma alt genug, um auf sich achten zu können und sich zum großen Teil selbst zu versorgen. Dabei fühlte sie sich noch lange nicht erwachsen – im Gegenteil.

Emma seufzte leise und blickte verträumt vom Fenster im zweiten Stock aus in den Hof, wo ein paar Jungen Fußball spielten. Sie fragte sich, ob sie jemals so friedlich gespielt hatte, als sie noch kleiner gewesen war.

Das Einzige, woran sie sich stets erinnerte, waren die Finger, die auf sie gezeigt hatten, und die befremdeten Blicke ihrer Mitschüler, weil Emma keinen Vater hatte. Sie hatte ihre Situation und die ihrer alleinerziehenden Mutter selbst erst viel später begriffen.

Verena sprach so gut wie nie von Emmas Erzeuger, und so blieb das unangenehme Thema hinter einer unsichtbaren, verriegelten Tür verborgen.

»Mama, wann wusstest du, dass du erwachsen wirst?«, fragte Emma wie aus dem Nichts.

Verena unterbrach das Auftragen ihrer dezenten Schminke, um sich ganz ihrer Tochter zu widmen. Die Frau setzte sich neben sie auf den Heizkörper und legte Emma eine Hand sanft auf den Scheitel. Liebevoll streichelte sie ihr Haar, ganz wie früher.

»Wie kommst du plötzlich auf solche Gedanken?«

»Nur so ...«, murmelte Emma.

Sie wich dem Blick ihrer Mutter aus und konzentrierte sich stattdessen auf einen alten Wasserfleck an der Wand hinter der Heizung.

»Wirklich erwachsen fühlt man sich erst, wenn man zum ersten Mal Verantwortung übernehmen muss und niemand sonst für dich einsteht. Bei mir war das mit achtzehn der Fall, als ich nämlich dich bekam. Ab diesem Zeitpunkt hat sich mein ganzes Leben verändert, du hast es völlig auf den Kopf gestellt. Ich war ab sofort für einen kleinen, hilflosen Menschen verantwortlich, dessen Leben in meinen Händen lag.«

»Das klingt ja nicht gerade begeistert.«

Verena unterdrückte ein Lachen. Sie nahm Emmas Kinn zärtlich in die Hand und zwang sie dazu, den Blick zu heben und ihr in die Augen zu sehen.

»Du bist das Beste, was mir im Leben passieren konnte. Ich würde dich für keinen Mann der Welt hergeben, hörst du? Du bist meine Tochter, Emma. Niemand wird sich je zwischen uns drängen.«

»Bist du denn gar nicht sauer? Immerhin habe ich dir jahrelang die Chance auf einen festen Freund versaut. Und deine Jugend habe ich dir auch noch genommen.«

Ein Schatten lief über Verenas Gesicht. Ihre Augen schimmerten verdächtig.

»Sag so etwas bitte nicht. Denk nicht mal im Ansatz daran.« Sie sah auf die Uhr über der Tür und sprang plötzlich auf. »O Mist! Ich komme zu spät! Wie sehe ich aus?«

»Traumhaft schön wie immer, Mama.«

Verena drückte Emma einen Schmatzer auf das helle Haar.

»Ich versuche, nicht zu spät zu Hause zu sein. Das Essen steht ganz oben im Kühlschrank. Wünsch mir Glück!«

Sie wartete Emmas Antwort nicht ab, sondern griff nach ihrer Handtasche auf dem Bett und verschwand mit dem nächsten Wimpernschlag durch die Tür.

Emma blieb still sitzen, bis die Wohnungstür ins Schloss fiel. Erst danach atmete sie kräftig durch und versuchte, den Kloß in ihrem Hals zu bekämpfen.

Ich wünsche dir immer Glück, und trotzdem wird es nie etwas, dachte sie niedergeschlagen.

***

Erwachsen wurde man also erst, wenn man erstmals Verantwortung für sich und andere übernahm? Das konnte somit noch eine Weile dauern, denn Emma hatte nicht vor, so früh Kinder in die Welt zu setzen wie ihre Mutter. Wenn sie überhaupt welche bekommen konnte. Bislang blieb ihre erste Periode noch immer aus, weshalb sich der Teenager mittlerweile große Sorgen machte.

Zur Frauenärztin traute sie sich nicht mehr. Dr. Heitken würde sie dort sicher wieder abweisen, weil sie als Minderjährige ohne Begleitung erschien. Ob alle Gynäkologen so reagieren würden?

Auch mit ihren Lehrern sprach sie nicht über das heikle Thema. Der Sexualkundeunterricht war bereits ein paar Jahre her, und sie erinnerte sich nicht daran, etwas wie eine ›zu späte Periode‹ jemals besprochen zu haben, außer bei einer Schwangerschaft. Allgemein waren diese Biologiestunden in der Schule eine Seltenheit gewesen. Man hatte lediglich an der Oberfläche des Themas gekratzt.

Das Internet half ihr oft deutlich besser weiter. Doch in diesem Fall flößte ihr die Suche mehr Angst ein, als dass sie zu einer finalen Diagnose kam.

Sobald Emma danach geforscht hatte, löschte sie ihren Verlauf, damit Verena nichts davon bemerkte. Franziska war die Einzige, gegenüber der es ihr nicht unangenehm war, mit der Sprache herauszurücken.

Emma tippte eine schnelle Nachricht an ihre beste Freundin. Daraufhin griff auch sie nach ihrem Schlüsselbund und ihrer Jeansjacke und verließ die Wohnung für etwas Ablenkung. Emmas Hausaufgaben würden so lange brav auf sie warten und später auch noch da sein. Es gab in diesem Moment Wichtigeres für sie zu tun ...

***

Verena zupfte am Ausschnitt ihres Kleides und überprüfte ihr Make-up im Rückspiegel.

Während sie ihr eigenes Gesicht betrachtete, dachte sie kurz an Emma.

Ihre Kleine ahnte ja nicht, was für ein immenser Druck auf Verenas Schultern lastete. Jahre hatte sie ins Land ziehen lassen, ohne Emma jemals die Stabilität einer vollständigen Familie bieten zu können. Dabei hätte das Mädchen den Zuspruch und die Unterstützung einer Vaterfigur fraglos gebrauchen können.

Verena wusste von den Gemeinheiten ihrer Mitschüler, von der Ausgrenzung, vom Mobbing. Doch sie war zu schwach gewesen, um sich diesen Problemen entgegenzustellen. Vielleicht, weil sie die junge Mutter an ihre eigene Schulzeit erinnerten. Statt für Emma einzustehen und ihr eine starke Schulter zu bieten, war Verena außerdem viel zu sehr mit ihrer eigenen Trauer um ihre verflossene Liebe beschäftigt gewesen. Sie hatte all die Jahre funktioniert, war aber kaum mit dem Herzen dabei gewesen. Von nun an wollte sie wieder leben und frei atmen, sich nie wieder von einem Mann abhängig machen, allerdings auch nicht allein bleiben. Die Hoffnung auf den einen, den Richtigen starb bekanntlich zuletzt.

Sie betrachtete das Profilbild ihrer nächsten Verabredung auf ihrem Smartphone. Wie bei jedem seiner Vorgänger hatte sich Verena das Gesicht des Mannes auch diesmal genau eingeprägt: kantiges Kinn, rasiert, Anzugträger, gegelte schwarze Haare. Er wirkte sehr geordnet und beinahe unterkühlt. Sie konnte ihr Herz im Kopf klopfen fühlen, so aufgeregt war sie vor dem Treffen mit Mark. Dabei sollte Verena langsam Übung darin haben, sich mit einem Fremden im Café zu verabreden.

Ein harmloses Treffen, ein erstes Beschnuppern, mehr nicht, sagte sie sich angespannt und richtete zuletzt ihre Frisur. Wir tauschen Hobbys und Familiengeschichten aus. Niemand landet sofort im Bett des anderen. Auf seinem Profil stand etwas von einem Kind, also weiß er, wie das ist. Eine super Grundlage, auf der man aufbauen kann.

Leider sahen die wenigsten aus wie auf ihrem Profilfoto, hatte sie mit der Zeit feststellen müssen. Verena war mehrere Male gehörig reingefallen. Was sie allerdings am häufigsten von einem zweiten Date abhielt, waren nicht die Unterschiede im Aussehen, sondern ihre Träume und Lebensrealitäten, die zu weit auseinanderklafften.

Meistens stockte den Männern bereits der Atem oder ihnen blieb das Essen wortwörtlich im Halse stecken, wenn sie ihre Teenagertochter das erste Mal erwähnte. Dabei hatte sie auf ihrem Profil ihr Kind sogar angegeben.

Wahrscheinlich trafen sie sich aufgrund ihrer hübschen Bilder mit ihr, sahen sich ihre Infos jedoch gar nicht erst an. Eventuell hatten sie auch geglaubt, mit der jungen Mutter eine eigene Familie gründen zu können oder noch eine Weile feiern zu gehen, als wären sie Anfang zwanzig. Beides war nicht Verenas Fall. Auf ein zweites Kind würde sie sich zwar einlassen, aber auch nur, wenn die Beziehung zum Vater dieses Mal perfekt passte – und Verena war mit den Jahren ziemlich anspruchsvoll geworden.

»Augen zu und durch«, machte sie sich selbst Mut und stieg aus dem Wagen, ehe sie es sich anders überlegen konnte.

Als sie auf eine Cent-Münze trat, hob sie das kupferfarbene Rund vom Boden auf und behielt es bis zum ersten Aufeinandertreffen mit dem Fremden in der Hand.

»Ein wenig Extra-Glück kann nicht schaden.«

Eigentlich war Mark nicht ihr Typ, aber sie wollte ihren Horizont heute einmal erweitern. Wer wusste schon, hinter welcher Ecke die wahre Liebe auf sie wartete?

Als Verena einen Moment nicht aufpasste, prallte sie heftig mit einer großen, schlanken Gestalt zusammen. Beinahe wäre sie zu Boden gegangen, der Cent rutschte ihr dabei durch die Finger und rollte bis zu einem Gullydeckel davon. Dort verschwand er für immer in den Tiefen des städtischen Abwassersystems. Wehmütig sah sie ihm nach.

Ein paar starke fremde Hände hielten sie fest, bis Verena die Balance wiedergefunden hatte.

»Geht es Ihnen gut? Ich wollte Sie nicht umrennen, aber Sie hatten auch einen ordentlichen Zahn drauf ...«

»Nein, nein, alles in Ordnung«, unterbrach sie den Fremden besänftigend und lächelte warm.

Geduldige samtbraune Augen erforschten ihre Mimik mit einer Intensität, die Verena absolut neu war. Auf diese Weise hatte sie noch nie ein Mann betrachtet. Ein Schaudern erfasste die Überrumpelte, woraufhin eine Gänsehaut ihren gesamten Körper überzog. Sie hoffte, dass ihr Gegenüber nichts von ihrer plötzlichen Erregung bemerkte. Verena war die Situation mit einem Mal überaus peinlich.

Um sich abzulenken, begutachtete sie ihn genauso wie er sie: Der Fremde trug brünettes, volles Haar, das frisch geschnitten erschien. Sein Dreitagebart gefiel Verena mindestens so gut wie sein aufgeschlossenes Lächeln. Beides ließ ihn bodenständig erscheinen. Dazu diese intelligente Brille, in deren Gläsern sich ihr erstauntes Gesicht spiegelte.

Erst jetzt bemerkte sie, dass der ein Kopf größere Mann sie noch immer festhielt. Als ihr Blick hinab zu seinen Händen wanderte, ließ er schnell los. Sein Kopf verfärbte sich rosarot. Ein Merkmal, das Verena ebenfalls ansprach und von seinem Charakter überzeugte.

»Verzeihung, ich wollte nicht aufdringlich sein. Ich mache mir nur Sorgen. Geht es Ihnen wirklich gut? Der Aufprall war härter als gedacht.«

»Ja ... ja, ich denke schon. Vielen Dank. Dabei muss ich mich eigentlich entschuldigen. Ich war mit den Gedanken völlig woanders«, quiekte sie beinahe. Verena räusperte sich, um ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie benahm sich wie ein unsicherer Teenager, während ihre fünfzehnjährige Tochter darüber nachdachte, was es hieß, erwachsen zu sein. Eine verrückte Welt mit vertauschten Rollen. »Es geht mir bestens. Bei Ihnen auch alles noch an alter Stelle?«

Was war das denn für ein blöder Spruch? Was sollte denn bitte verrutscht sein? Seine Brille? Der Kragen seines Hemdes? Oder doch etwas eine Etage tiefer?, ärgerte sie sich stumm und hätte sich am liebsten irgendwo ein Loch gesucht, in dem sie genauso schnell verschwinden konnte wie ihr Glückscent.

Der Druck hinter ihrer Stirn stieg merklich an. Verena war die gesamte Situation plötzlich unangenehm, obwohl sie im selben Augenblick mehr Zeit mit diesem Fremden und seinen warmen, beschützenden Augen und Händen verbringen wollte.