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Als Tochter Maya in der Schule wegen ihrer übergewichtigen Mutter aufgezogen wird, hält es die Architektin Ina Weil nicht mehr aus. Sie setzt sich auf eine Radikaldiät.
Die Pfunde purzeln. Eine gesunde Bräune überzieht nun ihre Haut. Und bewundernde Blicke fliegen ihr hinterher. "Dieser Bronzeton sieht einfach fantastisch aus und das zu deiner Figur!", loben Kolleginnen und Schulmütter. "Verrat uns dein Geheimnis!"
Das wüsste Ina auch gerne. Weshalb sie so rasant abnimmt und ihr Teint stetig dunkler wird, ist auch ihr ein Rätsel. Ebenso die blauen Punkte auf ihrer Zunge. Von Tag zu Tag wird sie kraftloser, matter, und unerträgliche Bauchschmerzen zwingen sie in die Knie.
Die Gerüchteküche beginnt zu brodeln, als Ina immer öfter von der Arbeit und schulischen Veranstaltungen fernbleibt. Viele Frauen fragen sich plötzlich misstrauisch: "Drückt sich Ina absichtlich vor ihren Verpflichtungen? Sie ist doch viel zu schön, um krank zu sein ..."
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Zu schön, um krank zu sein
Vorschau
Impressum
Zu schön, um krank zu sein
Gebräunt ohne Sonne – was geht bloß in Inas Körper vor?
Von Katrin Kastell
Als Tochter Maya in der Schule wegen ihrer übergewichtigen Mutter aufgezogen wird, hält es die Architektin Ina Weil nicht mehr aus. Sie setzt sich auf eine Radikaldiät.
Die Pfunde purzeln. Eine gesunde Bräune überzieht nun ihre Haut. Und bewundernde Blicke fliegen ihr hinterher. »Dieser Bronzeton sieht einfach fantastisch aus und das zu deiner Figur!«, loben Kolleginnen und Schulmütter. »Verrate uns dein Geheimnis!«
Das wüsste Ina auch gerne. Weshalb sie so rasant abnimmt und ihr Teint stetig dunkler wird, ist auch ihr ein Rätsel. Ebenso die blauen Punkte auf ihrer Zunge. Von Tag zu Tag wird sie kraftloser, matter, und unerträgliche Bauchschmerzen zwingen sie Schub um Schub in die Knie.
Die Gerüchteküche beginnt zu brodeln, als Ina immer öfter von der Arbeit und schulischen Veranstaltungen fernbleibt. Viele Frauen fragen sich plötzlich misstrauisch: »Drückt sich Ina absichtlich vor ihren Verpflichtungen? Sie ist doch viel zu schön, um krank zu sein ...«
Das Klassenturnier des Michael-Ende-Gymnasiums war vorbei. Eltern und Schüler standen in Grüppchen zusammen. Es war ein angenehm warmer Tag im Mai. Der erste, nach einigen verregneten Wochen. Daher freuten sich Groß und Klein umso mehr, bei schönem Wetter nach dem Volleyballspiel ein wenig miteinander zu plauschen.
»Juhu!« Wie ein Wirbelwind stürzte sich Maya in die Arme ihrer Mutter. »Hast du gesehen, wie ich den Ball über das Netz geschmettert habe, Mama? Mein Team hat in letzter Sekunde gewonnen.«
Ina Weil, die den Sieg vom Spielfeldrand aus mitverfolgt hatte, strich ihrer Tochter liebevoll das verschwitzte Haar aus der Stirn.
»Ich bin sehr stolz auf dich. Du bist eine richtige Sportskanone geworden!«
»Danke schön.« Mayas Augen strahlten vor Glück.
Im letzten halben Jahr war sie zu einer süßen angehenden Teenagerin herangereift, wie Ina mit Wehmut feststellte. Wie schnell die Zeit verging. Es fühlte sich an, als wäre es gestern gewesen, sie als neugeborenen Säugling im Arm gehalten zu haben.
»Ich ziehe mich um. Dann können wir los«, verkündete Maya und rannte zu den Umkleiden davon.
»Ich warte am Auto auf dich!«, rief Ina ihr hinterher.
Dann verließ sie den Rasen neben dem Spielfeld ...
***
Die Sonne, die bis eben von einem strahlend blauen Himmel geschienen hatte, versteckte sich nun hinter einer Wolkenfront. Ina war froh, dass sie auf den Wetterbericht gehört und etwas Warmes zum Überziehen mitgenommen hatte.
Fröstelnd schlüpfte sie auf dem Weg zum Auto in die übergroße graue Strickjacke, die bis zur Mitte ihrer sehr weiblichen Oberschenkel reichte. Dabei schnitt sie sich selbst eine Grimasse.
Als modisch konnte man ihren Kleidungsstil nicht gerade bezeichnen. Aber zumindest drückte und zwickte nichts. In eng anliegender Kleidung kam sie sich vor wie Wurst in der Pelle.
Mit einem bekümmerten Blick sah Ina an sich herunter. Unter ihrem marineblauen Trägerkleid zeichneten sich üppige Rundungen von Brust, Bauch und Hüften ab.
Ina seufzte. In jüngeren Jahren hatte sie einen ständigen Kampf mit ihrer Figur geführt. Es gab keine Diät, die sie nicht ausprobiert hatte. Keine Speise, deren Kalorienzahl sie nicht auswendig hatte herunterbeten können. Für Schlankheitspillen und Pulver hatte sie damals ein Vermögen ausgegeben.
Doch ihr Bemühen war von Erfolg gekrönt gewesen. Immerhin hatte sie Pauls Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nachdem sie an ihrer Figur gearbeitet hatte.
Paul war einer der begehrtesten Singles in ihrem Umfeld gewesen. Nach kurzer Zeit hatten sie geheiratet. Am Anfang ihrer Ehe hatte Ina sich weiterhin bemüht, dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen. Doch dann war sie mit Maya schwanger geworden, und alles hatte sich verändert.
Nach der Entbindung hatte Inas Körper einfach nicht mehr mitgespielt. Trotz eiserner Selbstdisziplin hatte sie nicht mehr die schlanken Maße wie vor der Schwangerschaft erreicht. Paul hatte ihr keine direkten Vorwürfe gemacht. Dennoch hatte er sie spüren lassen, dass ihm die zusätzlichen Pfunde nicht gefielen.
Als die Schwierigkeiten zwischen Paul und ihr größer geworden waren und es am Ende zur Scheidung gekommen war, hatte Ina sich mit Essen getröstet. In mancher schlaflosen, kummervollen Nacht hatte sie wahllos in sich hineingestopft, was der Kühlschrank zu bieten hatte.
Die Folgen ihres stressbedingten Essverhaltens waren nicht ausgeblieben. Zwei Jahre nach der Trennung von Paul war Ina zwar nicht fettleibig, aber übergewichtig. Und noch etwas war passiert: Sie war unsichtbar geworden. Ob es an den Kilos lag oder daran, dass sie sich wie eine graue Maus kleidete, wusste Ina nicht. Doch im Grunde spielte es auch keine Rolle. Das Endergebnis blieb dasselbe. Kein Mann interessierte sich mehr für sie.
Ohne, dass es ihr bewusst war, flog ihr Blick zu Leo Baumann hinüber, dem attraktiven Sportlehrer ihrer Tochter und Inas heimlichem Mr. Right.
Unwillkürlich schlug ihr Herz ein wenig schneller, als sie ihn am Rand des Spielfelds stehen sah, hochgewachsen, breitschultrig und mit leuchtend blauen Augen, in denen man auf ewig versinken wollte.
Leiser Neid kroch in ihr hoch, als sie die Traube elegant gekleideter Frauen entdeckte, die sich um Leo gebildet hatte. Die Mütter am Michael-Ende-Gymnasium waren Ina überwiegend sympathisch. Mit einigen von ihnen verband sie sogar eine lockere Freundschaft. So zum Beispiel mit Julia Holl, Jujus Mutter.
Dann wiederum gab es Frauen, denen Ina am liebsten aus dem Weg ging. Model-Mütter nannte sie Ina insgeheim, obwohl sie sich dabei gehässig vorkam. Zu diesen Frauen zählte beispielsweise Corinna von Arnold, Sophias Mutter.
In diesem Kreis von Müttern wurde mehr Wert auf Aussehen als auf alles andere gelegt. Man sah die betreffenden Damen nie ohne perfektes Make-up, teure Handtaschen oder Designerschuhe.
In einer Großstadt wie München, in der Kapital ansässig war, gehörte das in bestimmten Kreisen dazu.
Seufzend ging Ina weiter, doch das Thema Mode und Aussehen geisterte weiter durch ihren Kopf. Auch in ihrem Job als Architektin machten Kleider Leute. Einer der Gründe, weshalb sie meist im Backoffice tätig war. Dass andere die Lorbeeren für ihre Entwürfe ernteten, musste sie in Kauf nehmen. Den Frust darüber kompensierte sie mit Schokolade und Eiscreme. Ein Teufelskreis.
Ina wickelte sich enger in ihre Strickjacke. Im Vorbeigehen nickte sie Leo Baumann zu. Sie wagte sogar ein zartes Lächeln.
Zu ihrer Verwunderung winkte er ihr zurück.
»Frau Weil? Auf ein Wort bitte!«
Überrascht und auch ein wenig nervös blieb Ina stehen.
Als Leo Baumann zu ihr hinübergeeilt kam, verschlang sich vor Aufregung ihr Magen zu einem Knoten. Der gut aussehende, allseits umschwärmte Lehrer ließ ihr Herz schon wieder höherschlagen.
Einen Wimpernschlag lang geisterte die überzogene Vorstellung durch ihre Fantasie, dass er vielleicht Notiz von ihr genommen hatte. Möglicherweise wollte er ja ein privates Wort mit ihr wechseln?
Im nächsten Moment schalt sie sich eine alberne Gans. Natürlich würde das nicht passieren. Wie denn auch? Wie sollte sie als Frau Leos Blicke auf sich ziehen, wenn sie so altbacken und unscheinbar herumlief?
Ohne den Kopf zu wenden, spürte Ina, dass die Model-Mütter bereits sensationslüstern zu ihr hinübergafften. Als wäre das Zusammentreffen des schönen Leo und des hässlichen Entleins Ina in etwa so faszinierend wie ein schwerer Verkehrsunfall. Ina war sich sicher, dass hinter ihrem Rücken bereits getuschelt wurde. Besonders Corinna von Arnold, die sich für etwas Besseres hielt, weil ihr Mann Unternehmensberater war und einen schicken Ferrari fuhr, wäre das zuzutrauen.
Inas düstere Gedanken verflogen, als Leo Baumann mit freundlicher Miene vor ihr stehen blieb.
»Ich hoffe, ich halte Sie nicht auf«, sagte er und lächelte charmant. Seine blauen Augen blitzten. »Aber mir war wichtig, Ihnen zu sagen, wie toll sich Maya in diesem Jahr im Sport macht.«
»Danke«, erwiderte Ina und spürte, wie sich ihre Wangen erhitzten. »Das freut mich sehr.«
»Ich würde Maya gerne mehr fördern.«
Leo fuhr sich mit der Hand in den Nacken, was ihn sowohl verlegen als auch äußerst attraktiv wirken ließ. Das dunkle, mittellange Haar fiel weich in seine Stirn. Unter dem T-Shirt zeichnete sich seine kräftige Brust- und Bauchmuskulatur ab.
Ina musste sich zwingen, Leo nicht wie ein verliebter Teenager anzustarren.
»Maya besitzt großes Talent beim Bodenturnen«, hörte sie Leo nun sagen. »Könnten Sie sich eventuell vorstellen, Ihre Tochter mittwochnachmittags zu mir ins Training zu schicken?«
Ina zögerte, was Leo anscheinend bemerkte.
»Es würden keine zusätzlichen Kosten entstehen«, setzte er rasch hinterher. »Es ist mehr eine Frage des Vertrauens. Dieser Sport birgt ein gewisses Verletzungsrisiko, wie Sie sicher wissen. Wobei ich Ihnen versichern kann, dass es unter meiner Aufsicht noch nie zu einem Unfall gekommen ist.«
Ina nickte langsam. Schließlich zuckte sie mit den Schultern.
»Von meiner Seite aus spricht nichts dagegen. Wenn Maya gerne teilnehmen möchte, unterstütze ich sie selbstverständlich.«
»Das ist wunderbar.« Leos Stimme hatte einen dunklen und weichen Klang, wie flüssige Schokolade. »Dann bis bald, Frau Weil.«
Als er sich von ihr verabschiedete, lag ein Funkeln in seinen Augen.
Ihr Herz setzte für einen Moment aus.
Gleich rief sie sich zur Ordnung: Reiß dich zusammen, Ina! Darauf solltest du dir nun wirklich nichts einbilden. So schaut ein charismatischer Mann wie er nun mal in die Welt hinaus – mit einem elektrisierenden Glitzern im Blick ...
***
Inas Gedanken waren noch immer bei Leo Baumann, als sie hinter dem Steuer ihres Kleinwagens auf Maya wartete.
Die Beifahrertür flog auf und eine sichtlich schlecht gelaunte Jugendliche fläzte sich auf den Nebensitz.
Eben noch hatte ihr Töchterlein wie der Sonnenschein gestrahlt. Nun war Mayas Miene so finster wie drei Tage Regenwetter. Seufzend nahm Ina es zu Kenntnis. Stimmungsschwankungen waren in diesem Alter nun einmal an der Tagesordnung. Daran würde sie sich als Mutter gewöhnen müssen.
Mit einem Blick in den Rückspiegel lenkte Ina den Wagen aus der Parklücke.
»Stimmt etwas nicht?«, erkundigte sie sich so beiläufig wie möglich.
Dabei vermied sie es, in Mayas Richtung zu schielen.
Trotziges Schweigen bekam sie zur Antwort.
»Was ist los, Maya. Habe ich etwas falsch gemacht?«, erkundigte sich Ina behutsam.
Das Schweigen dauerte weiter an.
Ina atmete tief ein und wieder aus. In Zeitschriften hatte sie öfter darüber gelesen, wie schwierig es war, einen Kaktus zu umarmen. Nun spürte sie es am eigenen Leib. Pubertät war alles andere als leicht. Weder für Mütter noch für Töchter.
»Hol mich in Zukunft nicht mehr von der Schule ab«, brach es unvermittelt aus Maya hervor. Dazu verschränkte sie abwehrend die Arme vor der Brust. »Oder park ein paar Straßen weiter.«
»Wieso das denn?« Ina runzelte zu Tode bestürzt die Stirn.
»Es ist peinlich«, erwiderte Maya kurz angebunden.
Ina spürte ihre Brust eng werden. Sie war so von Maya Worten irritiert, dass sie beinahe die rote Ampel übersehen hätte. In letzter Sekunde konnte sie noch bremsen. Sie ließ die angestaute Luft in einem langen Atemzug aus ihren Lungen entweichen. Dabei warf sie Maya einen unauffälligen Blick von der Seite zu.
War das ihre Tochter, die noch vor einer Viertelstunde impulsiv auf sie zugestürmt war und kein Problem hatte, sie vor aller Augen zu umarmen?
Die Ampel schaltete auf Grün. Konzerniert legte Ina den Gang ein und fuhr los.
Dabei wandte sie sich an Maya: »Was genau ist dir denn unangenehm? Erklär es mir bitte, damit ich weiß, was du meinst.«
»Du bist peinlich«, stieß Maya vorwurfsvoll hervor.
Als Ina ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter legen wollte, drehte sich Maya abweisend zum Fenster.
Scharf sog Ina die Luft ein. Es fühlte sich an, als würde jemand ein Messer mitten durch ihre Brust treiben. Mit allem hätte sie gerechnet, aber nicht damit. Hinter ihr hupte es, so langsam steuerte sie den Wagen durch die Straßen. Entschuldigend winkte sie im Rückspiegel und trat aufs Gas.
»Maya, was ist los?«, erkundigte sich Ina möglichst vorsichtig.
Am liebsten hätte sie den Wagen an den Straßenrand gesetzt, um das Thema zu bereden. Aber in dem dichten Innenstadtverkehr war das nicht möglich.
»Alle lästern über mich«, beschwerte sich Maya.
Das klang nicht mehr trotzig, sondern verletzt.
Inas rutschte das Herz in die Hose. Allmählich ahnte sie, was passiert sein musste. Sie räusperte sich.
»Ist es wegen mir?«
Die Frage kostete Mut.
Erneutes Schweigen. Dann, ohne Vorwarnung, entlud sich ein wahrer Tornado über Ina.
»Was denkst du denn! Natürlich ist es wegen dir!«, rief Maya anklagend und gestikulierte wild mit den Händen. »Ich verstehe dich nicht! Wieso kannst du dir nicht mehr Mühe geben? Schon die Art, wie du dich kleidest. Wie eine alte Omi. Und dann trägst du immer so weite Kleider, die unglaublich hässlich sind. Nur, weil du in keine Jeans mehr reinpasst. Ich schäme mich richtig für dich.«
Schluchzend presste sich Maya die Hände vor das Gesicht.
Inas Welt brach mit einem Schlag in sich zusammen. Eine eisige Faust krallte sich um ihren Brustkorb. Das Glück ihre Tochter war alles, was für sie zählte. Nun zersplitterte Mayas heile Welt in Scherben. Und das war allein Inas Schuld.
»O Gott, Maya, wenn ich das geahnt hätte! Gut, dass du es mir gesagt hast. Nur so lässt sich etwas ändern.« Bestürzt tastete sie nach der Hand ihrer Tochter. Diesmal schob Maya sie nicht weg. »Ab jetzt wird alles anders, das verspreche ich dir. Ich liebe dich, mein Schatz.«
»Ich liebe dich auch, Mama. Und es tut mir leid, dass ich eben so gemein zu dir war«, erklärte Maya unter Tränen. »Aber es fühlt sich so schlimm an, von den anderen ausgelacht zu werden.«
»Das verstehe ich, Fröschchen.«
Die junge Mutter musste selbst die Tränen zurückhalten, so weh tat es, ihr Kind leiden zu sehen.
Wenn sie bloß schon früher etwas geahnt hätte!
Ein Gedanke drängte sich in Inas Kopf.
Stirnrunzelnd warf sie Maya einen Blick von der Seite zu.
»Wer steckt denn hinter den Hänseleien? Welches der Mädchen hat damit begonnen?«
»Sophia von Arnold war es«, schniefte Maya. »Und die anderen haben mitgemacht.«
»Hat niemand zu dir gehalten?«, wollte Ina wissen.
Ihr brach fast das Herz. Kinder in diesem Alter konnten grausam sein. Und das alles nur, weil Ina ihr Gewicht nicht im Griff hatte. Wieso nur hatte sie sich so gehen lassen?
Mayas Schniefen unterbrach ihre Gedanken.
»Doch. Juju hat mich verteidigt.«
»Hm ... Juju also, das habe ich mir fast gedacht.«
Gedankenverloren fuhr sich Ina durchs Haar.
Das Mädchen war ihr schon immer sympathisch gewesen. Ebenso wie die Eltern, Julia und Stefan Holl, beides Ärzte.
Eine überaus sympathische Familie, dachte die junge Mutter mit einem warmen Lächeln. Schade, dass Maya und Juju nicht enger befreundet sind. Aber vielleicht entwickelt sich über den Sport noch etwas. Juju ist ja ebenfalls im Volleyballteam.
»Geholfen hat es trotzdem nichts.« Impulsiv drückte Maya die Hand ihrer Mutter fester. »Bitte, Mama, kann ich vielleicht die Schule wechseln?«
Diesmal war es Ina, die nicht gleich antwortete.
»Nein, Maya, das wäre der falsche Weg«, meinte sie schließlich sanft. Sie legte beide Hände ans Steuer und lenkte den Wagen um die Kurve. »Man kann im Leben nicht vor den Problemen davonlaufen. Besser ist, man versucht, sie zu lösen.«
Maya schüttelte den Kopf. »Aber wie denn?«
»Überlass das mir. Und mach dir bitte keine Sorgen. Alles wird gut«, erklärte Ina ernst.
Konzentriert setzte sie den Wagen in die Parklücke vor ihrem Mietshaus und lächelte ihrer Tochter aufmunternd zu.