Chefarzt Dr. Holl 1950 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1950 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Der Patient im Isolationszimmer heißt Max Hartweil. Die Frauen seufzen seinen Namen. Doch Max liebt nur Annabelle, eine freiheitsliebende Künstlerin, deren Gemälde gerade in Münchens Kunstszene hoch gelobt werden. Seit Jahren führen sie eine Fernbeziehung. Wenn er aus der Berling-Klinik entlassen wird, will der charmante Landschaftsarchitekt endlich mit ihr zusammenziehen.
Nur Annabelle ist sich noch nicht sicher. Das Einzige, was sie immer von anderen Frauen abgehoben hat, ist ihre Unabhängigkeit. Wenn sie zusammenziehen, wird Max sehen, dass sie alles andere als sein freies "Vögelchen" ist und sie verlassen, ist die junge Künstlerin überzeugt.
Doch dann verschlechtert sich sein Zustand rapide, während Dr. Holl und sein Team noch verzweifelt nach der Ursache suchen. Patient Hartweil fällt ins Koma - und Annabelles Zweifel treten schlagartig in den Hintergrund. Sie darf Max auf keinen Fall verlieren ...


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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Finger weg!

Vorschau

Impressum

Finger weg!

Warum man diesem Mann besser nicht zu nahe kommen sollte

Von Katrin Kastell

Der Patient im Isolationszimmer heißt Max Hartweil. Die Frauen seufzen seinen Namen. Doch Max´ Herz schlägt nur für Annabelle, eine freiheitsliebende Künstlerin, deren Gemälde gerade in Münchens Kunstszene hoch gelobt werden. Seit Jahren führen sie eine Fernbeziehung. Wenn er aus der Berling-Klinik entlassen wird, will der charmante Landschaftsarchitekt endlich mit ihr zusammenziehen.

Nur Annabelle ist sich noch nicht sicher. Das Einzige, was sie immer von anderen Frauen abgehoben hat, ist ihre Unabhängigkeit. Wenn sie zusammenziehen, wird Max sehen, dass sie alles andere als sein freies »Vögelchen« ist und sie verlassen, ist die Künstlerin überzeugt.

Doch dann verschlechtert sich Max´ Zustand rapide, während Dr. Holl und sein Team noch verzweifelt nach der Ursache suchen. Patient Hartweil fällt ins Koma – und Annabelles Zweifel treten schlagartig in den Hintergrund. Sie darf ihren Freund auf keinen Fall verlieren ...

»Unglaublich, Annabelle. Das hast wirklich alles du gemalt?«

Eine zierliche Frau mit den schimmernden rotbraunen Locken lachte vergnügt. Fast hatte sie die Frage nicht gehört, so laut war es in der belebten Ausstellungshalle.

Unzählige Menschen standen mit Sekt- und Weingläsern vor den Gemälden, die sie selbst geschaffen hatte, und unterhielten sich angeregt über Wirkung und Bedeutung ihrer Kunst.

Der bloße Gedanke daran erinnerte die hübsche Malerin, wie schwindelig ihr schon den ganzen Tag war.

Mit aufrichtiger Neugierde fragte sie zurück: »Natürlich, was ist daran so erstaunlich?«

»Ich kenne mich ja nicht so gut aus, aber die Bilder weiter hinten kann man doch dem Naturalismus und Impressionismus zuordnen. Die hier vor uns sind abstrakter und moderner. Es sind so viele verschiedene Stile und Motive. Ist das normal für eine Malerin, sich in so vielen Techniken auszuprobieren?«

Annabelle zuckte mit den Schultern. Sie spürte ein Kratzen im Hals und räusperte sich.

»Hier ist mein Lebenswerk ausgestellt. Das Bild da drüben habe ich erst letzte Woche fertiggestellt, andere sind mehr als zehn Jahre alt. Menschen sind im ständigen Wandel, man entwickelt sich das ganze Leben weiter, probiert neue Dinge aus ... Ich habe nur das Glück, diesen natürlichen Veränderungsprozess künstlerisch darstellen zu dürfen, das ist alles.«

»Glauben Sie dieser Frau kein Wort. Es ist keineswegs üblich, malerisch so begabt zu sein, und vor allem ist es nicht üblich, das eigene Talent so unter den Scheffel zu stellen.«

Annabelle sah überrascht zur Seite. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sich die Chefin des Kulturzentrums zu ihnen gesellt hatte. Ihr tadelnder Blick amüsierte die lebensfrohe Malerin.

»Ich danke Ihnen für Ihre netten Worte, Sonja.«

Die Kulturchefin schnaubte.

»Danken Sie mir nicht, hören Sie lieber damit auf, sich ständig unter Wert zu verkaufen. Die Vernissage ist ein voller Erfolg, und ich prophezeie Ihnen jetzt schon, dass wir die Ausstellung aufgrund der hohen Nachfrage verlängern werden. Sie könnten es weit bringen, wenn Sie endlich lernen würden, für sich und Ihre Leidenschaft einzustehen.«

»Meine Bilder sprechen für sich, das haben Sie bei unserem Kennenlerngespräch selbst gesagt«, protestierte Annabelle streng.

»Ja, aber würden Sie mitsprechen, würden Sie noch mehr gehört, auch außerhalb von München.«

Sonja seufzte. Annabelle wollte gerade erwidern, wie wohl sie sich in der kleinen Kunstszene fühlte, in der sie sich mühevoll einen Namen gemacht hatte, als zwei weitere Personen auf sie zukamen, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.

»Sind Sie die Künstlerin? Die Ausstellung ist fantastisch, ich liebe Ihre Bilder! Vor allem das Gemälde mit den Motten, die ins Licht fliegen!«

Annabelle lächelte die fremde Frau so natürlich an, wie es ihre Art war. Ihr Schwindelgefühl meldete sich wieder zurück.

»Der süße, melancholische Unterton und die zweideutige Lesart des Bildes hat es uns angetan«, pflichtete der Mann ihr bei, welcher sich ebenfalls hinzugesellt hatte.

»Wir sind uns sicher, dass das Licht das Objekt der Begierde repräsentiert und die Motten die Frauen oder Männer, die auf es zufliegen und sich an ihm verbrennen. Wir verstehen nur nicht, wie wir die Motte ganz am Rand interpretieren sollen, die gleichzeitig die Gestalt eines Vogels hat. Ist es eine Motte, die sich für einen Vogel hält? Oder ein Vogel, der sich für eine Motte hält?«

»Das liegt ganz im Auge des Betrachters«, erwiderte Annabelle gepresst, »aber sollte das Tier ein Vogel sein, so wären seine Überlebenschancen natürlich deutlich höher im Vergleich zur Konkurrenz.« Der Raum wurde immer stickiger. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick, ich muss an die frische Luft.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und drückte sich durch die Menge hindurch zum Ausgang.

Ausgerechnet heute musste sie so wackelig auf den Beinen sein! Eigentlich fühlte sie sich gar nicht so nervös, doch einen anderen Grund für ihre Schwäche gab es nicht.

Wenn Max doch schon hier wäre ...

Sie verstand zwar, warum er es erst morgen nach München schaffte, trotzdem wünschte sie, er hätte noch die Vernissage miterleben können. Er hatte ihr schon fast mehr entgegengefiebert als sie selbst.

Müde lehnte sie sich gegen die Außenfassade des Gebäudes und überlegte einen Augenblick. Dann holte sie ihr Handy aus der Tasche und wählte seine Nummer.

***

Charlotte sah das Telefon in der Hosentasche ihres Chefs aufleuchten und wollte ihn gerade darauf aufmerksam machen, als dieser mit einem Mal stehen blieb und ihr mit dem Sprechen zuvorkam.

»Mein Gott, Charlotte. Das Planungsgebiet ist fantastisch. Ich kann immer noch nicht fassen, dass unser Entwurf gewonnen hat!«

Die aparte Blondine schmunzelte. Seine Begeisterung war nahezu ansteckend. Sie hatte dasselbe empfunden, als sie das erste Mal das alte Werftgelände inspiziert hatte.

Die Abendsonne tauchte die ehemalige Schiffsbauhalle und das umliegende Schilfrohr in ein warmes Orange, in der Ferne schimmerte der Müritzsee in ergreifendem Gelbrot. Es hatte schon fast etwas Romantisches, wenn auf dem Gelände nicht so viel Müll und altes Brot herumläge, das Spaziergänger vermutlich als Futter für Wasservögel zurückgelassen hatten.

Wussten die Leute denn nicht, dass solche Dinge vor allem Tauben und Ratten anlockten? Sie schüttelte den Gedanken schnell wieder ab und konzentrierte sich ganz auf ihren Chef, der ehrfürchtig über die verrosteten Stahlwände strich.

»Kannst du bitte aufhören, den ganzen Dreck anzufassen? Du machst dir noch den Anzug schmutzig. Und es handelt sich hier mehr um meinen als unseren Entwurf, Maximilian. Du magst ihn vor dem regionalen Planungsverband vorgestellt haben, aber ohne meine Überarbeitungen wärst du kläglich mit deinen realitätsfremden Weltretter-Ideen gescheitert. Du kannst froh sein, dass du mich hast.«

Der hochgewachsene Landschaftsarchitekt drehte sich zu ihr um, strich sich eine braune Strähne aus der Stirn und sah sie mit seinen strahlend blauen Augen an.

»Natürlich bin ich froh, dass ich dich habe. Auch wenn ich das Gesicht der Firma bin, bist du mittlerweile der unverzichtbare Kopf dahinter. Ich weiß deinen Ehrgeiz und dein taktisches Kalkül ungemein zu schätzen. Ohne dich wäre das hier niemals möglich gewesen.«

Maximilian lächelte sie voller Wärme an. Seine Grübchen kamen dabei zum Vorschein, und Charlotte merkte, wie ihr Herz erweichte. All der angestaute Ärger war wieder vergessen.

Wie sehr sie doch den Charme von Maximilian Hartweil verfluchte!

Wann immer sie sich vornahm, die unfaire Arbeitsaufteilung mit ihrem gut aussehenden Vorgesetzten zu besprechen, schaffte er es, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aber dieses Mal musste sie standhaft bleiben – das innovative Wohnprojekt war vom Umfang her viel zu groß und aufwendig, als dass sie wieder die Arbeit für zwei oder mehr erledigen konnte.

»Danke, Max«, sagte sie daher vorsichtig, »aber du weißt, dass das Projekt nun erst richtig losgeht. Wir müssen jetzt die Aufgaben klar verteilen, damit uns keine Fehler unterlaufen. Wir müssen uns aufeinander verlassen können. Das ist nicht irgendein kleiner Bauherr, das ist ein wichtiges Stadtprojekt in Kooperation mit dem Landkreis der Mecklenburgischen Seenplatten. Ich brauche hier deine volle Aufmerksamkeit.«

Kaum hatte sie den letzten Satz ausgesprochen, leuchtete Max' Handy wieder auf. Er lächelte sie entschuldigend an und wollte es schon aus der Hosentasche ziehen, als sie ihn am Handgelenk packte und daran hinderte.

»Maximilian Hartweil, ich meine es ernst. Nächste Woche ist der Termin mit der Stadtverwaltung, um den Entwurf weiterzuentwickeln. Du hast ständig vom grünen Seniorenheim der Zukunft gesprochen, jetzt ist es greifbar nah. Sie werden uns deine integrierten Nutzgärten und Versorgungsflächen nicht genehmigen, wenn wir nicht mit genauso viel Mühe Parkplätze, öffentliche Sitzflächen und die Promenadengestaltung berücksichtigen. Wir haben einen ›ökologischen Korridor‹ versprochen, dann müssen wir den jetzt auch in unsere finalen Pläne übersetzen. Und bitte noch bevor du nach München zu deiner Freundin fährst.«

Maximilian machte große Augen.

Einen Moment fürchtete sie, zu weit gegangen zu sein, doch dann nahm er ihre Hand und lächelte mit derselben Wärme wie zuvor.

»Mach dir keine Sorgen, du kannst dich auf mich verlassen. Das Projekt ist eine Herzensangelegenheit von mir. Es wird ein voller Erfolg. Und wir werden danach beide bekommen, was wir uns wünschen. Du den Bekanntheitsgrad, den du schon längst verdient hast, und ich die Realisierung meiner ›realitätsfremden‹, grünen Ideen, die ständig abgelehnt werden.«

Er zwinkerte ihr zu.

Charlotte rollte mit den Augen.

Mittlerweile war die Sonne am Horizont untergegangen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es dunkel wurde.

»Und weil das so ist«, führte Maximilian seine Rede fort und griff ganz beiläufig in seine lederne Aktentasche, »feiern wir schon jetzt das Erfolgsprojekt des Jahrhunderts!«

Nun konnte Charlotte nicht mehr anders, als zu lachen. Da hatte dieser Mann doch tatsächlich eine Flasche Sekt und zwei Gläser zum Anstoßen mitgebracht.

»Du spinnst ja!«, erwiderte sie grinsend. »Ich fahr gleich noch mit dem Auto nach Hause.«

»Ich doch auch«, gab Maximilian zurück, während er elegant am Verschluss der Flasche drehte, »aber es ist ja nur ein symbolischer Schluck. Sei nicht immer so verklemmt.«

Es waren Momente wie diese, in denen Charlotte sich wieder in Erinnerung rufen musste, dass ihr Chef bereits vergeben war und sie nicht der Typ Frau war, der anderen den Kerl ausspannte. Maximilian reichte ihr ein Glas Sekt, und sie prostete ihm zu, bevor sie einen großen Schluck nahm.

Der Alkohol kribbelte, dass sie das Prickeln sogar leicht in ihren Füßen spürte, während Max sich mit einer Hand an die Stahlwand der Werft lehnte.

»Hör auf, ständig diese dreckige Wand anzufassen. Weißt du, wie schwer es ist, Rostflecken aus so einem Anzug rauszukriegen?«

Sie achtete nicht auf Maximilians Antwort, weil das erneute Kribbeln an ihren Füßen sie ablenkte. Konnte ein Schluck Alkohol so eine starke Wirkung haben?

Sie ahnte die Antwort, noch bevor sie hinabblickte. Der haarige Rattenschwanz war gerade noch hinter einer modrigen Palette verschwunden, da stieß sie schon einen gellenden Schrei aus. Als sie die Augen wieder öffnete, merkte sie, dass das nicht das Einzige war, was sie von sich gestoßen hatte: Ein verdutzter Maximilian lag auf der feuchten Erde und blickte ungläubig zu ihr hoch.

Charlotte errötete. »O Gott, entschuldige. Aber ich habe dich ja gewarnt, dass du dir den Anzug schmutzig machen könntest.«

***

Maximilian war froh, als er im Kofferraum ein Handtuch fand, das er sonst immer fürs Fitnessstudio verwendete. Behutsam legte er es auf den Fahrersitz und setzte sich mit seiner verdreckten Anzugshose darauf.

Er seufzte. Dafür, dass Charlotte sich im Büro als richtige Femme Fatale aufspielte, konnte sie manchmal überraschend unbeholfen sein.

Ärgerlich sah er auf seine verschrammte Hand, mit der er sich beim Fall versucht hatte abzustützen. Er überlegte gerade, ob er den Dreck mit etwas Wasser ausspülen sollte, als sein Handy das dritte Mal an diesem Abend klingelte. Als er sah, wer ihn anrief, leuchteten seine Augen auf.

»Annabelle, mein Vögelchen! Ist die Vernissage schon zu Ende? Sind alle Bilder restlos aufgekauft worden, wie ich es dir prophezeit habe?«

»All die Bilder, die nicht zum Verkauf stehen? Natürlich, gleich in den ersten zwei Stunden«, hörte er ihre amüsierte Stimme sagen. »Und du? Alle Hände voll zu tun, deine heimliche Affäre mit Charlotte zu vertuschen? Oder warum hebst du erst beim dritten Mal ab?«

Maximilian lachte. Man konnte von seiner bezaubernden Freundin sagen, was man wollte, aber ein eifersüchtiger Mensch war sie nicht.

»Du hast mich durchschaut, unser heißes Werft-Techtelmechtel ist gerade eben zu Ende gegangen. Es wäre sicherlich noch länger gelaufen, hätten ein paar harmlose kleine Nager Charlotte nicht in Angst und Schrecken versetzt.«

»Wie romantisch. Ansonsten lief die Geländebesichtigung gut?«

Maximilian startete den Motor und legte das Handy zur Seite, das sich per Bluetooth sofort mit der Freisprecheinrichtung des Autos verband.

»Ja. Ich fahre jetzt ins Büro, ich muss noch einige Dinge am Laptop nachzeichnen, die Charlotte und ich heute besprochen haben. Aber ich kann es nicht erwarten, wenn hier alles fertig ist. Die Menschen in diesem Heim werden von so viel Natur umgeben sein, wie es nur möglich ist und jeder verdient hat. Jedes Gebäude sollte so geplant werden.«

Mit bitterer Miene dachte Maximilian an das Seniorenheim, in dem seine Mutter die letzten Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Wie trostlos die Räumlichkeiten und der Blick aus dem Fenster doch gewesen waren. Welcher Landschaftsarchitekt hatte bei der Planung nur zugelassen, nicht einmal einen Baum vor das Gebäude zu stellen?

Alle sozialen Einrichtungen sollten von so viel Grün wie nur möglich umgeben sein, das war Maximilians größter Wunsch – und nach diesem Projekt würde sein Name in der Branche groß genug sein, um genug Bauherren von diesem Vorhaben zu überzeugen.

»Euer Projekt klingt vielversprechend«, erwiderte Annabelle.

Der Klang ihrer Stimme ließ Maximilian aufhorchen.

»Und bei dir alles in Ordnung, mein Schatz? Du hörst dich etwas heiser an.«

Er konnte schon fast hören, wie Annabelle die Augen verdrehte.

»Hör auf, dir ständig Sorgen um mich zu machen. Mir geht es gut. Ich habe heute mit einigen Leuten gesprochen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Besucher heute gekommen sind. Sonja hat sogar schon davon gesprochen, die Veranstaltung zu verlängern. Du verpasst etwas.«

Max lächelte. Annabelle war kein Mensch großer Gefühlsduseleien. Wann immer sie ihm erklärte, dass er etwas versäumte oder ihm etwas sehr gefallen würde, wusste er, dass sie ihn vermisste. Ihm ging es gerade genauso.

»Das glaube ich. Ich wünschte, ich wäre jetzt bei dir. Warum musst du auch in München ausstellen? Wäre deine Vernissage hier im Norden, könnte ich im Handumdrehen bei dir sein.«

»Warum muss dein Büro in Waren sein? Hier in München hättest du genauso viele Aufträge, wenn nicht sogar mehr.«

Er war klug genug, nicht weiter darauf einzugehen. Zu oft begannen sie bei diesem Thema eine hitzige Diskussion. Heute war Annabelles großer Tag, er wollte diesen nicht in einem Streit enden lassen. Trotzdem verstand er nicht, warum sie nicht endlich zu ihm zog. Sie war durch das Erbe ihrer Eltern finanziell absolut unabhängig und hatte immer wieder beteuert, dass sie die vielen Seen und Waldgebiete rund um seinen Wohnort liebte. Was hielt sie nur in München?

Als er auf die Landstraße in Richtung Sietow einbog, hörte er sie leise husten.

»Annabelle, das klingt überhaupt nicht gut. Wenn du dich krank fühlst, geh bitte so bald wie möglich nach Hause und erhole dich. Ich fahr morgen gleich in der Früh los und bin dann im Nu bei dir«, sagte er besorgt.

»Zum letzten Mal, mir geht es gut«, antwortete sie kurz angebunden. »Ich muss wieder rein, Sonja winkt schon. Komm gut Heim, und wir sehen uns morgen.«

»Genieß deinen Abend«, sagte Maximilian noch, doch da hatte Annabelle schon aufgelegt.

Er hatte nicht einmal mehr geschafft, ihr zu sagen, wie stolz er auf sie war. Wenn er doch nicht noch ins Büro müsste. Am liebsten wäre er sofort auf die Autobahn nach München gefahren.

Ging es ihr wirklich gut? Annabelle war eine stolze Frau, die sich Schwächen ungern eingestand. Dabei konnte das gerade für sie lebensbedrohlich sein. Mit besorgter Miene trat Maximilian aufs Gas und nahm sich vor, morgen gleich nach dem Frühstück aufzubrechen.

***

Als auch der letzte Teller in der Spülmaschine verstaut war und alle Krümel vom Tisch beseitigt worden waren, drehte sich der elfjährige Sonnenschein der Familie Holl zu seiner Mutter um und sagte mit engelsgleicher Stimme: »Danke für das leckere Frühstück, Mama. Es war bombastisch gut! Wenn ihr mich nicht mehr braucht, gehe ich jetzt nach oben.«

»Oh, natürlich, mein Schatz. Danke dir fürs Abräumen«, erwiderte Julia etwas verwundert und sah ihrer jüngsten Tochter Juju nach, die gut gelaunt im Hüpfschritt auf ihr Zimmer verschwand.

Auch ihr Mann Stefan hatte die seltene Szene mit angesehen. Amüsiert wechselte das Ehepaar einen kurzen Blick.