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Fußball und Jungs, das ist eine ganz besondere Verbindung. Ob groß oder klein, ob auf der Tribüne oder dem Spielfeld - dieser Sport begeistert. So auch Emil. Er kickt seit einiger Zeit in der Grundschulmannschaft als Stürmer und das mit seinen neun Jahren auch erstaunlich erfolgreich. Eine Profifußballerkarriere winkt. Und so soll er bei dem Qualifikationsspiel für den örtlichen Verein antreten.
Doch kurz davor bricht Emil sich das Bein. Ein Kindertraum zerplatzt. Kaum ist der Bruch verheilt, passiert es wieder und wieder. Immer an derselben Stelle. Die Ärzte wissen sich keinen Rat.
So muss Emil von nun an vom Spielfeldrand zusehen, wie seine Kumpels ihn in ihrer Ballfertigkeit langsam, aber sicher abhängen. Allein und ausgeschlossen fühlt er sich. Besonders, da er auch sonst niemanden hat. Seine Mutter ist tot, sein Vater arbeitet Tag und Nacht, und seine Schwester ist mit all ihren Teenagerproblemen auch oft zu beschäftigt.
Ob Chefarzt Dr. Holl dem Jungen helfen kann, bevor er auch noch den letzten Rest Hoffnung verliert?
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Emil, der Junge am Spielfeldrand
Vorschau
Impressum
Emil, der Junge am Spielfeldrand
Warum er nicht mehr mit seinen Freunden spielen und toben durfte
Von Katrin Kastell
Fußball und Jungs, das ist eine ganz besondere Verbindung. Ob groß oder klein, ob auf der Tribüne oder dem Spielfeld – dieser Sport begeistert. So auch Emil. Er kickt seit einiger Zeit in der Grundschulmannschaft als Stürmer und das mit seinen neun Jahren auch erstaunlich erfolgreich. Eine Profifußballerkarriere winkt. Und so soll er bei dem Qualifikationsspiel für den örtlichen Verein antreten.
Doch kurz davor bricht Emil sich das Bein. Ein Kindertraum zerplatzt. Kaum ist der Bruch verheilt, passiert es wieder und wieder. Immer an derselben Stelle. Die Ärzte wissen sich keinen Rat.
So muss Emil von nun an vom Spielfeldrand zusehen, wie seine Kumpels ihn in ihrer Ballfertigkeit langsam, aber sicher abhängen. Allein und ausgeschlossen fühlt er sich. Besonders, da er auch sonst niemanden hat. Seine Mutter ist tot, sein Vater arbeitet Tag und Nacht, und seine Schwester ist mit all ihren Teenagerproblemen auch oft zu beschäftigt.
Ob Chefarzt Dr. Holl dem Jungen helfen kann, bevor er auch noch den letzten Rest Hoffnung verliert?
»Spiel zu mir! Ich steh frei!«, rief Julian Schuster auf der gegenüberliegenden Seite des Fußballfeldes.
Sein Schrei ging beinahe in den Rufen der mitfiebernden Eltern unter, die lauthals ihre Kinder von der kleinen Tribüne aus anfeuerten.
Genau wie der neunjährige Emil Karlsen spielte sein Freund im Sturm und hatte sich schon oft als brandgefährlicher Torschütze bewiesen. Emil gab erst nach einem Täuschungsmanöver für den Gegner an seinen Mitspieler ab.
Im hohen Bogen flog der Fußball hinüber zu Julian und landete fast perfekt an seinem Stutzen. Er nahm den Ball im Sprung an, ließ ihn einmal aufkommen und trat ihn mit voller Wucht Richtung gegnerisches Tor. Der blonde Junge fiel dabei zur Seite und landete auf dem Kunstrasen. Eine riskante Aktion, die ihnen allerdings den Siegestreffer bescherte.
Jubelnd stürmten die anderen auf Julian und Emil zu. Die beiden waren das beste Gespann der Schulmannschaft.
Emil wischte sich über das gerötete Gesicht. Seine hellbraunen, kurzen Haare klebten an der verschwitzten Stirn. Er hatte heute alles gegeben und war dafür wieder einmal belohnt worden.
Als er seinen Vater am Spielfeldrand entdeckte, leuchteten seine Augen auf. Er hatte es also doch rechtzeitig zum Pokalspiel der Münchener Grundschulen geschafft. Mit diesem Sieg hatten sie sich für das große Finale am übernächsten Tag gegen die Viertklässler aus Schwabing-West qualifiziert.
Man sah Michael Karlsen deutlich an, wie stolz er auf sein Kind war. Zu Emils Überraschung entdeckte er direkt daneben auch seine große Schwester Tabea, die ihn breit anlächelte.
»Na, denen hast du es aber gezeigt«, begrüßte sie ihn und wuschelte ihrem Bruder durchs Haar.
»He, lass das gefälligst!«, beschwerte er sich und geriet mit ihr sogleich in eine kleine Rangelei, welche in einem beiderseitigen Lachanfall endete.
»Nein, wirklich. Hast du gut gemacht, Emil«, beendete sie ihre stürmische Begrüßung.
»Ich wusste nicht, dass du auch herkommst. Habt ihr gesehen, wie gut Julian meinen Ball angenommen hat?«, fragte er voller Begeisterung und riss seine braunen Augen weit auf.
Michael zog seinen Sohn glücklich an sich.
»Ich bin stolz auf dich, dass du nicht an den eigenen Erfolg, sondern an die Mannschaft gedacht hast. Deine Pässe sind sogar noch besser geworden als im letzten Jahr. Du spielst oft ab und sorgst dadurch für den Sieg. Deinem Trainer ist das auch aufgefallen«, berichtete Michael zufrieden und nickte in Richtung von Herrn Becker, Emils Klassenlehrer, der die Fußball-AG an ihrer Schule leitete.
Der Junge nickte mit stolzgeschwellter Brust. Noch immer atmete er schnell, sein Herz raste. Durch die sommerlichen Temperaturen geriet er von Neuem ins Schwitzen.
Julian warf sich auf seinen Rücken und umarmte seinen Freund stürmisch.
»Du bist echt der beste Passspieler, den man sich nur wünschen kann!«, jubelte er fröhlich.
»Danke, aber irgendwann schieße ich wieder selbst die Tore. Ich will dich ja nicht allein glänzen lassen«, erwiderte Emil grinsend und boxte seinem Freund spielerisch gegen die Schulter.
Dieser revanchierte sich mit aller Kraft, sodass Emil beinahe umfiel. Julian war einen ganzen Kopf größer als er und wahrscheinlich doppelt so stark.
»Moment mal, Jungs!«, ermahnte Michael und ging dazwischen. »Auch wenn das hier nur Spaß ist, solltet ihr beide auf eure Gesundheit achten. Ihr wisst, dass das Auswahlspiel in einer Woche stattfindet.«
Julian verdrehte seine Augen, als Michael nicht hinsah. Emil musste kichern, nickte aber brav.
»Ja, Papa. Wir passen schon auf.«
»Wir sind ja nicht aus Glas«, fügte sein Freund daran an und verschwand mit einem Winken, als ihn seine Eltern zu sich riefen.
Emil sah seinem Mitspieler gedankenverloren nach. Julians Mutter nahm ihn in den Arm und beglückwünschte ihren Sohn mit ein paar schmatzenden Küssen auf beide Wangen.
Eine peinliche, aber auch beneidenswerte Szene, die dem jungen Fußballer aufs Gemüt schlug. Er freute sich riesig, dass sogar Tabea heute zugeschaut hatte, aber seine Mutter vermisste er dennoch. Es zerriss ihm das Herz, wenn er andere Kinder mit ihren vollständigen Familien sah.
Als der Witwer bemerkte, dass sein Sohn traurig wurde, nahm er ihn erneut in den Arm. Emil ließ es geschehen.
»Es ist alles gut. Freu dich, ihr habt gewonnen. Mama wäre auch sehr stolz auf dich gewesen«, raunte er ihm ins Ohr. »Ich bin mir sicher, dass sie dir zugeschaut und mindestens so laut gebrüllt hat wie ich. Du weißt ja, wie laut sie werden kann.«
Wie laut sie werden konnte, verbesserte Emil stumm.
Michael lachte wehmütig. Sein Sohn schluckte unterdessen einen festen Kloß hinunter.
Er versuchte, die Tränen vor seinen Mannschaftskameraden zu verbergen, und blinzelte ein paarmal, bis sich sein Inneres wieder entspannt hatte.
»Gehen wir in die Pizzeria?«, fragte er, um vom Thema abzulenken.
»So wie immer nach großen Spielen. Das hast du dir verdient, junger Mann. Aber du darfst dir den Bauch nicht so vollschlagen, dass du übermorgen nicht mehr spielen kannst. Die wichtigste Partie wartet noch auf euch.«
»Das macht meinem Bauch nichts«, behauptete Emil grinsend.
Er freute sich sichtlich auf die riesige Salamipizza, die er immer bestellte.
Tabea folgte ihnen nur langsam. Sie war in ihr Handy vertieft und geistig gar nicht mehr im Hier und Jetzt anwesend. Typisch Teenager. Gerade deshalb war Emil froh, sie heute auch hier zu haben.
Er hoffte, dass er nicht selbst eines Tages so seltsam wurde wie sie. Bei dem Gedanken an ihren heimlichen Schwarm, dem sie auf dem Pausenhof nicht von der Seite wich, schüttelte es ihn. Aber dennoch war sie heute zum Zuschauen gekommen. Das war alles, was für Emil zählte.
Seit ihre Mutter den Kampf gegen den Krebs verloren hatte, hatten sie nur noch sich. Der Familienzusammenhalt der Karlsens war seitdem stärker denn je, aber oft überkam sie die Trauer über den frühen Verlust. Emil litt unter Mama Janas Abwesenheit. Sie fehlte ihm erst recht an Tagen wie diesem.
Mit ihr hätte er das Spiel um eine Mitgliedschaft im örtlichen Fußballklub mit Leichtigkeit bestanden. Nun war er sich dessen nicht mehr so sicher. Sein Vater sprach zwar ständig davon, wie gut er war, aber Talent allein würde nicht ausreichen, um einen der begehrten letzten Plätze zu bekommen. Emil würde sein ganzes Herzblut in dieses eine Spiel kommende Woche legen müssen, um zu bestehen. Davon hing alles ab. Er verfolgte den Traum, eines Tages Profisportler zu werden und neben seinen großen Idolen auf dem Feld zu stehen oder diese wenigstens zu beerben.
Und mit seinen neun Jahren hatte er noch einen langen Weg vor sich ...
***
Emils Magen knurrte. Er hatte nach dem Sport immer einen Bärenhunger und stürzte sich jetzt gierig auf seine Pizza.
Tabea verzog das Gesicht.
»Kannst du auch essen wie ein normaler Mensch?«, nörgelte sie und verdrehte die Augen.
»Hast du nicht letztens erst gesagt, ich sei kein Junge, sondern ein Außerirdischer?«, konterte er und verstärkte sein Schmatzen absichtlich.
»Nun beruhigt euch mal wieder. Für Zankereien ist heute kein Platz«, besänftigte Papa Michael die Gemüter seiner Kinder. »Reden wir lieber über unseren Urlaub.«
Erwartungsfroh sah er von einem zum anderen. Sofort wurden die beiden still und starrten ihren Vater perplex an. Dann brach der erwartete Jubel aus. Vergessen waren die Streitereien wegen der Pizza.
»Wir fahren also dieses Jahr wirklich weg?« Die Fünfzehnjährige freute sich ehrlich. »An den Strand? Palmen, Sonne, Meer?«
»Nein, lieber auf eine Burg! Ich will Abenteuer erleben!«, rief Emil aus.
Schon brach die nächste Diskussion los. Michael schmunzelte und beobachtete die Szene schweigend. Sein Nachwuchs hatte eindeutig Janas Temperament geerbt.
Auch ihm schmerzte der Gedanke an seine verstorbene Frau. Ihr Kampf hatte zwei lange Jahre angedauert, in denen er sich beinahe allein um ihre Kinder gekümmert hatte. Michael hätte nie für möglich gehalten, einmal tatsächlich als alleinerziehender Vater zu leben. Er hatte immer geglaubt, dass Jana wieder auf die Beine käme, es ihr bald besser ginge und der Albtraum dann endlich ein Ende fände. Der Gedanke an ihren Verlust war so weit weg gewesen, dass es ihm die Beine weggerissen hatte, als Jana dann tatsächlich gestorben war. Das alles war bereits zwei Jahre her und tat trotzdem noch so weh, als sei es gestern gewesen. Nie wieder konnte er sie um Rat fragen, sie beim Lesen beobachten, sie küssen und berühren ...
Eine einzelne Träne suchte sich ihren Weg über Michaels Wange. Emil bemerkte den Umschwung seines Vaters als Erster.
»Papa, was ist denn los? Sind wir zu laut?«, fragte er erschrocken.
Endlich gab auch Tabea Ruhe. Sie presste die Lippen fest aufeinander und spielte nervös mit einer ihrer langen, dunkelblonden Strähnen.
Wie sehr sie ihn doch an Jana erinnerte!
Michael wischte sich über seine nassen Augen und schüttelte den Kopf. Noch immer lächelte er, wenn auch verkrampft.
»Ich habe nur gerade daran gedacht, wie glücklich ich bin, euch zu haben. Wir werden einen Ort für die Sommerferien finden, der Spaß, Spannung, Erholung und Abenteuer in einem ist. Versprochen. Lasst mich nur machen. Es wird höchste Zeit, dass wir zusammen wegfahren.«
Das erste Mal nach Janas Krankheit, fügte Michael gedanklich hinten an.
»Was ist, wenn sie mich nehmen?«, fragte Emil. »Dann muss ich doch bestimmt trainieren.«
Tabea knuffte ihm gegen die Schulter.
»Du Dummkopf. So schnell passiert das doch nicht. Das wird sich bestimmt bis weit nach den Ferien ziehen.«
»Selber Dummkopf«, fauchte er zurück.
Michael hob seine Hände beschwichtigend. Seine Kinder verstummten.
Immerhin hörten sie noch einigermaßen auf ihn. Der Alleinerziehende fragte sich, ob Emil später genauso einfach zu handhaben wäre wie Tabea. Bis auf ihre Handysucht schien seine Teenagertochter bislang keine Flausen entwickelt zu haben. Der Spaß würde mit dem ersten Freund wohl erst richtig beginnen, befürchtete er.
»Kommt mal her«, forderte er sie auf und streckte seine Arme über den Tisch. Ein altes Ritual von Familie Karlsen. Michael ergriff die Hände seiner Kinder. Daraufhin bildeten auch die beiden Geschwister eine Kette. Michael drückte ihre Finger zärtlich. »Nichts und niemand wird uns aufhalten. Das haben wir uns versprochen.«
»Nichts und niemand«, wiederholte Emil feierlich.
»Nichts und niemand«, murmelte Tabea.
Sie war auch die Erste, die sich aus dem verschworenen Dreieck wieder löste, um einen schnellen Blick auf ihr Smartphone zu werfen. Sie hätte ja in den letzten zehn Sekunden etwas Wichtiges verpassen können!
Stumm aßen sie auf und verließen ihre Stammpizzeria. Ihr Weg führte sie zurück zum Auto, um den Heimweg anzutreten. Emil sollte früh ins Bett kommen, damit er für sein Spiel in zwei Tagen fit war.
»Trainierst du morgen mit mir?«, wollte der Neunjährige beim Einsteigen wissen.
»Wenn ich aus dem Büro komme, gern«, bejahte Michael und suchte die Augen seines Jungen im Rückspiegel. Er sollte wissen, dass er diese Aussage ernst meinte. »Bis dahin wird Tabea auf dich aufpassen.«
Die Teenagerin löste sich von ihrem Display und zog ihre Augenbrauen böse zusammen.
»Ich wollte mich aber mit Mara treffen. Kann er nicht selbst auf sich achtgeben? Ständig muss ich den Babysitter spielen!«, nölte sie.
Ein genervtes Stöhnen begleitete ihren letzten Satz.
»Wer sagt denn, dass du auf ihn aufpasst? Immerhin bist du auch noch keine sechzehn«, neckte er seine Tochter und startete den Motor.
Emil gluckste heiter. Nach kurzer Empörung konnte Tabea nicht anders, als in das Lachen der beiden Männer einzufallen.
***
Ein paar Tage später lief sich Emil auf dem Spielfeld warm, um auf das geplante Training mit seinem Vater vorbereitet zu sein.
Seine Aufregung stieg mit jedem Tag an. Übermorgen fand bereits das Auswahlspiel für den VfL Sendling statt. Er konnte es kaum erwarten, endlich in einer richtigen Liga zu kicken und allen zu beweisen, was in ihm steckte.
Als Tabea statt Michael an den Spielfeldrand trat, hielt er inne und ließ die Schultern enttäuscht sinken.
»Wo ist denn Papa?«, wollte Emil wissen.
Seine Schwester schürzte die Lippen.
»Er hat es versucht, aber ...«
Sie brauchte gar nicht mehr zu sagen. Michael war wieder einmal im Steuerbüro aufgehalten worden. Emil hatte das Gefühl, dass er lieber Zeit mit seinem Schreibtisch und dem Computer verbrachte als mit ihm, seinem Sohn. Der Neunjährige wollte seiner Schwester kein schlechtes Gewissen machen, also setzte er ein Lächeln auf und nickte freudig.
»Kennst du dich denn aus?«
»Das bisschen Treten werde ich wohl noch hinbekommen«, tat sie ab und untermalte das Ganze mit einer wegwerfenden Handbewegung.
Tabea trug passende Sportbekleidung und festes Schuhwerk. Emil war froh, dass wenigstens sie sein Training ernst nahm, auch wenn Tabea gerne Witze über ihren kleinen Bruder und dessen Fußballbesessenheit riss.
Sie übten das Passspiel sowie Elfmeterschießen. Dafür stellte sich seine Schwester sogar extra ins Tor, obwohl sie Angst vor dem Ball hatte. Emils Motorik hatte sich mit den Jahren tatsächlich verbessert. Sein kleiner Körper war seitdem stärker und wendiger, sein Auge für Details und Mitspieler schärfer geworden. Er machte neue Chancen und Lücken deutlich eher aus als viele der gleichaltrigen Kinder in seiner Schulmannschaft. Seine größte Konkurrenz auf den letzten Platz im Verein war ausgerechnet der zehnjährige Julian.
Gemeinsam hatten sie tatsächlich den Schulpokal gewonnen und zusammen gejubelt, wurden nun aber zu den ärgsten Konkurrenten. Dennoch würde Julian immer Emils bester Freund und liebster Klassenkamerad bleiben. Er gönnte ihm den Platz genauso wie Julian ihm.
»Machst du dir Sorgen wegen Julian?«, erriet Tabea außer Atem die Gedanken ihres kleinen Bruders, als sie eine Pause einlegten und Wasser im Schatten der Bäume tranken.
»Wie kommst du denn darauf?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Nur so. Du schaust immer so traurig, wenn du daran denkst, gegen deinen Kumpel anzutreten. Aber so ein kleiner Kampf muss nicht unbedingt das Ende eurer Freundschaft bedeuten. Ich bin früher einmal gegen meine beste Freundin Mara bei einem Modelwettbewerb angetreten.«
Emil prustete ungewollt los. Das Mineralwasser drang ihm in die Nase, und er musste husten.
»Du und modeln?« Er lachte seine Schwester aus und war wieder der typische freche Junge, mit dem sich Tabea regelmäßig stritt.
Sie verdrehte die braunen Augen.
»Ja, du Hänfling. Damals hatte ich noch nicht so viele Kurven. Aber das macht nichts. Männer mögen das ... hat man mir gesagt. Jedenfalls bin ich bis heute gut mit Mara befreundet, wie du weißt. Das war früher ein ganz schöner Zickenkrieg zwischen uns Mädels. Viele haben sich sogar komplett zerstritten. Aber Mara und mich konnte nichts und niemand trennen. Bis heute.«
»Ihr habt aber auch beide nicht gewonnen, oder?«
Tabea setzte eine betretene Miene auf.
»Ja, das ist leider wahr. Doch ich glaube, dass wir trotzdem noch befreundet wären, wenn es für einen von uns geklappt hätte.«
»Julian und ich werden das schon schaffen. Es gibt mehrere Plätze, also genug für uns beide.« Emil unterstrich seine felsenfeste Überzeugung mit einem Nicken. »Aber ich werde alles dafür tun, ihn auszustechen und als der bessere Spieler dazustehen. Freund hin oder her.«
Tabea hob ihren Zeigefinger mahnend.
»Bleib dabei immer fair, Emil. Du weißt, dass niemand einen Rabauken auf dem Platz sehen will. Ach, sieh mal einer an, wer da zufällig kommt! Wenn man vom Teufel spricht!«
Emil folgte ihrem Blick und entdeckte den blonden Julian auf der anderen Seite des Feldes. Sein Vater begleitete ihn. In der Hand trug er ein ganzes Netz voller Fußbälle.