Chefarzt Dr. Holl 1954 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1954 E-Book

Katrin Kastell

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

München ist bereits hübsch mit Weiß überzuckert. Und an den Klinikfenstern tanzen dicke Schneeflocken vorbei, als Dr. Holl seine Sekretärin bittet, auf den Stationen für eine besinnliche Festtagsstimmung zu sorgen. Besonders wichtig ist ihm dabei die Kinderstation. Am sechsten Dezember werden zwei Ärzte in Nikolaus- und Knecht Ruprecht-Kostüm den Mädchen und Jungen kleine Geschenke austeilen, bis dahin muss alles fertig sein. Den besonderen Zauber der Adventszeit sollen die Kinder auf keinen Fall durch ihren Klinikaufenthalt entbehren.
So schleicht auch schon früh am Morgen des Nikolaustages ein Knecht Ruprecht durch die festlich geschmückten Gänge der Berling-Klinik. Weihnachtslieder erklingen leise durch die Lautsprecher, und ein feiner Plätzchenduft schwebt in der Luft. Plötzlich durchschneidet der schrille Ton vieler gleichzeitig anschlagender Piepser die ruhige, besinnliche Atmosphäre. Der Code für Alarmstufe Rot! Ein Kind wird vermisst! Dr. Holl hat das Krankenbett eines schwer kranken Mädchens verlassen vorgefunden, und auch von Knecht Ruprecht fehlt weit und breit jede Spur ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 124

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

In Knecht Ruprechts Fängen

Vorschau

Impressum

In Knecht RuprechtsFängen

Zu Nikolaus verschwindet ein schwer krankes Kind aus der Berling-Klinik

Von Katrin Kastell

München ist bereits hübsch mit Weiß überzuckert. Und an den Klinikfenstern tanzen dicke Schneeflocken vorbei, als Dr. Holl seine Sekretärin bittet, auf den Stationen für eine besinnliche Festtagsstimmung zu sorgen. Besonders wichtig ist ihm dabei die Kinderstation. Am sechsten Dezember werden zwei Ärzte in Nikolaus- und Knecht Ruprecht-Kostüm den Mädchen und Jungen kleine Geschenke austeilen, bis dahin muss alles fertig sein. Den besonderen Zauber der Adventszeit sollen die Kinder auf keinen Fall durch ihren Klinikaufenthalt einbüßen.

So schleicht auch schon früh am Morgen des Nikolaustages ein Knecht Ruprecht durch die festlich geschmückten Gänge der Berling-Klinik. Weihnachtslieder erklingen leise durch die Lautsprecher, und ein feiner Plätzchenduft schwebt in der Luft. Plötzlich durchschneidet der schrille Ton vieler gleichzeitig anschlagender Piepser die ruhige, besinnliche Atmosphäre. Der Code für Alarmstufe Rot! Ein Kind wird vermisst! Dr. Holl hat das Krankenbett eines schwer kranken Mädchens verlassen vorgefunden, und auch von Knecht Ruprecht fehlt weit und breit jede Spur ...

Wie durch ein Sieb ergoss sich das orangerote Licht der Morgendämmerung über München. Der Wind hatte am vergangenen Tag ganze Arbeit geleistet und tatsächlich Löcher in die Wolkendecke gerissen. Ein paar vorwitzige Sonnenstrahlen ließen die dünne Schneedecke glitzern, die sich in den nächtlichen Stunden über die Stadt gelegt hatte.

Ein Aufschrei der Begeisterung hallte durch das stille Haus der Familie Holl.

»Ich habe doch gesagt, dass wir dieses Jahr weiße Weihnachten bekommen! Chris, Mama, Papa, schaut doch mal!«, quiekte die elfjährige Juju aufgeregt.

Wie ein Gummiball hüpfte der jüngste Spross der Familie Holl durchs Haus. Im Wohnzimmer blieb sie stehen und blickte hinaus in den überzuckerten Garten. Verzaubert, wie sie war, bemerkte sie nicht, dass ihre Mama hinter sie getreten war.

»Das sieht ja wirklich wunderschön aus«, stimmte ihr Julia Holl zu. »Aber wir haben erst Anfang Dezember. Bis Weihachten ist es noch lange hin, und das Wetter wird noch ein paar Kapriolen schlagen.«

Mit funkelnden Augen drehte sich Juju zu ihr um.

»Deshalb müssen wir unbedingt heute auf den Christkindlmarkt gehen. Wenn Schnee liegt, ist es besonders schön da.« Sie kuschelte sich an Julia und setzte ihr süßestes Lächeln auf, mit dem sie fast jedes Ziel erreichte. »Bitte, bitte, Mamilein.«

Julia lachte. »Wer könnte dir, kleiner Schmeichlerin, schon widerstehen?«

»Ich!«, gähnte es plötzlich hinter ihnen.

Mutter und Tochter drehten sich um.

Unbemerkt war Chris, Jujus fünfzehnjähriger Bruder, hereingeschlurft. Die Haare standen ihm vom Kopf ab, das Gesicht vom Schlaf zerknautscht.

»Musst du am frühen Morgen schon so einen Krach machen?«, grummelte er. »Ich verstehe gar nicht, worüber du dich so freust. Schnee ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass es draußen kalt ist.« Er schlang die Arme um den Oberkörper, als müsste er sich sogar im Haus wärmen. »Da macht es echt keinen Spaß, zwischen irgendwelchen Buden herumzuspazieren.«

»So ein bisschen Kälte ist doch nicht schlimm. Wir können uns ja warm anziehen«, hielt Juju dagegen. »Außerdem gibt es Kinderpunsch.«

»Wenn man auf einem Weihnachtsmarkt herumsteht, wird einem immer kalt – Kinderpunsch hin oder her«, behauptete Chris.

»Du kannst froh sein, dass wir nicht mehr in der Steinzeit leben.« Im Gegensatz zu ihrem Bruder war Juju hellwach. »Dann müsstest du dir jetzt ein Mammutfell umwerfen und mit selbst gebastelten Strohschuhen auf die Jagd gehen, um für Mama und mich Essen zu besorgen.«

»Ein Glück, dass wir inzwischen im Zeitalter der Emanzipation leben und ihr Frauen sehr gut allein auf den Christkindlmarkt gehen könnt, um euch Leckereien zu kaufen«, konterte Chris und folgte seiner Mutter und Schwester in die Küche, wo Stefan Holl nun schon das Frühstück für seine Familie vorbereitete. »Ich mache es mir so lange mit Papa vor dem Fernseher gemütlich und schaue mit ihm den Biathlon-Weltcup in Finnland an. Stimmt's, Papa?«

»Ehrlich gesagt würde ich lieber mit den beiden Damen des Hauses ausgehen.« Stefan zwinkerte seiner Frau zu und drückte seinem jüngsten Sohn einen Stapel Teller samt Besteck in die Hand. »Erstens zeige ich mich gerne mit schönen Frauen in der Öffentlichkeit. Und zweitens gibt es auf dem Christkindlmarkt dieses fantastische Schmalzgebäck, das nur dort verkauft wird. Da freue ich mich schon das ganze Jahr drauf.«

Juju stellte die Tassen auf den Tisch, in dessen Mitte ein Adventskranz thronte, und grinste.

»Du hast also die Wahl. Entweder du langweilst dich allein zu Hause, oder du erfrierst neben uns auf dem Christkindlmarkt«, meinte sie und kicherte so lustig, dass Chris nicht länger mürrisch sein konnte und mit seiner Schwester lachte.

Ehe Julia ihm Butterdose und Honigglas reichen konnte, um sie ebenfalls noch auf dem Tisch zu platzieren, verschwand er unter den fragenden Blicken seiner Lieben im oberen Stockwerk. Die Familie saß schon am Tisch, als er endlich zurückkam.

Bei seinem Anblick prustete Juju los, und auch Julia lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen liefen.

»Du liebe Zeit, ich wusste gar nicht, dass ich diesen Kunstpelzmantel noch im Schrank hatte.«

Mit Schaudern erinnerte sie sich an die Modesünden der neunziger Jahre, aus denen dieses Kleidungsstück stammte.

»In diesem Mammutfell wird mir ganz bestimmt nicht kalt«, verkündete Chris, sichtlich zufrieden mit dem Erfolg seiner Idee.

»In diesem Ding siehst du eher aus wie ein verunglückter Knecht Ruprecht denn wie ein gefährlicher Mammutjäger«, japste Juju.

»Deine Schwester hat recht«, stimmte Stefan Holl zu und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.

»Ist ja auch egal. Mit diesem Ding wirkst du so furchteinflößend, dass wir ganz bestimmt nicht lange anstehen müssen, um Magenbrot, Schmalzgebäck und Kinderpunsch zu kaufen. Die Leute werden freiwillig den Platz in der Schlange aufgeben«, frohlockte Juju und schob das letzte Stück Honigbrot in den Mund, ehe es für sie Zeit wurde, sich für die Schule fertig zu machen.

***

»O Schätzchen, sieh nur, es hat geschneit!« Rebecca Brandt schob ihre Tochter im Rollstuhl an die Terrassentür. »Sieht das nicht schön aus?«

Sie deutete auf die glitzernde Pracht, die den Garten mit seinen Rentieren, Engeln und anderen weihnachtlichen Figuren überzuckert hatte.

Vor Freude klatschte die achtjährige Tabea in die Hände.

»Winter ist die allerschönste Jahreszeit. Da kann man viel mehr machen als im Sommer. Schneeballschlachten, Schneemänner und Iglus bauen, Schlittenfahren geh ...« Mitten im Satz hielt sie inne. Das Leuchten verschwand aus ihren Augen, das Lächeln auf ihren Lippen erlosch. »Letztes Jahr konnte ich das alles noch«, murmelte sie mit einem Blick auf ihr Bein.

Rebeccas Herz wollte in ihrer Brust zerspringen.

»Nicht traurig sein, mein Mäuslein«, bat sie. »Wenn du wieder gesund bist, holen wir alles nach, was wir verpasst haben. Das verspreche ich dir.«

Tabea kaute auf der Unterlippe.

»Aber wir waren doch schon bei so vielen Ärzten. Und keiner kann mir helfen. Alle haben gesagt, dass mein Bein amputiert werden muss. Und wie soll ich mit einem Bein Schlittenfahren oder Skifahren gehen? Wie soll ich mit einem Bein reiten?«

Rebecca spitzte die Ohren. Im Bad rauschte Wasser, also stand ihr Mann Lorenz noch unter der Dusche. Sie beugte sich über Tabea.

»Ich habe dir noch gar nicht erzählt, dass ich jemanden gefunden habe, der dir vielleicht helfen kann«, raunte sie.

»Wirklich?« Tabea blinzelte ihre Mama an. Ihre Begeisterung hielt sich ganz offensichtlich in Grenzen. »Muss ich dann wieder so viele Untersuchungen über mich ergehen lassen?«

»Nein, mein Schatz. Diesmal ist es ganz anders. Der Mann, der dich behandeln will, braucht nur deine Untersuchungsberichte und Röntgenaufnahmen. Dann kann er sagen, was du tun musst, um wieder ganz gesund zu werden.«

»Wir müssen gar nicht zu ihm hinfahren?«

»Nein. Das wäre auch ein bisschen schwierig, zumindest um diese Jahreszeit. Er wohnt nämlich in einem abgeschiedenen Bergdorf im letzten Winkel von Österreich. Im Winter sind die Straßen verschneit, man kommt nur mit Spezialfahrzeugen durch.« Rebecca strich eine Strähne des feinen Kinderhaars aus der Stirn ihrer Tochter. Ihre Augen streichelten Tabeas Gesicht. »Umso praktischer ist es, dass wir deine ganze Behandlung über das Internet vornehmen können.«

Eine Tür fiel krachend ins Schloss. Rebecca zuckte zusammen. Im Eifer des Gefechts hatte sie überhört, dass das Rauschen im Bad längst verklungen war. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie ihren Mann. Mit einem Handtuch um die Hüften stand Lorenz im Türrahmen. Wasser tropfte aus seinem Haar und rann über Gesicht und Brust. Er kümmerte sich nicht darum.

»Guten Morgen, Bealein«, grüßte er seine Tochter, ehe er sich an seine Frau wandte. »Kann ich dich kurz sprechen, Rebecca?«

Er nannte sie nicht bei ihrem Kosenamen. Rebecca wusste, was das bedeutete. Sie zwang sich ein Lächeln auf die Lippen.

»Machst du dich schon mal für die Schule fertig?«, bat sie ihre Tochter, ehe sie Lorenz' Wunsch nachkam und ihm in die Küche folgte.

Er schloss die Tür hinter ihr.

»Warum hast du das getan?«

Leugnen war zwecklos, also murmelte sie schuldbewusst: »Tabea war so traurig vorhin. Ich wollte sie einfach nur trösten.«

»Obwohl du weißt, wie ich zu diesem Quacksalber stehe?«, schimpfte Lorenz mit gesenkter Stimme. Auf keinen Fall sollte Tabea auch noch unter den Streitereien ihrer Eltern leiden. Sie hatte auch so schon Sorgen genug. »Das ist nicht fair, ihr solche leeren Hoffnungen zu machen.«

Rebecca versuchte, ihren Mann zu umarmen. Lorenz wich zurück, ihre Arme fielen ins Leere.

»Findest du es etwa fair, dass ein achtjähriges Mädchen an Krebs erkrankt ist?«, fragte sie verletzt.

Lorenz rollte mit den Augen.

»Ich bitte dich, Becky, nicht schon wieder diese Platte.«

Immerhin! Er nannte sie wieder Becky! Dieses Zeichen machte Rebecca Mut.

»Warum hörst du dir nicht wenigstens einmal an, was er zu Tabeas Krankheit zu sagen hat?«, bat sie sanft. »Was, wenn er wirklich recht hat und Beas Krankheit durch einen seelischen Konflikt entstanden ist?«

Lorenz löffelte Kaffeepulver in die Kaffeemaschine und füllte den Wasserbehälter. Wenn er seine Tochter rechtzeitig in der Schule abliefern wollte, musste er sich beeilen.

»Und welcher Konflikt sollte das deiner Ansicht nach bitte schön sein?«, fragte er und stellte Tassen und Teller auf den Tisch.

»Keine Ahnung.« Rebecca zuckte mit den Schultern. »Aber einen Versuch wäre es doch wert. Wenn du einverstanden bist, telefoniere ich mit ihm. Dann finden wir heraus, was mit Tabea nicht stimmt. Wenn es uns mithilfe von Herrn Pagitsch gelingt, die seelische Störung aufzulösen, verschwindet der Krebs ganz von allein«, sprach sie eindringlich auf ihren Mann ein. »Warum willst du es nicht wenigstens versuchen? Was haben wir denn zu verlieren?«

Lorenz fuhr herum. Sein funkelnder Blick ruhte auf seiner Frau.

»Wenn du dich weiter gegen die schulmedizinische Behandlung wehrst und dich weigerst, Tabeas Bein amputieren zu lassen, verlieren wir unsere Tochter«, fauchte er. »Wann begreifst du das endlich?«

Rebecca schürzte die Lippen und wollte etwas entgegnen, als es an die Tür rumpelte. Kurz darauf wurde sie aufgestoßen.

Tabea rollte herein. »Ich wünsche mir vom Christkind, dass ihr endlich nicht mehr streitet.«

Lorenz und Rebecca tauschten erschrockene Blicke.

»Aber Schätzchen ...« Weiter kam Becky nicht.

Mit einem Kopfschütteln brachte Tabea ihre Mutter zum Schweigen. Sie bugsierte den Rollstuhl an den Tisch und nahm eine Scheibe Brot aus dem Korb, den ihr Vater ihr reichte.

»Papa und ich haben nicht gestritten«, versuchte Rebecca noch einmal ihr Glück. »Wir haben nur diskutiert.«

Doch auch davon wollte Tabea nichts wissen. Vor ein paar Wochen hatte sie sich noch darüber aufgeregt, wenn ihre Eltern nicht einer Meinung waren. Inzwischen hatte sie die Strategie geändert.

»Onkel Raphael hat mir vorhin eine Nachricht geschickt und gefragt, ob wir heute Abend mit ihm auf den Weihnachtsmarkt gehen«, verkündete das Mädchen.

Auch diesmal ging der Plan auf. Fürs Erste rückte die Diskussion um den österreichischen Wunderheiler in den Hintergrund.

Lorenz und Rebecca sahen einander fragend an. Wenigstens in dieser Hinsicht waren sie einer Meinung.

»Wenn du Lust dazu hast«, stimmte Lorenz zu, und Rebecca nickte, als Tabea auch schon freudestrahlend eine Nachricht in ihr Handy tippte.

***

Auf Stefan Holls Weg in die Arbeit war Weihnachten allgegenwärtig. Sterne schmückten die Masten der Straßenlaternen, die Schaufenster der Geschäfte waren mit Lichterketten und bunten Kugeln verziert, Weihnachtsmänner hangelten sich an Seilen die Fassaden hinauf. Aus dem Autoradio schallte »Last Christmas« gefolgt von »Driving home for Christmas«, an jeder Ecke standen geschmückte Tannenbäume. Um auch schon die kleinen Gäste in die Geschäfte zu locken, kündeten Werbetafeln vom Besuch des Nikolaus. Es war unübersehbar: Mit großen Schritten nahte das Weihnachtsfest.

Stefan Holl parkte seinen Wagen auf seinem angestammten Platz. Nicht weit entfernt stand ein Bus mit der Aufschrift des lokalen Radiosenders.

Richtig! Das Interview mit Oberärztin Christine Kramer sollte heute stattfinden. Die Verdienste der Kollegin in der Krebsbehandlung waren beachtlich.

Ein zufriedenes Lächeln spielte um die Lippen des Klinikchefs, als er an den Empfangstresen trat, um seine Post zu holen.

Ein feiner Duft nach Zimt und Vanille stieg ihm in die Nase. Er stammte von einer Kerze, die auf dem Adventsgesteck brannte.

»Schön sieht das aus!«, lobte er die Empfangsdame, die er wie all seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen hatte, für festliche Stimmung in der Klinik zu sorgen.

Besonders wichtig war ihm dabei die Pädiatrie. Wenn die Kinder schon krank waren und viele von ihnen auch über Weihnachten in der Klinik bleiben mussten, wollte er wenigstens etwas Weihnachtszauber auf Fluren und in den Zimmern verbreiten.

Zu diesem Zweck hatte seine Sekretärin Moni Wolfram einen Tannenbaum aufstellen und besonders bunt und glitzernd schmücken lassen. An diesem Morgen brachte Dr. Holl noch einen ganz besonderen Einfall mit, mit dem er auch nicht lange hinter dem Berg hielt.

»Sie wollen, dass ich einen Nikolaus samt Knecht Ruprecht engagiere, die Geschenke auf der Kinderstation verteilen sollen?« Moni Wolfram musterte ihren Chef aus schmalen Augen. »Wann sind Sie denn auf diese Idee gekommen?«

»Dazu musste ich noch nicht einmal meine Fantasie bemühen«, schmunzelte Stefan Holl. »Die ganze Stadt ist voll mit Erinnerungen daran, dass der Nikolaus bald zu den braven Kindern kommt.« Bilder aus längst vergangenen Tagen blitzten auf. Wie süß waren die Zwillinge gewesen, als sie mit drei, vier Jahren ehrfürchtig vor dem Nikolaus in prächtigem Gewand gestanden hatten, der jedes Jahr wieder ins Haus der Familie Holl gekommen war und später auch Chris und Juju ins Schwitzen gebracht hatte. Leider war diese wunderbare Zeit viel zu schnell vergangen. Umso schöner fand Stefan Holl den Gedanken, dieses Brauchtum nun in der Klinik aufleben zu lassen. »Ach, um einen Knecht Ruprecht müssen Sie sich übrigens nicht kümmern. Den könnte ich zur Verfügung stellen.«

Launig berichtete er von Chris' morgendlichem Auftritt, und auch Moni Wolfram lachte herzlich.

»Diesen Anblick darf ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen.«

»Dafür müssen Sie mir aber auch versprechen, einen schönen Nikolaus zu besorgen.«

»Wenn es weiter nichts ist!« Moni Wolfram lachte. Ihre Finger flogen über die Computertastatur. »Weihnachtsmann mieten, Nikolaus bestellen, Nikolaus-kommt-nach-Haus, Studentenjobs«, zählte sie die Ergebnisse auf, die in der Suchmaschine aufpoppten. »Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht fündig werden würden.«

»Das heißt, dass Sie diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen werden?«, hakte Dr. Holl noch einmal nach und stibitzte ein Plätzchen aus der Schale auf Moni Wolframs Schreibtisch.