Chefarzt Dr. Holl 1956 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1956 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Bruno Karlsen und seine Frau Paulina führten einst ein glückliches Leben mit ihren beiden Kindern Anna und Leon. Doch mit den Jahren schlichen sich die ungesunden Gewohnheiten in den Alltag des Mittdreißigers ein - viel Nascherei, Fastfood, wenig Schlaf, Stress auf der Arbeit und keine Zeit für Sport oder erholsame Momente mit der Familie.
Damit muss endlich Schluss sein, beschließt seine Frau und versucht, ihren Liebsten von dem Low Carb-Trend zu überzeugen. Doch ihre Bemühungen laufen ins Leere.
Als Bruno dann auch noch zu schnarchen beginnt, ist der Streit mit der angespannten Paulina vorprogrammiert. Ihr Mann wird indes zunehmend unnahbar. Er scheint sich gar nicht mehr für seine Frau zu interessieren. Selbst die Kinder bemerken den Wandel ihres Vaters, der sich nach Feierabend lieber auf ein Bier mit Kumpel Achim trifft, statt mit ihnen zu spielen.
Als das Schnarchen überhandnimmt und er von Atemaussetzern geplagt wird, lässt er sich endlich in der Berling-Klinik untersuchen. Die Diagnose: Schlafapnoe. Wenn er jetzt nichts ändert, könnte ihm schon bald ein Schlaganfall drohen. Und nicht nur das, auch seine Ehe steht auf dem Spiel ...

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Schlaflos neben dir

Vorschau

Impressum

Schlaflos neben dir

Wenn die Nacht zum Stresstest wird

Von Katrin Kastell

Bruno Karlsen und seine Frau Paulina führten einst ein glückliches Leben mit ihren beiden Kindern Anna und Leon. Doch mit den Jahren schlichen sich die ungesunden Gewohnheiten in den Alltag des Mittdreißigers ein – viel Nascherei, Fastfood, wenig Schlaf, Stress auf der Arbeit und keine Zeit für Sport oder erholsame Momente mit der Familie.

Damit muss endlich Schluss sein, beschließt seine Frau und versucht, ihren Liebsten von dem Low Carb-Trend zu überzeugen. Doch ihre Bemühungen laufen ins Leere.

Als Bruno dann auch noch zu schnarchen beginnt, ist der Streit mit der angespannten Paulina vorprogrammiert. Ihr Mann wird indes zunehmend unnahbar. Er scheint sich gar nicht mehr für seine Frau zu interessieren. Selbst die Kinder bemerken den Wandel ihres Vaters, der sich nach Feierabend lieber auf ein Bier mit Kumpel Achim trifft, statt mit ihnen zu spielen.

Als das Schnarchen überhandnimmt und er von Atemaussetzern geplagt wird, lässt er sich endlich in der Berling-Klinik untersuchen. Die Diagnose: Schlafapnoe. Wenn er jetzt nichts ändert, könnte ihm schon bald ein Schlaganfall drohen. Und nicht nur das, auch seine Ehe steht auf dem Spiel ...

»Ich wünsche Ihnen einen guten Flug und eine wundervolle Reise«, verabschiedete sich Paulina Karlsen mit einem Lächeln auf den roten Lippen.

Sie reichte dem älteren Pärchen die Mappe mit allen Unterlagen und Prospekten. Darauf war ein herrlicher Strand mit Sonnenuntergang abgebildet. Ein Palmenblatt ragte ins Bild. Daneben prangte der Name des Reisebüros, in dem Paulina seit fünf Jahren arbeitete.

Ihre langjährige Kollegin Susanne warf Paulina einen Blick zu. Diese erwiderte das Lächeln ihrer Freundin.

Für heute verließen ihre letzten Kunden das Büro in der Münchener Innenstadt. Ihre Gesichter wirkten mehr als zufrieden. Paulina hatte sie von einem zweiwöchigen Aufenthalt in Portugal überzeugt, nachdem es sie zunächst nach Bali gezogen hatte, wo derzeit ein Tropensturm tobte. Kein passender Ort für ein Paar, das seinen Renteneintritt in der Sonne feiern wollte.

Ob Bruno und ich auch einmal so glücklich aussehen und unseren Lebensabend in aller Ruhe genießen werden?, fragte sie sich verträumt und drehte das Schild an der Tür auf »Geschlossen« um.

»Woran denkst du?«, wollte Susanne wissen. Die Blondine musterte ihre Kollegin interessiert. »Doch nicht etwa an Bruno?«

Paulina seufzte tief und räumte ihren Schreibtisch auf. Sie schob Prospekte über Strände, historische Stätten und fremde Kulturen zusammen.

»Ich würde gern wieder mit ihm allein verreisen, am besten ans Meer, aber seit die Kinder da sind, haben wir unsere Pläne vom Island-Urlaub auf Eis gelegt. Ich glaube, Bruno hat es sogar komplett vergessen. Dort hatten wir damals unsere Flitterwochen.«

»Wieso fliegt ihr nicht einfach zu viert?«

Paulina wandte sich um, ein bedrücktes Lächeln auf den Lippen.

»Anna und Leon sind beide in einem schwierigen Alter. Sie quengeln oft, können nicht schlafen oder ärgern sich gegenseitig. Jedenfalls bringen sie nicht nur Bruno an den Rand des Wahnsinns. Außerdem wäre der Urlaub für uns alle entschieden zu teuer.«

Susanne legte ihren Kopf schief und betrachtete ihre Freundin wie ein aufmerksamer Hund.

»Diese Ausrede höre ich nun schon seit ihrer Geburt. Die beiden sind keine Babys mehr. Sicher, dass es an den Kindern liegt und nicht an euch? Ihr könntet sie doch zum Beispiel für zwei Wochen bei deiner Mutter abgeben und es euch mal wieder richtig gut gehen lassen. Es gibt immer Mittel und Wege.«

Paulina begriff selbst nicht, warum sie ständig Ausflüchte suchte. Wahrscheinlich lag es daran, dass nach sechs Jahren Ehe und elf Jahren Beziehung die Luft bei ihnen raus war. Weder Bruno noch Paulina hatte mehr die Kraft, sich aus dem Alltagstrott zu befreien. Jeder ging seiner Arbeit nach, kümmerte sich um die Belange der Kleinen – Paulina bedeutend mehr als Bruno – und fiel abends erschöpft ins Bett, bevor der Trubel wieder von vorn begann. Sie fühlte sich ausgelaugt von nichts und vermisste Brunos Zärtlichkeiten sowie ihre eigene Spontanität.

»Irgendetwas ist anders geworden. Mit den Jahren hat auch die Langeweile Einzug gehalten«, gab sie niedergeschlagen zu und ließ den Kopf hängen.

Susanne fasste Paulina sanft, aber bestimmt an den Schultern und zwang sie aufzusehen.

»Wir werden jetzt noch einen Drink zusammen nehmen, ehe es nach Hause geht.«

»Aber ich fahre heute noch.«

»Nicht, wenn du die paar Meter zu Fuß gehst. Ihr wohnt fast nebenan. Lass dein Auto stehen, und nimm es morgen wieder mit«, schlug Susanne vor. »Ist sowieso gesünder.«

»Aber ich muss doch ...«

Ein Stöhnen unterbrach ihre nächste Ausrede. Paulinas Freundin rollte mit den grünen Augen.

»Immer diese Abers! Um alles Weitere kann sich dein lieber Mann kümmern, wenn er nicht gerade mit seinem Kumpel Achim selbst um die Häuser zieht. Während er sich amüsiert, bist du ständig für die Familie da und vergisst darüber deine eigene Freizeit.«

Paulina sah ein, dass es so nicht weitergehen konnte. Sie schnappte sich ihr Smartphone und tippte eine schnelle Nachricht an Bruno ein. Susanne sah ihr prüfend über die Schulter dabei zu und nickte schließlich zufrieden. Mit einem Herzchen endete Paulinas Bitte an ihren Mann.

Mit klopfendem Herzen steckte die Reisekauffrau das Gerät weg, griff sich ihre Tasche, löschte das Licht und folgte ihrer Freundin Susanne aus dem Reisebüro ...

***

Bruno Karlsen winkte seinem Kollegen, der als Vorletzter das Büro an diesem Tag verließ. Er streckte sich ausgiebig und blickte aus dem Fenster.

Der IT-Berater zog sich das Headset vom Kopf und fuhr den Computer herunter. Er genoss für einen Moment die Stille um sich herum. Kein Tastaturklappern, keine murmelnden Stimmen, kein Telefonschrillen.

Bruno war zufrieden, aber erschöpft. Heute hatte er einer weiteren Firma mit einer individuellen Lösung für ein Softwareproblem geholfen. Viele seiner Gesprächspartner benötigten ein neues Konzept für ihren Internetauftritt und suchten Hilfe bei ihm und seinen Kollegen.

Endlich Feierabend!, freute er sich stumm und bemerkte beim Aufstehen, wie steif seine Gliedmaßen waren.

Sein ganzer Körper knackte und ächzte, während er seinen Schreibtisch aufräumte und durch das Zimmer schritt, um seine Kaffeetasse wie an jedem Abend zu den anderen zu stellen.

Der Mittdreißiger hatte seinen Vorgesetzten leider nicht von den orthopädischen Stühlen überzeugen können, die derzeit angesagt waren. Zu teuer sei die neue Anschaffung und nicht nötig. Also plagten sich die Mitarbeiter der kleinen IT-Firma weiterhin mit Rücken-‍, Nacken- und Gelenkschmerzen.

Bruno betrachtete sein müdes Gesicht in der Fensterspiegelung. Er sah abgeschlagen und älter als fünfunddreißig aus. Sein haselnussbraunes Haar hatte er extra so kurz geschnitten, dass es ihm nicht in Strähnen in die Stirn hing. Statt sich zu rasieren, trug er nun einen modischen Dreitagebart. Das galt als modern und ersparte ihm das ständige Scheren.

Brunos lebendiges Blitzen in seinen blauen Augen war vergangen, und er stellte fest, dass immer tiefere Falten seine Haut durchzogen. Auch das hintergründige, leicht verschmitzte Lächeln war mit der Zeit aus seinem Gesicht verschwunden.

Als er kritisch an sich herabblickte, konnte er seine Schuhe weniger sehen als noch vor einem Jahr. Er hatte zugenommen und einen auffälligen Bauch angesetzt.

Beim bloßen Gedanken an Sport verging ihm die Laune. Dafür hatte er weder Zeit noch Lust. Bruno musste sich mit genug Einflüssen herumschlagen, die ihn anstrengten.

Erst heute hatte sein Chef ihm eine Rüge erteilt, da ihnen durch Brunos Vergesslichkeit ein wichtiger Kunde abgesprungen war. Ein großer Konzern hatte IT-Beistand angefordert, doch Bruno hatte den Herrn nie zurückgerufen. Und das, obwohl sogar ein Post-it an seinem Monitor hing, das ihn daran erinnerte. Der Interessent hatte sich schließlich für einen anderen Berater von der Konkurrenz entschieden.

Daraufhin hatten mehrere Telefonate mit völlig ahnungslosen, ungeduldigen Privatpersonen stattgefunden, die sein dünnes Nervenkostüm zusätzlich belastet hatten. Beinahe wäre ihm eine Beleidigung herausgerutscht, doch er hatte sich glücklicherweise noch im Griff.

Bruno seufzte und riss sich von seinem eigenen erbärmlichen Anblick los. Er griff in seine Schublade und holte eine Tafel Schokolade heraus. Als er an das Abendessen von Paulina dachte, das ihn zu Hause erwartete, beließ er es bei einem Blick auf das süße Glück.

Er kramte sein Smartphone heraus und checkte seine Nachrichten. Die von Paulina fiel ihm als Erstes ins Auge. Sie sagte ihm darin, dass er derjenige sei, der die Nanny ablöste und sich um das Essen für Anna und Leon kümmern sollte, weil sie noch mit einer Kollegin ausging.

Perplex las er ihre Nachricht noch einmal und verengte die Augen dabei. Auch seine Sehkraft ließ mittlerweile nach. Er wäre bald auf eine Brille angewiesen. So war das eben mit dem Älterwerden.

Bruno spürte, wie ihm die Gesichtszüge entgleisten und er hilflos wurde. Was zum Teufel sollte er ihnen denn vorsetzen? Paulina war immer diejenige gewesen, die sich darum gekümmert hatte. Er hoffte, dass es noch eine Fertigpackung Nudeln mit Tomatensoße im Schrank fand. Zur Not tat es auch eine Bestellung bei ihrem Stammitaliener. Mit Pizza machte er jedem eine Freude.

Das Verhalten seiner Frau war heute mehr als seltsam. Paulina war nicht mehr ausgegangen, seit die kleine Anna auf der Welt war. Freie Abende zu zweit hatten sich die beiden seither nie mehr gegönnt, sondern sich voll und ganz auf ihre Karrieren und das Wohl ihrer Kinder konzentriert. Häufig vermisste er die Zeit ohne Nachwuchs, gleichzeitig war ihm mittlerweile auch klar, was er alles verpasst hätte. Seine Kinder waren alles für ihn und machten ihn glücklich, aber sie konnten auch anstrengend sein und seinen Feierabend so stark beschneiden, dass er weder für Paulina noch für sich selbst Zeit aufbringen konnte. Er sehnte sich nach ihrem Lachen und ihren Berührungen.

Bruno fühlte sich mit einem Mal verloren, denn eigentlich hatte er sich heute mit Achim auf ein Bier verabredet. Das brauchte er nach so einem schrecklichen Tag wirklich! Paulinas Anwandlung machte seine Feierabendpläne zunichte. Er zügelte seine unangebrachte Wut. Natürlich durfte sie sich verabreden. Wieso auch nicht?

Widerwillig sagte er seinem Freund ab und musste nicht lange auf eine Antwort warten.

Alles klar, du Pantoffelheld. Kann nicht jeder so frei sein wie ich, antwortete der überzeugte Single Achim und bohrte weiter in der Wunde, indem er einen frechen Zwinkersmiley hinterherschickte.

Mit einem Mal kam Bruno ein schlimmer Gedanke: Was, wenn sich Paulina nicht mit ihrer Kollegin, sondern mit einem Mann traf? Würde ihm seine Frau erzählen, wenn sie ganz harmlos mit dem anderen Geschlecht ausging? Er kannte sie seit einer halben Ewigkeit und konnte sich diese Frage dennoch nicht beantworten. Solche Zweifel hatten nie zwischen ihnen gestanden, weil sie sich gar nicht erst hatten fragen müssen, ob der andere treu war. Seit sich Bruno gehen ließ und nicht mehr recht zu Paulina durchdrang, war er sich dessen allerdings nicht mehr so sicher.

Er fuhr mit dem Finger über ihr lachendes Gesicht auf dem Display.

Das Hintergrundbild hatte er seit sechs Jahren nie gewechselt. Bruno liebte ihr Lachen. Seine Frau war nicht nur bildhübsch, sondern auch humorvoll und intelligent dazu. Viele Männer, sogar Achim, beneideten ihn um Paulina. Auch mit den ersten Falten hatte sie nichts von ihrer Attraktivität verloren.

Er wünschte, er wüsste, wie er ihr zeigen konnte, dass sie ihm wichtig war. Aber alles, was Bruno anfasste, endete im Chaos. Er fühlte sich nicht mehr wohl in seiner Haut und mit seinem Aussehen, war aber zu träge, um etwas zu ändern und das Problem anzugehen. Paulina liebte ihn so, wie er war, hatte sie einmal gesagt. Wieso sollte er sich also ändern?

Er wischte die Gedanken an einen anderen Mann beiseite. Bruno hatte sich immer, selbst in den schwersten Zeiten, auf sie verlassen können. Ein Abend mit Susanne oder wem auch immer würde daran nichts ändern. Morgen wäre wieder alles beim Alten.

Dennoch schob er sich vor Frust einen Schokoriegel in den Mund und kaute genüsslich darauf herum. Seine Muskeln entspannten sich sofort.

Wenigstens das ausgeschüttete Serotonin konnte ihn jetzt noch aufheitern ...

***

Paulina erinnerte sich nicht daran, wann sie zuletzt ganz spontan abends noch mit einer Freundin ausgegangen war.

Susanne und sie saßen in einer gut besuchten Bar und stießen auf den erfolgreichen Tag an. Paulina ließ ihren Blick schweifen und blieb an einem eng umschlungenen Pärchen hängen, das sich rhythmisch zur Musik bewegte und die Augen geschlossen hielt. Sie waren komplett versunken und sehr verliebt, das erkannte man. Ein wehmütiger Seufzer bahnte sich seinen Weg.

Obwohl sich die hübsche Reisekauffrau gut fühlte, machten sich bald darauf Zweifel in ihr breit, ob daheim alles in Ordnung war, Bruno seinen Pflichten nachkam, es den Kindern an nichts fehlte, sie ihre Hausaufgaben erledigt hatten ...

Ein Schnipsen direkt vor ihrem Gesicht riss die junge Mutter aus ihren Gedanken.

»Erde an Paulina«, meinte Susanne schmunzelnd. »Du solltest endlich einmal abschalten. Kinder zu haben bedeutet nicht, sein eigenes Leben vollständig zurückzustellen.«

»Das sagt sich leicht für jemanden, der nie welche wollte«, entgegnete sie eingeschnappt, aber ihre Freundin nahm es ihr nicht übel.

Susanne war einige Jahre älter als Paulina und glücklich wie nie, seit sie ihren neuen Freund Rico kennengelernt hatte. Die beiden planten bereits zusammenzuziehen. Während es bei Susanne also vorwärts ging, stand Paulinas Leben still.

»Manchmal fühle ich mich, als sei ich bereits in den Wechseljahren«, gab sie bedrückt zu und fuhr mit den Fingern am feuchten Glas entlang. Sie malte kleine Herzen auf die glatte Oberfläche und wischte sie gleich darauf wieder fort. »Bruno hat das Interesse an mir komplett verloren. Früher haben wir auch einmal so getanzt und die Welt um uns herum vergessen. Ich vermisse das.«

Susanne drehte den Kopf und folgte Paulinas Blick. Auch auf ihren Lippen entstand ein Lächeln. Dann wandte sie sich wieder ihrer Freundin zu und beugte sich leicht über den Tisch, um Paulinas Hand zu ergreifen.

»Du bist eine tolle, schöne Frau. Deshalb ist dein Bruno doch ganz verrückt nach dir.«

»Davon merke ich nicht viel.«

»Weil Männer gern im Trott ausharren und sich ihrer Sache zu sicher sind. Er weiß, dass du ihn genauso liebst, also braucht er sich keine Mühe mehr zu geben. Er sieht dich als selbstverständlich an.«

Paulina verengte ihre Augenbrauen, bis eine tiefe Falte dazwischen entstand.

»Du möchtest mir aber bitte keine Affäre vorschlagen, oder? Darauf gehe ich gar nicht erst ein, Su.«

Die Angesprochene schnaufte merklich.

»Natürlich nicht!«, rief sie aus. »Aber du könntest Bruno wenigstens zeigen, was er verpasst, während er sich mit Achim auf ein Bier verabredet.«

Ihr vielsagendes Zwinkern löste ein unangenehmes Kribbeln in Paulinas Magengegend aus. Sie wusste nicht, worauf ihre Freundin hinauswollte.

»Sprich nicht ständig in Rätseln. Für so was habe ich heute keine Nerven, und mein Schädel brummt seit dem letzten Cocktail eh schon.« Instinktiv griff Paulina zum Handy, um ihre Nachrichten zu lesen. Ehe sie sehen konnte, was Bruno geschrieben hatte, schnappte Susanne danach. »Hey, das brauche ich!«

»Um was zu tun? Brunos Fragen zu beantworten und dich wieder einmal hetzen zu lassen, weil dein Mann das Lieblingskuscheltier nicht findet oder keine Lust auf die Gutenachtgeschichte hat? Weil er die Kinder nicht bändigen kann oder mit der Spülmaschine überfordert ist?« Paulina entriss ihr das Mobiltelefon und warf es lieblos in die Tasche. Sie wollte Susanne beweisen, dass sie unrecht hatte. Doch immer wieder glitten ihre Augen zu ihrem Gerät. »Du merkst doch, dass du abhängig bist und dich gar nicht auf mich konzentrieren kannst, weil du mit den Gedanken bei deiner Familie bist«, seufzte Susanne. »Das ist normal, wenn man Kinder hat. So viel weiß ich auch. Aber es ist nicht normal, die eigenen Wünsche derart streng zurückzustellen, während dein Göttergatte tun und lassen kann, was er will. Wir leben nicht mehr in den Fünfzigerjahren, Linchen. Lass ihn ruhig fragen, mit wem du dich triffst. Wir wollen doch, dass Bruno sich Gedanken macht und sich wieder mehr um dich kümmert.«

»Das wolltest du mir sagen?«, kam auch Paulina zum eigentlichen Thema zurück. »Dass ich ihn künstlich eifersüchtig machen soll? So etwas hatte unsere Beziehung nie nötig. Wir lieben uns.«

Susanne seufzte und trank ihr Glas leer. Sie winkte nach dem Kellner.

»Bruno soll sich nicht verrückt machen, aber eine kleine Sorge um den anderen hat noch nie geschadet. Bist du nicht auch manchmal eifersüchtig und umso froher, wenn er wieder bei dir ist und sich alles als harmlos herausstellt?«