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Der lebenslustige und beliebte Krankenpfleger Miguel Vargas verhält sich seit einiger Zeit verdächtig ruhig und in sich gekehrt. Dr. Holl kommt zu Ohren, dass er ein Problem hat. Doch in einem persönlichen Gespräch will er sich dem Chefarzt nicht anvertrauen. Es kursieren Gerüchte, dass der verheiratete Pfleger eine Affäre mit einer Patientin angefangen haben soll. Nur woher rührt dann sein Wesenswandel?
Und plötzlich folgt der Schock. Miguel erleidet einen Krampfanfall und wird mit schweren Herzrhythmusstörungen in die Berling-Klinik eingeliefert. Dr. Holl und sein Team sind ratlos. Nichts deutet auf eine Grunderkrankung oder gar Medikamentenmissbrauch hin. Als der Pfleger dann ins Koma fällt, stehen die Ärzte vor einem noch viel größeren Rätsel. Und es bleibt ihnen nicht viel Zeit, um herauszufinden, was ihm fehlt ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
In falschen Händen
Vorschau
Impressum
In falschen Händen
Dr. Holl und eine Liebe mit Nebenwirkungen
Von Katrin Kastell
Miguel Vargas, der lebenslustige und beliebte Krankenpfleger verhält sich seit einiger Zeit verdächtig ruhig und in sich gekehrt. Dr. Holl kommt zu Ohren, dass er ein Problem hat. Doch in einem persönlichen Gespräch will er sich dem Chefarzt nicht anvertrauen. Es kursieren das Gerücht, der verheiratete Pfleger habe eine Affäre mit einer Patientin angefangen. Nur woher rührt dann sein Wesenswandel?
Und plötzlich folgt der Schock. Miguel erleidet einen Krampfanfall und wird mit schweren Herzrhythmusstörungen in die Berling-Klinik eingeliefert. Dr. Holl und sein Team sind ratlos. Nichts deutet auf eine Grunderkrankung oder gar Medikamentenmissbrauch hin. Als Pfleger Miguel dann ins Koma fällt, stehen die Ärzte vor einem noch viel größeren Rätsel. Und es bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit, um herauszufinden, was ihm fehlt ...
»Unser Bäcker steht schon seit einer halben Stunde in der Küche und knetet den Teig.«
Julia Holl lag dicht hinter ihrem Mann. Er spürte die Wärme ihres Körpers, ihr Atem kitzelte an seiner Wange, ihre Stimme säuselte in seinem Ohr. Doch da war noch ein anderes Geräusch, das nicht halb so angenehm war.
Eine Windböe pfiff um das Haus. Blinzelnd öffnete er die Augen. Durch einen Spalt in den Vorhängen erhaschte er einen Blick in den grauen Winterhimmel. Schneeregen fiel aus dunklen Wolken.
Stefan beschloss, der geflüsterten Versuchung seiner Frau zu widerstehen, und schlüpfte noch tiefer unter die Decke.
Doch er hatte nicht mit Julias Hartnäckigkeit gerechnet.
Unbeirrt fuhr sie fort: »Brote mit knuspriger Kruste und die ersten, frischen Semmeln sind schon fertig. Herr Birkbach holt sie gerade aus dem Ofen. Ein unwiderstehlicher Duft zieht durch die Backstube.«
Stefan täuschte ein Schnarchen vor und zog die Bettdecke noch ein Stückchen höher. Julia fiel nicht darauf herein.
»Als Nächstes kommen die süßen Teilchen in den Backofen. Wenn du die Bäckerei betrittst, duftet es schon nach Zuckerguss und Vanille. Im Regal neben den Brotwaren warten Quarktaschen, Zimtschnecken und Schoko-Croissants auf dich. Du weißt schon, die mit der ganz besonders leckeren Füllung zwischen dem flaumigen Teig ...«
»Genug!« Mit einem Ruck setzte sich Stefan im Bett auf.
»Ich habe dich durchschaut, du Mutter aller Gemeinheiten! Du willst nur, dass ich mich zu nachtschlafender Zeit auf den Weg zur Bäckerei mache, weil du Lust auf all diese Leckereien hast.«
Julia lächelte so unschuldig wie ein Engel. »Du etwa nicht?«
»Doch, schon.« Er griff nach dem Wecker. »Aber doch nicht um kurz nach sechs. Warum bist du schon wach?«
»Keine Ahnung.« Julia zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich bin ich einfach ausgeschlafen. Als ich so dalag, fiel mir ein, dass wir eigentlich mal frische Semmeln und andere Leckereien zum Frühstück essen könnten.« Mit einem unwiderstehlichen Augenaufschlag kuschelte sie sich an ihn. »Erst gestern habe ich wieder gelesen, wie wichtig Abwechslung für eine Beziehung ist. So bleibt ein Paar füreinander interessant und die Liebe lebendig.«
Stefan betrachtete seine Frau. Wie schön sie aussah mit den verwuschelten Haaren und dem vom Schlaf zerknautschten Gesicht.
»Hmmm, mir würden da ganz andere Dinge einfallen, um die alltägliche Routine zu durchbrechen«, raunte er ihr zu und ließ seinen Zeigefinger über ihre nackte Schulter gleiten.
»Du hast recht«, murmelte Julia und überließ sich seinen kundigen Händen, als ein Poltern die Ruhe im Haus mit einem Schlag zunichtemachte.
Kurz darauf folgte ein Zischen.
»Mann, bist du blind? Oder hast du etwa ADHS?«
Eindeutig! Das war Jujus Stimme.
»Wie bitte? Wie kommst du denn auf so eine Idee?«, zischte ihr Bruder Chris zurück.
»So tollpatschig wie du bist, könnte das doch gut sein.«
»Wer war diejenige, die die Einkaufstasche vergessen hat?«, konterte Chris.
Die beiden Eltern tauschten lakonische Blicke.
»Ich glaube, ich werde heute Abend noch einmal auf dein Angebot zurückkommen«, sagte Julia und schlug seufzend die Bettdecke zurück.
»Mit dem allergrößten Vergnügen.«
Stefan Holl tat es dem Beispiel seiner Frau nach und schwang die Beine über die Bettkante.
»Was machen die beiden eigentlich um diese Zeit schon unten?«
»Wir werden es gleich erfahren.«
Auf dem Weg ins Erdgeschoss machte Stefan sich vorsichtshalber schon einmal darauf gefasst, einen geschwisterlichen Streit schlichten zu müssen, als ihm der Mund vor Staunen offen blieb.
In schönster Eintracht standen die Geschwister nebeneinander in der Küche. Juju kochte Kaffee, ihr Bruder stapelte Semmeln und Brezen in einen Brotkorb und brachte ihn hinüber zur gedeckten Frühstückstafel. Brennende Kerzen warfen ihren Schein auf Julias bestes Porzellan.
Stefan spürte die Nähe seiner Frau hinter sich.
»Kinder, das ist ja eine schöne Überraschung!«, entfuhr es ihr.
Entgeistert fuhren die Geschwister herum.
»Mama, Papa, was macht ihr denn schon hier?«
Chris war so überrascht, dass ihm der Brotkorb aus der Hand fiel. Die Gebäckstücke kullerten über den Boden.
»Also doch ADHS«, kicherte Juju, die sich als Erste wieder von ihrem Schrecken erholte.
»Darüber macht man keine Scherze«, maßregelte Stefan seine Tochter.
Juju schenkte ihm einen schmelzenden Augenaufschlag und umschlang seine Mitte.
»Nicht böse sein, Papilein«, säuselte sie. »Schau mal, wir haben Frühstück gemacht.«
»Dafür waren wir extra beim Bäcker«, erklärte Chris, der sich nicht viel aus den Neckereien seiner kleinen Schwester zu machen schien. »Das war Jujus Idee. Wir wollten euch überraschen. Sonst gibt es ja immer nur am Wochenende Semmeln.«
»Sieh mal einer an.« Stefan schickte seiner Frau einen belustigten Blick. »Die Verwandtschaft lässt sich nicht leugnen.«
Ein Zischen und Gurgeln verriet, dass die Kaffeemaschine ihren Dienst getan hatte. Der aromatische Duft lockte die Familie an den Esstisch. Eine Weile war nur ein Knuspern und Knacken zu hören. Brösel rieselten auf die Teller.
»Das war wirklich eine ganz hervorragende Idee«, lobte Julia ihre Kinder, nachdem der erste Hunger gestillt war. Sie wandte sich an ihre Tochter. »Trotzdem muss ich mit dir noch über diese Bemerkung von vorhin reden. Wie kommst du auf die Idee, dein Bruder könnte ADHS haben? Weißt du überhaupt, was das bedeutet?«
»Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. »Wir haben im Unterricht darüber gesprochen, weil ein Mädchen aus unserer Klasse deswegen Medikamente nehmen muss.«
»Und jetzt meint Juju, dass jeder Mensch, der mal stolpert oder unaufmerksam ist, an diesem Syndrom leidet«, ergänzte Chris und rollte mit den Augen.
»Stimmt doch gar nicht. Ich wollte dich nur ärgern.«
»Erstens erlaubt man sich mit solchen Dingen keine Scherze. Wir sollten froh sein, dass wir alle gesund sind und weder mit körperlichen noch mit psychischen Krankheiten zu kämpfen haben«, wiederholte Stefan Holl seine Mahnung von vorhin. »Und zweitens sind Tollpatschigkeit und Vergesslichkeit nur zwei Merkmale dieser vielschichtigen Erkrankung.«
Julia brach ein Stück von einer Breze ab und bestrich es mit Butter.
»Neben Hyperaktivität, Konzentrationsproblemen und mangelnder Selbstorganisation kommen bei Schulkindern am häufigsten Lernschwierigkeiten vor«, ergänzte sie die Ausführungen ihres Mannes. »Die schulischen Leistungen des Kindes liegen dann meist unter seinen tatsächlichen Fähigkeiten.« Obwohl sie nicht mehr in ihrem Beruf als Kinderärztin arbeitete, seit sie Mutter war, hatte Julia den Anschluss nicht verloren. Durch regelmäßige Besuche in der Pädiatrie der Berling-Klinik hielt sie sich genauso auf dem Laufenden wie durch das Studium von Fachliteratur. Auf diese Weise konnte sie in zwei Jahren – dann war Juju dreizehn Jahre alt – wieder ohne größere Hürden in ihren Beruf zurückkehren. »Dabei können ADHS-Kinder intellektuell durchaus mit ihren Altersgenossen mithalten. Es fehlt ihnen lediglich an Konzentration und Geduld. Im Gegenzug haben diese Kinder und Jugendlichen häufig eine besondere Begabung in kreativen Fächern wie Kunst und Musik.«
Diese Erklärung ließ sich Juju kurz durch den Kopf gehen, bevor sie sich grinsend an ihren vier Jahre älteren Bruder wandte.
»Eine Begabung in Kunst und Musik?«, fragte sie mit blitzenden Augen. »Das ist der beste Beweis dafür, dass ich mich geirrt habe. Du bist völlig gesund.«
***
»Hallo, wir brauchen einen Notarzt. Bewusstlose Patientin, Verdacht auf Ellbogenfraktur.«
Während die Arztfamilie noch um den Esstisch versammelt war, kniete Miguel Vargas mit dem Handy am Ohr auf dem nackten Asphalt. Er übermittelte die genaue Adresse und ließ die Frau dabei nicht aus den Augen. Gleich darauf beendete er das Telefonat und steckte das Smartphone zurück in die Hosentasche.
Der Schnee unter seinen Knien schmolz und durchnässte den Stoff seiner Jeans. Ein kühler Wind fegte um die Hausecken und trieb Schneeflocken vor sich her, die sich in Regen verwandelten, noch bevor sie auf den Boden aufklatschten.
Was für ein Morgen! Doch der Krankenpfleger hatte Wichtigeres zu tun, als sich um diesen verunglückten Start in diesen Tag zu kümmern. Nach einem kurzen Blick auf die Frau vor ihm hob er den Kopf und sah sich um.
»Kommen Sie! Ich brauche Ihre Hilfe«, forderte er einen der Passanten auf, die sich in Windeseile um die Bewusstlose versammelt hatten. »Haben Sie schon einmal eine Herzdruckmassage gemacht?«
»Ähm, nein«, stammelte der Herr mit den grauen Schläfen und sportlicher Statur. »Nur im Erste-Hilfe-Kurs. Aber das ist ewig her.«
»Dann ist es höchste Zeit, Ihre Kenntnisse nun etwas aufzufrischen.« Miguel zeigte seinem Helfer, wie er die Hände auf den Brustkorb der Patientin legen sollte. »Kennen Sie das Lied ›Atemlos durch die Nacht‹ von Helene Fischer?«
»Natürlich! Meine Frau und ich sind große Fans.«
»Perfekt. Zu diesem Rhythmus drücken sie jetzt.«
»Also gut.« Um die neugierigen Blicke zu vergessen, konzentrierte sich der Mann, der sich als Sebastian vorgestellt hatte, auf die Frau und begann zu singen, während er pumpte.
Miguel dagegen eilte zurück zu seinem Wagen und holte die Erste-Hilfe-Tasche, seine ständige Begleiterin.
»Sie atmet nicht. Ich muss die Frau intubieren«, sagte er zu Sebastian.
Die Schlösser der Tasche schnappten auf. Er nahm das Intubationslaryngoskop heraus und klappte es auf, um es der bewusstlosen Frau in den Rachen zu schieben. Mithilfe eines Beatmungsbeutels pumpte er Luft in die Lungen seiner Patientin.
Nach einer gefühlten Ewigkeit war ein Martinshorn zu hören. Weit entfernt zunächst, näherte es sich rasch. Mit quietschenden Bremsen hielt der Rettungswagen am Straßenrand. Routiniert machten sich die Helfer an die Arbeit.
»Haben Sie die Patientin intubiert?«, wandte sich der Rettungsarzt an Miguel Vargas.
»Nein!« Die erst Gefahr war gebannt. Die Anspannung fiel von Miguel ab, und seine Augen blitzten. »Die ist schon mit dem lustigen Rohr im Rachen ohnmächtig geworden und auf die Straße gefallen.«
Die Umstehenden lachten. Sebastian schickte ihm einen bewundernden Blick.
»Die junge Frau muss einen Schutzengel gehabt haben«, geriet er unvermittelt ins Schwärmen. »Nicht jeder hat das Glück, direkt einem Arzt vor die Füße zu fallen.«
Miguel streckte dem Rettungsarzt die Hand entgegen.
»Miguel Vargas. Ich arbeite in der Berling-Klinik.«
»Dorthin bringen wir Ihre Patientin nun ohnehin. Dann können Sie sich dort gleich weiter um sie kümmern.«
Grußlos wandte sich der Arzt ab und sprang in den Wagen. Die Menschenansammlung wich auseinander und sah dem Rettungswagen nach.
»Dankbarkeit ist offenbar keine Stärke dieser Herrschaften«, monierte Sebastian.
Miguel lachte. »Dafür weiß ich durchaus zu schätzen, dass Sie mir geholfen haben, dieser Frau das Leben zu retten.« Er wandte sich an die Menschentraube, die sich erst nach und nach auflöste: »Meine Herrschaften, Sie denken doch auch, dass Sebastian einen Applaus verdient hat.«
***
Das Klatschen hallte noch in seinen Ohren wider, als Miguel Vargas endlich in den Wagen stieg und in die Klinik fuhr.
Auf dem Weg zu seiner Station kam er an der Cafeteria vorbei.
»Guten Morgen, Frau Helmbrecht. Hat das Frühstück nicht geschmeckt?«
Lächelnd deutete er auf das Stück Torte, das sich seine Patientin mit einer Tasse Kakao schmecken ließ.
»Eine Scheibe Vollkornbrot mit Magerquark und Diät-Marmelade«, schnaubte Elfriede Helmbrecht. »Nichts für ungut, aber mit so einer Henkersmahlzeit will ich mich nicht von dieser Welt verabschieden.«
»Verständlich.« Miguel dachte kurz nach. »Ihre Operation ist morgen?«
»Gleich um acht Uhr.«
»Was halten Sie von einem Versprechen? Wenn ich beim lieben Gott ein gutes Wort für Sie einlege, halten Sie sich nach dem Eingriff an die Empfehlungen Ihres Diät-Assistenten.«
Elfriede Helmbrecht kicherte. »Das ist ein Wort!«
Augenzwinkernd verabschiedete sich der Krankenpfleger. Von rechts und links wehten ihm Grüße von weiteren Patienten sowie Kolleginnen und Kollegen entgegen, die er gut gelaunt erwiderte. Ein fröhliches Liedchen auf den Lippen betrat er den Umkleideraum, wo er sich für die anstehende Schicht umzog. Keine Minute zu früh, denn er wurde schon am Tresen erwartet.
»Da sind Sie ja endlich!«
Dr. Susanne Meltendorf, Orthopädin und Unfallchirurgin, tippte auf das Zifferblatt ihrer Armbanduhr.
»Was denn? Wer wird denn wegen fünf Minuten so kleinlich sein?«, fragte der Krankenpfleger und schenkte der Ärztin ein strahlendes Lächeln. Das neuerdings hellblond gefärbte Haar stand ihr nicht nur gut zu Gesicht, sondern auch in reizvollem Kontrast zu ihren braunen Augen. Schwer vorstellbar, dass so ein reizendes Wesen so böse sein konnte. »Immerhin habe ich heute Morgen schon ein Leben gerettet«, spekulierte er auf ihr Verständnis.
Dr. Meltendorf zog eine Augenbraue hoch.
»Deshalb bin ich hier. Es geht um die Patientin Anna Kiepe. Sie haben Glück, dass sie Ihre vorschriftswidrige Intubation überlebt hat.«
Das Lächeln auf Miguels Lippen gefror.
»Entschuldigung, ich habe ihr lediglich das Leben gerettet.«
»Trotzdem hätten Sie nicht intubieren dürfen.«
»Aber ...«, wollte er einwenden.
»Was ist denn hier los?« Angezogen von der strengen Stimme seiner Mitarbeiterin steckte Stefan Holl den Kopf aus dem Schwesternzimmer. Wie fast jeden Morgen hatte er auf seinem Rundgang in der Klinik dort Station gemacht. Nicht nur in Zeiten des Pflegenotstands war der Klinikleiter stets auf das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter bedacht. Er glaubte fest daran, dass nur zufriedenes Personal gute Arbeit leisten konnte. Deshalb suchte er so oft wie möglich den Austausch mit seinen Mitarbeitern. »Gibt es ein Problem?«, erkundigte er sich besorgt.
In knappen Worten wiederholte Susanne Meltendorf das, was sie vom Rettungsarzt erfahren hatte.
»Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Pfleger Miguel seine Kompetenzen überschritten hat, hat er sich obendrein auch noch als Arzt ausgegeben«, schloss sie ihren Bericht.
»Das stimmt so nicht«, widersprach der Krankenpfleger selbstbewusst. »Ich habe nur gesagt, dass ich in der Berling-Klinik arbeite. Es ist doch nicht mein Problem, welche Schlüsse der Doktor daraus zieht.«
Dr. Holl musterte seine Orthopädin mit gerunzelter Stirn.
»Ist die Patientin durch das Eingreifen unseres Pflegers zu Schaden gekommen?«
Dr. Meltendorf verzog den Mund.
»Bei ihrem Sturz aufgrund eines Kreislaufzusammenbruchs hat Anna Kiepe eine Ellbogenfraktur erlitten. Inzwischen ist ihr Zustand stabil.« Sie machte eine vielsagende Pause. »Vermutlich hat Pfleger Miguel ihr tatsächlich das Leben gerettet.«
»In diesem Fall danke ich Ihnen für Ihr rasches Handeln«, wandte sich der Klinikleiter an den Pfleger. »Nichtsdestotrotz muss ich Sie daran erinnern, dass die Kollegin Meltendorf recht hat. Nicht-ärztlichem Personal ist es nicht gestattet, invasive Maßnahmen durchzuführen, sofern kein Arzt anwesend ist. Ich hoffe, wir verstehen uns.«
»Natürlich, Chef. Und zum Glück kommt es ja auch nicht jeden Tag vor, dass mir ein Mensch vor die Füße fällt.«
Miguel Vargas bedankte sich augenzwinkernd, ehe es nun doch höchste Zeit wurde, an die Arbeit zu gehen.
Dr. Holl und seine Mitarbeiterin sahen ihm nach, wie er mit beschwingten Schritten davonging.
»War das alles?«, hakte Dr. Meltendorf ungläubig nach. »Keine Abmahnung? Keine Strafe?«