Chefarzt Dr. Holl 1959 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1959 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Schon bevor Ingenieur Samuel Burghardt in Oslo in den Flieger steigt, um den Rückweg von seiner Dienstreise anzutreten, ist er mit den Nerven völlig am Ende. Die Bilder des Unfalls verfolgen ihn. Vor drei Tagen verlor der Fahrer eines Wagens die Kontrolle über sein Fahrzeug und raste in eine Menschengruppe. Samuel musste mit ansehen, wie zwei seiner Kollegen bei diesem Unglück starben.
Während des Flugs durchlebt der junge Ingenieur dieses traumatische Ereignis immer und immer wieder, bis er plötzlich bemerkt, wie sich seine Sehfähigkeit verschlechtert. Kurz vor der Landung ist er fast blind. Der Schock sitzt so tief, dass er einen Nervenzusammenbruch erleidet. Sofort ist eine Flugbegleiterin zur Stelle. Noch vom Flugzeug aus verständigt sie einen Notarzt, der Samuel in die Berling-Klinik bringt ...


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Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Der blinde Passagier

Vorschau

Impressum

Der blinde Passagier

Als Samuel im Flugzeug plötzlich nichts mehr sehen konnte

Von Katrin Kastell

Schon bevor Ingenieur Samuel Burghardt in Oslo in den Flieger steigt, um den Rückweg von seiner Dienstreise anzutreten, ist er mit den Nerven völlig am Ende. Die Bilder des Unfalls verfolgen ihn. Vor drei Tagen verlor der betagte Fahrer eines Wagens die Kontrolle über sein Fahrzeug und raste in eine Menschengruppe. Samuel musste mit ansehen, wie zwei seiner Kollegen bei diesem Unglück starben.

Während des Flugs durchleidet er dieses traumatische Ereignis immer und immer wieder, bis er plötzlich bemerkt, wie sich seine Sehfähigkeit verschlechtert. Kurz vor der Landung ist er fast blind. Der Schock sitzt so tief, dass Samuel einen Nervenzusammenbruch erleidet. Sofort ist eine Flugbegleiterin zur Stelle. Noch vom Flugzeug aus verständigt sie einen Notarzt, der Samuel in die flughafeneigene Ambulanz bringt ...

Was für ein Albtraum! Was für ein grauenhafter Albtraum!

Samuel musste noch nicht einmal die Augen schließen, um die Szene immer wieder vor sich zu sehen. In Dauerschleife lief der Film vor seinem Kopf ab.

Ein ums andere Mal sah er den Geländewagen, der an einem geparkten Fahrzeug vorbeischoss und über den Fahrradweg auf die Wissenschaftler zuraste, die vor dem Institut standen und darüber diskutierten, in welchem Restaurant sie diesen erfolgreichen Tag beschließen wollten.

Samuel befand sich etwas abseits. Er wollte noch mit seiner Freundin Anja telefonieren. Während er auf ein Freizeichen wartete, sah er dem Geländewagen nach und hielt den Atem an.

Geschah das gerade wirklich, oder spielten ihm seine Augen einen Streich?

Aber nein! Sein norwegischer Kollege William Aaberg riss den Mund zum Schrei auf. Es folgte ein dumpfer Schlag, und schon wirbelte er wie eine Stoffpuppe durch die Luft. Ein Rucken ging durch den Wagen, als fahre er über einen zu hohen Bordstein. Aber der Widerstand war weicher.

Gleich darauf ruckte es noch einmal, diesmal traf es Linnea Sund.

Dann krachte der Wagen in eine Mauer. Glassplitter flogen, Metall kreischte und knirschte unter der Wucht des Aufpralls.

Wie betäubt stand Samuel da und hielt das Mobiltelefon umklammert.

In diesen Sekunden nach dem Unfall hatte er nichts gehört und nichts gespürt. Er hatte nur dagestanden und auf das Standbild vor seinen Augen gestarrt, unfähig, sich zu bewegen, zu denken oder irgendetwas zu sagen.

Wahrscheinlich würde er auch jetzt noch dort stehen, wie zur Salzsäule erstarrt, hätte ihn nicht ein Ersthelfer vom Ort des Schreckens weggeführt.

Fast drei Tage und damit fünfundsechzig Stunden oder dreitausendneunhundert Minuten war das Unglück nun her. Und in jeder einzelnen von ihnen wurde Samuel von diesen schrecklichen Bildern verfolgt. Egal, ob er wach war oder schlief.

Dagegen hatte auch die Betreuung der Psychologin nichts ausrichten können, die sich kurz nach dem Unfall mit den Sanitätern und dem Notarzt um die Überlebenden sowie die traumatisierten Augenzeugen gekümmert hatte.

Samuel konnte nur hoffen, dass sein Zustand in seiner bayerischen Heimat endlich verbessern würde ...

***

»Ich weiß einfach nicht, wie ich diese Bilder je wieder loswerden soll«, klagte Samuel seiner Freundin Anja am Telefon sein Leid.

Bleich wie ein Gespenst saß er in der Abflughalle des Flughafens Oslo und wartete auf das Boarding. Seine Augen lagen in dunklen Höhlen, die Hände zitterten – untrügliche Zeichen dafür, dass er lange nicht geschlafen hatte. Seine Nerven spielten verrückt.

»Mein armer Schatz!«, seufzte Anja teilnahmsvoll. »Du glaubst gar nicht, wie gerne ich dich jetzt in den Arm nehmen würde.«

Die Chemikerin saß am Tisch in ihrem Forschungslabor und sah sinnend aus dem Fenster. Die dünne Schneedecke, die München in den vergangenen Tagen überzuckert hatte, war unter der Februarsonne geschmolzen. Der weiß-blaue Himmel spiegelte sich in den Pfützen auf dem Asphalt. Auf dem Grünstreifen vor dem Gebäude kämpften sich die ersten Schneeglöckchen durch den harten Boden.

Bis vor Kurzem hatte sich Anja Fiebig noch wie verrückt auf den bevorstehenden Frühling gefreut. Den ersten, den sie seit langer Zeit nicht allein verbringen musste. Diesmal würde auch sie zu den Glücklichen gehören, die von einem Ohr zum anderen strahlend mit ihrem Liebsten durch die Fußgängerzone schlenderte, die sich im Englischen Garten unter dem frischen Grün einer Weide küssen und über den Kleinhesseloher See rudern ließ. Sie hatte sogar die letzten Karten für ein Konzert von Samuels Lieblingsband ergattert, mit denen sie ihn überraschen wollte.

Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass sie schon so kurz nach ihrem Kennenlernen froh sein würde, dass er überhaupt noch am Leben war? Das Unglück in Oslo hatte auch sie schließlich hautnah am Telefon miterlebt.

Seitdem hatte sich das Blatt gewendet. Er war grüblerisch, in sich gekehrt. Und selbstverständlich verhielt er sich auch nicht so, als würde er sich auch nur ansatzweise auf den Frühling freuen. Ja, er klang nicht einmal mehr so, als könnte er je wieder Freude empfinden ...

Anja wandte den Blick von den winzigen Schneeglöckchen ab und ließ die Schultern hängen.

»Gibt es irgendetwas, das ich für dich tun kann?«, fragte sie nun in die entstandene Stille hinein.

»Ich weiß schon, warum ich diese Reiserei so satthabe«, seufzte Samuel.

»Dieses Unglück hätte überall auf der Welt passieren können. Auch zu Hause bei uns in München«, wandte Anja sanft ein.

Zu Hause! Da sagte sie etwas. Diesen Begriff hatte es früher für ihn nicht gegeben. Umso wichtiger war Samuel nun alles, was damit zusammenhing: Geborgenheit, Sicherheit, Liebe. Er glaubte fest daran: Wenn er erst wieder zu Hause war, würden die Albträume verschwinden.

»Stimmt schon. Trotzdem bin ich einfach nur froh, wenn ich wieder daheim bin. Ich kann es kaum erwarten, dich endlich wieder in die Arme zu schließen. Dann hört dieser Wahnsinn hoffentlich ganz von allein auf.«

Anjas Herz wurde schwer.

»Zu dumm, dass ich dich nicht vom Flughafen abholen kann. Aber wir haben einen dringenden Auftrag reinbekommen, und ich kriege nicht frei.«

»Kein Problem. So, wie ich im Augenblick aussehe, will ich dir sowieso auf keinen Fall unter die Augen treten.«

Automatisch hob er die Hand und fuhr sich über die Bartstoppeln in seinem Gesicht.

»Einen schönen Menschen kann nichts entstellen«, zitierte Anja das bekannte Sprichwort.

Samuels Herz weitete sich vor Zärtlichkeit für diese wunderbare Frau, die seit zwei Monaten an seiner Seite war. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Ich wüsste gar nicht, was ich im Augenblick ohne dich tun würde.«

»Darüber musst du dir deinen hübschen Kopf auch nicht zerbrechen«, erwiderte sie sanft. »Ich bin ja da! Gemeinsam werden wir diese schwere Zeit schon durchstehen.«

Ein Lautsprecher rauschte und knisterte am Gate. Samuel zog einen Kopfhörer heraus und lauschte der Durchsage.

»Mein Flug wird aufgerufen«, meinte er dann.

»Dann sehen wir uns heute Abend?«, wollte Anja wissen.

»Ja, ich kann es kaum erwarten.«

Samuel hauchte einen Kuss in das Kopfhörer-Mikrofon und beendete das Gespräch, um sich in die Schlange einzureihen, die sich bereits vor dem Schalter gebildet hatte.

***

»Na, Mäuslein, du siehst ja so traurig aus.«

Als ihre elfjährige Tochter an diesem frühen Nachmittag aus der Schule nach Hause kam, bemerkte Julia Holl sofort, dass etwas nicht stimmte. Ihr Eindruck täuschte sie nicht.

Juju stürmte auf ihre Mutter zu und umschlang ihre Mitte.

»Bin ich froh, dass Papa nicht für ›Ärzte ohne Grenzen‹ arbeitet«, seufzte sie bedrückt.

»Aber warum?« Julia kniete sich zu ihrer Tochter und strich über das seidenweiche Kinderhaar. »Es ist doch eine großartige Sache, Menschen in Krisen- oder Kriegsgebieten zu helfen.«

»Ja, schon.« Juju schmiegte den Kopf an den Hals ihrer Mama und atmete den vertrauten Duft nach Sicherheit und Liebe. »Aber ich fände es total blöd, wenn wir alle mit Papa in ein fremdes Land umziehen und unsere ganze Familie und alle unsere Freunde hier zurücklassen müssten.«

»Da hast du auch wieder recht«, musste Julia zugeben. »Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, wie du überhaupt auf solche Gedanken kommst.«

In diesem Moment wehte die Stimme der Haushälterin durch das Haus: »Essen ist fertig!«

»Das erzähle ich beim Mittagessen«, versprach Juju eilig und spurtete los.

Julia folgte ihrer Jüngsten lächelnd.

Wenn der Appetit noch vorhanden war, konnte es nicht so schlimm sein.

»Käsespätzle und Salat!«, jubelte Juju und half ihrer geliebten Cäcilie, die Schüsseln an den Tisch zu bringen. »Mein Lieblingsessen.«

»Ich dachte, dein Leibgericht sind Nudeln mit Tomatensoße«, widersprach Cäcilie und löffelte Spätzle aus der Pfanne.

Vor Jujus strahlenden Augen zog der Käse lange Fäden. Sie konnte nicht widerstehen und wickelte einen davon um den Finger.

»Im Sommer«, erwiderte sie und steckte den Finger in den Mund. »Käsespätzle mag ich besonders gerne im Frühling, Kürbissuppe im Herbst und Linseneintopf im Winter.«

»Na, da habe ich ja Glück gehabt, dass ich genau das Richtige getroffen habe«, scherzte Cäcilie, wünschte guten Appetit und verschwand wieder in der Küche.

Seit Jahren unterstützte die ältere Dame die Familie schon und war allen wie ein echtes Familienmitglied ans Herz gewachsen.

Jujus Blick wanderte um den Tisch.

»Sind wir heute allein?«

»Chris hat Nachmittagsunterricht und geht dann zu Lara«, klärte Julia ihre Tochter auf und verteilte Salat auf die Schüsseln.

Sofort verblasste das Strahlen auf Jujus Gesicht wieder.

»Nanas Bruder hat auch eine Freundin hier in München. Die muss er jetzt verlassen«, verkündete sie mit Grabesstimme.

Julia schob eine Gabel in den Mund.

Cäcilie hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Die selbst gehobelten Spätzle hatten genau die richtige Konsistenz, die verschiedenen Käsesorten waren fein aufeinander abgestimmt, ein Schuss Sahne machte die Komposition schön cremig. Kein Wunder, dass Juju dieses Gericht über alles liebte. Trotzdem verharrte Julias Gabel nun auf dem Teller.

»Du meinst deine Mitschülerin Nana Olfers?«, hakte sie nach. Noch immer konnte sie sich keinen Reim auf die Worte ihrer Tochter machen. »Warum muss ihr Bruder sich denn von seiner Freundin trennen?«

»Weil ihr Papa Arzt ist und seit zwei Jahren für ›Ärzte ohne Grenzen‹ in Chile arbeitet«, ließ Juju endlich die Katze aus dem Sack. »Und weil er dort immer noch gebraucht wird und die Lebensbedingungen es erlauben, will er seine Familie jetzt nachholen. Nana hatte heute ihren letzten Schultag und ist schrecklich traurig, dass sie von hier weggehen muss.«

Daher wehte also der Wind!

»Oh, das tut mir aber leid. Ich kann gut verstehen, dass das schlimm für sie ist«, erwiderte Julia und trank einen Schluck Wasser. »Auf der anderen Seite ist so ein Auslandsaufenthalt auch eine Chance, die nicht viele Menschen in ihrem Leben bekommen. Nana wird eine andere Kultur kennenlernen und viele neue Freunde finden. Sie wird Abenteuer erleben und Neues lernen.«

»Ich bin trotzdem froh, dass Papa eine Klinik leitet und nicht von hier weggeht«, erwiderte Juju fast trotzig.

»Das bin ich allerdings auch«, stimmte Julia ihrer Tochter zu. »Allein die Vorstellung, unsere Lieben hier zurücklassen zu müssen, ist schrecklich. Und Chile ist ja auch nicht gerade einen Katzensprung entfernt.« Sie wiegte den Kopf. »Trotzdem finde ich solche Menschen bewundernswert. Sie bringen ein großes Opfer, um anderen zu helfen oder um ihre Heimat im Ausland zu vertreten.«

Während Juju kaute, musterte sie ihre Mama mit großen Augen.

»Wie meinst du das?«

»Da gibt es viele Möglichkeiten. Soldaten der Bundeswehr machen zum Beispiel manchmal ihren Dienst als Militärberater im Ausland. Mitarbeiter der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ genannt, arbeiten überall auf der Welt, um die Bildungsangebote und die nachhaltige Entwicklung dieser Länder zu fördern. Und das sind nur zwei Beispiele dafür, wie sich Menschen im Ausland engagieren können.«

Diese Neuigkeiten ließ sich Juju erst einmal gründlich durch den Kopf gehen.

»Ich finde, es genügt, wenn Papa an seiner Klinik hier in Deutschland Gutes tut«, zog sie dann ihre kindlichen Schlüsse und lachte mit ihrer Mama.

Und als Cäcilie zum Nachtisch selbst gekochtes Apfelmus mit Joghurt servierte, war ihre kleine Welt wieder in Ordnung ...

***

Der Umzug, der Jujus Klassenkameradin unmittelbar bevorstand, war lange Zeit auch Teil von Samuel Burghardts Leben gewesen. Als Sohn einer Diplomatin war er von Kindesbeinen an oft umgezogen, hauptsächlich im Ausland. Zuletzt hatte er vier Jahre in China gelebt.

Im Erwachsenenalter war er jedoch heilfroh, dass dieses Nomadenleben endlich vorbei war. Schon vor Jahren hatte er in München ein Zuhause gefunden, einer Stadt, in der auch seine Eltern inzwischen lebten.

Die seltenen Dienstreisen führten den Ingenieur lediglich nach Oslo, wo der Hauptsitz seiner Firma lag. An anderen Reisen hatte Samuel kein Interesse mehr. Zum Glück passte Anja auch in dieser Hinsicht sehr gut zu ihm. Sie litt an einer ausgeprägten Flugangst und verbrachte ihre Urlaube am liebsten in den Bergen ihrer bayerischen Heimat.

Anja! Mit Kopfhörern in den Ohren saß Samuel in der Maschine Richtung München und blickte aus dem Fenster hinaus auf das Wolkenmeer, das sich scheinbar unendlich vor ihm ausbreitete. Beim Gedanken an seine Freundin lächelte er. Doch sofort schob sich wieder die Erinnerung an den schrecklichen Unfall vor ihr hübsches Bild und verdunkelte die Welt um ihn herum.

Gequält stöhnte er auf und griff nach der Zeitschrift, die er im Wartebereich des Flughafens erworben hatte. Er blätterte hierhin und dorthin.

Aber was war das? Irgendetwas stimmte hier nicht.

Er rieb sich die Augen und hielt die Zeitschrift näher ans Gesicht. Mit einem Schlag hatte er das Gefühl, durch eine Röhre zu blicken und am Ende nur die Buchstaben zu erkennen, die er fixierte. Außen herum war alles dunkel, und der Kreis wurde immer kleiner.

Vor Schreck begann sein Herz, schneller zu schlagen. Samuel blätterte eine Seite vor und dann wieder zurück. Er klappte die Zeitschrift zu und wieder auf.

Der helle Fleck war verschwunden. Innerhalb kürzester Zeit war es Nacht um ihn geworden.

Samuel ließ die Zeitschrift fallen, als hätte er sich die Finger an den Seiten verbrannt.

»Stimmt etwas nicht?« Die freundliche Stimme der Flugbegleiterin klang an sein Ohr, sehen konnte er sie aber nicht.

»Wo sind Sie?«, ächzte er. »Ich kann Sie nicht sehen.«

Die Stewardess zögerte. Im Laufe ihrer langjährigen Berufstätigkeit hatte sie schon allerhand erlebt. Erlaubte sich der Fluggast einen Scherz mit ihr?

»Ich stehe direkt vor Ihnen.«

Sie hielt ihm die Hände hin.

Samuel bemerkte sie nicht.

»Ich kann Sie aber nicht sehen.« Seine Stimme schnappte über. Er rieb sich die Augen und versuchte es noch einmal. »Was ist hier los? Machen Sie sofort das Licht wieder an.«

Nach und nach wurde der Flugbegleiterin klar, dass der Passagier es ernst meinte.

»Bitte beruhigen Sie sich, mein Herr«, redete sie beschwichtigend auf ihn ein.

»Wie soll ich mich beruhigen, wenn ich plötzlich nichts mehr sehen kann?« Tränen traten Samuel in die Augen. Die anderen Passagiere wurden aufmerksam. Ihr Murmeln, Raunen und Flüstern drang an seine Ohren. Eine Idee schoss ihm durch den Kopf. »Ein Arzt! Ist ein Arzt an Bord? Ich brauche einen Arzt.«

Die Flugbegleiterin griff zum Mikrofon. Nach ihrer Durchsage erhob sich ein Mann und trat zu ihnen.

»Mein Name ist Jonas Pfeiffer. Ich bin Krankenpfleger. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«