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Smilla de Vries hat fast alles, wovon sie schon immer träumte: Sie hat sich den begehrtesten Single des Magazinverlags geangelt. Der Umzug in eine luxussanierte Altbauwohnung ist gerade über die Bühne gegangen, und sie hat die Stelle als Chefredakteurin einer angesagten Modezeitschrift ergattert. Ihr Ehemann Jamie und sie genießen das Jetset-Leben mit ihren Freunden in vollen Zügen. Und jetzt kündigt sich auch noch das i-Tüpfelchen auf ihrem gemeinsamen Glück an: Die beiden werden Eltern!
Jamie will nichts dem Zufall überlassen, für seine Frau und sein Kind will er nur das Beste. So vereinbart er bei Gynäkologe und Klinikleiter Dr. Holl höchstpersönlich einen Termin für eine vorsorgliche Plazentapunktion. Smilla erklärt sich einverstanden.
Schon ein paar Tage später liegt das zu 99% sichere Ergebnis vor. Doch statt es am Telefon zu verkünden, bittet Stefan Holl die Eltern um ein persönliches Gespräch ...
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Hauptsache geliebt
Vorschau
Impressum
Hauptsache geliebt
Allen Widerständen zum Trotz – ihr Baby mit Gendefekt soll leben
Von Katrin Kastell
Smilla de Vries hat fast alles, wovon sie schon immer träumte: Sie hat sich den begehrtesten Single des Magazinverlags geangelt. Der Umzug in eine luxussanierte Altbauwohnung ist gerade über die Bühne gegangen, und sie hat die Stelle als Chefredakteurin einer angesagten Modezeitschrift ergattert. Ihr Ehemann Jamie und sie genießen das Jetset-Leben mit ihren Freunden in vollen Zügen. Und jetzt kündigt sich auch noch das i-Tüpfelchen auf ihrem gemeinsamen Lebensglück an: Die beiden werden Eltern!
Jamie will nichts dem Zufall überlassen, für seine Frau und sein Kind will er nur das Beste. So vereinbart er bei Gynäkologe und Klinikleiter Dr. Holl höchstpersönlich einen Termin für eine vorsorgliche Plazentapunktion. Smilla erklärt sich einverstanden.
Schon ein paar Tage später liegt das zu 99 % sichere Ergebnis vor. Doch statt es am Telefon zu verkünden, bittet Stefan Holl die Eltern um einen persönlichen Termin ...
Ungewöhnlich warm schien die Märzsonne durch die Lamellen in den Konferenzraum. Die Glasfront erstreckte sich bis zum Boden, und normalerweise hatten die Anwesenden von dort aus eine grandiose Aussicht auf die Stadt. Doch jetzt waren die Jalousien heruntergelassen, damit die Vorstandsvorsitzenden der Power-Point-Präsentation folgen konnte, die Smilla de Vries am Kopfende des Tisches hielt.
Es handelte sich um den wichtigsten Termin in der Karriere der jungen Frau. Sie stand hier, um ihre Vorgesetzten von ihren Qualitäten als neue Chefredakteurin der angesagten Modezeitschrift Style Light zu überzeugen. Kein Wunder, dass ihr der Schweiß bereits als Rinnsal über den Rücken lief. Vorsorglich hatte sie ein wasserfestes Make-up aufgelegt. Schließlich wollte sie in jeder Hinsicht den bestmöglichen Eindruck hinterlassen.
Auch deshalb hatte Smilla ihre dunkelblonden, langen Haare in eine kunstvollen Flechtfrisur verwandelt und am Hinterkopf mit Haarnadeln festgesteckt. Auf diese Weise kam ihr hübsches, mädchenhaftes Gesicht besonders gut zur Geltung.
Ihre blauen Augen strahlten mit der frech durch die Jalousie blitzenden Sonne um die Wette, als sie sich bei ihren Zuhörerinnen und Zuhörern für die Aufmerksamkeit bedankte und ihren Vortrag beendete. Im Konferenzraum erscholl Applaus, von beifälligem Murmeln begleitet. Es wurden Scherze gemacht, gelacht oder über die Präsentation diskutiert.
»Warten Sie bitte noch kurz draußen?«, bat sie Smillas Chefin Juliane Melzer. »Keine Sorge, es wird nicht lange dauern.«
Trotz ihres Lächelns wurde Smilla wieder nervös. Sie wanderte auf dem Flur auf und ab und betrachtete die großformatigen Modefotos, die die Wände zierten.
Als Juliane ihr mitgeteilt hatte, dass die Stelle der Chefredakteurin in einem Auswahlverfahren neu besetzt werden und Smilla sich bewerben sollte, hatte sie weiche Knie bekommen. Nun fragte sie sich, ob sich die harte Arbeit und die vielen Überstunden der letzten Wochen gelohnt hatten. Ein Glück, dass ihr Mann Jamie als Kreativdirektor ebenfalls im Verlag arbeitete, sodass sie sich wenigstens im Büro hin und wieder getroffen hatten.
Beim Gedanken an Jamie wurde Smilla warm ums Herz. Was war sie doch für ein unverschämter Glückspilz! Noch immer konnte sie es kaum glauben, dass sich der begehrteste Junggeselle des Unternehmens ausgerechnet in sie verliebt hatte.
Ihre Hochzeit vor zehn Monaten war die Krönung einer Liebesgeschichte gewesen, die direkt aus einem Märchenbuch entsprungen schien. Wie selbstverständlich fügte sich in dieses Bilderbuchleben eine Clique, die sich anfühlte wie Familie, unvergessliche Unternehmungen, Urlaube und Ausflüge und nicht zuletzt der Umzug in die fantastische Altbauwohnung.
»Smilla? Wo bleiben Sie denn?« Juliane Melzers Stimme hallte über den Flur. »Wir wollen Ihnen unsere Entscheidung mitteilen.«
Die nächsten Minuten verbrachte Smilla wie in Trance und wachte erst wieder auf, als ihre Chefin ihr ein Glas Champagner in die Hand drückte.
»Auf eine gute Zusammenarbeit!«
Die Gläser klangen aneinander. Stimmen erfüllten den Raum.
»Ich wusste doch, dass mehr in Ihnen steckt, und freue mich, dass es die Geschäftsführung genauso sieht.« Juliane betrachtete ihre Mitarbeiterin mit schief gelegtem Kopf. »Aber was ist denn? Sie sagen ja gar nichts.«
»Ich ... ich bin einfach sprachlos«, stammelte Smilla.
Chefredakteurin eines zwar kleinen, aber feinen Magazins zu werden, war mehr, als sie sich je erträumt hatte, als sie nach dem Studium ein Volontariat in diesem Verlag ergattert hatte. Sie schwebte im siebten Himmel. Dies war einer der schönsten Tage in ihrem Leben! Ein weiterer in ihrer stattlichen Sammlung!
»In diesem Fall sollten Sie sich für den Rest des Tages freinehmen«, empfahl Juliane Melzer augenzwinkernd. »Genügend Überstunden haben Sie ja in den vergangenen Wochen angesammelt.«
»Sehr gerne!« Ein weiteres, unverhofftes Ereignis an diesem schönen Tag!
Leicht beschwingt vom Champagner und dem Erfolg tanzte Smilla wenig später Richtung Aufzug.
Jetzt, wo der Stress von ihr abfiel, fühlte sie nur noch Glück über das Geschaffte. Erfüllt von purer Freude trat sie hinaus in den Sonnenschein. Fremde Menschen lächelten ihr zu, die Frühlingsluft kühlte ihre heißen Wangen. Glücklich schlug sie den Weg Richtung Parkplatz ein, wo der schicke Mini wartete, den Jamie ihr zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte.
Zur Feier des Tages wollte sich Smilla mit etwas ganz Besonderem belohnen, bevor sie Jamie am Abend vom Flughafen abholte und ihn schick zum Essen ausführte ...
***
Die nächsten Tage verbrachte Smilla de Vries wie im Rausch. Sie feierte mit Jamie und tags darauf mit den gemeinsamen Freunden in ihrem Lieblingsrestaurant.
Nur ihre neue beste Freundin Nicola war nicht mit von der Partie gewesen. Mit ihr verabredete sich Smilla am nächsten Wochenende zum Frühstück in der Stadt.
»Endlich, Nicky! Ich dachte schon, du hättest überhaupt keine Zeit mehr für mich.« Nach der Begrüßung schob Smilla ihre Freundin ein Stück von sich. »Schmal bist du geworden. Sag bloß, du machst schon wieder eine dieser Promi-Diäten?«
»Ach Quatsch. Es war nur Übelkeit, die mich lahmgelegt hat.«
»Bist du sehr krank?«
Lächelnd winkte Nicky ab.
»Keine Sorge. Jetzt ist alles wieder gut.«
Auf diese Antwort hatte Smilla gehofft. Im exklusiven Ambiente eines Luxushotels bestellten sie Frühstück für zwei mit Blütenhonig aus der Wabe, Meeresfrüchte-Pralinen, Erdbeerkonfitüre mit Tonkabohnen-Staub, Eggs Benedict und frisch gemixten Smoothies.
»Und wohin jetzt?«, fragte Smilla, als sie satt und zufrieden wieder auf die Straße traten.
Inzwischen hatte sich die Stadt gefüllt. Anders als wochentags herrschte an diesem Samstag beschauliche Gemütlichkeit. Noch immer war das Wetter für die Jahreszeit zu warm, doch die Menschen genossen den Sonnenschein in vollen Zügen. Sie bevölkerten Straßencafés, reckten die Gesichter in den blauen Himmel und schlenderten vorbei an Schaufenstern und Marktständen.
Nickys Augen blitzten auf.
»Wenn dein Ehemann dich noch länger entbehren kann, möchte ich gern noch eine Kleinigkeit einkaufen.«
»Kein Problem. Jamie ist mal wieder unterwegs. Rotterdam und Berlin stehen an diesem Wochenende auf dem Programm.«
»Perfekt!« Nicky hakte sich bei ihrer Freundin unter und stöckelte zielstrebig los.
»Wohin gehen wir?«, wollte Smilla wissen.
»Das wirst du gleich sehen.« Sie bogen einmal links und dann wieder rechts ab und blieben schließlich vor einem Geschäft mit großem Schaufenster stehen. »Da sind wir.«
Ungläubig betrachtete Smilla die Auslage. Winzige cremefarbene Latzhosen lagen neben kleinen Schaufensterpuppen, die in trendigen Naturtönen gekleidet waren. Sogar die Luftballons waren beige, hell- und dunkelbraun.
»Das ist ein Kindergeschäft«, stellte Smilla wenig geistreich fest. »Wer ist denn schwanger?«
Sie hatte kaum ausgesprochen, als ihr ein Licht aufging.
Nicolas Strahlen erledigte den Rest. Die beiden Frauen fielen sich in die Arme.
»O Nicky, warum hast du das denn nicht gleich gesagt?«, fragte Smilla aufgeregt. »Seit wann weißt du es? Deshalb war dir also übel! Was hat Leander dazu gesagt?«
»Der ist ganz aus dem Häuschen und hätte es am liebsten sofort herausposaunt«, verriet Nicky. »Aber ich wollte auf jeden Fall warten, bis die ersten zwölf kritischen Wochen vorbei sind.«
»Wie weit bist du jetzt?«
»In der sechzehnten Woche«, verkündetet ihre Freundin stolz und streichelte den unsichtbaren Babybauch. »Es wird ein Herbstbaby. Und jetzt komm! Ich kann es kaum erwarten, ein paar Sachen einzukaufen.«
Sie drückte die Tür auf, und Smilla folgte ihr in die neue, unbekannte Welt.
Ein süßer Duft nach Honig und Babyshampoo hüllte sie ein wie eine Umarmung. Aus unsichtbaren Lautsprechern erklangen sanfte Melodien. Das ganze Geschäft war in Pastelltönen eingerichtet, an den Wänden hingen großformatige Fotos in Sepia, die selig schlafende Neugeborene in Körben, in den Händen ihrer Eltern oder eingehüllt in weiche Wolldecken zeigten. Es war ein Bild der Harmonie, das sich vor Smilla auftat wie eine Offenbarung.
»Meine Güte, ist das schön hier.« Staunend drehte sie sich im Kreis. »Ich könnte mich niemals für ein Stück entscheiden.«
Nicky gluckste vor Übermut.
»Deshalb kaufen wir auch gleich die ganze Erstausstattung ein. Die Sommerkollektion ist gerade eingetroffen. Die kann ich mir unmöglich entgehen lassen. Außerdem will ich das erledigen, solang ich mich noch bewegen kann.«
Das Geschäft war gut besucht. Trotzdem gelang es Nicky, eine Verkäuferin ausfindig zu machen, sie sich um sie kümmerte.
»Ich möchte alles kaufen, was ein kleiner Junge in den ersten drei Lebensmonaten so braucht – Bodys, Strampler, Hosen, Jacken, T-Shirts und Pullover in den entsprechenden Größen.«
Über das Gesicht der Verkäuferin breitete sich ein seliges Lächeln.
»Aber gerne. Wollen Sie es sich hier bequem machen?« Sie deutete auf eine cremefarbene Sitzgruppe, die so aussah, als wollte man nie mehr daraus aufstehen. »Ich bringe Ihnen eine Auswahl unserer Erstlingskollektionen. Etwas zu trinken für die Damen?«
Bevor sie mit den Kleidern zurückkehrte, servierte sie frisch gepressten Mangosaft – der einzige Farbklecks in dieser Pastellwelt.
Smilla konnte es kaum erwarten, endlich mit ihrer besten Freundin allein zu sein.
»Woher weißt du schon, dass es ein Junge wird?«, fragte sie aufgeregt. »Kann man das schon im Ultraschall sehen?«
»Wir haben letzte Woche auf eigenen Wunsch einen besonderen 3D-Ultraschall machen lassen. Leander wollte unbedingt einen Jungen haben und auf keinen Fall bis zur Geburt warten.«
Nach und nach legte sich die erste Aufregung. Smilla beobachtete die vielen Menschen im Geschäft, die prüfend winzige Pullover von sich hielten oder Kinderwägen Probe schoben. Sie nippte an ihrem Mangosaft und dachte nach.
»Wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich mir ein Mädchen wünschen. Ich würde ihr Zöpfe flechten und sie richtig niedlich anziehen«, sinnierte sie, als die Verkäuferin mit einem Einkaufswagen randvoll mit Babybekleidung zurückkehrte.
Die nächste Stunde verbrachten die beiden Freundinnen damit, Berge von zauberhaften Kleidungsstücken zu bewundern und sich in die Geheimnisse der Säuglingsbekleidung einweihen zu lassen.
»Momentan sind Strampler out. Heutzutage tragen schon die Kleinsten entweder Overalls oder Shirts, Pullover und Leggins.«
Die beiden Frauen nickten stumm, völlig fasziniert von den winzigen Babyklamotten, die die Verkäuferin vor ihnen ausbreitete. Ein Hemd hatte es Smilla besonders angetan.
»Oh, ein Holzfällerhemd für den kleinen Mann. Darf das mein erstes Geschenk sein?«
»Dann muss er aber mit Vollbart auf die Welt kommen«, platzte Nicky heraus.
»Stell dir das mal vor ...«
Die beiden Freundinnen lachten, bis ihnen die Tränen über die Wangen liefen.
Geduldig wartete die Verkäuferin, bis sich ihre Kundinnen wieder beruhigt hatten. Es war offensichtlich, dass sie an Hormonschübe bei Frauen gewöhnt war.
Nicky tupfte die Tränen mit einem Papiertuch weg und betrachtete die Sachen, die sich wieder im Einkaufswagen stapelten. Smilla bemerkte den Blick.
»Und? Weißt du schon, was du nimmst?«
Nicky zuckte mit den Schultern.
»Na, alles!«, erwiderte sie und zog die goldene Kreditkarte aus dem Portemonnaie. »Haben Sie auch einen Lieferservice?«
***
Jamie de Vries war der bodenständigste und ausgeglichenste Mensch, den Smilla je kennengelernt hatte. Manchmal trieben seine Gelassenheit und sein unumstößlicher Optimismus sie fast in den Wahnsinn. Ihn konnte kaum etwas erschüttern.
In den drei Jahren, in denen sich das Paar jetzt kannte, hatte Smilla kein einziges Mal erlebt, dass er die Fassung verloren hatte. Er machte sich keinen unnötigen Stress wegen der Zukunft oder grübelte über die Vergangenheit. Das bedeutete aber nicht, dass er keine Gefühle oder Leidenschaften hatte. Ganz im Gegenteil, er liebte seine Frau mit einer Hingabe, die ihresgleichen suchte, verhielt sich dabei aber sehr erwachsen und reif. Umso mehr wurde Smilla von seiner Reaktion überrascht, als sie ihn mit ihrem plötzlich erwachten Wunsch konfrontierte. Für einen Augenblick schien er fassungslos zu sein.
»Du willst ein Kind? Aber du bist doch erst vor vier Wochen zur Chefredakteurin befördert worden.«
Smilla stand in der Küche und arrangierte die Sushi-Röllchen auf der Steingutplatte, die sie auf dem Nachhauseweg bei ihrem Lieblingsjapaner besorgt hatte. Dazu servierte sie prickelnden Sake – das derzeitige Modegetränk Nummer eins in ihrem Freundeskreis.
»Juliane hätte bestimmt kein Problem damit.« Sie erzählte von Kolleginnen und Kollegen, die sogar Vollzeit im Homeoffice arbeiteten. »Außerdem stellt die Firma Krippen- und Kindergartenplätze zur Verfügung. Ich müsste gar nicht lange ausfallen und könnte schon acht Wochen nach der Geburt meine Arbeit wieder aufnehmen.«
»Aber ist das denn der Sinn der Sache?«, hakte Jamie nach. Er trat hinter Smilla und legte die Arme um ihre Schultern. Beim Anblick eines Avocado- Stückchens konnte er nicht widerstehen und stibitzte es von der Platte. »Wollen wir nicht Zeit haben, wenn wir ein Kind bekommen?« Er erinnerte sie an seine Kindheit, die er wegen des Berufs seines Vaters überwiegend im Internat verbracht hatte. »Das will ich auf keinen Fall für unser Kind.«
»Eine Kinderkrippe ist kein Internat«, hielt Smilla dagegen. »Und schau mich doch an: Obwohl ich wohlbehütet aufgewachsen bin, habe ich heute ein denkbar schlechtes Verhältnis zu meinen Eltern. Offenbar gibt es also kein allgemeingültiges Rezept in der Kindererziehung.«
»Bis zu eurem Streit fand ich deine Eltern eigentlich immer sehr nett.«
Smilla verdrehte die Augen und wollte sich an ihrem Mann vorbeidrängeln.
»Ich will jetzt nicht über meine Eltern sprechen«, schimpfte sie. »Ich möchte ein Kind von dir.«
Jamie nahm ihr die Steingutplatte aus der Hand und brachte sie zum Tisch im Essbereich des großen Wohnzimmers. Anschließend legte er wieder die Arme um die Schultern seiner Frau. Seine Augen streichelten ihr Gesicht.
»Und ich möchte – ehrlich gesagt – noch ein bisschen Zeit zu zweit mit dir genießen.« Er strich ihr eine blonde Strähne aus der Stirn und küsste sie. »Wir haben so wenig Zeit füreinander, und ich habe noch so viel mit dir vor. Nächstes Jahr wollen wir auf die Seychellen fliegen. Du willst mich im Herbst auf die Magic Las Vegas-Fashionshow begleiten. Und was ist mit dem Besuch bei ...«
»Das klingt, als wäre das Leben zu Ende, sobald das erste eigene Kind auf der Welt ist.« Smilla befreite sich aus der Umarmung und setzte sich an den massiven Holztisch, der nach ihren Plänen für diese Wohnung angefertigt worden war. »Heutzutage gibt es Paare, die mit ihren Babys sogar auf Weltreise gehen. Alles ist viel einfacher, die Menschen aufgeschlossener geworden.«
Jamie haderte mit sich. Sollte er die Frage stellen, die ihm auf der Seele brannte? Auch auf die Gefahr hin, dass ihm ein paar Sushi-Röllchen um die Ohren flogen?
»Und du bist ganz sicher, dass dein plötzlich erwachter Kinderwunsch nichts mit Nicky zu tun hat?«
Der Wutanfall blieb aus. Ganz im Gegenteil begannen Smillas Augen zu leuchten wie zwei Sterne.