Chronik der Sternenkrieger - Götter und Gegner - Alfred Bekker - E-Book
SONDERANGEBOT

Chronik der Sternenkrieger - Götter und Gegner E-Book

Alfred Bekker

0,0
8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner. In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf... Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet. >+++< Chronik der Sternenkrieger - Sammelband: Vier Romane in einem Band, ca. 500 Taschenbuchseiten Science Fiction Abenteuer INHALT Band 21 Ins Herz des Feindes Band 22 Sklavenschiff Band 23 Alte Götter Band 24 Schlachtpläne Cover: Steve Mayer

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alfred Bekker - Chronik der Sternenkrieger: Götter und Gegner

Sunfrost Sammelband, Volume 6

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2017.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Alfred Bekker | Götter und Gegner | Chronik der Sternenkrieger 21-24 | (Sammelband, 500 Seiten Science Fiction Abenteuer)

Chronik der Sternenkrieger – Sammelband: Vier Romane in einem Band, ca. 500 Taschenbuchseiten Science Fiction Abenteuer | INHALT

Band 21 | Ins Herz des Feindes

Band 22 | Sklavenschiff | Aus den persönlichen Aufzeichnungen von Captain Rena Sunfrost

Band 23 | Alte Götter

Band 24 | Schlachtpläne

Further Reading: Alfred Bekker - Chronik der Sternenkrieger: Der Etnord-Krieg

Also By Alfred Bekker

About the Author

About the Publisher

Alfred Bekker

Götter und Gegner

Chronik der Sternenkrieger 21-24

(Sammelband, 500 Seiten Science Fiction Abenteuer)

––––––––

EIN CASSIOPEIAPRESS E-Book

Die abweichenden Original-Printausgaben erschienen in der Romanreihe „Sternenfaust“

© 2005,2008,2013 by Alfred Bekker

© 2013 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

––––––––

>+++<

––––––––

MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

––––––––

ALFRED BEKKER schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

>+++<

Chronik der Sternenkrieger – Sammelband: Vier Romane in einem Band, ca. 500 Taschenbuchseiten Science Fiction Abenteuer

INHALT

BAND 21  INS HERZ DES Feindes

Band 22  Sklavenschiff

Band 23  Alte Götter

Band 24  Schlachtpläne

Band 21

Ins Herz des Feindes

MAN’RAN BESAß DEN KÖRPER und den Namen eines dreiarmigen, 2,50 m großen Pshagir. Ein grollender Laut drang aus seinem lippenlosen Mund. Die beiden zarten Arme wuchsen aus seiner rechten Schulter, während ihm links ein sehr kräftiger Arm herauswuchs, an dessen Ende sich eine gewaltige Pranke befand. Die Haut bestand aus unzähligen kleineren und größeren Platten, die ähnlich einem Schuppenpanzer miteinander verbunden waren. Eine Haut, die so widerstandsfähig war, dass sie Temperaturschwankungen von beinahe tausend Grad aushielt. Ob in der Kälte des absoluten Nullpunktes oder in der Hitze einer sonnenversengten Feuerwelt – es gab kaum etwas, das einen Pshagir zu verletzen vermochte.

Auf dem Oberkörper wiesen die Panzerschuppen der Pshagir-Außenhaut eine Strukturveränderung auf, die an Vernarbungen erinnerte. Und sowohl am Hals, als auch an Hand- und Fußgelenken traten Ganglien an die Oberfläche, über die das Etnord-Implantat in Man’rans Brust diesen ungewöhnlich widerstandsfähigen Körper beherrschte, der von seinen Eigenschaften her so manchen technisch hoch entwickelten Kampfanzug anderer Spezies in den Schatten stellte.

„Macht die Außenschleuse auf!“, rief Man’ran über die permanente Interkom-Verbindung seines Kommunikators. „Und seht zu, wie euer Kommandant Weltraumluft schnuppert!“

*

EIN ROBOTER, DESSEN Gestalt an einen stilisierten Pshagir-Körper aus Metall erinnerte, trat Man’ran entgegen. Dessen metallische Außenhaut war wesentlich empfindlicher, als es bei einem Pshagir der Fall war. Die Etnord-Pshagir waren die Elitesoldaten der Neuen Ordnung. Aber für ungefährliche Aufgaben reichte oft das Personal nicht, zumal die Vermehrungsrate der eingeschlechtlichen Pshagir-Körper nicht sonderlich hoch war und sich auch durch genetische Manipulation nicht wesentlich hatte steigern lassen.

Für ungefährliche Aufgaben einen Pshagir anzustellen wäre Verschwendung von Fähigkeiten gewesen. Gewisse Handlangerdienste überließ man daher besser den sensiblen Maschinen.

„Ihr Bastaneem!“, tönte es aus dem Lautsprecher des Roboters. Dabei reichte er Man’ran ein Gerät, das dieser sich an den Waffengürtel hängte. Das Bastaneem ersetzte im tonlosen Vakuum des Weltalls den Sonar-Sinn der Pshagir. Es war in seiner Funktionsweise dem Sonar-Sinn nachempfunden, nur dass es auf Radiowellen-Basis arbeitete und keine Ultraschallwellen brauchte. Ein Chip, den man Man’ran wie jedem Elitesoldaten im Dienst des Herrn der Neuen Ordnung kurz nachdem er von seinem Erzeuger als verpuppte Larve aus dem Maul gewürgt worden war, eingesetzt hatte, konnte die Daten empfangen und leitete sie zeitgleich an das Pshagir-Gehirn und den Etnord-Parasiten weiter. Das Gehirn des Dreiarmigen enthielt zwar längst keine Persönlichkeitsreste seines ursprünglichen Besitzers mehr, aber die Verarbeitung von eingehenden optischen, akustischen oder elektromagnetischen Daten war eine Lernleistung, die ihresgleichen im Universum suchte. Innerlich verneigten sich viele Etnord davor.

Man’ran betrat die Schleusenkammer. Hinter ihm schloss sich die Tür. Die Atemluft wurde abgesaugt. Auch ein Pshagir brauchte Sauerstoff, aber notfalls konnte er seine Atmung für mehrere Einheitstage der Neuen Ordnung unterbrechen. Der Metabolismus dieser Spezies war äußerst anpassungsfähig.

Vor Man’ran öffnete sich das äußere Schleusentor. Er ging bis zum Rand. Die künstliche Schwerkraft fesselte ihn an den Boden und verhinderte, dass er einfach ins All trieb. Er kletterte hinaus und geriet einen Moment unter Schwerelosigkeit. Seine Pranken versuchten sich vergeblich an der kristallinen Außenhaut des Raumschiffs festzuhalten. Aber das war so gut wie unmöglich. Er trieb einige Meter in den Weltraum, bevor ihn die künstliche Schwerkraft plötzlich gegen die Oberfläche des Raumers zog. Er fiel förmlich auf die fluoreszierende Schicht. Dies geschah mit einer Heftigkeit, die bei den Angehörigen der meisten anderen Spezies schwerste Verletzungen hervorgerufen hätte. Nicht so bei einem Pshagir.

Der Dreiarmige rappelte sich auf. Er stand auf einer großen, fast fünfhundert Körperlängen durchmessenden tellerartigen Fläche, die das größte Strukturelement des Pshagir-Schiffes bildete.

Es stand bereits ein anderer Pshagir da und schien auf ihn zu warten.

Das musste sein Gegner sein. Verbal verständigen konnten sie sich nicht. Erstens war das während solcher Übungskämpfe ohnehin verpönt. Und zweitens verfügte jeder Pshagir-Krieger über Kenntnisse in der Zeichensprache der Krieger, die ausschließlich mit den beiden kleinen Händen und den dazugehörigen Armen durchgeführt wurde, da man traditionellerweise bei den Pshagir davon ausging, dass der kräftigere Arm die Waffe hielt und daher nicht zur Kommunikation benutzt werden konnte.

Seb’an, erkannte Man’ran überrascht, als seine Radiopeilung das Gegenüber abgetastet hatte. Pshagir erkannten sich bereits an winzigen Unterschieden im Relief der Körperoberfläche. Seb’an war einer der Offiziere des Flaggschiffs und hatte einen guten Ruf als Kämpfer. Er kommandierte die Landetruppen. Es war eine Spezialeinheit, die immer dann zum Einsatz kam, wenn es auf einem für die Neue Ordnung eroberten Planeten ungewöhnlich starken Widerstand gab.

Mitunter weigerten sich gewisse Spezies standhaft, ihre Körper herzugeben.

Sie hingen an ihrer Individualität. Man’ran konnte das bis zu einem gewissen Grad durchaus verstehen. Andererseits kannte er keinerlei Gewissensbisse bei dem Gedanken, dass die Persönlichkeiten von Millionen Individuen ausgelöscht wurden, sobald die Etnord einen Planeten ihrem Reich einverleibten. So ist nun mal der Lauf des Universums, lautete die allgemeine Auffassung der Etnord. Leben bedeutet Vernichtung anderen Lebens, so hieß es in den Überlieferungen der Etnord. Und im Universum ging es im Wesentlichen nur um eines: Herrschaft. Man konnte entweder Herrscher oder Diener sein. Und die Etnord waren in ferner Vergangenheit lange Diener gewesen. Diener eines Volkes, dessen Name noch heute für ehrfürchtige Schauder sorgte und deren technische Wunderwerke wahrscheinlich von keiner derzeit existierenden Rasse verstanden wurden - Die Erhabenen. Aber jetzt waren die Etnord auf dem besten Weg, endlich das Erbe ihrer alten Herren anzutreten. Ein rechtmäßige Erbe, wie Man’ran fand. Und dabei pflichteten ihm sicherlich hundert Prozent der Etnord-Pshagir zu.

Man’ran stellte sich breitbeinig auf.

Er nahm Kampfhaltung an.

Beide Gegner belauerten sich. Die visuellen Außensensoren des Schiffs verfolgten das Geschehen, sodass ein Großteil der Besatzung des Flaggschiffs zuschauen konnte. Lernen durch das Beispiel, so hieß die Philosophie, die dahinter steckte. Es genügte nicht, einen fast unzerstörbaren Pshagir-Körper zu besitzen, um kämpfen zu können. Die geistige Einstellung war genauso entscheidend wie eine perfekte Körperbeherrschung. Für die Etnord-Parasiten, die in einen Pshagir eingesetzt wurden, bedeutete es häufig genug einen langen, mühsamen Lernprozess, diesen Körper tatsächlich so zu beherrschen, wie es für die Verwendung in der Elitetruppe der Neuen Ordnung notwendig war.

Beide Kontrahenten näherten sich vorsichtig, immer mit dem Gedanken, dass der Gegner vielleicht einen blitzschnellen Vorstoß unternahm.

Mitunter entschied bei gleichrangigen Gegnern erst der eintretende Sauerstoffmangel irgendwann den Kampf, wenn einer der beiden Kämpfer als erster gezwungen war, wieder zu atmen und deswegen in seine Schleuse zurückkehren und den Kampfplatz verlassen musste.

Es ging darum, den Gegner von der Plattform zu werfen. Gleichgültig mit welchen Mitteln. Es gab keine Regeln. Ein erheblicher Kraftaufwand war notwendig, um die künstliche Schwerkraft von 1 g zu überwinden. Anfänger trainierten mit geringerer Gravitation, Fortgeschrittene sogar mit einer Schwerkraft bis zu 1,7 g.

Man’ran griff an.

Er schnellte auf seinen Kontrahenten zu und versuchte diesen zu packen und von der Plattform zu schleudern. Die Kräfte, die ein Pshagir entfalten konnten, reichten dazu vollkommen aus. Und wer den ersten Griff ansetzen konnte, hatte den Vorteil auf seiner Seite.

Vorausgesetzt, er schaffte es, den Gegner tatsächlich auch zu packen.

Seb’an war ein erfahrener Kämpfer. In ungezählten Einsätzen hatte er ein instinktives Reaktionsvermögen entwickelt, das selbst unter Pshagir seinesgleichen suchte. Die neuronale Einheit zwischen dem Pshagir-Körper und dem Etnord-Implantat war bei ihm besonders weit fortgeschritten. Es gelang dem Etnord in der Brust des Seb’an-Körpers beinahe spielerisch, Teile des Pshagir-Gehirns zu aktivieren und für sich nutzbar zu machen. In diesen Hirnarealen waren viele Bewegungsabläufe und Reflexe gespeichert. Außerdem vermochte ein Pshagir-Etnord auf diese Weise die Leistungsfähigkeit seiner Sinne sehr stark zu steigern. Der Sieg des Kriegers ist eine Frage der geistigen Disziplin, lautete ein altes Axiom der traditionellen Pshagir-Überlieferung. Etnord mit anderen Wirtskörpern hielten solche Sätze in der Regel für hohle Sprüche. Die Pseudophilosophie einer Spezies, die für das Leben auf Extremwelten angepasst war und in deren ursprünglicher Gesellschaftsordnung die Krieger weit vor allen anderen Gruppen rangierten. Aber jeder Etnord, der in einen Pshagir-Körper eingesetzt wurde, ahnte sehr schnell, wie wichtig dessen Beherrschung war. Und das ging nur durch geistiges Training. Nur so konnten die Nervenzellen des Parasiten auf eine Weise mit den Hirnzellen des Wirtes verbunden werden, dass sie eins wurden und die enormen Möglichkeiten genutzt werden konnten, die in diesem Körper steckten.

Seb’an wich geschickt aus. Der Angriff Man’rans ging ins Leere. Durch die Wucht seiner eigenen Bewegung ging Man’ran zu Boden, rollte sich aber geschickt ab – und gerade noch schnell genug um dem Zugriff Seb’ans zu entgehen, der seine Chance natürlich sofort erkannt hatte.

Im Abstand von zwei bis drei Pshagirischen Körperlängen standen sie sich nun gegenüber, verlagerten das Gewicht von einem Bein auf das andere und belauerten sich. Für Augenblicke geschah so gut wie nichts.

Bei einem Pshagir-Körper gab es keine Mimik. Auch ein Anspannen der Muskeln und dergleichen war durch die dicke, unempfindliche und von schuppenartigen Hornplatten besetzte Außenhaut nicht zu erkennen. Die einzigen Zeichen, aus denen sich gewisse Rückschlüsse ziehen ließen, waren die Bewegungen der Arme und Beine – etwa wenn eine Ausgleichsbewegung für einen bevorstehenden Angriff um Sekundenbruchteile vorweggenommen wurde.

Du kannst nicht gewinnen, signalisierte Man’ran in Zeichensprache mit den beiden zierlichen Händen.

Aber Seb’an beeindruckte dies nicht.

Anstatt den Versuch einer psychologischen Kriegsführung zu starten, konzentrierte er sich ausschließlich auf kleinste Bewegungen und Gewichtsverlagerungen seines Gegners, die ihn eventuell vorwarnen konnten. Die Radio-Ortung, die im Vakuum des Weltalls das Ultraschall-Sonar ersetzen musste, war nicht ganz so fein wie der natürliche Hauptsinn der Pshagir, aber immer noch fein genug. Die entstehende Unschärfe war letztlich nur eine Herausforderung an das Gehirn, die eventuell fehlenden Daten durch plausible Annahmen zu ersetzen.

Blitzschnell trat Seb’an jetzt vor. Mit der großen Pranke täuschte er einen Angriff vor, aber in Wahrheit erfolgte die Attacke mit den zarten Händen.

Er bekam eines der Beine zu fassen und schleuderte Man’ran einige Körperlängen in die Höhe.

Der Kommandant drehte einen Salto und krachte schließlich auf den harten, kristallinen Boden.

Die Kraft, die Seb’an aufgewendet hatte, um seinen Vorgesetzten empor zu schleudern, reichte offenbar noch nicht aus, um Man’ran außerhalb des Gravitationsfeldes zu bringen. Im Übrigen war dies unter anderem sicher den geschickten, reflexartig ablaufenden Ausgleichsbewegungen zu verdanken, die jedem Mitglied der Pshagir-Truppe in Fleisch und Blut übergegangen war. Bewegungen, mit deren Hilfe man dem Angriff des Gegners einen Teil seine Kraft nehmen konnte.

Man’ran rappelte sich wieder auf.

Er rollte einmal um die eigene Achse und sprang anschließend ansatzlos in Kampfstellung.

Du hast viel gelernt. Aber nicht genug, um deinen Kommandanten zu besiegen, signalisierte Man’ran mit seinen zarten Händen.

Für einen Krüppel kämpfst auch du ganz gut, lautete die Bedeutung der Zeichen, mit denen Seb’an jetzt antwortete. Er hatte sich diese Erwiderung einfach nicht verkneifen können. Der Begriff Krüppel bezog sich dabei auf ein klassisches Vorurteil der Pshagir, das den Etnord, die sich intensiv mit ihrer Kampf- und Lebensweise befasst hatten, natürlich bekannt war. Ein Pshagir, dem der kräftige Arm links und die beiden zarten Arme rechts aus der Schulter wuchsen, hatte es in jenen Zeiten, als die Wirtskörper noch sich selbst regierten und nicht in die Neue Ordnung integriert waren, als Krüppel gegolten, da die Armverteilung bei neunzig Prozent der Pshagir genau andersherum war.

Es gab eine Reihe negativer Eigenschaften, die man bei den Pshagir traditionellerweise dieser Minderheit zugeschrieben hatte.

Ein Krüppel hätte daher niemals Krieger werden und in der gesellschaftlichen Hierarchie aufsteigen können.

Die Etnord sahen dies natürlich nüchterner. Der Anteil der Verkehrtarmigen hatte sich in der Zeit, in der sie nun schon Pshagir-Körper als Wirte verwendeten, nahezu angeglichen.

Aus irgendeinem Grund machte Man’ran die Bezeichnung Krüppel immer sehr wütend. Es musste sich um eine tief verwurzelte, möglicherweise sogar genetisch bedingt Reflexreaktion des Pshagir-Gehirns handeln, dem sich auch der Etnord-Parasit auf Grund der engen Verflechtung mit seinem Wirt kaum entziehen konnte. Rudimentäre Reste der ausgelöschten Pshagir-Persönlichkeit.

Eine Persönlichkeit, die im Übrigen zum Zeitpunkt der Implantierung gerade erst erwacht sein konnte, denn den Pshagir wurden bereits kurz nach dem Verlassen der Spucklarve und der damit zusammenhängenden Metamorphose die Etnord eingepflanzt. Bei anderen Spezies konnte man gefahrlos warten, bis sie erwachsen waren und die Persönlichkeitsreste des Wirtsbewusstseins – soweit es überhaupt zur Entstehung eines Bewusstseins gekommen war – sicher und vollständig entfernen.

Bei den Pshagir war das schwieriger, denn es gab einen für Spezies diese Intelligenzstufe ungewöhnlich hohen Anteil an genetisch übertragenem Wissen. 

Man’ran spürte, wie Wut in ihm aufkeimte. Eine reflexartige Regung, die über die neuronalen Verbindungen aus den Tiefenregionen des Pshagir-Hirns hineinschwappte.

Man’ran wusste, wie gefährlich es sein konnte, sich dieser Wut hinzugeben. Sie sorgte dafür, dass er nicht mehr mit der nötigen Kaltblütigkeit reagieren konnte. Genau das ist sein Ziel, durchfuhr es den Kommandanten.

Seb’an griff an. Er packte den Kommandanten, umfasste dessen starken Arm und schleuderte den Gegner hoch empor. Er schien unbedingt einen Sieg Erster Klasse erringen zu wollen. Jemanden an den Rand der tellerförmigen Fläche zu treiben, die auf das zylindrische Etnord-Schiff aufgesetzt worden war, das war die Strategie zaghafter Anfänger. Aber Seb’an wollte brillieren – und schaffte es.

Man’ran führte die Ausgleichbewegung einen Moment zu spät durch und geriet in die Zone außerhalb des künstlichen Gravitationsfeldes.

Mit allen drei Armen wild um sich rudernd, trieb er in den freien Weltraum. Der Schwung, den Seb’an ihm versetzt hatte, war zwar durch das Schwerefeld gemildert worden – aber immer noch so erheblich, dass der Kommandant sich zusehends vom Schiff entfernte.

Eine der Außenschleusen öffnete sich. Ein gelblich schimmernder Traktorstrahl erfasste den Kommandanten und zog ihn durch das offene Schleusentor. Sobald er es passiert hatte und in den Einflussbereich gelangte, hatte ihn die künstliche Schwerkraft des Schiffes wieder in der Gewalt. Hart fiel er zu Boden. Das Schleusentor schloss sich hinter ihm. Atemluft strömte ein.

Nachdem der Prozess abgeschlossen war und Man’ran auch das zweite Schleusentor passiert hatte, meldete sich der Kommunikator an seinem Gürtel.

Humr’um, der Erste Offizier des Flaggschiffs meldete sich. Auf eine optische Darstellung des Gesprächspartners wurde bei den Kommunikatoren der Pshagir verzichtet. Luxuriösere Modelle bildeten auf einer Kunststoffmembran ein reliefartiges Abbild ab, das dann vom Sonar-Sinn abgetastet werde konnte.

„Was gibt es?“, fragte Man’ran.

„Eine Transmission des Herrn über Sonde 5 bei Wurmloch Beta“, meldete Humr’um. „Es betrifft den bevorstehenden Einsatz im Seuchensektor des Nabman-Systems.“

„Ich nehme die Transmission über den Kommunikator entgegen“, erklärte Man’ran. „Von dem Videostream, der für die Besitzer säugetierartiger Wirtskörper so wichtig zu sein scheint, habe ich sowieso nichts!“

*

IM KONSENSDOM VON NABMAN...

„In einer halben Stunde ist es unmöglich, die Systeme, die wir reaktiviert haben, wieder herunterzufahren!“, gab Kovac zu bedenken. Der Chefwissenschaftler der Etnord auf Nabman schwebte mit Hilfe seines Antigravaggregats durch den gewaltigen Kuppeldom, in dem drei Millionen erstarrte Hologramme jener Fulirr zu finden waren, die an der letzten Tagung der Konsensgemeinschaft zumindest virtuell teilgenommen hatten. Ein gespenstisches Kabinett. Die Sauroiden, deren Abbilder hier versammelt waren, hatte man entweder längst mit Etnord-Implantaten versorgt oder es war ihnen die Flucht auf das Gebiet der Humanen Welten gelungen. Die Etnord hatten bei ihrer Eroberung Nabmans, der alten Zentralwelt der Fulirr, nicht übermäßig viel dafür getan, um die Fulirr daran zu hindern, das System zu verlassen. Schließlich standen kurzfristig gar nicht genug Implantate zur Verfügung, um alle Sauroiden damit zu bestücken.

Aber seit der letzten Angriffswelle der verbündeten Menschen, Fulirr, K'aradan und Qriid hatte sich das Blatt gewendet. Die Alliierten setzten einen Virus auf den Welten des von den Etnord eroberten Nalhsara aus. Einen Virus, der den Wirt von seinem Etnord trennte. Allein der Gedanke an diese grausame Abstoßungsreaktion sorgte dafür, dass sich das Etnord-Implantat in Professor Kovac krampfhaft zusammenzog und ein neuronaler Schauer die Ganglien entlang brandete, über die der Etnord den Menschenkörper beherrschte.

Ein so unerbittlicher Feind hatte sich noch nie der Neuen Ordnung entgegengestellt und schickte sich offenbar an, die Welten des ehemaligen Nalhsara von den Etnord zu säubern.

Und jetzt war dieser für die Etnord tödliche Virus auch hier auf Nabman ausgesetzt worden. Es dauerte natürlich eine Weile, bis er sich überall auf dem Planeten verbreitet hatte. In so fern war die Anordnung von Admiral Brown, dem Befehlshaber der in diesem Sektor operierenden Etnord-Einheiten, vollkommen übertrieben.

Noch besteht keine Gefahr, dass mein Wirt von mir isoliert wird...

Eine Art Abstoßungsreaktion wurde durch den Virus initiiert. Den genauen Mechanismus kannte man nicht. Panik griff um sich. Etnord-Schiffe, die als infiziert galten, waren von den eigenen Einheiten zerstört worden, um zu verhindern, dass sich diese Seuche ausbreitete.

Kovac verursachte schon der Gedanke daran Übelkeit, da das Etnord-Implantat relativ nah zum Magen eingesetzt wurde.

„Wir können die Arbeit jetzt nicht unterbrechen“, erklärte er im Brustton der Überzeugung. Menschliche Wirtsköper besaßen ein fast unerschöpfliches Reservoir unterschiedlicher Stimmmodulationen. Kovac setzte sie zumindest teilweise ein, um seinen Worten hin und wieder Nachdruck zu verleihen. Problematisch wurde das allenfalls, wenn er mit Etnord zu tun hatte, die in nicht humanoide Wirtskörper implantiert worden waren und daher nicht in der Lage waren, diese Signale richtig zu verstehen.

Admiral Brown war außer sich. Der Kommandant der Etnord-Flotte im Ex-Nalhsara - bleich und kahlköpfig wie alle Etnord-Menschen – lief dunkelrot an.

„Kovac! Sie widersetzen sich einem Befehl, wenn Sie sich nicht pünktlich einfinden!“, plärrte es aus dem Lautsprecher von Kovacs Armbandkommunikator. Kovac wandte den Blick von dem zornigen Gesicht des Admirals auf dem kleinen Display, um die Flugbahn seines Antigravaggregats nachzujustieren. „Es wird noch schwierig genug, alle auf Nabman lebenden Etnord zu retten und es ist noch keineswegs sicher, dass uns das auch gelingt“, fuhr die Stimme aus dem Kommunikator fort.

„Bis sich der Virus in der Atmosphäre verbreitet hat und wirklich auch die tieferen Schichten erreicht, vergehen noch Stunden. Je nach Witterungsverhältnissen vielleicht sogar Tage! Und Sie verlangen allen Ernstes von mir, dass ich meine Forschungen abbreche, in einem Augenblick, da es uns gerade zu gelingen scheint, in die Anlage der Erhabenen einzudringen?“ Kovac schüttelte den Kopf. Ebenfalls eine Menschengeste – aber eine, die Brown zweifellos verstand, auch wenn dessen gestisches und mimisches Repertoire eher schmal geblieben war. Und das trotz jahrelanger Benutzung des Wirtskörpers, der ihm gerade diente. „Geben Sie mir zwei oder drei Stunden!“

„Nein!“

„Sie werden einen der besten Wissenschaftler im Dienst des Herrn nicht eliminieren, wenn ich den Planeten erst später verlasse.“

„Eine halbe Stunde. Die Plätze auf den Schiffen sind knapp. Also seien Sie pünktlich, Kovac“, sagte Admiral Ashton Brown und seine Stimme klang dabei kalt wie klirrendes Eis.

Die Verbindung wurde unterbrochen.

*

SECHS SCHIFFE DES SPACE Army Corps gehörten zu dem Angriffsverband, der im Begriff war, das Nabman-System zurückzuerobern. Neben dem Carrier STAR WARRIOR und der Dreadnought LIBERTY waren dies die STERNENKRIEGER II und ihre drei Schwesterschiffe.

Unterstützt wurden sie von einem Verband der Fulirr, die natürlich darauf brannten, ihr altes Hauptsystem wieder in Besitz zu nehmen.

Dutzende von kleinen Schwarzen Löchern waren in der Umgebung Nabmans entstanden. Sie waren Nachwirkungen der gewaltigen Antimaterieexplosionen, die den gesamten Sektor bis in seine raumzeitlichen Grundfesten erschüttert hatten.

Die Etnord hatten alles auf eine Karte gesetzt. 

Ein Teil der Mini Black Holes war inzwischen bereits dabei zu kollabieren. Währenddessen verzeichnete die Ortung der STERNENKRIEGER Hunderte von Raumschiffen, die von der Oberfläche starteten. Alles was auch nur entfernt raumtauglich war, wurde benutzt, um den Planeten zu verlassen. Die Szenen erinnerten an jene aus dem Samtran-System, nur dass die Etnord sich diesmal früher zur Evakuierung entschlossen hatten. Admiral Soldo von der STAR WARRIOR, hatte den Befehl gegeben, jegliche Angriffe erst mal einzustellen. Insbesondere die Einheiten der Fulirr waren damit zunächst nicht einverstanden gewesen, hatten sich aber schließlich doch dem Willen des Space Army Corps Admirals gefügt, zumal auch sie wussten, dass bei Wurmloch Beta gewaltige Etnord-Flotten aus Trans-Alpha eingetroffen waren und der Kampf mit der Rückeroberung des Nabman-Systems wohl kaum bereits zu Ende war.

„Besteht eigentlich eine realistische Chance, die gesamte Etnord-Bevölkerung Nabmans rechtzeitig zu evakuieren?“, fragte Sunfrost an Van Doren gewandt.

Dieser zuckte mit den Schultern. „Schon die Fulirr waren ja auf ihrer Hauptwelt nicht besonders zahlreich. Ein Großteil von ihnen konnte überdies aus dem Nalhsara fliehen. Die Zurückbleibenden werden mit Implantaten versehen worden sein, aber auch das braucht Zeit. Ich würde daher die Bevölkerungszahl der Etnord auf Nabman nicht allzu hoch einschätzen. Hunderttausend vielleicht. Vielleicht auch eine halbe Million.“

„Auf jeden Fall dürfte die geortete zivile Raumfahrtkapazität im Nabman-System ausreichen, um sie alle zu evakuieren“, glaubte Riggs.

Meinen die das wirklich oder beruhigen die nur ihr Gewissen?, überlegte Sunfrost.

„Captain, eine Transmission des Admirals“, meldete Jamalkerim.

„Auf den Schirm“, sagte Sunfrost.

Augenblicke später erschien Soldos Gesicht in Überlebensgröße auf dem Panorama-Schirm. „Captain Sunfrost, ich möchte Sie bitten, ein Bodenteam zusammenzustellen und nachzusehen, was die Etnord im Konsensdom angestellt haben. Die fünfdimensionalen Phänomene, die wir alle registrieren konnten, haben meiner Ansicht nach eine eminent militärische Bedeutung. Das zeigt auch die Tatsache, dass die Etnord das Nabman-System offenbar noch nicht aufgegeben haben.“

„Aber es wird nie wieder ein Etnord Nabman betreten können“, gab Sunfrost zu bedenken.

„Ich kann Ihnen nicht sagen, was der Gegner vorhat, aber Tatsache ist, dass unsere Sandström-Sonden eine gewaltige Flotte orten, die auf dem Weg hier her ist. Sie haben wahrscheinlich etwa 36 Stunden Zeit, um etwas in Erfahrung zu bringen. Da Sie in der beneidenswerten Lage sind, einen olvanorischen Wissenschaftler in Ihren Reihen zu haben, dachte ich mir, es ist das Sinnvollste, die STERNENKRIEGER-Crew damit zu betrauen.“

„Sie vergessen, dass Bruder Guillermo nicht Teil der Space Army Corps Hierarchie, sondern nur ein Berater ist“, entgegnete Sunfrost. „Ich kann ihm die Teilnahme an der Mission nicht vorschreiben.“

„Das mag sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Bruder Guillermo uns im Stich lassen wird“, entgegnete Admiral Soldo. „Die Etnord werden ihre Evakuierung noch nicht abgeschlossen haben, wenn Sie dort eintreffen, Sunfrost. Sorgen Sie also dafür, dass Sie durch reichlich Marines bewacht werden.“

„Natürlich, Sir. Aber was ist mit den Fulirr?“

Soldo seufzte.

„Ich werde versuchen, es den Fulirr beizubringen, dass sie nicht als erste auf den Planeten kommen! Aber lange werde ich sie nicht zurückhalten können. Ihre Dankbarkeit für unsere Waffenbrüderschaft hat auch ihre Grenzen, auch wenn sie noch einige Zeit auf uns angewiesen sein werden.“

„Das Nalhsara ist schließlich noch lange nicht zurückerobert.“

„Ich weiß nicht, wie viel Realismus noch auf Seiten der Fulirr angesichts der Tatsache herrscht, dass unter den Etnord von Nabman eine Massenflucht eingesetzt hat und sie sich wie die Sieger fühlen können. Vorhin sind neue Nachrichten von der Grenze zum Reich von Aradan eingetroffen. Die K'aradan rücken auf breiter Front voran und setzen im Übrigen den Virus sehr viel rücksichtsloser ein, als wir das tun.“

„Bestand diesbezüglich nicht eine politische Absprache?“, frage Sunfrost.

„Natürlich. Aber die K'aradan halten sich nicht daran. Sie wollen sich so schnell wie möglich einen möglichst großen Teil des Ex-Nalhsara sichern. Und ich fürchte, für die Fulirr wird nicht viel übrig bleiben. Ein paar Systeme, wenn sie Glück haben. Mit ihrer dezimierten Flotte können sie mehr auch ohnehin kaum halten.“

*

„WIEDER EINE UNGEWÖHNLICH starke 5-D-Resonanz“, stellte Bruder Guillermo fest. Der Olvanorer-Mönch und wissenschaftliche Berater an Bord der STERNENKRIEGER blickte gespannt auf die Anzeigen seiner Konsole. Zusammen mit dem qriidische Austauschoffizier Nirat-Son und Simon E. Erixon, dem Leitenden Ingenieur der STERNENKRIEGER II befand er sich in einem derzeit nicht genutzten Kontrollraum des Maschinentraktes, wo Bruder Guillermo ein provisorisches Labor eingerichtet hatte. Schon seit Stunden führten sie Messungen durch. Messungen, die die Annahme langsam zur Gewissheit werden ließen, dass sich tief unter dem Konsensdom der Fulirr eine technische Anlage befinden musste, die sehr wahrscheinlich von den Alten Göttern stammte.

Nur sie, die man auch respektvoll die Erhabenen nannte,  traute Bruder Guillermo jedenfalls zu, eine Technik entwickelt zu haben, die Impulse über Zehntausende von Lichtjahren durch ein fünfdimensionales Kontinuum transportierte. Die menschliche Wissenschaft war bisher lediglich in der Lage, die Resonanz dieser Impulse zu empfangen, die im Normalraum oder im Sandströmraum messbar war. Eine Resonanz, die mitunter eine zerstörerische Wirkung haben konnte – je nachdem, durch welche Signale sie verursacht wurde.

Bruder Guillermo bemühte sich darum, auf mathematischem Weg, den Informationsgehalt des eigentlichen Signals zu rekonstruieren. Aber seine bisherigen Versuche einer groß angelegten Modellrechnung waren gescheitert.

Simon E. Erixon war erfolgreicher gewesen. Der infrarotsichtige Genetic mit den unmenschlich wirkenden Facettenaugen hatte in Zusammenarbeit mit Austauschoffizier Nirat-Son den Sandström-Vektor der Resonanz genauer bestimmen können. Danach stand fest, dass zwischen der Anlage unter dem Konsensdom und Wurmloch Beta ein Zusammenhang bestehen musste. Gleichzeitig meldeten Kundschafterschiffe der K'aradan, die bereits bis Wurmloch Beta vorgedrungen waren, enorme, rhythmisch emittierte Ausbrüche von 5-D-Strahlung aus der Wurmloch-Porta. Nirat-Son war zwar kein ausgebildeter Wissenschaftler, verfügte aber als ehemaliger qriidischer Raumkommandant über Grundwissen der innerhalb des Heiligen Imperiums verwendeten Zwischenraumtechnik, die auf einer anderen Form von Mathematik beruhte. Daher halfen Nirat-Sons aus einem völlig fremden Blickwinkel gegebenen Hinweise Erixon erheblich dabei, das Phänomen besser zu erfassen.

„Zweifellos versucht jemand, Wurmloch Beta zu manipulieren“, äußerte sich Nirat-Son, wobei sein Vogelkopf eine ruckartige Bewegung vollführte. „Zumindest wäre das meine Interpretation. Und da wir wissen, dass die Etnord mit Artefakten jenes Volkes experimentieren, das bei Ihnen die Alten Götter genannt wird, liegt der Schluss nahe.“

„Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man innerhalb des Heiligen Imperiums noch nicht auf Hinterlassenschaften der Alten Götter gestoßen ist“, sagte Erixon.

„Oh, das ist durchaus geschehen“, erwiderte Nirat-Son. „Wir nennen sie die Sambano – Gottes Erstes Volk, das vor den Qriid auserwählt wurde, aber an seiner Hybris zu Grunde ging, woraufhin Gott die Qriid erwählte.“

„Ist es dann für die Qriid nicht ein theologisches Problem, die Technik der Sambano zu benutzen?“, fragte Bruder Guillermo.

„Das war immer umstritten. Für die Priesterschaft ist das ein Frevel, die Tanjaj sehen das pragmatisch.“ Nirat-Son schabte mit den Schnabelhälften gegeneinander, was ein für menschliche Ohren unangenehm klingendes Geräusch erzeugte.

„Wie ist Ihre Position zu dem Disput?“, fragte Bruder Guillermo.

„Wie Sie wissen, bin ich ein Tanjaj. Aber die Frage ist ohnehin nur hypothetischer Natur. Es hat Versuche gegeben, die Sambano-Technik zu nutzen. Sie schlugen allesamt fehl. Vielleicht hatten die Priester Recht und dieses Scheitern war nichts weiter als eine Warnung Gottes, auf dass die Qriid nicht anfangen, daran zu glauben, selbst Götter zu sein – wie es bei den Sambano der Fall war.“

Im nächsten Moment meldete sich das Interkom.

Das Gesicht von Captain Sunfrost erschien auf dem Nebenbildschirm. „Ich habe Sie drei als Mitglieder eines des Außenteams vorgesehen, dass die Anlage unter dem Konsensdom erforschen soll. Kommen Sie bitte unverzüglich zu einer Besprechung in meinen Raum. Bruder Guillermo?“

„Ja, Captain?“

„Ich weiß, dass Sie nicht der Space Army Corps Hierarchie unterstehen und Ihre ethischen Probleme mit unserem Einsatz hier im Nabman-System sind mir nicht entgangen. Ich würde mir allerdings wüschen, dass Sie dabei sind“

„Ja, Captain.“ 

*

DIE STERNENKRIEGER erreichte eine stabile Umlaufbahn um Nabman. Ihre Schwesterschiffe AMSTERDAM, SONNENWIND und MARIA STUART waren ebenfalls auf dem Weg hier her. Zahllose Raumfahrzeuge stiegen noch immer von der Planetenoberfläche auf und der Space Army Corps Verband unterließ jede Behinderung dieser chaotischen Evakuierung.

Auch raumtaugliche Transportgleiter aus zurückgelassenen Beständen der Fulirr wurden von den Etnord für die Flucht benutzt. Die größeren Schiffe nahmen sie mit Hilfe von Traktorstrahlen ins Schlepp.

Dem aufgefangenen Funkverkehr nach zu urteilen, waren all diese Raumvehikel hoffnungslos überladen.

Sunfrost wandte sich an Steven Van Doren. „I.O., lassen Sie Geschwader Lieutenant Naderw mit seinem Jäger ausschleusen, damit wir gewappnet sind, falls die Etnord uns doch noch  angreifen! Damit ist im Moment zwar nicht zu rechnen, aber mir erscheint das sicherer.“

„Aye, aye, Captain.“

„Funk?“

„Ja, Captain?“, meldete sich Lieutenant Jamalkerim.

„Sagen Sie Lieutenant Erixon, Nirat-Son und Bruder Guillermo Bescheid, dass Sie sich im Hangar der L-1 einzufinden haben. Bogdan soll die Fähre bereit zum Ausschleusen machen und außerdem brauche ich Sergeant Kelleney und seine Marines.“

„Ja, Ma’am.“

Sunfrost wandte sich an Van Doren. „Es wird Sie vielleicht wundern, dass ich in dieser Situation das Kommando über das Außenteam selbst übernehme... Aber da ich das seltene Glück habe, einen erfahrenen Kommandanten als Ersten Offizier an Bord zu haben, denke ich, ist das vertretbar.“

„Ich habe keine Einwände, Captain.“

„Sie haben das Kommando. Versuchen Sie den Funkkontakt mit uns aufrecht zu halten. Wenn sich irgendetwas tut, informieren Sie mich bitte sofort.“

„Aye, aye!“

*

DIE MITGLIEDER DES Außenteams fanden sich im Hangar der Landefähre L-1 ein, die von Yakuf Bogdan geflogen wurde. Abgesehen von Erixon, Nirat-Son und Bruder Guillermo gehörte auch Lieutenant Wiley Riggs zum Außenteam. Er war ausgewiesener Ortungsspezialist und angesichts der Tatsache, dass es unterhalb des Konsensdoms einen Bereich gab, der ortungstechnisch vollkommen abgeschirmt war, sah Sunfrost es als sinnvoll an, ihn mitzunehmen.

Der Rest der Sitzplätze an Bord der Fähre wurde durch Sergeant Kelleney und Angehörige seiner Marines-Truppe eingenommen. Während die normalen Außenteammitglieder – mit Ausnahme Bruder Guillermos – leichte Kampfanzüge und Nadlerpistolen trugen, hatten die Marines ihre schweren Panzeranzüge angelegt. Es war schließlich nicht abzuschätzen, auf wie viel Widerstand sie stoßen würden.

Das Außenteam ging an Bord. Wenig später wurde die L-1 ausgeschleust und flog der Oberfläche Nabmans entgegen.

Obwohl dieser Planet die Hauptwelt des Nalhsara gewesen war, glich Nabman in großen Teilen einem Naturparadies. Die Bevölkerungsdichte der Fulirr war von jeher gering gewesen. Nun lagen die meisten ihrer Städte verlassen da. Ihre Bewohner waren so weit es möglich war vor den anrückenden Etnord geflohen.

Nach und nach hatten die Etnord diese Siedlungen selbst in Besitz genommen. Insbesondere galt dies für den Bereich um den Konsensdom, wo sich ohnehin neunzig Prozent der planetaren Besiedlung befand. Dieses gewaltige Bauwerk war bereits aus dem Weltraum sichtbar. Kilometerhoch wölbte sich die Kuppel empor.

Der klare, fast wolkenlose Himmel über der betreffenden Region ließ den Blick auf dieses Monument der Radikaldemokratie des Nalhsara frei. 

Aus allen Teilen des ehemals von den Fulirr beherrschten Gebietes waren holographische Ebenbilder in den Dom gesandt worden, um dort an einer weitgehend virtuell geführten Debatte der Konsensgemeinschaft teilzunehmen, der alle Fulirr angehörten, sobald ein aus dem Ei geschlüpftes Junges dazu in der Lage  war, die entsprechende Übertragungstechnik zu benutzen.

Entfernungen hatten bei der hoch entwickelten Übertragungstechnik der Fulirr keine Rolle gespielt. Selbst die Besatzung des entferntesten Außenpostens oder eines weit ins All vorgedrungenen Raumschiffs hatte an den Sitzungen im Konsensdoms, vertreten durch ein holographisches Echtzeit-Avatar teilnehmen können, der praktisch permanent tagte. Schließlich hatte es stets irgendwelche Fragen gegeben, über die entschieden und abgestimmt werden musste.

Jetzt, da sich Hinweise darauf ergeben, dass sich im ehemaligen Zentrum der Fulirr-Kultur ein Artefakt der Alten Götter befindet, stellt sich natürlich die Frage, wie viel von den technischen und gesellschaftlichen Errungenschaften dieses Volkes vielleicht nicht allein die Frucht der eigenen Kreativität war, ging es Sunfrost durch den Kopf, während sie einen Pulk von Transportschiffen beobachtete, der aus dem Stadtgebiet, das den Konsensdom wie einen breiten Gürtel umgab, aufstieg. Ihre Finger glitten über die Sensorpunkte der Konsole. Sie ließ sich die Orter-Daten anzeigen. Bei manchen der Objekte handelte es sich schlicht um Transportcontainer ohne jeglichen Antrieb, die von Raumyachten und anderen kleineren Schiffen ins Schlepp genommen wurden. Auffallend war auch, dass nur ein Teil dieser Schiffe den für die Etnord-Schiffe typischen kristallinen Überzug aufwies. Man aktivierte offenbar alles, was es an Frachtkapazitäten gab – auch Einheiten, die bereits von den Fulirr stillgelegt worden waren.

Der Funkverkehr war rege und vermittelte einen Eindruck von der Panik, die unter den Etnord herrschen musste.

„Captain, eine Transmission des Admirals“, meldete Bogdan.

„Schalten Sie die Nachricht auf meine Konsole“, verlangte Sunfrost.

„Aye, aye, Captain.“

Im nächsten Moment erschien das bärtige Gesicht von Thorbjörn Soldo auf dem Display.

„Captain Sunfrost, in mehreren Planquadranten ist es zu Kämpfen zwischen den eigentlich unserem Flottenverband unterstellten Fulirr-Einheiten und den Etnord gekommen. Flottillenbefehlshaber Gimsharrr wurde noch während der Schlacht von der Konsensgemeinschaft in sein Amt gewählt und leider fühlt er sich an die Zusagen seines Vorgängers nicht gebunden. Es kann also sein, dass sich die Evakuierung der Etnord komplizierter gestaltet und auch Sie möglicherweise dadurch in Kampfhandlungen verwickelt werden.“

„Ich danke Ihnen für den Hinweis, Admiral.“

„An Ihrer Mission ändert sich nichts. Allerdings müssen Sie unter Umständen damit rechnen, dass auch sehr bald Bodentruppen der Fulirr in den Konsensdom eindringen. Befehlshaber Gimsharrr hat bei mir bereits dagegen protestiert, dass die STERNENKRIEGER ein Beiboot ausgesetzt hat, dessen Ziel offensichtlich die Oberfläche Nabmans ist.“

„Ich hoffe nicht, dass die Fulirr allzu schnell vergessen, dass sie uns noch brauchen werden, wenn erst einmal die über Sandström-Sonden georteten Etnord-Verbände im Nabman-System eintreffen“, erwiderte Sunfrost.

„Strategische Weitsicht scheint bei Gimsharrr nicht sehr ausgeprägt zu sein, dafür hat er der Konsensgemeinschaft der Fulirr versprochen, was dort offenbar eine Mehrheit hören wollte!“

„Zumindest, was seine Karriere betrifft, scheint Gimsharrr richtig kalkuliert zu haben.“

„Ich fürchte, dieser Ruhm wird nur von kurzer Dauer sein. Leider beeinträchtigt das allerdings auch unsere Pläne. Sie wissen jedenfalls, worauf Sie sich gefasst machen müssen.“

„Ja, Sir!“

Soldo unterbrach die Verbindung. Das Emblem des Space Army Corps erschien auf dem Display, darunter der Hinweis, dass es sich um eine besonders geschützte Verbindung gehandelt hatte.

„Ich persönlich glaube nicht, dass die Fulirr so ahnungslos waren, was die vermuteten Anlagen der Alten Götter unter ihrem Konsensdom angeht“, glaubte Lieutenant Erixon. „Da können diese Artefakte noch so gut ortungstechnisch abgeschirmt sein.“

„Aber sie konnten das Erbe der Alten Götter offenbar nur in sehr begrenztem Umfang antreten“, warf Bruder Guillermo ein. „Andernfalls würden wir jetzt nicht gemeinsam gegen die Etnord kämpfen, sondern wären wahrscheinlich zu Vasallen der Fulirr herabgesunken.“

*

PROFESSOR LYNDON KOVAC war von seinem Team verlassen worden. Zu groß war die Furcht vor dem Virus. Einzig und allein sein Assistent Shorrr war noch bei ihm. Die Anwesenheit des drontisierten Fulirr war unverzichtbar, denn sein Wirtskörper war ehedem ein Mitglied der mächtigen Dombehörde gewesen und verfügte zumindest über rudimentäres Grundwissen. Darüber hinaus hatte sich Shorrr intensiv mit den Datenspeichern der Dombehörde auseinandergesetzt und sie auf brauchbares Wissen hin durchforstet. Nicht zuletzt Shorrrs Erkenntnisse hatten schließlich dafür gesorgt, dass man nun vor dem Durchbruch stand, wie Kovac glaubte.

Die halbe Stunde, die man Kovac und seinen Leuten gegen hatte, um den Dom zu verlassen, war längst vorbei. Die letzten Schiffe oder Schleppcontainer waren gestartet. Alles, was sich jetzt noch von der Oberfläche erhob, würde von der eigenen Flotte eliminiert werden, damit sich die Seuche nicht weiter verbreiten konnte.

Kovac hatte noch mehrmals mit Admiral Brown Kontakt aufgenommen und geradezu beschwörend auf ihn eingeredet. Der Konsensdom durfte Kovacs Ansicht nach einfach nicht aufgegeben werden.

Brown hatte versichert, dass dies auch nicht geplant sei. Verstärkung war von Wurmloch Beta aus auf dem Weg, um zu verhindern, dass Nabman in die Hand des Feindes geriet.

Schon um der Artefakte willen.

„Und wer soll diese Artefakte dann untersuchen, wenn Nabman wieder in unsere Hand fällt?“, hatte Kovac immer wieder nachgefragt. „Die Gefahr einer Verseuchung ist für alle beteiligten Wissenschaftler doch nach einer Rückkehr noch viel größer als jetzt, da sich der Virus noch gar nicht überall auf dem Planeten ausgebreitet hat.“

„Sie werden nicht auf den Planeten zurückkehren, Kovac.“

„Aber...“

„Ich führe nur die Befehle des Herrn aus. Brown Ende.“

Kovac war hart geblieben. Er und Shorrr trugen jetzt Druckanzüge, wie man sie ansonsten für Ausflüge auf unwirtliche Planeten oder Weltraumspaziergänge benutzte. Die Sauerstoffpatronen mussten natürlich regelmäßig erneuert werden, aber vorerst war genug Nachschub vorhanden. Außerdem gab es in einem der zum Dom gehörenden Hangars ein überlichtschnelles Beiboot, mit dessen Hilfe sein Team die Ausrüstung herbeitransportiert hatte.

Es blieb also die Möglichkeit offen, den Planeten auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zu verlassen.

Kovac vertraute – entgegen Browns eindeutigen Aussagen – darauf, dass man einen Spitzenwissenschaftler wie ihn nicht abschießen würde, wenn er den Seuchenherd später verließ, als es der vollkommen willkürlich gesetzten Zeitspanne entsprach.

„Ich messe ein starkes Energiefeld, genau unter uns“, stellte Shorrr mit Blick auf sein Ortungsgerät fest. Seine beiden Zungen zuckten kurz aus dem lippenlosen Echsenmaul heraus. Die Riechzunge blieb etwas länger draußen. Kovac und Shorrr befanden sich in einem der an den Domsaal angrenzenden Korridore. „Genau hier ist es!“, sagte der Sauroide. „Masse und Energie sind letztlich dasselbe und lassen sich ineinander umwandeln...“

„Niemand hat mehr darüber gewusst, als die Erhabenen“, stimmte Kovac zu.

„Sie hatten auch Zeit genug, den Naturgesetzen tatsächlich auf den Grund zu gehen.“ 

Shorrr ging ein paar Schritte zu einer Konsole, die von den Etnord errichtet worden war und zum Forschungsequipment  gehörte. Der ein Meter sechzig große Sauroide schaltete die Größe der Sensorfelder auf eine Größe, die es ihm ermöglichten, das Menü auch mit seinen plumpen Echsenpranken zu bedienen.

Leider schaltete sich das Modul nach einer gewissen Zeit immer wieder in den für Humanoide angemessenen Status zurück, was wohl damit zusammenhing, dass es in den Produktionsstätten des Taralon-Systems hergestellt worden war.

Shorrr nahm ein paar Schaltungen vor.

„Ich habe jetzt Kontakt zum verborgenen Großrechner“, sagte er.

Der Steinfußboden zu ihren Füßen begann sich aufzulösen. Eine quaderförmige Vertiefung kam zum Vorschein. Es war auf den ersten Blick zu sehen, dass es sich um einen Kontrollraum handeln musste. Die Konsolen hatten die Form von Heptaedern, wovon bekannt war, dass es sich um ein typisches Strukturelement von Anlagen der Erhabenen handelte.

Das ist er also – der Schlüssel zu den geheimnisvollen Tiefenregionen, durchfuhr es Kovac.

Er ließ sich von seinem Antigravaggregat dreieinhalb Meter in die Tiefe tragen, bis er den Boden des Kontrollraums erreichte.

Shorrr nahm noch ein paar Messungen vor und folgte ihm dann. 

„Es ist kaum zu glauben, dass in der langen Zeit, da die Fulirr hier herrschten, nie jemand diesen Raum bemerkt hat“, sagte Kovac über Helmfunk.

„Die Erhabenen waren Meister der Tarnung“, gab Shorrr zurück. „Und sie vermochten Energie auf eine Art und Weise Form zu geben, wie es uns wahrscheinlich nicht einmal in hunderttausend Einheitsjahren der Neuen Ordnung gelingen dürfte!“

„Ein Energiefeld, das manche Eigenschaften von Materie aufweist und außerdem noch eine hervorragende Tarnung ist“, murmelte Kovac. „Faszinierend.“

Shorrr ließ das Modul, mit dessen Hilfe man dieses Tor in die Unterwelt des Konsensdoms geöffnet hatte, über ein ferngesteuertes Antigravaggregat herbeischweben.

Sanft und nahezu lautlos setzte das Gerät auf.

„Mal sehen, welche Geheimnisse, diese Anlage noch für uns bereithält.“

Shorrr aktivierte das Modul, um einen Zugang zum Rechner dieses Kontrollraums zu bekommen.

Über ihnen begann scheinbar die Luft zu vibrieren. Innerhalb von wenigen Augenblicken schloss sich die Decke wieder über ihnen.

„Was glauben Sie, Kovac? Werden uns die Anzüge vor dem Virus schützen?“, fragte Shorrr. 

„Hier unten wird es eine ganze Weile dauern, bis uns der Virus erreichen wird“, war Kovac überzeugt.

„Ich weiß, die ersten biochemischen Analysen dieses Erregers lassen auf Eigenschaften schließen, die...“, wandte Shorrr ein.

„Das, was wir hier gefunden haben, ist jedes Risiko wert“, unterbrach Kovac seinen Assistenten.

*

IN EINEM WEITEN BOGEN überflog Bogdan mit der L-1 das dem Konsensdom umgebende Stadtgebiet, um die Lage einigermaßen abschätzen zu können. Die Atmosphäre war erfüllt von ungezählten Raumschiffen und anderen Flugobjekten, die in mehr oder weniger hohem Tempo in den fast wolkenlosen, blauen Himmel Nabmans stiegen. Ein imposanter Anblick.

Auf der Oberfläche blieb hingegen eine Geisterstadt zurück. Die Etnord hatten alles stehen und liegen lassen und waren mit Schiffen, Containern, Gleitern und was sonst noch in der Lage war, sie in den Weltraum zu bringen, davon geeilt.

Die Straßen der Stadt waren wie ausgestorben.

Schließlich landete die L-1 auf dem Vorplatz des Doms.

„Hier ist der Haupteingang“, stellte Bruder Guillermo nach einem Blick auf die über den Bordrechner der Fähre abrufbaren Daten fest.

„Lässt sich der Haupteingang öffnen?“, fragte Sunfrost.

„Ich sehe da kein Problem“, äußerte sich Lieutenant Erixon. „Die Flucht der Etnord geschah dermaßen überstürzt, dass wohl keine Zeit war, irgendwelche Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.“

„Wozu auch?“, meldete sich Sergeant Ray Kelleney zu Wort. Wie die anderen Marines auch hatte er den Helm seines schweren, raumtauglichen Kampfanzugs zurückgeklappt. „Schließlich wird diese Etnord-Brut Nabman nicht mehr betreten.“

„Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass sie Nabman so schnell aufgeben“, war Nirat-Son überzeugt. „Es besteht irgendein Signalaustausch zwischen Wurmloch Beta, dem getarnten Bereich unterhalb des Doms und einem dritten, weit entfernten Ort, den wir nicht identifizieren konnten. Also werden die Etnord vermutlich eine Ahnung davon haben, welche Bedeutung dieses Artefakt dort unten hat...“

„Ist es nicht etwas voreilig, von einem Artefakt auszugehen?“, fragte Riggs. „Alles, was wir bis jetzt zu orten vermögen ist eine Zone, in die unsere Systeme nicht hineinblicken können und die Resonanz von Signale geben, bei denen wir weit davon entfernt sind, die Bedeutung zu erfassen.“

„Jedenfalls liegt der dritte Ort, mit dem eine Signalverbindung besteht nach dem Sandström-Vektor zu urteilen jenseits des galaktischen Zentrums“, stellte Bruder Guillermo fest. „Und das bedeutet...“

„Trans-Alpha!“, stieß Sunfrost hervor.

Bruder Guillermo nickte. „Exakt.“

Sunfrost lehnte sich in ihrem Schalensitz zurück, während sie hinaus zum Dom blickte. „Lassen Sie uns aussteigen, Gentlemen“, sagte sie.

„Captain, darf ich Sie darauf hinweisen, dass wir zunächst das Gelände militärisch sichten müssen!“

Sunfrost lächelte mild. „Danke, Sergeant. Tun Sie das, allerdings glaube ich kaum, dass Sie da draußen auf jemanden stoßen werden!“ Es sei denn, ein Etnord, der lebensmüde ist, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Das kann man nie wissen, Captain“, lautete Kelleneys Erwiderung.

Der Sergeant bellte ein paar knappe Befehle. Die Marines schlossen ihre Helme. Sie waren außer mit der obligatorischen Nadlerpistole auch mit Gauss-Gewehren und Thermostrahler ausgerüstet.

Corporal Raggie S. Terrifor war der erste, der die Außenschleuse der L-1 verließ. Die Marines Paolo DiStefano und James Levoiseur folgten im. Sie sahen sich um und gingen dann in Stellung.

„Irgendwelche Biozeichen?“, fragte Sunfrost.

„Nicht von Menschen, Etnord oder Fulirr!“, meldete Wiley Riggs, nach einer kurzen Überprüfung der Anzeigen – sowohl auf seiner Konsole, als auch auf dem mobilen Ortungsgerät, dass er mit sich führte.

Sunfrost erhob sich von ihrem Sitz.

„Ich habe wohl wieder mal die mieseste Karte gezogen und muss bei der Fähre bleiben“, schloss Bogdan.

„Vollkommen richtig“, nickte Sunfrost. „Aber Sie bleiben nicht allein hier. Es werden ein paar Marines in der Umgebung in Stellung gehen. Die größte Gefahr droht uns schließlich sehr wahrscheinlich von außen – im Dom ist ja niemand.“

„Soweit wir das orten können“, schränkte Wiley Riggs ein.

Sunfrost lächelte nachsichtig.

„Natürlich, Lieutenant.“ Sie wusste es durchaus zu schätzen, dass Riggs immer alles sehr genau nahm. Manchmal übertrieb der junge Mann mit den schwarz gelockten Haaren die Pedanterie in ihren Augen allerdings.

Zusammen mit Nirat-Son war Sunfrost die letzte, die das Schiff verließ.

Der Vorplatz war gewaltig und wurde von kleineren Gebäuden umrahmt. Bruder Guillermo streckte die Hand aus und deutete zu einem quaderförmigen Bau mit einer Höhe von mindestens zehn Geschossen. „In dem Komplex war die Dombehörde der Fulirr untergebracht.“

„Ein verhältnismäßig kleines Gebäude für eine so bedeutende Behörde.“

„Die Fulirr standen immer in dem Ruf, ihre Verwaltung äußerst effektiv organisiert zu haben“, erläuterte Bruder Guillermo. „Und das trotz des hohen Mitbestimmungsgrades für jeden einzelnen Bürger des Nalhsara.“

„Täusche ich mich oder höre ich da sogar so etwas wie Bewunderung für die Radikaldemokratie der Fulirr heraus?“, fragte Sunfrost. 

„Sagen wir so: Wenn ich ein Fulirr wäre, würde ich das politische System des Nalhsara ebenfalls für überlegen gehalten. Jedenfalls zeigen uns die Fulirr bis heute, was an Volksherrschaft möglich ist, ohne dass darunter die Effektivität leiden muss.“

„Sie empfinden sie als Vorbild?“, mischte sich Nirat-Son ein, der die Diskussion zwischen Sunfrost und Bruder Guillermo interessiert verfolgt hatte.

Bruder Guillermo hob die Augenbrauen.

Er zögerte mit der Antwort.

Der Vogelkopf hat es auf den Punkt gebracht, dachte Sunfrost. Und zwar auf eine Weise, die Bruder Guillermo dazu zwingen würde, sich festzulegen, was ihm ganz offensichtlich schwer fällt...

„In gewisser Weise sind die Fulirr in Sachen Demokratie tatsächlich ein Vorbild“, äußerte sich Bruder Guillermo mit überraschender Eindeutigkeit.

Nirat-Son vollführte mit dem Kopf eine ruckartige Bewegung, die Sunfrost nur als ein qriidisches Äquivalent der Verwunderung verstehen konnte. Der Qriid öffnete seinen Schnabel, aber zunächst kam nichts weiter als ein krächzender, unartikulierter Laut zwischen den beiden Hornstücken hervor.

„Ehrlich gesagt, erstaunt mich Ihre Antwort, Bruder Guillermo.“

„In wie fern?“

„Nun, es wundert mich, wie stark Sie für das in meinen Augen sehr fragwürdige Prinzip der Demokratie eintreten, da Sie doch einer Organisation angehören, die erstens nicht gerade dafür bekannt ist, dass sie viel von demokratischen Strukturen hält.“

„Ein Orden ist etwas anderes, als ein politisches System“, erwiderte Bruder Guillermo.

„Ich respektiere Ihren Glauben, Bruder Guillermo. Aber ich wundere mich, dass Sie den Gedanken daran, dass Gott herrschen sollte, bereits aufgegeben haben.“

Lieutenant Erixon hatte inzwischen ein Modul an die Außenwand des Konsensdoms angelegt. „Vielleicht könnten Sie Ihre Diskussion später weiterführen und mir erst helfen, indem Sie ein zweites Modul anlegen. So komme ich nämlich nicht in das interne Rechnersystem des Außenschotts hinein.“

„Natürlich“, beeilte sich Nirat-Son.

Auch er legte ein Modul an. Wenig später gelang es, das Tor zu öffnen. Es war so groß, dass man mit einem Beiboot hätte einfliegen können.

Die Marines Trockau, Ruben und Haroldis waren die ersten, die den Dom betraten. Sie gelangten mit dem Gauss-Gewehr im Anschlag in einen Vorraum, der so imposante Ausmaße hatte, dass jede Kathedrale der Erde dort leicht Platz gehabt hätte. Aber der berühmte Plenarsaal des Nalhsara mit den Millionen Hologrammen war dies noch nicht. Säulen ragten bis zur kuppelartigen Decke der Vorhalle hinauf. Es gab Balustraden, von denen aus man offenbar in andere Ebenen des Gebäudes gelangen konnte. Trockau aktivierte sein Antigrav-Pak, schwebte empor und landete auf einem kanzelartigen, etwa siebzig Meter höher gelegenen Vorsprung, dessen Rand mit einer brusthohen Balustrade abgegrenzt war. Ruben tat dasselbe und schwebte zu einer anderen dieser Kanzeln.

Der Marine Philipson Haroldis hingegen ließ sich lediglich bis ans andere Ende des Vorraums tragen und postierte sich unweit jenes Großschotts, über das es wahrscheinlich zum legendären Plenarsaal des Konsensdoms ging.

Weitere Marines folgten.

Die Hälfte der Truppe wurde jedoch beim Beiboot zurückgelassen. Es war unter Umständen wichtiger, zu verhindern, dass jemand von außen in den Dom eindrang.

Die ersten Fulirr würden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sergeant Kelleney kommandierte die beim Beiboot gebliebene Gruppe, während die Marines, die den Captain und das Außenteam begleiteten, unter dem Kommando von Corporal Terrifor, Kelleneys Stellvertreter, standen.

Sunfrost ließ die imposante Architektur des Vorraums auf sich wirken.  Allein die schiere Größe des Doms und seiner Nebenbauten war Respekt einflößend.

„Ich messe jetzt eine Reihe von 5-D-Resonanzen, deren spezielle Struktur uns bisher noch nicht bekannt war“, meldete sich Lieutenant Riggs zu Wort, dessen Blick konzentriert auf die Anzeige seines Ortungsgeräts gerichtet war.

Da sämtliche Mitglieder des Außenteams durch eine Dauerkonferenzschaltung ihrer Kommunikatoren miteinander vernetzt waren, spielte es auch keine Rolle, dass sie sich teilweise recht schnell räumlich getrennt hatten.

Letzteres hatte einfach mit den gewaltigen Ausmaßen zu tun, die dieses Gebäude aufwies.

„Ich habe diese Resonanzen auch auf dem Schirm“, meldete sich nun Erixon zu Wort. „Es handelt sich meiner Ansicht nach vermutlich um Übertragungen innerhalb dieses Gebäudes. Jedenfalls kann ich überhaupt keinen Sandström-Vektor berechnen, sodass ich vermute, man legt auf Überlichtgeschwindigkeit keinerlei wert.“

„Heißt das, jemand ist in der Anlage und spielt mit den Schaltern herum?“, fragte Sunfrost.

„Captain, das weiß ich nicht. Aber es gibt zweifellos in dieser Anlage eine Aktivität“, glaubte Erixon.

„Bis jetzt haben wir zu wenig Daten, um diese Aktivität interpretieren zu können“, warf Riggs ein.

Sunfrost ging in Begleitung der Marines Levoiseur und DiStefano auf eine der Säule zu. Feine Reliefs waren darauf zu  erkennen, wenn man näher als anderthalb Meter herankam. Zuvor wirkte das Gestein der Säulen vollkommen glatt. Eine optische Täuschung, dachte Sunfrost. Die dargestellten Szenen waren von einer unglaublichen Detailtreue. Sie zeigte Raumschiffe, Sterne, Personen... Menschenähnliche K'aradan waren darunter ebenso wie sauroide Fulirr. Aber es gab auch Vertreter von Rassen, die mit den Alten Götter in Zusammenhang standen, wie etwa die Rodanag. 

Was die Bilder in ihrer Gesamtheit bedeuteten und welche Zusammenhänge zwischen ihnen bestanden, darüber konnte man natürlich nur spekulieren.

„Diese Darstellungen sind ganz sicher älter, als wir es von der Kultur der Fulirr annehmen“, erklärte Bruder Guillermo, der einen Teil davon abscannte. „Außerdem messe ich hier einen Energiefluss. Es könnte sein, dass es sich um einer sehr fortgeschrittene Form der Projektion handelt, die ohne weiteres eigentlich nicht zu sehen ist...“

„Dafür spricht, dass man sie aus einer größeren Entfernung nicht wahrnehmen kann“, sagte Sunfrost.

„Nicht unbedingt“, widersprach der Olvanorer. „So etwas lässt sich auch in einem Zusammenspiel der Materialstruktur und des verwendeten Lichts herbeiführen. Allerdings habe ich hier den Eindruck, dass...“ Der Olvanorer verstummte, als die Bilder sich plötzlich zu bewegen begannen. Etwas langsam und stockend, dann immer schneller. „Lieutenant Erixon, das sollten Sie sich unbedingt ansehen!“, wandte er sich per Kommunikator an den über hundert Meter entfernten Leitenden Ingenieur der STERNENKRIEGER, der zusammen mit Nirat-Son gerade damit beschäftigt war, das nächste Schott zu öffnen.

„Augenblick, wir haben hier gerade ein Problem“, erklärte Erixon. „Irgendetwas – oder jemand – scheint in die internen Datensysteme hineinzupfuschen.“

„Könnte das eine Nebenwirkung der 5-D-Resonanzen sein?“, fragte Wiley Riggs, der seinen Kommunikator ebenfalls auf permanenten Konferenzmodus geschaltet und daher alles mitbekommen hatte. „Neben der für unsere Sandström-Aggregate potentiell gefährlichen Y-Variante gibt es hier nämlich noch ein paar schwächere Resonanzformen, die mit nichts verglichen werden können, was wir in unserer Speicherbank an Vergleichswerten haben!“

Riggs hatte sich von seinem Antigravaggregat auf einen kanzelförmigen Vorsprung tragen lassen, der sich in einer Höhe von fünfzig Metern an einer anderen Säule befand.

„Vielleicht werfen Sie alle mal einen Blick auf dieses Phänomen hier!“, forderte Sunfrost auf und richtete die Bilderfassung ihres Kommunikator so aus, dass die reliefartigen Videosequenzen auf der Säulenoberfläche jetzt auch auf den Displays der anderen Außenteammitarbeiter zu sehen waren.

„Ich habe hier etwas Ähnliches!“, berichtete Riggs. „Die Oberflächen der Säulen scheinen als Projektionsflächen für bewegte Reliefs zu fungieren!“

„Der Zugang zum internen System des Zwischenschotts wird verweigert“, erklärte Erixon. „Wir kommen hier im Moment nicht weiter.“

„Dann lassen Sie die Marines das Schott gewaltsam öffnen“, sagte Sunfrost. Sie wandte den Blick zur der Bildersäule. „Lassen sich die Daten, die hier dargestellt werden, abzapfen?“

„Durchaus“, meinte Bruder Guillermo. „Das Problem ist, dass diese Daten auf einer fünfdimensionalen Mathematik beruhen, die wir bisher nicht kennen. Der Verbrauch an Speicherplatz ist ungeheuer groß und um das Material zu komprimieren, müssten wir dessen Struktur besser verstanden haben.“

„Von den Fulirr ist uns die Benutzung derartiger Codes nicht bekannt“, meldete Riggs. „Oder haben Sie da neuere Erkenntnisse, Bruder Guillermo?“

„Nein, Lieutenant.“

In diesem Augenblick meldete sich Sunfrosts Kommunikator mit eine Summton.

Es war die STERNENKRIEGER.

„Hier Lieutenant Commander Van Doren.“

„Was gibt es, I.O.?“

„Ein Fulirr-Schiff befindet sich im Orbit und hat uns nochmals davor gewarnt, mit eigenen Kräften den Konsensdom zu betreten. Ich habe unseren Standpunkt gemäß den Befehlen von Admiral Nainovel dargelegt und meinen Gesprächspartner an das Oberkommando unserer Flottille auf der STAR WARRIOR verwiesen.“

„In Ordnung, Lieutenant. Versuchen Sie, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Möglicherweise sollten wir sogar die Zusammenarbeit mit den Fulirr suchen, auch wenn Admiral Nainovel derzeit eine andere Direktive zu verfolgen scheint.“

„Vielleicht werden Sie sich schon bald selbst mit den Fulirr auseinandersetzen müssen, Captain. Die Ortung meldet mir gerade, dass die Fulirr zwei Beiboote ausschleusen.“

„Danke, Lieutenant Commander.“

Sunfrost unterbrach die Verbindung.

„Captain, das Energieniveau ist innerhalb weniger Sekunden um hundert Prozent gestiegen!“, meldete jetzt Riggs. „Hier wird eine technische Anlage hochgefahren. Und die Quelle der vorhandenen Energieströme liegt eindeutig in dem getarnten Bereich unter dem Dom.“

Bruder Guillermo starrte ebenfalls wie gebannt auf das Display seines Ortungsgerätes.

In der Mitte des Vorraums begann sich das Gestein der Bodenplatten aufzulösen. Es verschwand einfach. Ein Schacht in die Tiefe öffnete sich.

„Formbare Energie!“, stieß Bruder Guillermo voller Bewunderung hervor. „Captain, ich weiß, dass man dieses Phänomen damit nur unzureichend beschreiben kann, aber...“

Er stockte, als plötzlich ein Kürbis großer Heptaeder aus dem Schacht hervorschwebte. Er war mit einer bläulich schimmernden kristallinen Schicht bedeckt, die Sunfrost sofort an die Außenhaut der Etnord-Schiffe erinnerte.

Das Objekt schwebte etwa drei Meter empor, blieb aber über dem Schacht. Antennenartige Teleskoparme wurden auf eine Länge von fünfzig Zentimetern ausgefahren.

Das bläuliche Leuchten wandelte sich in ein dunkles Rot.

„Mister Riggs, Ihre Analyse!“, verlangte Sunfrost.

„Ein technischer Mechanismus, deren Funktionsweise uns nicht bekannt ist. Auf jeden Fall scheint es sich nicht um Fulirr-Technik zu handeln“, gab Riggs Auskunft.

Und Bruder Guillermo ergänzte: „Der Schacht führt in den getarnten Tiefenbereich!“

„Können Sie das näher orten?“

„Nein, ein Tarnfeld hält in einer Tiefe von hundert Metern die Abschirmung gegen unsere Peilung aufrecht. Da lässt sich nichts machen.“

„Plötzlicher Anstieg des Energielevels im Heptaeder“, meldete Riggs.

Blassrosa Strahlen schossen aus mehreren der antennenartigen Teleskope heraus.

Sie schossen quer durch den gewaltigen Vorraum des Konsensdoms. Einer der Strahlen traf den Marineinfanteristen Trockau. Er stürzte von der viele Meter hohen Kanzel, auf der er sich postiert hatte.

Wie ein Stein fiel Trockau zu Boden. Er prallte mit einem schrecklich harten Geräusch auf. Offenbar hatte er den Fall überhaupt nicht mit dem aufgeschnallten Antigrav-Pak abgebremst.

Regungslos blieb Trockau liegen.

Im nächsten Moment knallte Ruben auf den Stein.

„In Deckung!“, rief Corporal Terrifor.

Sunfrost ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie duckte sich zusammen mit Bruder Guillermo hinter die Säule, deren bewegten Bilderstrom sie zuvor bewundert hatte.

Schon im nächsten Moment zischte ein blassrosa Strahl dicht an ihr vorbei und ging etwa einen Meter neben ihr in den Boden – ohne dort irgendwelche sichtbaren Spuren zu hinterlassen. Weitere Strahlen zuckten durch den Raum.

Der Marine Levoiseur feuerte mit dem Gauss-Gewehr auf den fliegenden Heptaeder. Zwei Projektile trafen, drangen aber nicht durch. Stattdessen wurden sie als Querschläger weitergeschickt und fuhren durch die Decke, wo sie einen Daumen großen Schusskanal hinter sich herzogen. Deckenmaterial rieselte daraufhin herab.

Der Heptaeder wurde durch den Treffer etwa fünfzig Meter durch den Raum gestoßen und prallte gegen eine der bebilderten Säulen. Blitze zuckten daraufhin diese Säule entlang. Eine Lichterscheinung hüllte sie für Augenblicke vollkommen ein. Die Säule knickte ein und brach zusammen. Dort, wo sie an der Ecke befestigt war und aus ihrer Verankerung herausgerissen wurde, verzweigten sich plötzlich Risse in dem glatten, marmorartigen Material aus dem der Dom erbaut worden war.

Nirat-Son, der bis dahin zusammen mit Erixon vergeblich versucht hatte, dass Innenschott des Vorraums zu öffnen, aktivierte sein Antigrav-Pak. Er schnellte damit empor, sodass er in eine gute Schussposition kam. Einer der blassrosa Strahlen zischte haarscharf an ihm vorbei. Im nächsten Moment feuerte Nirat-Son seinen Traser ab. Die Energiestrahlen trafen das Heptaeder-Objekt, das daraufhin das Feuer einstellte. Ansonsten hatte der Beschuss aber keinerlei Wirkung.

Der Heptaeder schwebte etwas empor. Levoiseur griff zum Thermostrahler. Ein erneuter Beschuss mit dem Gauss-Gewehr hatte keinen Sinn. Die Außenhaut des Objekts war offenbar so stabil, dass ein Gauss-Projektil nur bei höherer Auftreffgeschwindigkeit einzudringen vermochte. Aber die dabei entstehende Kraft wäre nicht mehr kontrollierbar gewesen. Möglicherweise hätte Einsturzgefahr für diesen Teil  bestanden.

Der Thermostrahl erfasste den Heptaeder.

Auch DiStefano und Terrifor griffen zu den Thermostrahlern und feuerte auf das Objekt.

Es verharrte an einer Stelle, dann sank es langsam zu Boden. Das rote Leuchten, das die kristalline Schicht erfüllte, wurde zunächst wieder bläulich. Dann verlosch es ganz.

Der Heptaeder steuerte auf den geöffneten Schacht zu, sank tiefer.

Aber in diesem Augenblick rekonstituierte sich der aus einem marmorähnlichen Material bestehende Boden.

Es sah aus, als würde die Luft zu flimmern beginnen und dann zu Stein erstarren.

Der Heptaeder wurde durch diese sich in Materie verwandelnde Energie aufgefangen.

Einen Sekundenbruchteil später steckte er bis zur Hälfte in dem etwa welligen, wie aufgeschmolzen aussehenden Steinboden. Von der Schachtöffnung war nichts mehr zu sehen.

*

VORSICHTIG NÄHERTEN sich Sunfrost und die anderen dem Heptaeder. Die Marines DiStefano und Levoiseur waren die ersten, die ihn erreichten.

Miller, Brasco und Nabiles – drei weitere Marines – kümmerten sich um ihre Kameraden Trockau und Ruben.

Aber da war nichts mehr zu machen.

Innerhalb der Anzüge war nichts weiter als ein graues Pulver zu finden, in das die Körper der von den blassrosa Strahlen getroffenen Marineinfanteristen umgewandelt worden waren.

Sunfrost schwebte hinzu und landete mit ihrem Antigrav-Pak bei den Marines.

„Captain, so etwas habe ich noch nie gesehen“, stellte Ali Miller sichtlich konsterniert fest. „Der Anzug ist vollkommen unversehrt – aber die Strahlung ist offenbar durch die Panzerung gedrungen und hat einen chemischen Umwandlungsprozess bewirkt.“

Sunfrost schluckte.

Es gab Dinge, an die sich auch der Captain eines Kriegsschiffs niemals gewöhnen konnte. Zumindest wenn dieser Captain Rena Sunfrost hieß. Und dazu gehörten Verluste unter der Mannschaft, ganz gleich ob die nun bei Außenmissionen oder im Gefecht zu beklagen waren. 

Sunfrost hatte sich bewusst dafür entschieden, die Schiffsärztin Dr. Nikolaidev nicht an der Außenmission teilnehmen zu lassen. In diesem Fall wäre ihr die Aufgabe zugefallen, eine umfassende Analyse der Todesursache durchzuführen und natürlich bestand auf einer Außenmission immer ein erhöhtes Risiko für die Teilnehmer, die Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen zu müssen. Demgegenüber hatte Sunfrost aber abwägen müssen, was es möglicherweise für die Mannschaft bedeutete, wenn die STERNENKRIEGER II während eines zukünftigen Gefechts ohne Schiffsarzt war. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in Kürze erneut zu Kampfhandlungen kam, war sehr groß. Schließlich näherte sich eine Etnord-Flotte dem Nabman-System, deren Absichten noch völlig im Unklaren lagen.

Sunfrost wandte sich an die Marines. „Stellen Sie eine stabile Datenverbindung zur STERNENKRIEGER und Dr. Nikolaidevs Krankenstation her“, befahl sie. „Nehmen Sie Ihre Ortungsgeräte und scannen Sie die Körper der Gefallenen – oder das, was von ihnen übrig geblieben ist – mit einer größtmöglichen Auflösung ab und schicken Sie die Daten an unsere Schiffsärztin. Vielleicht bekommen wir dadurch ja ein paar brauchbare Hinweise.“

„Ja, Ma’am“, murmelte Miller.

Sein Kamerad Lew Brasco begann bereits mit der Arbeit und nahm den Ortungsscanner von der Magnethalterung seines schweren Kampfanzugs.

Rena schwebte zurück und landete in der Nähe des in den Boden eingesunkenen Heptaeders.