Chronik der Sternenkrieger - Kosmischer Feind - Alfred Bekker - E-Book

Chronik der Sternenkrieger - Kosmischer Feind E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner. In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf... Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet. >+++< Chronik der Sternenkrieger: Vier Romane in einem Band, zusammen ca.500 Taschenbuchseiten Science Fiction Abenteuer INHALT Band 13 Letzte Chance Band 14 Dunkle Welten Band 15 In den Höhlen Band 16 Die Feuerwelt

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Alfred Bekker - Chronik der Sternenkrieger: Kosmischer Feind

Sunfrost Sammelband, Volume 4

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2018.

This is a work of fiction. Similarities to real people, places, or events are entirely coincidental.

ALFRED BEKKER - CHRONIK DER STERNENKRIEGER: KOSMISCHER FEIND

First edition. February 6, 2018.

Copyright © 2018 Alfred Bekker.

ISBN: 978-1386945543

Written by Alfred Bekker.

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Copyright Page

KOSMISCHER FEIND | Chronik der Sternenkrieger 13-16 (Sammelband, 500 Seiten Science Fiction Abenteuer) | von Alfred Bekker

INHALT

Band 13 | Letzte Chance

Band 14 | Dunkle Welten

Band 15 | In den Höhlen

Band 16 | Die Feuerwelt

Further Reading: Rote Schwerter - dunkle Magie: 1500 Seiten heroische Fantasy

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About the Author

About the Publisher

KOSMISCHER FEIND

Chronik der Sternenkrieger 13-16 (Sammelband, 500 Seiten Science Fiction Abenteuer)

von Alfred Bekker

EIN CASSIOPEIAPRESS E-Book

Die abweichenden Original-Printausgaben erschienen in der Romanreihe „Sternenfaust“

© 2005,2008,2013 by Alfred Bekker

© 2013 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

––––––––

ALFRED BEKKER schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

>+++<

Chronik der Sternenkrieger: Vier Romane in einem Band, zusammen ca.500 Taschenbuchseiten Science Fiction Abenteuer

INHALT

BAND 13  LETZTE CHANCE

Band 14  Dunkle Welten

Band 15  In den Höhlen

Band 16  Die Feuerwelt

Band 13

Letzte Chance

SPACE ARMY CORPS BASE 567, Alpha Picus...

»Ich glaube, ich habe da was«, murmelte Dr. Xandra Dominguez.

Ihre Finger glitten mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit über ein Terminal. Der Blick der jungen Assistentin, die sich durch ihre Tätigkeit auf der in der Nähe von Wurmloch Alpha gelegenen Station SACB 567 ihre ersten wissenschaftlichen Sporen verdiente, war starr auf das Display gerichtet. Außerdem trug sie einen Kopfhörer. Professor Yasuhiro von Schlichtens hagere Gestalt trat an die junge Frau heran.

»Sagen Sie bloß, Sie konnten das Signal noch einmal um den Faktor zwei verstärken.«

»Ja. Allerdings kommt so gut wie nur Datenmüll dabei heraus. Bis auf ein zusätzliches Wort auf der Audio-Spur, das ich herausbekommen konnte. Es scheint ein Name oder so etwas zu sein.«

»Dann lassen Sie diese Audio-Flaschenpost aus der Vergangenheit mal hören, Xandra!«, forderte von Schlichten.

*

ACHT JAHRE HATTE DIESER verstümmelte Sandström-Funkspruch gebraucht, um die fünfzigtausend Lichtjahre von der jenseits des Wurmlochs gelegenen Region Trans-Alpha hierher zurückzulegen. Dass er von den Kolonisten abgeschickt worden war, die man vor zehn Jahren auf eigenen Wunsch in den dortigen Kolonien zurückgelassen hatte, als Wurmloch Alpha sich 2241 schloss, stand fest. Aber der Inhalt der Botschaft ließ sich nach wie vor nur bruchstückhaft rekonstruieren.

Es schien sich um einen Notruf zu handeln, der den Angriff einer fremden, überlegenen Macht dokumentierte.

»Hören Sie sich das an!«, forderte Xandra, nahm den Kopfhörer ab und schaltete den Regler auf volle Lautstärke.

Ein ohrenbetäubendes Rauschen war jetzt zu hören. Dazu ein paar Knacklaute. Und in all dem Chaos schien eine männliche Stimme immer wieder ein Wort zu sagen.

»Ich habe die Sequenz auf Loop geschaltet, damit sie sich ständig wiederholt und man genauer hinhören kann«, erklärte Xandra.

Von Schlichten hob die Augenbrauen und schloss die falkenhaften Augen.

»Etnord«, schien wie aus weiter Ferne die Stimme zu sagen und dank der Loop-Funktion wiederholte sie es ständig.

»Etnord... Etnord... Etnord...«

»Haben Sie eine Ahnung, was man darunter verstehen könnte?«, fragte Xandra Dominguez.

Yasuhiro von Schlichten schüttelte den Kopf. Der geniale Wissenschaftler, der sich als Chefentwickler des Far Galaxy Konzerns hatte beurlauben lassen, um an Bord der Station Space Army Corps Base 567 die Öffnung von Wurmloch Alpha mitzuerleben, machte ein ratloses Gesicht. »Ich fürchte, die Rätsel, die mit diesem Funkspruch zusammenhängen, werden eher zahlreicher, je mehr wir herausfinden!«

»Das Gefühl habe ich auch«, gestand Xandra Dominguez.

Sie unterdrückte ein Gähnen. 36 Stunden lang hatte sie nicht geschlafen, sondern sich mit einem konzentrierten Koffeingetränk wach gehalten.

»Etnord – das könnte ein Name sein. Möglicherweise der Name desjenigen, der den Funkspruch vor acht Jahren absetzte«, vermutete von Schlichten.

Auch er unterdrückte jetzt ein Gähnen. »Vielleicht überprüfen Sie einfach mal anhand der damaligen Personal-Daten, ob es da jemanden gibt, der diesen Namen getragen hat.«

»Glauben Sie, wir kommen so einfach an die individuellen Daten der Bevölkerung des Taralon-Systems heran?«, wunderte sich Xandra Dominguez. »Sie wissen doch, dass die Datenschutzvorschriften erst vor kurzem vom Humanen Rat verschärft wurden.«

»Diese Daten sind erstens zehn Jahre alt und zweitens besteht ein vitales Sicherheitsinteresse der Humanen Welten daran, herauszufinden, was diese Botschaft bedeutet. Setzen Sie also eine Abfrage in Marsch, Xandra. Falls sie negativ befunden wird, müssen wir damit leben.«

»Was ist mit Metz? Soll ich ihn informieren?«

Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen in dem engen Raum.

Professor Jack Metz, der Leiter von Space Army Corps Base 567 war für von Schlichten so etwas wie ein rotes Tuch. Von Schlichten hatte sich selbst berechtigte Hoffnungen gemacht, die Leitung der Station übertragen zu bekommen. Stattdessen war ihm dieser unausstehlich arrogante Karrierist vor die Nase gesetzt worden.

Yasuhiro von Schlichen hatte diesen Schlag noch immer nicht wirklich verwunden.

Aber es blieb ihm keine andere Wahl, als diese Entscheidung zu akzeptieren.

Schließlich war die erneute Öffnung von Wurmloch Alpha das wahrscheinlich wichtigste naturwissenschaftliche Ereignis dieser Jahre und von Schlichten konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, die Chance, daran teilzuhaben, durch irgendwelche leichtfertigen Entscheidungen aufs Spiel zu setzen.

Geld spielte bei der ganzen Sache im Übrigen eine völlig untergeordnete Rolle. Während seiner Zeit

als Entwicklungschef des Far Galaxy Konzerns hatte von Schlichten das Zehnfache von dem verdient, was einem Mitglied der SCB-567-Besatzung zugestanden wurde.

»Soll Metz bereits in diesem Stadium eingeweiht werden?«, formulierte Xandra Dominguez ihre Frage noch einmal neu und diesmal auch etwas diplomatischer.

»Ja, wir können ihn nicht noch länger außen vor lassen. Wenn er merkt, dass ich Soldo schon längst informiert habe, wird er mir an die Gurgel gehen.«

»Selbst schuld, Professor!«

»Am Ende wird er doch gute Miene zum bösen Spiel machen«, behauptete von Schlichten. »Warten Sie es ab!«

»Wenn Sie meinen...«

»Tun Sie mir einen Gefallen, Xandra! Informieren Sie Metz und nehmen Sie sein dummes Gesicht dabei mit der Kamera Ihres Kommunikators auf.«

»Das ist albern, Sir!«

Von Schlichten seufzte. »Sie haben Recht. Also informieren Sie ihn einfach und anschließend versuchen wir, noch etwas mehr aus dieser kosmischen Flaschenpost – oder wie auch immer man dieses verstümmelte Signal bezeichnen soll – herauszuholen. Allzu viel Zeit dürfte uns ohnehin nicht mehr bleiben.«

»Wieso?«

»Die STERNENKRIEGER und die NEPTUN werden in Kürze hier auf SACB 567 andocken, um uns an Bord zu nehmen.«

»Wie ich sehe, wissen Sie manchmal einfach mehr als ich«, erwiderte Xandra mit einem etwas spitzen Unterton.

*

»AUSTRITT AUS DEM SANDSTRÖM-Raum«, verkündete John Taranos, der Ruderoffizier der STERNENKRIEGER. Mit einer Geschwindigkeit von 0,37 LG materialisierte der Leichte Kreuzer im Dienst des Space Army Corps der Humanen Welten im Normalraum.

Auf dem Panoramaschirm der Brücke war dadurch keinerlei Veränderung zu erkennen.

»Captain, die NEPTUN von Commander Wong ist kurz nach uns aus dem Sandström-Raum gekommen«, meldete Ortungsoffizier Lieutenant David Kronstein.

»Wundern Sie sich nicht, wenn noch weitere Schiffe materialisieren«, sagte Commander Rena Sunfrost.

Die Kommandantin der STERNENKRIEGER war von ihrem Platz aufgestanden. Ein verstümmelter Notruf war aufgefangen und teilweise durch die Wissenschaftler von Space Army Corps Base 567 rekonstruiert worden. Vor acht Jahren war dieser Notruf aus der 50.000 Lichtjahre entfernten Raumregion Trans-Alpha abgeschickt worden. Darin war von einem Angriff einer überlegenen Macht die Rede. Viel mehr war bisher nicht entschlüsselt worden.

Commodore Soldo, der Kommandant aller Space Army Corps-Einheiten innerhalb des so genannten Picus-Sektors, hatte dies jedoch dazu bewogen, unverzüglich weitere Einheiten in unmittelbare Nähe des Wurmlochs zu beordern.

Es ist schon eigenartig, dachte Rena Sunfrost. Bisher hat man ausschließlich das Augenmerk darauf gelegt, dieses Wurmloch nach außen hin zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass es sich nicht irgendeine interessierte Macht einfach unter den Nagel reißt!

Doch jetzt kam eine weitere Dimension dazu.

Plötzlich fürchtet man sich vor dem, was aus diesem Tunnel durch die Raumzeit hervortreten könnte!

Die Befürchtungen des Commodores waren im Übrigen auch nicht von der Hand zu weisen.

Er nahm die mögliche Bedrohung, die aus dem Wurmloch selbst kam, immerhin ernst genug, um eine Ausdünnung der Frontpatrouillen am Grenzgebiet zu den sauroiden Fulirr in Kauf zu nehmen.

»Wir bekommen ein Signal von der Space Army Corps Base 567!«, meldete Lieutenant Susan Jamalkerim, die Kommunikationsoffizierin der STERNENKRIEGER. »Es ist Professor Metz persönlich. Die Nachricht wird im Konferenzmodus mit der NEPTUN empfangen.«

Rena atmete tief durch.

Sie mochte den arroganten, aber genialen Wissenschaftler mit seinen hervorquellenden Glupschaugen nicht. Es war vor allem die blanke Arroganz, die sie abstieß. Seinen Stellvertreter an Bord der SACB 567 kannte Rena noch sehr viel besser.

Yasuhiro von Schlichten war während vergangener gemeinsamer Missionen oft über die Grenzen seiner Kompetenz hinausgegangen und hatte sich den Unmut von Sunfrost und ihrem damaligen Ersten Offizier Wong vor allem dadurch zugezogen, dass er sich in Belange der Mannschaft einmischte.

Aber das war Vergangenheit.

Rena hatte jetzt kurz Augenkontakt mit Lieutenant Commander Steven Van Doren. Eigentlich hatte sie dem Blick ihres neuen Ersten Offiziers ausweichen wollen, aber nun war es zu spät.

Lass nicht zu, dass du dir bei diesem degradierten Captain immer so vorkommst, als wäre er eigens zu deiner Beaufsichtigung auf der STERNENKRIEGER, ging es ihr durch den Kopf.

Als auf dem Hauptschirm das Gesicht des Chefwissenschaftlers von Space Army Corps Base 567 erschien, erlöste Rena das von der Notwendigkeit, irgendetwas zu sagen.

»Wie lange werden Sie brauchen, um mit Ihren Schiffen bei uns anzudocken?«, erkundigte sich Professor Metz grußlos.

»In etwa neun Stunden«, erklärte Rena. »Es wäre schön, wenn Sie und Ihr Team sich dann bereithalten würden.«

»Selbstverständlich, Captain Sunfrost. Im Übrigen wird jeweils die Hälfte unseres Teams auf eines Ihrer beiden Schiffe gehen. Schließlich wollen wir Ihre Kapazität an freien Kabinen ja nicht überstrapazieren und außerdem bedeutet es ein geteiltes Risiko.«

»Sie scheinen mit ernsten Schwierigkeiten auf der Trans-Alpha-Seite des Wurmlochs zu rechnen«, stellte Rena Sunfrost fest.

Metz nickte. »Es könnte die Situation entstehen, dass wir einer unbekannten Macht begegnen. Ich nehme an, dass Sie über den Funkspruch informiert wurden, der vor acht Jahren aus Trans-Alpha abgesandt wurde.«

»Commodore Soldo hat uns die bereits vorliegenden Daten übermittelt«, erwiderte Rena.

»Möglicherweise haben wir neue Erkenntnisse, bis Sie hier eintreffen. Mein Kollege von Schlichten arbeitet sehr intensiv daran.«

Der Tonfall, in dem er von »seinem Kollegen von Schlichten« redet, spricht Bände, dachte Rena. Ein gutes, professionelles Dienstverhältnis sieht ganz sicher anders aus...

Metz beendete die Verbindung.

Rena Sunfrost wandte sich an Van Doren. »Sie haben die Brücke, I.O.!«

»Aye, aye, Captain.«

*

SAMTRAN VIII, IM GEBIET der Fulirr

Dieser Planet gleicht einer offenen Wunde, dachte Gator.

Der Methan atmende Naarash blickte gebannt auf die Anzeige des Panoramabildschirms seines Flaggschiffs LASGARAN, das immer tiefer in die mit Stickstoff und Kohlendioxid gesättigte Atmosphäre von Samtran VIII sank. Der Sauerstoffanteil betrug magere elf Prozent, was für die meisten Sauerstoffvölker zu wenig war, um ihre Hirnfunktionen aufrecht zu erhalten. Für die sauroiden Fulirr hingegen reichte dieser Anteil.

»Wir werden in wenigen Kurzzeitintervallen an die schwebende Residenz des Oberbefehlshabers der Fulirr-Raumstreitkräfte in diesem Gebiet andocken«, meldete der Ruderoffizier der LASGARAN.

Normalerweise war ein Schiff dieser Größe nicht für die Landung auf einem Planeten geeignet. Der Transport von Waren oder Personen zur Oberfläche geschah mit Hilfe von Beibooten.

Auf Samtran VIII, einem Außenposten im Nalhsara der Fulirr, war die Situation jedoch nicht mit anderen bewohnten Welten vergleichbar. Die Oberfläche war von gewaltigen Rissen durchzogen, durch die immer wieder flüssiges Magma an die Oberfläche des Planeten gelangte. Vulkanausbrüche von ungeheuren Ausmaßen kennzeichneten das Geschehen.

Mitunter stieg dadurch die Temperatur an der Oberfläche von 150 auf bis zu 2000 Grad Celsius. Wolken von giftigem Schwefel krochen durch die Täler zwischen den gigantischen Kratern. Kaum hatte sich die Oberfläche des achten Planeten der gelben Sonne Samtran etwas beruhigt, brach sie auch schon erneut auseinander. Wie blutige Wunden wirkten diese Magma-Ausbrüche. Wunden, die kaum lange genug Zeit bekamen, um vernarben zu können.

Für die Fulirr gab es aber dennoch einen Grund, hier zu siedeln, auch wenn die Bedingungen dafür extrem waren und es an der Oberfläche nur mit großem technischem Aufwand überhaupt möglich war zu überleben. Die große vulkanische Aktivität von Samtran VIII sorgte dafür, dass viel ultraschweres Material aus dem innersten Kern des Planeten an die Oberfläche gespült wurde. Material, das ansonsten nicht zugänglich war und auf Grund des hohen Drucks und der hohen Temperaturen, denen es ausgesetzt gewesen war, über besondere Eigenschaften verfügte. Die Hochtechnologie der Fulirr hatte für derartige Materialien zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten und so gehörte Samtran VIII trotz der widrigen Umstände an seiner Oberfläche zu einem der am meisten florierenden Planeten innerhalb des gesamten Nalhsara.

Hinzu kam in jüngster Zeit noch die Tatsache, dass sich das Samtran-System in einer Nachbarschaft von nur wenigen Lichtjahren zu dem sich gerade öffnenden Wurmloch lag, das von den Menschen die Bezeichnung Alpha bekommen hatte.

Die Wirtschaft des Nalhsara ging nämlich davon aus, dass sich dieses Wurmloch und die damit verbundene Passage sehr bald in den Händen der Fulirr befinden würde, womit die Möglichkeit eröffnet wurde, die Rohstoffe des Samtran-Systems über die Wurmlochpassage in ein 50.000 Lichtjahre entferntes Gebiet zu transportieren. Die Chance, dort auf Völker zu treffen, die technisch in der Lage waren, die hochwertigen Materialien überhaupt zu verarbeiten, wurde optimistisch eingeschätzt. Dasselbe galt für die Möglichkeit, das Wurmloch auch tatsächlich zu erobern, schließlich waren die Menschen den Fulirr technologisch unterlegen. Sie mochten einen verlustreichen, hinhaltenden Abwehrkrieg führen können, aber kaum jemand im Nalhsara gab den fragilen Säugetierabkömmlingen eine realistische Chance, Wurmloch Alpha auf Dauer in ihrem Besitz halten zu können.

200.000 Fulirr lebten auf Samtran, wie der Naarash Gator aus dem abgehörten Funkverkehr wusste.

Die gesamte Bevölkerung siedelte in Dareshar, der Schwebenden Stadt, wie die Übersetzung dieses Begriffs lautete. Sie schwebte auf gewaltigen Antigrav-Feldern in luftiger Höhe. Der Kurs, den die Stadt nahm, wurde dabei von einem Großrechner gesteuert, der in der Lage war, den Gas- und Hitzeausbrüchen auszuweichen, sodass sie sich stets in Gebieten aufhielt, in denen die Oberflächentemperatur deutlich unter siebzig Grad und damit im für Fulirr tolerablen Bereich lag. Stieg die Temperatur einmal an oder kam es zu den gefürchteten Gasausbrüchen, so ließ man die Schwebende Stadt einfach ein paar hundert Meter in die Höhe steigen, wo die Temperatur schnell sank.

»Wir erhalten die Daten und den Leitstrahl zum Andocken, regierender Handelsherr!«, meldete der Ruderoffizier.

»Dem Verborgenen Gott sei Dank«, sagte Gator, der die auf angenehme vier Grad Celsius temperierte Methanatmosphäre innerhalb der LASGARAN einsog.

»Ich hoffe nur, dass die andere Seite auch tatsächlich ernsthaft über unser Angebot verhandeln will!«, äußerte sich der Erste Offizier, was nur an dem Rangabzeichen erkennbar war, das er um den Hals trug, denn wie alle Naarash hatte er sein Gesicht durch Tücher verdeckt.

»Den Eindruck hatte ich von Marrashtuorr durchaus«, meinte Gator, der vom Kapitänsrat des Naarash-Handelshauses Algorar gewählte kommandierende Handelsherr. Eine Naarash-Flotte aus den Schiffen von mindestens acht Handelshäusern konnte Gator anbieten, um die Fulirr bei ihrem Versuch, sich das Wurmloch unter die Reptilienklauen zu reißen, zu unterstützen. Eine derartige Koalition hatte es seit langem nicht mehr unter den staatenlosen, in Handelsföderationen organisierten und heimatlos im All nomadisierenden Methanatmern gegeben. Der Glaube an die Ebenbildlichkeit der Naarash mit dem Verborgenen Gott und das Streben nach Profit waren die bestimmenden Triebfedern ihres Handelns.

Und die Öffnung des Wurmlochs war sowohl in ökonomischer als auch in religiöser Hinsicht eine Verheißung, bestand doch die Möglichkeit, dass es sich um das legendäre Tor zum Land der Verklärten Ordnung handelte, von dem in der Überlieferung des Methanatmer-Volkes immer wieder die Rede war.

Wenig später tauchte die Schwebende Stadt auf dem Hauptschirm in der Zentrale der LASGARAN auf. Es war ein erhabener Anblick. Sie war geformt wie eine abgeplattete Halbkugel mit einem Durchmesser von drei bis vier Kilometern. Auf der flachen Seite ragten Gebäude empor. Eine Kuppel aus einem transparenten Material überspannte die Oberseite. Sie diente wahrscheinlich dazu, die Stadt vor den extremen Temperaturschwankungen und den Gasausbrüchen zu schützen.

Aus dem Halbrund der Unterseite ragten antennenartige Teleskope hervor. Außerdem gab es rohrartige Fortsätze, die ausgefahren werden konnten. An ihnen dockten Raumschiffe oder Transportgleiter an. Mehrere Keilschiffe der Fulirr lagen hier bereits.

Die LASGARAN folgte dem Leitstrahl der Fulirr und dockte an.

Gator erhob sich aus seinem Kommandantensitz. Er sah den Verhandlungen mit den neuen Alliierten optimistisch entgegen.

Ungehinderter Zugang zum Tor, das war es, was die Naarash für ihr Bündnis verlangten.

Eine Bedingung auf die sich das Nalhsara eigentlich einlassen konnte, ohne seine Interessen zu verraten, wie Gator fand. Die ersten Reaktionen auf dieses Angebot und die Tatsache, dass man ihm angeboten hatte, auf Samtran persönlich weiterzuverhandeln, nahm der regierende Handelsherr als positive Zeichen.

Gator beorderte zwei Offiziere und zwei Sicherheitskräfte zu seiner Begleitung in die Atmosphärenschleuse der LASGARAN. »Wir sehen uns im Schutzanzug«, kündigte er an.

*

MARRASHTUORR GLICH einem gewöhnlichen, durchschnittlichen Fulirr. Langsam hatte er sich in seine Funktion als Befehlshaber, der sich am Rande des Nalhsara sammelnden Flotte von Keilschiffen hineingearbeitet. Diese Flotte wartete auf eine Gelegenheit, das Wurmloch im Gebiet der Menschen zu erobern. Der erste Versuch in dieser Richtung konnte mit Fug und Recht als gescheitert angesehen werden. Marrashtuorr war sich der Tatsache bewusst, dass die Abwahl seines Vorgängers durch die Konsensgemeinschaft aller Fulirr – was die eigentliche Bedeutung des Begriffs Nalhsara war – mit den hohen Verlusten in Zusammenhang stand, die an Bord der angreifenden Keilschiffe erlitten worden waren.

Aus den Fehlern seiner Vorgänger zu lernen, hielt Marrashtuorr daher für außerordentlich wichtig. Aber die Stimmung im Nalhsara reagierte außerordentlich sensibel.

Schon die Zerstörung des Horchpostens auf einer Dunkelwelt auf der anderen Seite der Grenze hatte die Zustimmungswerte zu seinem Vorgehen drastisch verändert.

Wahrscheinlich war die Tatsache, dass er noch im Amt war, nur dem Umstand zu verdanken, dass es zur gleichen Zeit einen recht spektakulären Angriff der K'aradan auf das fast sechzig Lichtjahre entfernte Ishor-System gegeben hatte und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von daher abgelenkt gewesen war. Andere hatten für die Geschehnisse im Ishor-System gerade zu stehen und sich für ihre Entscheidungen gegenüber dem Nalhsara zu rechtfertigen. Der zuständige Kommandant des Abschnitts war mit einem gebrochenen Reißzahn davongekommen, wie eine Redensart der Fulirr lautete, wenn der entstandene Schaden für den Betreffenden zwar unangenehm, aber nicht existenzgefährdend war.

Noch hatte Marrashtuorr den regierenden Handelsherrn des Naarash-Handelshauses mit einer endgültigen Antwort hingehalten. Aber er würde in dieser Angelegenheit sehr bald Position beziehen müssen und seinen Vorschlag dann dem Nalhsara zur unmittelbaren Abstimmung vorlegen.

Es gab zwei Fragen, die ihn dabei vor allem beschäftigten.

Die erste hatte natürlich damit zu tun, inwiefern es sinnvoll war, den Beistand dieses Händlervolkes anzunehmen, dass natürlich seine eigenen Interessen verfolgte und ganz gewiss einen hohen Preis für seine Bündnisdienste fordern würde.

Einen Preis, der wohl nur darin bestehen konnte, dass die Naarash freien Zugang zum Wurmloch bekamen, was natürlich die uneingeschränkte Verfügungsgewalt, die das Nalhsara anstrebte

– und zwar mit überwältigend hohen Abstimmungsergebnissen! – erheblich einschränkte.

Die andere Frage, die den Fulirr-Kommandanten von Samtran VIII und des gesamten Sektors mindestens ebenso stark beschäftigte, bezog sich darauf, welche Wirkung es für seine eigenen Sympathiewerte hatte, wenn er in dieser Angelegenheit eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung traf.

Angenommen ich empfehle ein Bündnis und die Mehrheit entscheidet sich dagegen – wie stehe ich dann da?, ging es ihm durch den Kopf.

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine derartige Nichtakzeptanz einer Entscheidung den Sturz des Amtsträgers zur Folge hatte, der sie vorgeschlagen hatte. Da konnte man dem Nalhsara gegenüber noch so sehr beteuern, man werde die Mehrheitsentscheidung aller zur Konsensgemeinschaft gehörenden Bürger des Nalhsara akzeptieren, selbst wenn man anfänglich eine andere, abweichende Meinung vertreten habe.

Viele Abstimmungsberechtigte glaubten einem das dann einfach nicht mehr. Es brauchte sich nur ein anderer der Allgemeinheit gegenüber als halbwegs kompetent erscheinender Bürger des Nalhsara finden, der sich gut darzustellen wusste, und man war sein Amt los.

Die radikale Volksherrschaft, wie sie von den Fulirr verstanden wurde, hatte Marrashtuorr insgeheim schon häufig verflucht, auch wenn er sich niemals getraut hätte, so etwas öffentlich zu äußern. Schließlich wäre das einer Beleidigung der Abstimmungsberechtigten gleichgekommen und hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine vernichtende Wahlniederlage zur Folge gehabt.

Bis jetzt kann mir niemand etwas vorwerfen – weder von jenen, die eine Allianz mit den Naarash befürworten, noch mit denen, die glauben, dass die Methanatmer sich lediglich an unsere Macht anzuhängen versuchen, um im Windschatten der kommenden Konflikte ihre eigenen Interessen zu verfolgen, überlegte der Kommandant. Und es kann nicht schaden, den Standpunkt des Gegenübers genauestens zu prüfen, was ich natürlich tun werde!

Aber irgendwann, dass wusste auch Marrashtuorr, würde dieser Augenblick der Entscheidung kommen. Wenn nicht sogar vorher noch irgendetwas Unvorhergesehenes geschah, und sein Name viel früher zur Disposition stand. Die Vernichtung des Horchpostens durch die Menschen hatte den Stein bereits bewegt, der nun nur noch einen ganz geringen Druck brauchte, um endgültig ins Rollen zu geraten und vielleicht zu einer Lawine zu werden, die niemand mehr aufzuhalten vermochte.

Eine Tür öffnete sich und ein Offizier erschien.

»Ehrenwerter Kommandant, unser Gast ist in der Schwebenden Stadt angekommen«, erklärte er. »Wir sollten ihn nicht auch noch warten lassen.«

Marrashtuorr ließ die Zungen aus dem lippenlosen Maul hervorschnellen und schaltete die Anzeige des Rechners ab, auf dem die Entwicklung der Sympathiewerte sowie die Ergebnisse der letzten Nalhsara weit durchgeführten Abstimmungen verzeichnet war. Nach komplizierten mathematischen Verfahren wurden daraus Trends ermittelt, die in einer Reihe von Kurvendiagrammen dargestellt wurden. Jetzt wurde der Schirm dunkel.

»Sie haben Recht«, sagte der Kommandant von Samtran VIII. »Die Naarash empfinden es ja meines Wissens nach schon als unhöflich, wenn wir ihnen mit unbedeckten Gesichtern entgegentreten, da wollen wir sie nicht auch noch mit Unpünktlichkeit verärgern.«

*

LIEUTENANT COMMANDER Seiichi Ishikawa war seit vier Jahren Funkoffizier an Bord der LIBERTY, einem Schlachtschiff der Dreadnought-Klasse, das von Commodore Thorbjörn Soldo als Flaggschiff für die von ihm kommandierten Space Army Corps Einheiten im Picus Sektor benutzt wurde. Seine Finger glitten über die Sensorfelder des Touchscreens, der zu seiner Konsole gehörte. Vor zehn Jahren war Ishikawa Lieutenant auf der PLUTO unter Commander Van Doren gewesen und hatte an der Mission des Space Army Corps zur Rückholung der Trans-Alpha-Siedler mitgewirkt. Eine Kommandofunktion hatte er niemals angestrebt. Sein vorrangig technisches Interesse galt Kommunikationssystemen aller Art und so fühlte er sich in seiner Position auf der LIBERTY sehr gut aufgehoben. Im Grunde tat er dasselbe, was er zuvor schon auf der PLUTO und davor als Fähnrich auf einem kleinen Raumboot der Lokalverteidigung getan hatte. Nur die technischen Systeme, die ihm mit dem aufsteigenden Rang zur Verfügung standen, hatten sich verändert. Eigentlich gab es niemanden, den er beneidete. Doch in diesen Tagen ertappte er sich manchmal dabei, dass er jetzt sehr gerne mit einem der Kommunikationsoffiziere an Bord der beiden Schiffe getauscht hätte, die von Commodore Soldo damit beauftragt worden waren, auf die andere Seite des Wurmlochs vorzustoßen.

Was ist aus dem Taralon-System geworden?, ging es ihm durch den Kopf.

Zweieinhalb Millionen Siedler – gut die Hälfte der damals dort ansässigen Bevölkerung – hatte es vorgezogen, auf den Taralon-Planeten zu bleiben. Alle anderen Siedlungen in Trans-Alpha waren zu vernachlässigen. Es war ohnehin kaum eine darunter gewesen, die vor dem Exodus mehr als zehntausend Einwohner gehabt hatte.

Was für einen Mut hatte diese Menschen doch ausgezeichnet, die sich nicht davon hatten abhalten lassen, ihren Traum zu verwirklichen, auch wenn sie dabei ohne den Schutz der Humanen Welten hatten auskommen müssen.

Ishikawa empfand Bewunderung dafür und war sich gleichzeitig in seinem tiefsten Inneren der Tatsache bewusst, dass er wohl niemals selbst diesen Mut gehabt hätte. In Wahrheit bist du doch froh gewesen, dass dir so grundsätzliche Entscheidungen von deinen Befehlshabern im Space Army Corps abgenommen werden!, überlegte er. Es ist eben nicht jeder als Pionier geboren...

Ein Sandström-Funksignal traf ein und riss den Kommunikationsoffizier der LIBERTY urplötzlich aus seinen Gedanken. Von einer Sekunde zur anderen war er geistig wieder im Hier und Jetzt.

»Commodore, wir erhalten eine Transmission des Oberkommandos!«, meldete er.

»Das dürfte die angekündigte Lagekonferenz sein«, äußerte sich Commodore Thorbjörn Soldo. Der blonde Bartträger mit der an einen Wikinger erinnernden Erscheinung erhob sich von seinem Schalensitz und zog die Jacke seiner Uniform glatt, die sich um den Bauch herum schon wieder etwas spannte.

»Sie haben recht, Sir«, bestätigte Ishikawa. »Das Signal wird im Konferenzmodus gesendet.«

»Ich nehme es in meinem Raum entgegen«, erklärte Soldo.

Er wandte sich an Commander Damian Duvalier, seinen Ersten Offizier. »Sie haben das Kommando, I.O.«

»Jawohl, Sir«, bestätigte Duvalier.

»Falls sich irgendeine Veränderung der Lage ergeben sollte, dann möchte ich davon unverzüglich unterrichtet werden. Gleichgültig, ob wir mit unserer Lagebesprechung bereits fertig sind oder nicht.«

»In Ordnung.«

»Diese hohen Tiere sollen sich nicht so haben, wenn sie sich in ihren sicheren Büros mal ab und zu ein bisschen gedulden müssen! Wir halten hier schließlich unsere Köpfe hin und nicht die!«

*

SOLDO NAHM IN SEINEM Büro Platz, das etwa die gleiche Ausdehnung hatte, wie die entsprechenden, dem Captain zur Verfügung stehenden Räume auf einem Leichten Kreuzer. Der Unterschied lag nur darin, dass dieser Raum tatsächlich nur dem Captain gehörte und er ihn nicht gleichzeitig noch als Konferenzraum für das an Bord Dienst tuende Offizierskorps nutzen musste.

Soldo aktivierte den Wandbildschirm.

Auf verschiedenen Bildfenstern erschienen die Teilnehmer der Konferenz. Außer Admiral Mark Akato, dem Obersten Kommandanten des Space Army Corps waren noch Admiral Gregor Raimondo, der inzwischen im Humanen Rat eine wichtige Rolle spielte und keinerlei Kommando mehr hatte, sowie Admiral Norman Fabri und Commodore Tim Bray Jackson anwesend.

Letzterer war zum aktuellen Krisenstab hinzugezogen worden, nachdem der in Ehren ergraute Admiral Müller sich zu einer dringenden ärztlichen Behandlung nach Genet hatte begeben müssen und bis auf Weiteres nicht an den Entscheidungen des Krisenstabes teilhaben würde.

Einziger Zivilist in der Runde war Julian Lang, der Vorsitzende des Humanen Rates.

Allerdings spielte er die entscheidende Rolle, denn letztlich war er es, der den Humanen Rat informierte und dessen Autorität Abstimmungen in die eine oder andere Richtung bewegen konnte.

»Wir haben ihren aktuellen Lagebericht erhalten«, erklärte Julian Lang. »Gibt es inzwischen irgendwelche neuen Erkenntnisse, was diese Funkbotschaft aus dem Trans-Alpha-Gebiet angeht?«

»Bisher nicht«, erklärte Soldo. »Ich hatte vor zwei Stunden ein längeres Gespräch mit Professor von Schlichten, der an diesem Problem arbeitet. Außer dem Wort Etnord konnte kein weiteres Phonem rekonstruiert werden. Und selbst da sind wir uns ja nicht sicher, ob es sich tatsächlich um einen Namen handelt oder nur die verstümmelten Reste eines anderen Begriffs oder Namens.«

»Wir haben inzwischen umfangreiche Untersuchungen zu diesem Punkt durchführen lassen«, erklärte Mark Akato.

»Danach gab es unter den Siedlern im Taralon-System insgesamt 26 Personen, mit dem Namen Etnord und weitere 103 Personen mit Namen, die dieses Phonem in Abwandlungen erhalten. Etwa van Etnorden, Etnordenheim, Etnordor, Etnordsjowsky und so weiter. Von diesem Personenkreis wiederum war einer – Jason Etnordssaint – Offizier der lokalen Raumverteidigung. Er kommandierte ein Raumboot.«

»War es mit Sandström-Funk ausgerüstet?«, fragte Soldo.

»Es verfügte über einen sehr schwachen Sandström-Sender, der eine verzögerungslose Kommunikation innerhalb des Systems ermöglichte, zumindest unseren zehn Jahre alten Unterlagen nach«, erklärte Akato.

Soldo nickte.

Ein Raumboot ohne eigenen Sandström-Antrieb brauchte nicht unbedingt ein Kommunikationssystem, das Lichtjahre weit reichte. Häufig wurde daran gespart, insbesondere bei privaten Reedereien oder auch den lokalen, nicht dem Space Army Corps unterstellten Verteidigungskräften einzelner Systeme, deren individuelle Wirtschaftskraft und das damit verbundene Steueraufkommen zu extremer Sparsamkeit zwangen.

»Der abstrahlende Sandström-Sender muss sehr stark gewesen sein«, sagte Soldo. »Das ist die übereinstimmende Ansicht des Wissenschaftlerteams unter Professor Metz.«

»Das Raumboot könnte nachgerüstet worden sein«, schlug der seit seiner Teilnahme an der Schlacht um das Tridor System vollkommen haarlose Commodore Tim Bray Jackson als Lösung vor.

»Näheres wissen wir wohl erst, sobald die STERNENKRIEGER und die NEPTUN die Trans-Alpha-Seite des Wurmlochs erreicht haben«, erklärte Soldo. »Wir werden uns also noch etwas gedulden müssen, so Leid es mir tut.« Der Commodore räusperte sich und zog erneut seine Uniform glatt, eine Geste, die ihm immer dann unterlief, wenn er sich unsicher fühlte. »Seit meinem letzten Lagebericht ist hier im Übrigen noch die Meldung über ein kleines Grenzscharmützel eingetroffen. Commander Abdul Rajiv von der TAJ MAHAL meldete kurzen Feindkontakt mit einem Fulirrschiff, etwa anderthalb Lichtjahre von Picus Major entfernt. Die TAJ MAHAL beklagt geringe Verluste und Schäden. Sie befindet sich auf dem Weg nach Spacedock 112.«

»Haben Sie den Eindruck, dass ein Großangriff unmittelbar bevorsteht?«, erkundigte sich Admiral Akato.

»Unser Kundschafter-Schiff, der Leichte Kreuzer ALHAMBRA unter Tho Melrose, hat sich bis auf anderthalb Lichtjahre an das Samtran-System auf Seiten des Nalhsara herangewagt. In der Fernortung konnte die Signatur eines Naarash-Schiffes angemessen werden, aber Captain Melrose und seine Crew haben das Signal wieder verloren. Näher heranzufliegen, um es zu bestätigen, erschien zu risikoreich.«

»Wir haben mit den Naarash ja bereits unangenehme Erfahrungen gemacht«, sagte Julian Lang. Er zog die Augenbrauen zusammen, sodass in der Mitte seiner Stirn eine tiefe Furche entstand. »Commodore, halten Sie es für möglich, dass sich dort ein Bündnis unserer Feinde zusammenbraut?«

»Auszuschließen ist das nicht«, meinte Soldo.

*

DIE LEICHTEN KREUZER STERNENKRIEGER und NEPTUN hatten an der die Sonne Alpha Picus umkreisenden Space Army Corps Base 567 angedockt. Von hier aus war es nur noch ein etwa halbtägiger Unterlichtflug zum eigentlichen Wurmloch, zu dessen Beobachtung die Forschungsstation eingerichtet worden war.

Zu Rena Sunfrosts Missvergnügen bestand Professor Metz darauf, die wichtigsten Offiziere beider Schiffe auf der Station zu empfangen. Aber da ihr Verhältnis sowohl zu Metz als auch zu von Schlichten nicht gerade das Beste war, hatte sie nicht die Absicht, die Grundlage der Zusammenarbeit zusätzlich zu untergraben.

So wechselte sie zusammen mit Bruder Guillermo und Lieutenant Commander Van Doren auf die Station über, während an Bord Lieutenant Kronstein das Kommando führte.

In der Messe der Station trafen sie unter anderem auf Commander Raphael Wong von der NEPTUN und dessen Ersten Offizier Lieutenant Brian Mayer.

Darüber hinaus waren natürlich Metz und von Schlichten sowie dessen Assistentin Dr. Xandra Dominguez anwesend.

Etwas abseits stand ein Mann mit kahlem Kopf und dafür bis zum Rippenbogen reichenden und in zwei Zöpfe geflochtenen Bart.

Wong und Van Doren schienen ihn zu kennen.

»Ich darf Ihnen Professor Dr. Miles Rollins vorstellen«, erklärte Metz, zu dem die Rolle des Conferenciers einfach nicht passte. »Er hat gegenwärtig einen Lehrstuhl für Exomedizin und Exobiologie an der Far Galaxy Akademie auf Sedna inne und wird an unserer Expedition teilnehmen, da wir auch auf diesem Gebiet nicht auf fachkundigen Rat verzichten können.«

Der ehemalige Schiffsarzt der STERNENKRIEGER hatte sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Rena kannte ihn nur von den Logbuchaufzeichnungen ihres Vorgängers her. Ich hätte ihn nicht wieder erkannt, dachte sie.

»Was macht meine Nachfolgerin, Dr. Nikolaidev?«, fragte Rollins an Sunfrost gewandt, als er sie mit einem festen Händedruck begrüßte. »Ist sie immer noch bei Ihnen an Bord?«

»Ja, und ich hoffe ehrlich gesagt, dass das auch noch eine Weile so bleibt, denn sie macht ihren Job ziemlich gut.«

»Im nächsten Jahr wird eine Assistentenstelle an der Sedna Akademie frei. Ich hoffe, Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich Dr. Nikolaidev darauf anspreche.« Rena lächelte verhalten.

»Bitte erst nach Erledigung unserer Mission, Professor«, sagte sie. »Sonst bringen Sie mir den Lieutenant mit Ihrem Angebot zu sehr durcheinander!«

»Oh, glauben Sie wirklich, jemand könnte Schiffsärztin an Bord eines Space Army Corps Schiffes werden, ohne eine gewisse psychische Robustheit mitzubringen? Ich denke, Lieutenant Nikolaidev hätte ansonsten die besonders strengen Eingangstests für den medizinischen Dienst innerhalb des Space Army Corps niemals bestanden.«

»Natürlich«, sagte Rena ernst. Humor hat er jedenfalls nicht, stellte sie dabei in Gedanken fest.

Metz ergriff jetzt wieder das Wort, nachdem ein Begrüßungsdrink gereicht worden war.

»Commander Sunfrost, Commander Wong!«, sagte er schließlich und eigentlich hatte jeder im Raum jetzt die Vermutung, dass er irgendeinen feierlichen Trinkspruch im Hinblick auf ein Gelingen der Wurmloch-Mission ausbringen würde. Aber das war keineswegs Metzs Art. Er trank sein Glas leer und erklärte hart und klar: »Ich verlange von den Kommandanten der beiden Space Army Corps-Schiffe, die uns nach Trans-Alpha bringen sollen, dass sie für ausreichende Räumlichkeiten sorgen. Und damit meine ich nicht nur die Zur-Verfügung-Stellung von Kabinen! Nein, wir brauchen vor allem die Möglichkeit, unseren Forschungen nachgehen zu können und Labors einzurichten.«

»Im Maschinentrakt werden wir die Funktionen einiger Kontrollräume zusammenlegen, sodass in den frei werdenden Räumen Ihre Labors eingerichtet werden können«, erwiderte Rena. »Professor von Schlichten kennt das ja schon...«

»Ich denke, wir werden uns nicht beklagen können«, war von Schlichten überraschend zuversichtlich und Rena glaubte schon fast, sich verhört zu haben, bis der Star-Wissenschaftler und beurlaubte Chefentwickler des Far Galaxy Konzerns noch hinzusetzte: »Zumindest nicht in dieser Hinsicht!«

*

ZWEI STUNDEN BRAUCHTEN die an der Expedition teilnehmenden Wissenschaftler, um ihre Laborausrüstung und ihr privates Gepäck an Bord der Raumschiffe zu bringen. Yasuhiro von Schlichten wurde dabei ebenso wie Professor Rollins und Dr. Dominguez der STERNENKRIEGER zugeteilt, während Professor Jack Metz mit insgesamt vier Kollegen und zwei Assistenten an Bord von Wongs NEPTUN ging.

Anschließend brachen die beiden Schiffe auf.

Der planetare Nebel, der die planetenlose Sonne Alpha Picus umkreiste, hatte die Region verlassen, in der sich das eigentliche Wurmloch gebildet hatte.

Dessen Position war inzwischen auf Grund der beeindruckenden, blitzartigen Lichteffekte nicht mehr zu übersehen. Wie ein permanentes, kaltes Feuer flackerten diese Blitze auf. Dahinter war eine schlundartige Struktur schon aus einer Entfernung von einer halben astronomischen Einheit aus dem Weltraum zu sehen.

Während der gesamten Wurmloch-Passage bestand eine permanente Kom-Verbindung zwischen der Brücke und den Wissenschaftlern um Professor von Schlichten, die sich in einem der Kontrollräume des Maschinentrakts ein Labor eingerichtet hatten. Dasselbe galt natürlich auch für Metz und sein Team an Bord der NEPTUN. Die eingehenden Ortungsdaten wurden dabei auf beiden Schiffen unverzüglich den jeweiligen provisorischen Labors zugeleitet, zwischen denen im Übrigen noch eine zusätzliche permanente Schiff-zu-Schiff Datenleitung geschaltet werden konnte, die sowohl über Sandström-Funk als auch über konventionelle Funkverbindungen schaltbar war.

Jede gemessene Veränderung der Strukturdaten des Wurmlochs wurde auf diese Weise sofort einer eingehenden und fundierten wissenschaftlichen Analyse unterzogen.

Man hatte inzwischen mehrere Sonden auf die Trans-Alpha Seite des Wurmlochs geschickt und anschließend auf einem zuvor programmierten Kurs zurückkehren lassen. Diese Sonden waren allesamt wohlbehalten zurückgekehrt und hatten dabei wertvolle Daten geliefert. Unter anderem konnte man sich sicher sein, beim Durchgang durch das Wurmloch auch tatsächlich in jener Region anzukommen, mit der man bei dieser Passage bereits vor einem Jahrzehnt verbunden gewesen war.

Die Aufzeichnungen der astronomischen Daten dieser Sonden sprach in diesem Zusammenhang eine mehr als deutliche Sprache.

»Flugdauer bis zum Eintritt in die Passage beträgt noch 12 Stunden 34 Minuten«, meldete Fähnrich Lin Al-Katibi. Er vertrat den Ruderoffizier Lieutenant John Taranos für einige Zeit an den Steuerkontrollen. Den eigentlichen Durchgang würde sich Taranos natürlich nicht nehmen lassen!

Mit maximaler Beschleunigung schwebte die STERNENKRIEGER ihrem Ziel entgegen. Etwa nach zwei Dritteln der Strecke, die die STERNENKRIEGER noch bis zum Wurmloch zurückzulegen hatte, würde das Bremsmanöver eingeleitet, sodass die STERNENKRIEGER schließlich mit einer Geschwindigkeit von 0,05 LG das Wurmloch durchfliegen würde.

Eine höhere Eintrittsgeschwindigkeit war nicht sinnvoll, da andernfalls bereits bei kleinen Kursungenauigkeiten von weniger als einem Grad die Gefahr bestand, dass das Schiff am Ziel schlicht und ergreifend vorbeiraste und keine Möglichkeit mehr bestand, schnell genug eine Kurskorrektur durchzuführen. Zwar waren die Veränderungen an der Raumzeitstruktur, die mit dem Aufreißen des Wurmlochs einhergingen, viele astronomische Einheiten weit als Lichterscheinungen sichtbar, aber der Durchgang selbst betrug lediglich zwischen zehn- und zwanzigtausend Kilometer.

Dieser Wert veränderte sich in periodischen Abständen, was auch den Wissenschaftlern vor zehn Jahren, bei der Eröffnung von Wurmloch Alpha zunächst große Sorgen bereitet hatte.

Schließlich bestand zumindest theoretisch durchaus die Möglichkeit, dass der Raum immer weiter aufriss und anschließend ein großer Raumsektor quasi verschluckt wurde.

Es gab sogar die Theorie, dass so ein Ereignis die Größe einer galaxisweiten Katastrophe erreichen konnte, von der die gesamte Milchstraße betroffen war.

Die Befürchtungen hatten sich als falsch herausgestellt – was nicht bedeutete, dass diese rein rechnerisch vorhandene Möglichkeit nicht doch noch irgendwann Realität werden konnte. Aber es schien so zu sein, dass ein ansteigender Wert des Durchmessers der so genannten Porta, wie die Wissenschaftler der Station SACB 567 den Eingang des Wurmlochs nannten, das sichere Zeichen einer beginnenden Instabilität war.

Zumindest war es vor zehn Jahren so gewesen.

Aber im Moment bestand in dieser Hinsicht keine Sorge. Der schwankende Porta-Durchmesser

wurde von dem Wissenschaftlerteam um Professor Metz ständig überwacht. Waren anfänglich deutliche – auch über den Normbereich hinausgehende – Schwankungen messbar gewesen, die darüber hinaus mit starken Ausbrüchen fünfdimensionaler Strahlung einhergingen, so hatte sich dies sichtlich beruhigt.

50.000 Lichtjahre in einem einzigen Augenblick, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf, während sie nachdenklich in ihrem Kommandantensessel saß und die Beine übereinander geschlagen hatte. Einmal quer durch die Galaxis in einer Pico-Sekunde! Aber für die paar Astronomischen Einheiten bis zum Wurmloch brauchen wir Stunden über Stunden...

Ein Summton deutete an, dass jemand eine Interkom-Verbindung zum Captain wünschte.

Rena Sunfrost nahm das Gespräch entgegen, indem sie auf der Konsole des Kommandanten das entsprechende Sensor-Feld berührte.

Das Gesicht von Bruder Guillermo erschien auf einem in die Konsole integrierten Nebenbildschirm. Der Angehörige des Wissenschaftler-Ordens der Olvanorer, der an Bord der STERNENKRIEGER als Berater diente und dabei zwar die Privilegien eines Offizierrangs genoss, jedoch offiziell nicht in die militärische Hierarchie des Space Army Corps eingebunden war, meldete sich aus Kontrollraum D, wie eine kleine Einblendung im Linken oberen Bildrand verriet. Dort hatten eine Hälfte von Metzs Wissenschaftler-Team sein Labor eingerichtet und für Bruder Guillermo war dies natürlich eine willkommene Gelegenheit, nicht nur den wissenschaftlichen Austausch mit ein paar geschätzten Kollegen zu betreiben, sondern auch eine der wissenschaftlich interessantesten Raummissionen der letzten Jahre hautnah zu begleiten.

»Captain, wir sind hier derzeit mit der näheren Untersuchung des verstümmelten Notrufs beschäftigt, der uns aus der Region Trans-Alpha mit gut achtjähriger Verspätung erreicht hat, und dabei stießen wir auf etwas, das möglicherweise Auswirkungen auf den weiteren Verlauf unserer Mission hat«, sagte Bruder Guillermo.

Etwas weniger kryptisch können Sie sich wohl nicht ausdrücken, Bruder Guillermo?, überlegte Rena. Aber sie verstand die dahinter liegende Absicht sehr wohl. Er will, dass ich ihn im Kontrollraum D aufsuche, um die Angelegenheit zu besprechen, war ihr sofort klar.

Allerdings hatte Rena Sunfrost genau das eigentlich tunlichst vermeiden wollen. Schließlich verstand sie sich alles andere als gut mit Professor von Schlichten, auch wenn sie in letzter Zeit zu einem Verhältnis professioneller Koexistenz gelangt waren.

Der Umstand, dass von Schlichten im Maschinentrakt sein Labor eingerichtet hatte, bewahrte ihn zumindest davor, unnötig oft auf der Brücke aufzusuchen und sich in Dinge einzumischen,

die nun eindeutig nicht in die Entscheidungskompetenz des Wissenschaftlers fielen. Vielleicht war es ihm selbst auch lieber so.

Und dass nicht er selbst, sondern Bruder Guillermo die Aufgabe übernommen hatte, den Captain davon zu überzeugen, dass er sich im Labor sehen lassen sollte, sprach auch Bände.

Rena Sunfrost atmete tief durch.

Noch bevor sie in der Lage war, Bruder Guillermo eine Antwort zu geben, sagte dieser bereits: »Professor von Schlichten würde Ihnen gerne den naturwissenschaftlichen Hintergrund dieser Angelegenheit selbst auseinander setzen, Captain – und ich muss zugeben, dass er auf Grund seiner herausragenden Fachkompetenz auch sehr viel besser dazu geeignet ist, als ich es wäre.«

Als ob er geahnt hätte, was mir gerade durch den Kopf geht!, durchfuhr es Sunfrost. Manchmal war es gespenstisch, wie gut der Olvanorer soziale Situationen und die Stimmungen von Menschen zu erfassen vermochte.

Rena schob dies vor allem auf den Umstand, dass er ein ausgesprochen genauer Beobachter war, der trotz der Tatsache, dass er mit Anfang zwanzig eigentlich noch nicht über besonders viel Lebenserfahrung verfügte, diese Beobachtungen aber mit traumwandlerischer Sicherheit zu interpretieren wusste. Ich sollte mit ihm über Interkom nur noch bei abgeschaltetem Videostream kommunizieren! – Aber wer weiß? Vielleicht reicht ihm schon ein leichtes Vibrieren in der Stimme, um daraus eine komplette Seelenlage zu erschließen!

»Ich werde gleich bei Ihnen sein«, versprach Rena. »Sunfrost, Ende.« Sie erhob sich aus ihrem Kommandantensessel. Bis diese Mission in ihre entscheidende Phase trat, würden leider ohnehin noch einige Stunden vergehen. Vielleicht wird mir die Abwechslung ganz gut tun.

Sie wandte sich an Lieutenant Commander Steven Van Doren.

»Sie haben die Brücke, I.O.«

*

ALS RENA WENIG SPÄTER im Kontrollraum im Maschinentrakt eintraf, musste sie feststellen, dass es dort kaum noch einen freien Quadratzentimeter gab. Professor von Schlichten, seine Assistentin

Dr. Xandra Dominguez und weitere Wissenschaftler von der Space Army Corps Base 567 hatten jeden freien Raum mit ihrer umfangreichen Analysetechnik besetzt.

Mehrere Konsolen waren zusätzlich und ziemlich provisorisch installiert worden, wobei die Wissenschaftler tatkräftig vom Leitenden Ingenieur Lieutenant Simon E. Erixon unterstützt worden waren. Der Genetic mit den infrarotsichtigen Facettenaugen war auch jetzt noch anwesend, um dem Team über kleinere technische Schwierigkeiten hinwegzuhelfen, die sich zu Anfang immer wieder stellten.

Vielleicht ist er aber auch aus purer Neugier hier, vermutete Rena. Genau wie Bruder Guillermo. Aber solange der L.I. seine Pflichten im Maschinenraum nicht vernachlässigt, ist nichts dagegen einzuwenden, dass er dabei ist.

Der Kontrollraum war ausgesucht worden, weil er der größte Raum dieser Art auf dem Maschinendeck war. Wie sich jetzt erwies, reichte er gerade aus.

Die Kollegen, die außer von Schlichten und Dominguez noch hier ihren Forschungen nachgingen, waren Professor Dr. Joss Cullin, Dr. Dr. Wang Zhedong und Professor Nestor Goenec.

Zumindest von Goenec und Cullin wusste Rena, dass sie zuvor an der Space Army Corps Akademie gelehrt hatten. Der Name Wang Zhedong war ihr kein Begriff gewesen, bis sie einen kleinen Artikel im Archiv des Bordrechners der STERNENKRIEGER über ihn fand. Danach war Wang in letzter Zeit durch die Erforschung fünfdimensionaler Effekte so herausragender theoretischer Arbeiten in Sandström-Raumphysik hervorgetreten. Allerdings waren diese Arbeiten allesamt theoretischer Natur und daher für eine breite Öffentlichkeit kaum von Interesse. Geändert hatte sich das erst in letzter Zeit, als die gewaltigen und zum Teil äußerst gefährlichen Outbursts fünfdimensionaler Strahlung im Zusammenhang mit der Rekonstitution von Wurmloch Alpha von sich reden gemacht hatten.

Bruder Guillermo ergriff das Wort. »Wie ich Ihnen schon sagte, Captain, gibt es vielleicht etwas Neues über den Notruf zu erfahren, der vor acht Jahren aus Trans-Alpha abgeschickt wurde.«

»Ich wurde darüber in Kenntnis gesetzt, Sie hätten einen Namen aus der verstümmelten Nachricht herausgefiltert«, stellte Sunfrost fest. »Etnord...«

Von Schlichten nickte leicht. »Das ist richtig. Und wir nehmen an, dass es sich um ein verstümmeltes Fragment des Namens Etnordssaint handelt. Ein Lieutenant dieses Namens befehligte ein Raumboot der lokalen Raumverteidigung.«

»Dann hätte Ihrer Meinung nach dieser Etnordssaint die Nachricht abgeschickt«, schloss Rena.

Von Schlichten bestätigte dies. »Diese Möglichkeit besitzt meinem Erachten nach von allen Theorien die größte Wahrscheinlichkeit – und Ihr Bordrechner stimmt mir in dieser Beurteilung der Fakten im Übrigen voll und ganz zu.«

»Ich allerdings nicht!«, mischte sich jetzt Professor Wang Zhedong ein. »Mein Minderheitenvotum in dieser Frage sollten Sie nicht unterschlagen, Professor!«

»Kein Gedanke!«, knurrte von Schlichten etwas säuerlich und verzog das Gesicht.

»Worum geht es hier jetzt eigentlich?«, fragte Sunfrost mit einem Unterton, der Entschlossenheit verriet. Sie hatte keinerlei Lust, sich mit irgendwelchen Mätzchen aufzuhalten.

Von Schlichten ergriff wieder das Wort. »Captain, wir haben das schwache Sandström-Signal aus Trans-Alpha noch einmal einer erweiterten Strukturanalyse unterzogen – und zwar nicht, um nach zerstörten Informationsanteilen zu suchen, die sich vielleicht noch rekonstruieren lassen, sondern um mehr über die Herkunft des Signals an sich erfahren. Dr. Dominguez hatte diese Idee, und ich muss sagen, ich bin ihr ausgesprochen dankbar dafür. Andernfalls wären wir kaum auf das gestoßen, was sich jetzt herausgestellt hat.« Von Schlichten deutete auf einen der Monitore, auf dem mehrere Kurvendiagramme dargestellt waren. »Sie sehen hier eine schwach ausgeprägte, aber sehr charakteristische Wellenform, die das Signal wie eine Art Echo begleitet hat. Mit ähnlichen Charakteristika versehene Wellenformen begleiten die Sandström-Signale unserer Erkundungssonden, die wir durch das Wurmloch geschickt haben, nachdem sie zurückkehrten.«

»Es handelt sich dabei nicht einfach um eine Resonanz, die bei Kontakt mit fünfdimensionaler Strahlung entsteht«, ergänzte Bruder Guillermo, »sondern um eine ganz spezifische Signatur, die offenbar nur dann erzeugt wird, wenn der betreffende Sandström-Sender tatsächlich ein Wurmloch passiert hat.«

»Alle Schiffe in Trans-Alpha, die von Menschen geflogen werden, haben irgendwann Wurmloch Alpha durchquert«, wandte Rena ein.

»Richtig«, gestand Bruder Guillermo zu. »Aber diese Resonanz nimmt nach einer Wurmlochpassage ab. Wir wissen das von unseren Sonden und aus den Logbuchaufzeichnungen der Schiffe, die vor zehn Jahren die Passage hinter sich brachten. Man kann anhand der Stärke dieses Echos berechnen, wie lange die letzte Wurmlochpassage zurückgelegen hat. Da jede Passage ein eigenes Echo hinterlässt, das sich langsam im Laufe der Zeit abschwächt, können wir auch feststellen, wie oft das betreffende Schiff ein Wurmloch passiert hat. Und genau das ist der springende Punkt.«

Rena Sunfrost zuckte die Achseln. »Es tut mir Leid, Bruder Guillermo, aber mir ist dieser springende Punkt noch nicht so ganz klar!«

Bruder Guillermo wandte sich an Dr. Xandra Dominguez. »Sie sollten es sagen – schließlich haben Sie es herausgefunden.«

Dominguez schluckte. Ihr Gesicht wirkte angespannt.

»Unseren vorläufigen Berechnungen nach hat das Schiff, von dem das Notsignal abgesandt wurde, bereits vor einhundert Erdjahren einmal ein Wurmloch durchquert. Captain, ich weiß, dass das ein vollkommen absurdes Ergebnis ist. Aber die Mathematik ist unbestechlich.«

*

PROFESSOR DR. MILES Rollins – ehedem Schiffsarzt an Bord der STERNENKRIEGER und jetzt Dozent an der Far Galaxy Akademie von Sedna für Exobiologie und Exomedizin, betrat die Krankenstation der STERNENKRIEGER.

Dr. Simone Nikolaidev, seine Nachfolgerin als Schiffsärztin, saß gerade am Rechner, um die Konfigurationsseinstellungen des Steuersystems für das medizinische Labor an Bord zu überprüfen. Wenn es zu einem Notfall kam – was für ein Kriegsschiff wie die STERNENKRIEGER zumeist innerhalb eines Gefechts geschah – und es möglicherweise zahlreiche Schwerverletzte gab, war dazu keine Zeit. In so einem Fall musste natürlich alles sehr schnell gehen – und das hieß insbesondere, medizinische Tests mussten mit großer Routine und hohem Tempo durchgeführt werden.

Dr. Nikolaidev war ganz in ihre Arbeit vertieft.

Das leise Geräusch, das die sich öffnende Schiebetür verursacht hatte, war für sie kein Anlass gewesen, sich umzudrehen. Offenbar glaubte sie, dass einer ihrer Assistenten den Raum betreten hatte.

»Stellen Sie die Blutproben in den Inkubator«, sagte sie. »Und dann gehen Sie bitte los und zapfen noch mindestens 25 Freiwilligen an Bord etwas Blut ab. Das Space Army Corps brennt darauf, die Veränderungen im Blutbild unter dem Einfluss fünfdimensionaler Strahlung zu erforschen – und dabei ist noch höchst umstritten, ob es diesen Einfluss überhaupt gibt!«

»Der Einfluss dürfte in der Tat minimal sein«, stellte Dr. Rollins fest.

Nikolaidev fuhr sofort herum und runzelte die Stirn.

»Dr. Rollins!«, entfuhr es ihr.

Er ließ den Blick durch die Krankenstation schweifen. »Ja, es hat sich einiges geändert hier – seit den Tagen, als ich unter Captain Reilly an Bord der STERNENKRIEGER diente. Sieht ja jetzt fast aus wie ein Luxus-Medocenter!«

Nikolaidev lächelte. »Na ja, mit den Möglichkeiten der Genetiker-Föderation können wir leider nicht mithalten.«

»Das werden wir wohl auch nie!«, entgegnete Rollins skeptisch. Sein Lächeln wirkte etwas gezwungen. »Aber ich bin eigentlich nicht hier, um mit Ihnen über Politik zu reden...«

»Ich bin angewiesen worden, Ihnen ein Teil des medizinischen Labors zur Verfügung zu stellen«, sagte Nikolaidev jetzt etwas schuldbewusst, denn schließlich hatte sie es versäumt, den Wissenschaftler so zu begrüßen, wie es wohl angemessen gewesen wäre. Außerdem hatte sie noch keinerlei Vorbereitungen dafür getroffen, dass Dr. Rollins einen Laborarbeitsplatz eingerichtet bekam.

»Es tut mit Leid«, sagte sie, »aber kurz bevor wir bei Alpha Picus aus dem Sandström-Raum kamen, traf eine neue Order für das medizinische Personal der STERNENKRIEGER und der NEPTUN ein. Wir sollen alle möglichen Proben von den Besatzungsmitgliedern nehmen. Nach der Passage geht das Theater von vorne los.«

»Es gibt gewisse strukturelle Veränderungen auf submolekularer Ebene nach dem Einfluss starker Dosen fünfdimensionaler Strahlung«, erklärte Rollins. »Das ist im Experiment bewiesen worden. Allerdings habe ich mir sagen lassen, dass diese Strahlendosen innerhalb eines Wurmlochs nur dann hoch genug sind, wenn es sich in einem instabilen Zustand befindet und ohnehin nicht durchquert werden kann.«

»Es geht dem Space Army Corps wohl um die Auswirkungen von sehr niedrigen Dosen...«

»Die wir bisher bei unseren Forschungen an der Far Galaxy Akademie auf Sedna nicht nachweisen konnten, Dr. Nikolaidev.« Er lächelte. »Ich muss mich noch immer daran gewöhnen, Sie so zu nennen – Doktor. Sie haben einen erstaunlichen Weg hinter sich gebracht.«

»Danke. Und entschuldigen Sie, dass ich einfach davon ausgegangen bin, dass Sie Ihr Labor erst brauchen, sobald wir uns auf der Trans-Alpha Seite befinden.«

»Oh, Sie haben absolut Recht damit! Mein Forschungsauftrag bezieht sich tatsächlich ausschließlich auf die Trans-Alpha Seite. Ich soll mithelfen, den Gesundheitszustand der in Trans-Alpha zu seiner Zeit zurückgebliebenen Bevölkerung zu beurteilen, soweit das unsere Mission überhaupt zulässt. Also nehme ich nicht an, dass ich Ihnen auch nur einen Quadratzentimeter Ihres Labors streitig zu machen brauche, bevor wir uns nicht im Taralon-System befinden.«

»Da bin ich ja beruhigt, dass Sie das so locker sehen, Professor Rollins.«

»Es hat mir gut getan, die militärische Hierarchie des Space Army Corps zu verlassen«, bekannte Rollins. »Eine derartige Hierarchie neigt zu sehr festgefahrenen Strukturen...«

»Ist das denn bei einem Konzern wie Far Galaxy anders?«, fragte Nikolaidev skeptisch zurück und fragte sich gleichzeitig, worauf dieses Gespräch wohl hinauslaufen sollte.

Sie hatte jedenfalls das Gefühl, dass Rollins es bis an einen ganz bestimmten Punkt führen wollte.

Rollins lächelte nachsichtig. »Sie spielen darauf an, dass die Far Galaxy Akademie auf Sedna den Großteil ihres Etats von jenem Konzern bekommt, der ihr den Namen gegeben hat!«

»Sind Sie nicht so etwas wie ein Angestellter von Far Galaxy?«

»Faktisch genießen wir eine große Freiheit in dem, wie wir unsere Forschungen betreiben. Jedenfalls werden wir nicht an einem so engen Gängelband geführt, wie ich es im Space Army Corps erleben musste...« Er seufzte. »Na ja, diese Zeiten sind für mich ja nun schon lange vorbei und im Rückblick bekommt man ohnehin einen milderen Blick auf vieles, was einen damals so gestört hat.« Dr. Rollins hob die Augenbrauen. »Was Ihre Blutproben betrifft, würde ich Ihnen gerne assistieren. Ich denke, dass Sie zwei helfende Hände durchaus noch gebrauchen könnten...«

»Nun...«

»Es kommt Ihnen eigenartig vor, dass Ihnen Ihr ehemaliger Chef assistiert?« Er schüttelte energisch den Kopf. »Das muss es wirklich nicht. An der Far Galaxy Akademie haben wir flache Hierarchien. In einer Forschungsgruppe muss Teamgeist herrschen und nicht ein Umgang, der sich an irgendwelchen Rangstufen orientiert!«

»Momentan befinden wir uns allerdings an Bord eines Space Army Corps Schiffs«, erinnerte ihn Nikolaidev.

»Wie auch immer. Lassen Sie wenigstens Ihre Krankenstation und den Labortrakt zu etwas werden, was man eine Insel des freien Forschergeistes nennen könnte!«

»So eine Insel wurde schon im Maschinentrakt eingerichtet.«

Dr. Rollins seufzte. »Ja, ich weiß. Mit von Schlichten hatte ich bereits das Vergnügen, mich auf SACB 567 kurz austauschen zu können. Ein wirklich fähiger Mann, den wir leider viel zu selten auf Sedna erleben dürfen...«

Nikolaidev atmete tief durch und nickte schließlich. »In Ordnung, assistieren Sie mir. Ich habe wirklich mehr Arbeit, als ich bis zum Eintritt in das Wurmloch noch zu schaffen vermag.«

»Ich sage Ihnen ja, dass ein militärisches System seine klar erkennbaren Mängel hat... Bei einer vernünftig, wirklich strategisch angelegten Planung, wäre es nicht passiert, dass das medizinische Personal der STERNENKRIEGER mit einem konfusen Untersuchungsauftrag auf Trapp gehalten wird, den sich wahrscheinlich irgendwelche Admiräle am grünen Tisch ausgedacht haben...«

»Eins zu null für Sie, Professor!«, gab sich Nikolaidev geschlagen. »In diesem Punkt muss ich Ihnen ohne Abstriche Recht geben.«

»Vielleicht werden Sie mir auch noch erlauben, einen zweiten Punkt zu machen, wenn wir unser Gespräch bei der Arbeit fortsetzen...«

Nikolaidev verschränkte jetzt die Arme vor der Brust. Was führte Rollins im Schilde?

Scheinbar am medizinischen Notfall-Equipment zur Wiederbelebung von Schwerverletzten und Unterdruckopfern interessiert, ging Rollins durch den Raum, las ein paar Kontrollanzeigen ab und schüttelte hier und da den Kopf.

Die gleiche Gestik wie damals!, dachte Nikolaidev. Unbewusst hatte sie gemerkt, wie sie in Rollins Gegenwart fast so etwas wie Haltung angenommen hatte. Sie fühlte sich ein paar Jahre zurückversetzt, in jene Zeit, als sie noch Krankenschwester gewesen war und die medizinischen Anweisungen ihres Vorgesetzten Lieutenant Rollins entgegengenommen hatte.

Aber diese Zeiten waren vorbei.

Du musst dich davon freimachen!, überlegte sie. Ein für allemal, das ist nicht gegen Rollins gerichtet – aber wahrscheinlich empfinden fast alle Menschen derartige Fesseln gegenüber Menschen, die mal ihre Vorgesetzten oder Mentoren gewesen sind!

»Was würden Sie davon halten, in der Forschung zu arbeiten, Dr. Nikolaidev?«, ließ Rollins jetzt die Katze aus dem Sack.

»Ehrlich gesagt, habe ich noch nie näher darüber nachgedacht«, bekannte die Bordärztin der STERNENKRIEGER. »Meine gegenwärtige Tätigkeit erfüllt mich sehr. Ich bin zwar mit Leib und Seele Ärztin – aber auch Raumfahrerin.«

Rollins machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn es Ihnen um die Erforschung ferner Welten geht, dann sollten Sie die Frau eines Olvanorer-Mönchs werden oder auf einer privaten Forschungsmission anheuern. Aber auf einem Kriegsschiff wie der STERNENKRIEGER sind Sie da denkbar schlecht aufgehoben.«

»Wie auch immer, bislang sah ich keinen Grund, mich zu beklagen.«

»An der Sedna-Akademie wird ein Assistenz-Posten im Fachbereich Exomedizin frei. Und ich bin nicht ganz ohne Einfluss an der Akademie. Jemanden mit Ihrer Zielstrebigkeit könnte ich mir sehr gut in unserem Forschungsteam vorstellen.«

»Danke, Dr. Rollins.«

»Sie brauchen sich nicht gleich zu entscheiden, Dr. Nikolaidev. Schlafen Sie ein paar Mal über die Sache und überlegen Sie gut, ob Sie so ein Angebot wirklich ausschlagen wollen. Sie wissen ja, wenn man irgendwann einmal laut und deutlich nein gesagt hat, wird man später für einen vergleichbaren Posten in der Regel nie wieder ins Gespräch gebracht!«

»Um ehrlich zu sein, habe ich meine Karriere eigentlich nie unter strategischen Gesichtspunkten angelegt, sondern immer getan, was mir sinnvoll erschien. Aber Ihr Angebot ehrt mich natürlich und je länger ich darüber nachdenke, desto reizvoller kann ich mir das vorstellen.«

»Ich denke es reicht, wenn Sie sich bis zum Ende dieser Mission entschieden haben, Dr. Nikolaidev«, erklärte Rollins. »Wenn Sie wirklich auf die Sedna-Akademie wollen, dann müssen Sie es aus vollem Herzen tun, sonst hat es keinen Sinn.«

»Natürlich. Ich werde über Ihren Vorschlag nachdenken«, versprach Nikolaidev.

»Es ist eine einmalige Chance, glauben Sie mir!«

Nikolaidev nickte knapp. »Ja, das weiß ich. Die Far Galaxy Akademie ist auf einigen Gebieten führend innerhalb der Humanen Welten.«

*

RECHTZEITIG BEVOR DIE STERNENKRIEGER die Porta des Wurmlochs passierte, kehrte Rena Sunfrost auf die Brücke zurück.

Der Ruderoffizier Lieutenant John Taranos hatte bereits vor zwei Stunden die Steuerkonsole übernommen. Einige kleinere Kurskorrekturen auf der letzten Etappe waren notwendig. Mit einer Geschwindigkeit von 0,098 LG strebten die STERNENKRIEGER und NEPTUN auf parallel verlaufenden Routen dem Wurmloch entgegen. Die Lichterscheinungen, die die Porta umwaberten, füllten jetzt die gesamte Bildfläche des Panoramaschirms. Nur vereinzelt waren jetzt noch die Sterne im Hintergrund zu sehen.

Im oberen rechten Bildrand wurde eine Anzeige eingeblendet, auf der zu sehen war, wann mit der Passage durch die Porta zu rechnen war.

»Wie ist das fünfdimensionale Strahlungsniveau?«, wandte sich Van Doren an Lieutenant Kronstein.

»Liegt stabil auf einem niedrigen Level«, gab der Ortungsoffizier zurück. »Keinerlei Anzeichen für einen bevorstehenden Outburst.«

»Porta-Durchmesser?«

»Derzeit 12.554 Kilometer. Das liegt im optimalen Bereich.«

Van Doren wandte sich an Rena, die inzwischen in ihrem Kommandantensessel Platz genommen hatte. »Es läuft alles einwandfrei, Captain.«

»Das freut mich zu hören, I.O.«

Der Augenblick des eigentlichen Eintritts rückte immer näher. Die letzten Minuten herrschte, abgesehen von der Abfrage einiger aktualisierter Systemdaten durch den Ersten Offizier, vollkommene Stille.

Der Countdown zum Beginn der Passage lief.

Und eine Pico-Sekunde, nachdem die STERNENKRIEGER und die NEPTUN die Porta überschritten hatten, war es auch schon vorbei. Die Passage verlief in einem für menschliche Begriffe nicht vorstellbar winzigen Zeitrahmen.

Von Nullzeit zu sprechen war da keineswegs übertrieben, wenn auch nicht ganz exakt.

In Wahrheit hatte Metz nämlich inzwischen errechnet, dass es doch eine geringfügige Zeitverzögerung bei einer Wurmlochpassage gab, auch wenn die bislang nur mathematisch bewiesen werden konnte.

»Übertritt ist erfolgt!«, meldete Kronstein. »Wir befinden uns seit mindestens fünf Sekunden im Sektor Trans-Alpha!«

»Was ist mit der NEPTUN?«, fragte Rena.

»Ich empfange gerade ihre ID-Kennung!«, erklärte Lieutenant Susan Jamalkerim. Die für die Kommunikationssysteme zuständige Brückenoffizierin ließ ihre Finger über die Sensorfelder ihrer Konsole gleiten. Die STERNENKRIEGER würde jetzt mit ihren Empfangsaggregaten für den überlichtschnellen Sandström-Funk den Äther nach Transmissionen absuchen, die sich entschlüsseln und mithören ließen, denn daraus konnten vielleicht erste Informationen über die Situation in Trans-Alpha gewonnen werden.

Auf dem Panoramaschirm war abgesehen von verwirrenden Farbmustern und Blitzen nichts zu erkennen. Das Bild verriet in keiner Weise, dass die STERNENKRIEGER innerhalb eines nur noch mathematisch, aber sinnlich erfassbaren Zeitintervalls eine Strecke zurückgelegt hatte, für die das Licht 50.000 Jahre gebraucht hatte.

»Beschleunigen Sie mit maximalem Faktor«, befahl Sunfrost an Taranos gewandt. »Es wird Zeit, dass wir aus dem engeren Bereich um die Porta herauskommen. Wie lange brauchen wir, um die Eintrittsgeschwindigkeit für den Sandström-Raum zu erreichen?«

»6 Stunden, 45 Minuten bei maximaler Beschleunigung«, meldete Taranos.

»Programmieren Sie einen Kurs zum Taralon-System«, befahl Rena.

Die ersten Ergebnisse der Fernortung trafen ein. Danach wurden die für den Trans-Alpha Sektor charakteristischen Sternenkonstellationen eindeutig identifiziert.

Susan Jamalkerim meldete sich jetzt zu Wort. »Captain, ich bekomme einen Funkspruch von der NEPTUN.«

»Schalten Sie den Videostream auf meine Konsole!«, forderte Rena.

Im nächsten Moment erschien das Gesicht von Commander Raphael Wong, dem Captain der NEPTUN auf dem in ihre Konsole integrierten Nebenbildschirm.

»Was gibt es, Raphael?«, fragte sie.

»Meinem Ortungsoffizier ist es kurzzeitig gelungen eine Signatur aufzuzeichnen, die von einem Raumschiff stammen könnte.«

»Ein Kolonistenraumer?«

»Das wäre möglich. Aber die Signatur enthält eine fünfdimensionale Strahlenkomponente, die auf die Verwendung einer bisher unbekannten Technik hindeutet.«

»Überspielen Sie uns die Daten«, forderte Sunfrost. »Dann können wir unser Ortungssystem die Umgebung nach dieser Signatur absuchen lassen.«

»Im Datenstrom dieser Nachricht ist alles Notwendige für einen Abgleich enthalten«, erklärte Wong.

»Wir dürfen nicht vergessen, dass seit unserer letzten Begegnung mit den Trans-Alpha Siedlern zehn Jahre vergangen sind«, sagte Sunfrost.

»Wenn Sie auf mögliche technische Entwicklungen in dieser relativ kurzen Zeitspanne anspielen, Rena, dann würde ich da nicht allzu viel erwarten.«

»Warum nicht? Taralon war ein florierendes Zentrum der Raumfahrtindustrie!«

»Diese Siedler sind in einer denkbar ungünstigen Situation gewesen, als sie sich selbst überlassen wurden. Bedenken Sie, dass die Trans-Alpha-Siedler etwa die Hälfte ihrer Bevölkerung verloren, bevor sie isoliert wurden! Meiner Ansicht nach können wir froh sein, wenn sie ihren technischen Standard einigermaßen gehalten haben sollten.«

»Sind Sie nicht etwas zu pessimistisch, Raphael?«

»Wir werden sehen, Rena.«

Sein asiatisch geprägtes Gesicht blieb vollkommen unbewegt. Aber in der Zeit, in der Wong unter ihr als Erster Offizier der STERNENKRIEGER diente, hatte Rena Sunfrost gelernt, dennoch in diesem Gesicht zu lesen.

Die Verbindung wurde unterbrochen. Rena gab der Kommunikationsoffizierin die Anweisung, die empfangenen Daten auch an von Schlichten und seine Kollegen weiterzuleiten. Schließlich konnte es ja nicht schaden, wenn sie die aufgefangene Signatur einer genaueren Analyse unterzogen.

Kronstein hingegen bekam den Befehl, einen Breitbandscan der Umgebung durchzuführen und die Fernortung auf Hochtouren laufen zu lassen.

Anschließend wandte sich die Kommandantin der STERNENKRIEGER an Van Doren. »Teilen Sie eigentlich die pessimistische Einschätzung von Commander Wong, wonach mit einer technischen Weiterentwicklung bei den Kolonisten kaum zu rechnen ist, I.O.?«

Van Doren hob leicht die Schultern. »Das ist schwer zu sagen.«

»Sie waren immerhin schon mal hier in diesem Gebiet und können sich am ehesten ein Urteil über die Verhältnisse erlauben, die damals von den Kolonisten vorgefunden wurden.«

»In den anderthalb Jahren, in denen Wurmloch Alpha geöffnet war, ist kein Space Army Corps Schiff mit einer Kultur zusammengetroffen, die als bedeutend hätte bezeichnet werden können«, erläuterte Van Doren. »Aber zehn Jahre sind eine lange Zeit. Das kann sich inzwischen geändert haben – und je nachdem, mit wem die Kolonisten zusammengetroffen sind, wird das auch ihre technische Entwicklung mitgeprägt haben.«