Codename: Sentinel - Sawyer Bennett - E-Book

Codename: Sentinel E-Book

Sawyer Bennett

4,3

Beschreibung

Als ehemaliges Mitglied des United States Secret Service' bin ich es gewohnt, im Rahmen meiner Tätigkeit mein Leben aufs Spiel zu setzen. Das Können, das ich mir während meiner Beschäftigung in Washington angeeignet habe, hat mich zu einem geschätzten Mitglied der Jameson Force Security Group gemacht. Doch als der Präsident mich persönlich bittet, seine Nichte zu beschützen, befinde ich mich ganz schnell wieder im Dienst des Oval Office'. Einfach ausgedrückt … Barrett Alexander ist mehr als brillant. Die landesweit renommierte Energieforscherin befindet sich kurz vor dem Durchbruch. Ihre Entdeckung wird die Welt verändern, doch leider macht sie das auch zum Ziel einer Terrorzelle. Während die Bedrohung für Barrett immer größer wird, besteht ihre beste Chance aufs Überleben darin unterzutauchen. Die Gefahr, in der Barrett schwebt, sorgt dafür, dass wir uns näher kommen, als geplant. Schon bald wird mir klar, dass ich sie nicht beschützen will, weil es mein Job ist, sondern weil ich mich in sie verliebt habe. Und nun ist niemand mehr sicher vor meiner Rache, sollte ihr tatsächlich etwas geschehen! Teil 2 der Jameson Force Security-Reihe von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett.

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Sawyer Bennett

Codename: Sentinel (Jameson Force Security Group)

© 2019 by Sawyer Bennett

© 2020 der deutschsprachigen Ausgabe und

Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Englischer Originaltitel: »Code Name: Sentinel (Jameson Force Security Book 2)«

Deutsche Übersetzung: Ute Heinzel für Daniela Mansfield Translations 2020

Covergestaltung: © Mia Schulte

Coverfoto: © Periodimages.com

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-399-6

ISBN eBook: 978-3-86495-400-9

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.

Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.

Inhalt

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Biografie

Kapitel 1

Cruce

Jameson Force Security macht sich unsichtbar. Untergebracht in einem baufälligen, alten Ziegelstein-Warenlager im heruntergekommenen Hill District von Pittsburgh würde selbst in hundert Jahren niemand darauf kommen, dass sich im Inneren eine hochmoderne Computer- und Serveranlage im Wert von mehreren hunderttausend Dollar befindet.

Oder ein schalldichter Schießstand.

Oder einige der am besten ausgebildeten Armee- und Strafverfolgungsspezialisten der Welt.

Oder eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die einige der hochwertigsten technischen Geräte herstellt, bei denen Q von James Bond vor Neid erblassen würde. Dieser besondere Bereich ist in einem unterirdischen Stockwerk des Gebäudes untergebracht, von dem ich bis vor einer Woche nicht einmal etwas wusste. Inhaber Kynan McGrath liebt seine Überraschungen.

Ich muss sagen … bis jetzt gefällt mir alles an meinem Umzug nach Pittsburgh. Ich bin seit fast sechs Wochen hier und hatte keinerlei Probleme, mir an diesem neuen Ort mein Zuhause einzurichten.

Das stimmt.

Ich wohne tatsächlich im dritten Stock der Zentrale, wo Kynan fünf kleine Luxusapartments hat bauen lassen, zusätzlich zu anderen Gemeinschaftsräumen wie einem Fitnessstudio, einem Fernseh- und Unterhaltungszimmer und einer riesengroßen Küche.

Da ich für eine von Kynan angesetzte Pflichtbesprechung bereits einige Minuten zu spät dran bin, verlasse ich schnell mein Apartment. Ich mache mir nicht die Mühe, meine Tür abzuschließen, weil es niemand hier wagen würde, sich ohne meine Erlaubnis Zutritt zu verschaffen. Es ist selbstverständlich, dass ich allen Mitarbeitern bedingungslos vertraue, die Kynan bei Jameson einstellt, weil ich ihm bedingungslos vertraue.

Ich warte gar nicht erst auf den lahmarschigen Lastenaufzug, der sich am nördlichen Ende des Flurs befindet. Es geht immer schneller, die Treppe zu nehmen. Außerdem bin ich der Meinung, dass sie für sich genommen ein architektonisches Wunderwerk ist. Ich habe keine Ahnung, wie viel Geld Kynan in die Renovierung dieses Scheißhaufens gesteckt hat, aber die ausladende Wendeltreppe, die sich vom Erdgeschoss bis zum dritten Stock erstreckt, besteht aus wiedergewonnenem Holz, wird von Stahlkabeln getragen und erweckt den Eindruck, als würde das verdammte Ding in der Luft schweben.

Ich nehme zwei Stufen auf einmal und begebe mich in den ersten Stock, wo sich an der Außenseite die Büros und Besprechungsräume befinden. Die Innenwände bestehen aus Glas und ein kurzer Blick in das größte Konferenzzimmer genügt, um mir zu sagen, dass ich der Letzte bin, der ankommt.

Der riesige Tisch in der Mitte ist ein Kunstwerk. An ihm finden zwanzig Personen Platz, er steht auf in sich verdrehten, rostigen Stahlträgern, auf denen eine dicke Zementplatte aufliegt. So gut wie jeder der weichen Ledersessel, die um den Tisch herumstehen, ist besetzt.

Als ich eintrete, wirft Kynan mir einen kurzen Blick zu und murmelt dann: »Freut mich, dass du trotz deines vollen Terminkalenders Zeit gefunden hast, an unserer Besprechung teilzunehmen.«

»Tut mir leid«, antworte ich grinsend und lasse mich neben Bebe auf einem freien Platz nieder. »Ich habe eine E-Mail des Präsidenten beantwortet.«

Alle drehen die Köpfe zu mir herum, ich jedoch habe nur Augen für Kynan, der eine Augenbraue hochzieht. Nicht auf skeptische Art, weil ich den Präsidenten der Vereinigten Staaten tatsächlich kenne, sondern aus Verärgerung darüber, dass ich diesen Namen so beiläufig erwähne, um mein Zuspätkommen zu entschuldigen.

Deshalb beschwichtige ich ihn etwas. »Er sagt, er müsse mit mir über etwas Wichtiges sprechen.«

Kynans Gesichtsausdruck entspannt sich und er setzt sich etwas gerader hin. »Vielleicht ist dieses Treffen dann nicht so wichtig wie ein Gespräch mit dem Präsidenten«, sagt er.

Lachend schüttele ich den Kopf. »Er möchte, dass ich nach D.C. komme. Er hat gefragt, ob du mich begleiten könntest. Morgen, wenn das möglich ist.«

Eins muss man Kynan lassen. Er ist einfach die Ruhe selbst und zuckt weder zusammen noch blinzelt überrascht. Stattdessen nickt er nur kurz. »Wir unterhalten uns nach dieser Besprechung.«

Ich nicke ebenfalls und denke darüber nach, was wohl so wichtig sein könnte, dass Jonathan Alexander, Präsident der Vereinigten Staaten, mich und Kynan morgen in D.C. sehen will. Das muss jedoch noch etwas warten, denn Kynan erhebt sich von seinem Stuhl, um diese Besprechung zu beginnen.

Er macht eine weit ausladende Geste. »Wie ihr sehen könnt, unser Konferenztisch füllt sich und wir haben heute einige neue Gesichter hier. Ich werde damit beginnen, die neuen Kollegen vorzustellen.«

Ich schaue mich im Raum um und betrachte mir jeden der Anwesenden kurz. Da ich der Erste war, den Kynan eingestellt hat, kenne ich bereits alle, ganz besonders weil er mich zu allen Folgegesprächen hinzugebeten hat, mit Ausnahme des Mannes, der mir gegenüber am Tisch sitzt, Saint Bellinger. Er bekam seinen Job nur wenige Tage nach mir, aber an dem Tag, als er das Gespräch mit Saint hatte, war es meine Aufgabe, Personenschutz für Kynans Verlobte zu leisten.

Natürlich ist es großartig, dass ich nach jenem Tag immer noch einen Job habe, wo ich es doch geschafft hatte, sie unter meiner Aufsicht von einem Psycho-Stalker entführen zu lassen.

Es spricht aber auf der anderen Seite auch für mich, dass Kynan versteht, wie Joslyn mich abgeschüttelt hat, und mich deshalb nicht dafür verantwortlich gemacht hat, sie verloren zu haben.

Dem Himmel sei Dank!

»Ich werde einfach jeden am Tisch schnell vorstellen. Ich erwarte, dass Mitarbeiter, die bereits länger hier sind, sich die Mühe machen und unseren Neulingen dabei helfen, sich zurechtzufinden.«

Gleich rechts neben Kynan sitzt ein junger, dunkelhäutiger Mann mit einer Glatze und sonderbaren graublauen Augen. In seinen Ohren trägt er Diamantstecker und er ist tadellos in einem maßgeschneiderten Anzug gekleidet, der professionell um eine beeindruckende Muskelmasse herumgeschnitten und -genäht ist. Ich würde sagen, er ist ein Profisportler oder so etwas in der Richtung, aber ich weiß, dass das nicht der Fall ist, weil es nicht unserer Art des Geschäfts entspricht.

Jameson Force Security ist eine private Agentur, die Militär- und Sicherheitsspezialisten aus einer Vielzahl von Gründen unter Vertrag nimmt, angefangen bei der Befreiung von Entführungsopfern bis hin zur Durchführung von geheimen Angriffen auf ausländische Feinde.

»Das ist Dozer«, sagt Kynan, als er auf den Mann zeigt. »Ich habe bis jetzt noch keine Jobbezeichnung für ihn, aber er ist ganz offiziell der klügste Mann, der bei Jameson angestellt ist. Er hat einen Intelligenzquotienten von einhundertsiebzig und er hat eine sehr lukrative Position bei der NASA abgelehnt, um bei uns als Leiter von Strategie und Planung anzufangen und gleichzeitig mit Bebe in der IT-Abteilung zu arbeiten. Es ist bekannt, dass Dozer Dinge sieht, die niemand sonst sehen kann, was für unsere Arbeit von unschätzbarem Wert sein wird.«

Alle Köpfe fahren nun zu Dozer herum, der ganz plötzlich zum interessantesten Mann der Welt geworden ist.

Er grinst bloß, wobei seine weißen Zähne vor der dunklen Haut aufblitzen, und sagt: »Außerdem … Kynan hat mir versprochen, ich würde lernen, wie man Sachen in die Luft jagt.«

Dieser Typ hat es echt drauf. Zieht sich an wie ein verdammter Filmstar, sieht dazu noch gut aus, hat einen Verstand, der Stephen Hawking wie einen Idioten erscheinen lässt, und er will Sachen in die Luft sprengen. Ich kann es kaum erwarten, ein Bier mit ihm zu trinken.

Ich lasse den Blick von Dozer zu Saint wandern, der mich angrinst. Er denkt das Gleiche wie ich … dass wir mit Dozer ebenfalls eine innige Männerbeziehung führen werden, wie wir beide es tun, seit wir hier arbeiten. Wir haben gleichzeitig angefangen und waren nicht Teil der ursprünglichen Jameson-Truppe, die aus Las Vegas hierherkam. Diese Typen sind zwar alle großartig und ich vertraue ihnen mit meinem Leben, doch Saint und ich haben uns angefreundet, weil wir zu jener Zeit beide neu waren.

Kynan deutet dann auf die attraktive Brünette, die neben Bebe sitzt. »Ihr alle kennt Dr. Corinne Ellery, weil sie eure psychologischen Gutachten erstellt hat, bevor euch der Job hier angeboten wurde. Es freut mich, euch mitzuteilen, dass sie ab nächsten Monat fest für Jameson arbeiten wird. Momentan ist sie dabei, ihre psychiatrische Praxis in D.C. aufzulösen.«

»Und was genau wird die hübsche Dr. Ellery tun?«, fragt Cage Murdock und schickt ein bezauberndes Lächeln in ihre Richtung, was sie ignoriert. Er ist einer der Kerle, die aus Vegas dazugestoßen sind.

»Sie wird dafür sorgen, dass ihr psychisch absolut fit bleibt, ganz besonders wegen einiger traumatischer Erlebnisse, die uns bevorstehen werden.«

Bei der Ermahnung, dass wir uns auf gefährliche Missionen begeben, erstirbt das schelmische Grinsen auf Cages Gesicht.

»Corinne wird regelmäßige Sprechzeiten sowie ein Büro in diesem Stockwerk haben. Nutzt ihre Dienste freiwillig und bringt mich nicht dazu, euch zu ihr schicken zu müssen.«

Am Tisch ertönt nervöses Gelächter.

»Der Kerl mit dem Militärhaarschnitt am Ende des Tisches wird in ein paar Wochen bei uns anfangen«, fährt Kynan fort, während er auf einen Mann zeigt, der sich ganz offensichtlich im aktiven Dienst befindet. »Das ist Malik Fournier und er hat soeben die Marineinfanterie verlassen, zweites Erkundungskommando. Er wird einige Wochen bei seiner Familie verbringen, bevor er hier bei Jameson einsteigt.«

Ich betrachte mir den Mann genau. Ein Spätzwanziger, würde ich sagen, mit dunklem Haar und haselnussbraunen Augen. Er kommt aus einer Spezialeinheit und sein Blick sagt mir, dass er bereits Dinge gesehen hat, die an der Grenze des Ertragbaren liegen. Er bemerkt, dass ich ihn ansehe, und nickt mir kurz zu, was ich erwidere.

Willkommen an Bord, Kumpel. Wir werden auch zusammen ein Bier trinken.

»Einigen von euch sind vielleicht Maliks berühmte Eishockey-Brüder bekannt«, spricht Kynan in seinem klaren britischen Akzent weiter.

»Fournier?«, zieht Cage das Wort in zögerlicher, aber hoffnungsvoller Überraschung in die Länge. »So wie Max und Lucas Fournier?«

Malik grinst, als er Cage zunickt.

»Ach du heilige Scheiße!«, explodiert Cage, stößt einen Südstaaten-Freudenjuchzer aus und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Corinne Ellery springt beinahe von ihrem Stuhl auf. »Carolina Cold Fury ist meine Eishockeymannschaft. Meine! Zweifache Gewinner des Stanley Cups, Baby.«

Kynan zuckt mit den Schultern. »Ich kenne mich mit diesem Zeug nicht aus. Wo ich herkomme, gibt es kein Eishockey.«

Alle lachen, denn Kynan lebt nun schon lange genug in den Staaten, um zu wissen, was Eishockey ist, und es sollte ihm unmöglich sein, nicht von Cold Fury gehört zu haben. Sie kämpfen derzeit darum, die Meisterschaft zum dritten Mal in Folge für sich zu entscheiden, es könnte aber gut sein, dass das neue Franchise-Team der Liga, die Arizona Vengeance, ihnen einen Strich durch die Rechnung macht.

Eigentlich ist es sogar genau das, worüber sich jetzt alle zu unterhalten scheinen. Kynan lässt das Geplapper für nur etwa drei Sekunden zu, bevor er mit der Hand auf den Tisch schlägt, um wieder Ruhe zu bekommen.

»Ihr könnt euch mit Malik später über Eishockey unterhalten«, brummt er, dann schenkt er seine Aufmerksamkeit der dunkelhaarigen Frau, die neben mir sitzt. »Aber jetzt haben wir erst einmal einige Neuigkeiten im IT-Bereich zu besprechen, deswegen gebe ich weiter an Bebe.«

Alle Blicke sind auf unsere Lieblings-Hackerin gerichtet.

Nun ja, unserer einzigen Hackerin, aber auch wenn es noch andere gäbe, wäre keine so beliebt wie Bebe. Eigentlich ist sie eine verurteilte Straftäterin, aber Kynan hat sie von ihrer fünfunddreißigjährigen Haftstrafe vorzeitig aus dem Gefängnis geholt. Sie war zu Recht des Diebstahls von sensiblen Militärcodes zum Abfeuern von Atomwaffen verurteilt worden, ihre Gründe dafür waren jedoch verständlich. Das Leben ihres Sohnes stand auf dem Spiel und es gibt nichts, was Bebe nicht für Aaron tun würde. Aber weil sie ihr Land ebenfalls liebt, verriet sie die Gruppe, die sie dazu zwang, die Codes zu stehlen, und sorgte dafür, dass sie geschnappt wurde, damit die Codes nicht in falsche Hände gelangten.

Unser Land war in Sicherheit, ihr Sohn war in Sicherheit und Bebe wanderte ins Gefängnis.

Bis Kynan sie bei Jameson an Bord holte.

Bebe ist offiziell einer der tollsten Menschen, die ich kenne, und sie beginnt, eine neue Sicherheitsfunktion vorzustellen, die sie gerade erst installiert hat und bei der Netzhautscans erforderlich sind, um ins Gebäude zu gelangen.

Ich höre ihr nicht mehr zu. So wie es aussieht, werde ich in Kürze meine Augäpfel in ihrem Labor scannen müssen, sie kann mir also dann noch alles erklären.

Stattdessen fische ich mein Telefon aus der Tasche und rufe die E-Mail auf, die ich vor Kurzem erhalten habe.

Es handelt sich nicht um die E-Mail-Adresse des Präsidenten aus dem Weißen Haus. Nein, das hier ist eine private E-Mail, die über einen verschlüsselten Server verschickt wurde.

Allein schon an der Absenderadresse kann ich erkennen, dass sie von Präsident Alexander stammt.

[email protected]

»Cavalier« war Jonathan Alexanders Codename beim Sicherheitsdienst, als er noch Vizepräsident war und ich dazu beauftragt wurde, als Teil seiner Leibwächtergarde zu fungieren.

Die E-Mail ist präzise, aber ich kann deutlich erkennen, dass sie von ihm stammt. Ich habe zu lange eng mit ihm zusammengearbeitet, um es nicht zu bemerken.

Cruce,

ich weiß, dass ich derjenige bin, der Ihnen einen Gefallen schuldet, aber ich brauche wirklich Ihre Hilfe. Diese Sache ist inoffiziell.

Sie haben mir einmal das Leben gerettet. Dieses Mal brauche ich Sie, damit Sie jemand anderes retten, den ich sehr liebe.

Ich werde Ihnen und Kynan McGrath morgen früh Marine One vorbeischicken.

Die E-Mail ist nicht unterzeichnet, aber ich weiß, dass sie von Jonathan Alexander verfasst wurde, dem ehemaligen Vize- und derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Das hier ist keine Anfrage, es ist ein Befehl.

Er sagt, er würde Kynan und mich morgen mit einem der Präsidentenhubschrauber abholen lassen. Er setzt sein Bedürfnis mit der Situation im vergangenen Jahr gleich, als ich sein Leben gerettet habe, deswegen weiß ich, dass es ihm überaus wichtig sein muss.

Selbstverständlich denke ich gar nicht erst darüber nach abzulehnen. Wenn der Präsident deine Anwesenheit fordert, sagt man einfach nicht Nein.

Daher antworte ich einfach nur: Ja, Sir. Bis morgen.

Und es sieht so aus, als würde Jameson seinen ersten großen, inoffiziellen Auftrag direkt vom mächtigsten Mann der Welt bekommen.

Kapitel 2

Cruce

»Der Präsident wird in Kürze bei Ihnen sein«, sagt die Frau, als sie das Oval Office verlässt und lächelt, bevor sie die Tür hinter sich schließt.

Kynan und ich wurden hier hereingebracht, nachdem Marine One auf dem Rasen des Weißen Hauses gelandet war. Diesen Hubschrauberflug habe ich schon einmal gemacht, als Jonathan Alexander Vizepräsident war, trotzdem ist es jedes Mal aufs Neue aufregend. Kynan hat versucht, ganz gelassen zu bleiben, aber ich konnte förmlich sehen, wie er auf seinem Sitz vibrierte, als wir zur Landung ansetzten.

Für die heutige Besprechung haben wir uns für dezente Anzüge entschieden – meiner ist schwarz, der von Kynan dunkelgrau. Ich habe die Hände lässig in die Taschen geschoben, während Kynan eine Ledermappe mit einem darin befindlichen Stift in seinen hält. Höchstwahrscheinlich wird er sich keine einzige Notiz machen. Es handelt sich dabei mehr um eine geschäftliche Requisite.

»Wie fühlt es sich an, wenn der Präsident in deiner Schuld steht?«, fragt Kynan, als er sich von einem Porträt von George Washington abwendet, das über dem Kamin hängt.

»Er steht nicht in meiner Schuld.« Ich betrachte mir die neue Einrichtung, die Präsident Alexander für sein Büro gewählt hat. Farbtöne in Stahlblau und Creme. Männlich und trotzdem elegant. »Ich habe nur meinen Job gemacht.«

»Ja, aber du hast ihn weit über das hinaus gemacht, was irgendjemand anderes von dir erwartet hätte. Du könntest zehn andere Agenten an deine Stelle setzen und sie mit der gleichen Situation konfrontieren, und zehnmal wäre er gestorben.«

Bei dieser Aussage widerspreche ich ihm nicht. Wer weiß schon, was andernfalls geschehen wäre?

Ich weiß lediglich, dass meine Reaktionsgeschwindigkeit weitaus größer war, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. An jenem Tag habe ich eine wichtige Lektion gelernt – ich sollte immer auf mein Bauchgefühl vertrauen.

Es ist erst etwa ein Jahr her, seit es passiert ist. Alexander war immer noch der Vizepräsident des Landes, befand sich jedoch auf Wahlkampftour, weil er sich für eine Kandidatur entschieden hatte, nachdem Präsident Cary Allen beschlossen hatte, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für eine zweite Amtszeit anzutreten.

Wir befanden uns in Loyola, wo Alexander eine Rede hielt. Nachdem er damit fertig war und wir hinaustraten, zog einer der anderen Agenten etwas aus seiner Tasche. Mir blieben nur Millisekunden, um zu reagieren, weil ich nicht wirklich verstand, was ich sah. Ohne darüber nachzudenken oder zu zögern, nahm ich meine Dienstwaffe aus dem Holster und schoss meinem Agentenkollegen in die Brust.

Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine zwanzig Zentimeter lange Klinge und bei dem Agenten um einen verräterischen Scheißkerl, der wegen der ausländischen Kriegspolitik sauer auf unsere Regierung war. Sicher, es wurde behauptet, er hätte eine Geisteskrankheit gehabt, aber darauf scheiße ich. Er war ein Arschloch, das versucht hat, den amtierenden Vizepräsidenten zu ermorden, und er hatte es verdient zu sterben. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Eine der Türen zum Oval Office wird geöffnet – eine andere als die, durch die wir eingetreten sind – und Kynan und ich wenden uns ihr zu. Präsident Alexander tritt ein, gefolgt von zwei wichtig aussehenden Männern in dunklen Anzügen, die mit ihm plaudern. Der Präsident lässt den Blick zu mir wandern und schenkt mir auf dem Weg zu seinem Schreibtisch ein herzliches, aber kurzes Lächeln zur Begrüßung. Einer der Männer erinnert den Präsidenten daran, dass er in fünf Minuten eine weitere Besprechung hat, der andere legt ihm etwas zum Unterzeichnen vor, was Präsident Alexander erledigt, ohne zu zögern.

Dann, genauso schnell wie sie erschienen sind, verlassen die beiden Berater das Büro unauffällig durch dieselbe Tür, durch die sie hereingekommen sind.

Der Präsident geht um den Schreibtisch herum und kommt auf mich zu. Als er mir die Hand hinstreckt, nehme ich sie und bin nicht im Geringsten überrascht, dass ich statt eines formellen Händedrucks eine halbe Umarmung bekomme. »Mann, es ist wirklich schön, Sie zu sehen, Cruce.«

»Es freut mich ebenfalls, Sie zu sehen, Sir.«

Der Präsident löst sich von mir und lächelt mich tadelnd an. »Jon. Sie können mich Jon nennen.«

Lachend schüttele ich den Kopf. »Das wird nicht passieren, Sir.«

Er drückt meine Hand noch einmal, dann lässt er sie los.

Ich wende mich Kynan zu. »Sir … das hier ist Kynan McGrath, Inhaber von Jameson Force Security.«

Die beiden schütteln sich kurz die Hände, dann sagt der Präsident: »Ich habe von einigen ziemlich hohen Kongressmitarbeitern sehr gute Dinge über Sie gehört. Es scheint, Ihr Unternehmen und unsere Regierung arbeiten sehr gut zusammen.«

»Das tun wir, Sir«, antwortet Kynan knapp. »Und wir wollen diese Tradition fortführen.«

Der Präsident lässt den Blick mit einem festen Lächeln einige Sekunden lang auf Kynan ruhen. Vielleicht fragt er sich gerade, wie weit Jameson für sein Land gehen würde. Dann räuspert er sich und deutet auf die beiden Sofas, die einander gegenüberstehen.

Kynan und ich nehmen auf dem einen Platz, der Präsident lässt sich auf dem anderen nieder. Während Kynan und ich auf der Kante sitzen, aufmerksam und bereit zuzuhören, lehnt der Präsident sich zurück und schlägt lässig die Beine übereinander.

Er zupft kurz an der Bügelfalte seiner dunkelblauen Anzughose und streicht über den Stoff, bevor er sich an uns wendet. »Wir haben vor Kurzem Informationen erhalten, die mich persönlich in Alarmbereitschaft versetzt haben. Es ist nichts Genaues und einige meiner Berater sind der Meinung, es sei zu harmlos, um es zu diesem Zeitpunkt ernst zu nehmen.«

»Chatter?«, vermute ich und benutze den Begriff der Funkaufklärung, der sich auf abgehörte Nachrichten bezieht. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um an Informationen zu kommen, doch oftmals geschieht es, indem man den Gesprächen von anderen Menschen zuhört. Das passiert auf der ganzen Welt.

Der Präsident nickt. »Die Verkehrsanalyse hat es in Oman aufgenommen.«

Ich blinzele überrascht, während Kynan antwortet: »Nicht gerade eine Brutstätte terroristischer Aktivitäten, soweit es die Länder im Mittleren Osten betrifft.«

Präsident Alexander nickt. »Deswegen denken meine Berater auch, dass es nichts ist, worüber man sich Sorgen machen sollte.«

»Worum genau geht es in dem Chatter?«, frage ich.

Es ist unübersehbar, dass der Gesichtsausdruck des Präsidenten von persönlicher Sorge überzogen wird, was für mich keinen Sinn ergibt.

Er beugt sich nach vorn, stützt die Ellbogen auf den Knien ab und blickt mir direkt in die Augen. »Unsere Regierung hat die Praemium Group damit beauftragt, an einigen wegweisenden Entwicklungen bei der Fusionsenergie zu arbeiten. Sie ist bemerkenswert nahe daran, einige theoretische Formeln zu vervollständigen, die, wenn sie erst einmal getestet sind, die sauberste und effizienteste Energie liefern könnten, die die Welt jemals gesehen hat.«

»Und die Vereinigten Staaten würden diese Technologie besitzen?«, fragt Kynan.

»Eigentlich würde sie Praemium gehören, aber unser Vertrag legt fest, dass das Unternehmen sie ausschließlich an uns lizenzieren würde.«

»Und was würden die Vereinigten Staaten damit tun?« Das ist wichtig für die Motivation und möglicherweise die Ermittlung dahingehend, wer diese Technologie haben will. In meinem Kopf bin ich bereits soweit zu denken, es könnte sich in dem aufgegriffenen Chatter darum gedreht haben, dass ein anderes Land die Technologie stehlen will.

Der Präsident antwortet nicht sofort und es ist offensichtlich, dass es sich hierbei um Informationen handelt, die er nicht preisgeben sollte. Aber dann beugt er sich noch weiter nach vorn und senkt die Stimme. »Wenn es nach mir ginge, würde ich sie mit den Ländern teilen, die sie am nötigsten brauchen.«

»Ich nehme an, dass der Kongress davon nicht begeistert ist«, vermutet Kynan.

Der Präsident lacht leise. »Nicht die Oppositionsmitglieder.«

»Sie möchten also, dass Jameson … Schutzmaßnahmen rund um Praemium einrichtet? Mit dem Ziel, einen digitalen Diebstahl der bereits verrichteten Arbeit zu verhindern?«

Kynan blickt zu mir und führt diesen Gedankengang fort. »Denn das ist genau Bebes Spezialgebiet. Sie kann verstärken, was immer Praemium nutzt, und darüber hinaus Fallen aufstellen, um die –«

»Das ist es nicht, wofür ich Jameson haben will«, unterbricht der Präsident und wir schauen ihn überrascht an.

Er lässt den Blick auf mir ruhen. »Eigentlich ist es so, dass ich hauptsächlich Cruce einstellen will, aber er wird ebenfalls Verstärkung benötigen.«

»Wofür?«, will ich wissen und runzele verwirrt die Stirn.

»Die leitende Wissenschaftlerin, die an diesem Projekt arbeitet, ist meine Nichte Barrett Alexander«, antwortet er mit vor Sorge angespannter Stimme.

»Barrie?«, frage ich ungläubig und aus irgendeinem Grund benutze ich den Kosenamen, den ich Alexander und seine Frau immer haben sagen hören, wenn sie über sie gesprochen haben. »Aber ich dachte, dass sie für irgendeine große Expertenkommission in Kalifornien arbeitet.«

»Sie hat den anfänglichen Durchbruch in der Forschung geschafft. Praemium hat sie sich geschnappt, nachdem ich sie angefleht hatte, nach D.C. zu kommen, damit sie näher bei uns ist. Was sie tut, ist zu wichtig für die Welt, um es nicht als Vorteil für unsere Regierung zu nutzen.«

»Wer ist Ihre Nichte?«, fragt Kynan, der nicht mehr folgen kann, weil ich sehr viel mehr über Alexanders Familie weiß, da ich ihn vier Jahre lang beschützt habe.

Der Präsident wendet sich an Kynan. »Barrett Alexander ist meine Nichte. Sie ist diejenige, die in unserer Familie die Klügste ist. Sie hat am Massachusetts Institute of Technology studiert und mit zwanzig ihren Bachelor-Abschluss in Chemie und Physik gemacht, zusätzlich zu einem Master in Elektrotechnik. Als sie sechsundzwanzig war, promovierte sie außerdem in Elektrotechnik und Physik. Die letzten sechs Jahre hat sie in Kalifornien gelebt, aber vor etwa vier Monaten ist sie hierhergezogen, um für Praemium zu arbeiten.«

»Der Chatter galt also ihr?«, wage ich eine Vermutung.

Er schluckt hörbar. »Wie ich bereits sagte … es war eine vage Andeutung. Es wurden nur ihr Name und die Forschung erwähnt.«

»Aber warum würde jemand ihren Namen nennen, wenn er bloß an den Formeln interessiert ist?«, frage ich nachdenklich.

»Nichts, was aus dem Mittleren Osten kommt, sollte auf die leichte Schulter genommen werden«, sagt Kynan überzeugt. »Und wenn ihr Name erwähnt wurde, müssen Sie davon ausgehen, dass die Verschwörung sich speziell gegen sie richtet.«

Als ihm klar wird, dass wir verstehen, nimmt das Gesicht des Präsidenten einen erleichterten Ausdruck an. »Aber es reicht nicht aus, das Militär oder weitere Geheimdienstmittel dafür abzustellen. Eigentlich wird diese Forschung von einer privaten Organisation durchgeführt. Die Regierung muss einen gewissen Abstand halten. Aber –«

»Aber es handelt sich um Ihre Nichte und damit wird es zu einer persönlichen Angelegenheit«, stellt Kynan fest.

Der Präsident nickt und ich strenge mein Gehirn an, um mich daran zu erinnern, was ich über Barrett weiß. Ich habe sie nie getroffen. Nur Gespräche mitgehört und einige Fotos von ihr im Haus des Vizepräsidenten gesehen.

Ihr Vater – der Bruder des Präsidenten – ist gestorben, als sie noch sehr jung war. Ein Herzinfarkt, wenn ich mich recht erinnere. Ihre Mutter verstarb, als sie sechzehn und gerade dabei war, aufs College zu gehen. An diese Einzelheit erinnere ich mich gut, denn sie beendete die Highschool zwei Jahre vor ihren Altersgenossen.

Jonathan Alexander, der zu jener Zeit US-Senator in New Hampshire war, und seine Frau übernahmen die Vormundschaft für sie, aber es war mehr in beratender Funktion, da sie auf dem Weg zum Massachusetts Institute of Technology war, um ihr Gehirn mit weiterem Wissen anzureichern. Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern, wie sie überhaupt aussieht. Während der gesamten Zeit, in der ich als Leibwächter für die Alexanders tätig war, befand sie sich in Kalifornien, deshalb habe ich sie auch nie offiziell getroffen.

Trotzdem habe ich während der Zeit, die ich mit der Familie verbrachte, genügend gehört, um zu wissen, dass er seine Nichte wie seine eigenen Töchter liebt und es nichts gibt, was er nicht tun würde, um sie zu beschützen.

»Dann ist das hier also inoffiziell?«, frage ich.

»So inoffiziell, wie es nur möglich ist«, sagt er. »Ich werde selbst dafür bezahlen und nur sehr wenige Menschen werden darüber Bescheid wissen. Nur meine engsten Vertrauten im Weißen Haus.«

»Je weniger, desto besser«, stimmt Kynan zu.

Präsident Alexander blickt mir in die Augen. Was auch immer es ist, um das er mich bitten wird, ich werde es ihm nicht abschlagen können.

»Cruce«, beginnt er mit leicht zitternder Stimme, »ich möchte, dass Sie für ihren persönlichen Schutz zuständig sind. Während ihres Arbeitstages befindet sie sich in einer sicheren Umgebung, aber wenn sie nicht dort ist, ist sie angreifbar. Ich möchte, dass Sie dauerhaft an ihrer Seite bleiben, wenn sie nicht bei der Arbeit ist.«

Ich kann nichts weiter tun, als zustimmend zu nicken. Dieser Mann, vor dem ich großen Respekt habe, hat es für mich zu einer persönlichen Aufgabe gemacht. Kynan denkt zwar, dass der Präsident in meiner Schuld steht, doch es existiert ein Element, das genau das Gegenteil ist. Sobald ich zu dem Mann geworden war, der ihm das Leben gerettet hatte, fing ich an, mich für sein gesamtes Leben zu interessieren. Abgesehen davon ist er ein fantastischer Anführer. Er liebt unser Land und ich glaube an alles, wofür er steht. Und wenn es ihm wichtig ist, dass ich seine Nichte beschütze, dann werde ich seinem Wunsch nachkommen.

Kynan und Alexander fangen an, sich darüber zu unterhalten, welche anderen Ressourcen er von Jameson benötigt. Ich jedoch habe bereits angefangen, darüber nachzudenken, was ich brauchen werde, um Barrett Alexander angemessen zu beschützen.

»Das hier wird ihr nicht gefallen«, sagt der Präsident und bei seinen Worten horche ich auf.

»Was meinen Sie?«, fragt Kynan nach.

Alexander atmet frustriert aus. »Barrie ist … nun ja, sie ist einfach vollkommen auf ihre Arbeit fixiert. So war sie schon immer, fast schon ein wenig gesellschaftsfeindlich. Sie ist ebenfalls ein wenig zu unabhängig, aber das Schlimmste von allem … so unabhängig wie sie ist, so naiv ist sie auch. Barrie wird nicht glauben, dass es eine Bedrohung gibt, und selbst wenn sie es tut, wird sie sämtliche Bemühungen, sie zu beschützen, abwehren. Es gefällt ihr nicht, wenn jemand ihre Routine durcheinanderbringt.«

Kynan und ich sehen uns an. In unseren Jobs haben wir es zuvor bereits mit schwierigen Menschen zu tun gehabt, aber wir wissen beide, dass die zu beschützende Person unsere Autoritätsposition ihr gegenüber akzeptieren muss, damit wir unsere Arbeit ordentlich erledigen können. Wenn ich dem Vizepräsidenten beispielsweise zugerufen hätte: »Auf den Boden!«, als ich für seine Sicherheit zuständig war, habe ich erwartet, dass er sich, ohne zu zögern, hinlegt.

Klingt ganz so, als würde es mit Barrett Alexander ein wenig komplizierter werden.

Der Präsident fährt fort: »Ich würde ihr diesen Schutz gern sofort bieten. Im Sinne von jetzt sofort, wenn es Ihnen beiden nichts ausmacht, über Nacht zu bleiben.«

»Das können wir einrichten«, versichert Kynan ihm.

»Klingt ganz so, als müsste ich mir meine Sachen zuschicken lassen«, murmele ich und nehme mein Telefon aus der Tasche, um Bebe eine Nachricht zu schreiben und zu fragen, ob es ihr etwas ausmachen würde, sich für mich darum zu kümmern. Es ist offensichtlich, dass ich in absehbarer Zukunft nicht nach Pittsburgh zurückkehren werde.

»Sie dachten, Sie hätten D.C. für immer verlassen, nicht wahr?«, fragt Alexander mit einem glanzlosen Lächeln.

»Sie wissen genau, wie sehr ich es hasse, den Dupont Circle zu umkreisen«, scherze ich und versuche, ihn zu beruhigen.

Die Dankbarkeit in seinen Augen und seiner Stimme ist deutlich. »Vielen Dank, Cruce. Das bedeutet mir unendlich viel.«

Kapitel 3

Barrett

Es ist schwer, genervt zu sein, weil Onkel Jon heute mit mir zu Abend essen will. Es ist eine seltene Freude, dass er vorbeikommt, denn ganz egal, wie beschäftigt ich auch sein mag, er ist noch eine Million Mal mehr beschäftigt.

Wo er doch der Anführer der freien Welt ist.

Aber ich bin trotzdem etwas verärgert, denn um ihn in meinem Haus in D.C. willkommen zu heißen, musste ich die Arbeit vorzeitig verlassen, und ich verlasse die Arbeit nie vorzeitig.

Die Arbeit ist mein Leben.

Der Grund meiner Existenz.

Die Gesamtheit meines Seins.

Einige werden sagen, ich sei vielleicht ein wenig besessen.

Aber ich hatte nicht früher gehen müssen, um den Secret Service in Empfang zu nehmen, damit er eine Sicherheitsdurchsuchung durchführen kann. Nicht dass irgendjemand berechtigterweise glauben würde, dass ich eine Bedrohung für meinen Onkel darstelle oder in meiner Garderobe im Flur vielleicht ein skrupelloser Mörder lauert für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Präsident zufällig vorbeischaut.

Nein, die Durchsuchung wurde durchgeführt, während ich noch tief in die Arbeit versunken war.

Aber ich musste trotzdem früher Feierabend machen, denn wenn Onkel Jon sich bei seinem hektischen Terminplan die Zeit nimmt, mich zu besuchen, würde ich ihm auch sein Lieblingsessen kochen.

Thunfischauflauf.

Nein, es ist nicht glamourös, aber Tante Janet mag keinen Thunfisch – zumindest nicht aus der Dose –, also bekommt er dieses Gericht nur, wenn ich es für ihn zubereite. Es ist auch so ziemlich das einzige, das ich kochen kann.

Ich blicke auf die Küchenuhr, dann luge ich in den Ofen. Die Oberschicht aus zerbröselten Kartoffelchips ist schön braun und ich muss zugeben … es wird gut sein, ein selbst gekochtes Mahl zu sich zu nehmen. Die meisten meiner Mahlzeiten esse ich an meinem Schreibtisch im Labor und sie bestehen nur aus einem Müsliriegel oder einem Proteinshake.

Und das ist leider ebenfalls meistens auch mein Frühstück und Mittagessen.

Aber ich stehe so kurz vor dem Durchbruch und funktioniere derzeit nur mit reinem Adrenalin. Ich arbeite, und ich arbeite hart. Wenn ich nach Hause komme, für gewöhnlich gegen Mitternacht, bin ich wie erschlagen und falle normalerweise mit dem Gesicht zuerst ins Bett. Aber um sechs klingelt schon wieder der Wecker, ich gehe kurz joggen und duschen, und danach bin ich schon wieder unterwegs, um weitere sechzehn Stunden zu schuften.

Stellen Sie sich das einmal vor … kostenlose Energie für die ganze Welt. Arme Länder könnten fließend Wasser und Wärmequellen haben, Bewässerungsanlagen für die Landwirtschaft betreiben und medizinische Gerätschaften in den Krankenhäusern installieren, um Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln.

Meine Türklingel ertönt und reißt mich aus meinen Träumen über all die guten Dinge, die ich mit meiner Arbeit tun kann. Ich schaue auf die Uhr und frage mich, wer es wohl sein könnte.

Sieben Uhr abends.

Wie kann es denn schon sieben sein?

Ich trage immer noch die Kleidung, die ich bei der Arbeit anhatte. Ich ziehe mich bequem an, nicht modisch, und die dunkelgrauen Leggings und die hellblaue Bluse sind nicht so schick, wie sie sein sollten, um den Präsidenten zu begrüßen. Meine schmutzigen, weißgrauen Turnschuhe haben ebenfalls schon bessere Zeiten erlebt.

Ich weiß, dass mein Haar furchtbar aussieht. Es beginnt immer in einem kurzen Pferdeschwanz, doch weil mir irgendwann stets der Pony in die Augen fällt und mich stört, schiebe ich ihn mit einer Haarklammer nach hinten. Das ist mein »heiß und zerzaust«-Look, wie mein Forschungsassistent Derrick gern sagt.

»Ach, was soll’s«, murmele ich und befühle meinen Kopf, nur für den Fall, dass ich aus irgendeinem Grund ein riesiges Vogelnest darauf herumtrage. Ich beuge mich oftmals über meinen Computer und drehe und zwirbele mit den Fingern verwirrt in meinen Haaren herum, was meine Frisur noch heißer und zerzauster macht.

Als es noch einmal klingelt, laufe ich in Windeseile zur Tür, wobei meine Turnschuhe auf dem Hartholzboden quietschen.

Ich entriegele das Bolzenschloss, drücke die Klinke herunter und öffne mit einem Lächeln auf dem Gesicht die Tür. »Onkel Jon –«

Die Worte bleiben mir im Hals stecken, als ich sehe, dass mein Onkel mit zwei mir unbekannten Männern vor meiner Tür steht. Hinter ihnen befinden sich zwei Leibwächter, die ich an ihren klassischen dunklen Anzügen und den Knöpfen im Ohr erkenne.

»Barrie«, sagt mein Onkel liebevoll und nennt mich bei dem Kosenamen, den ich verabscheue. Als Kind wurde ich so gerufen, doch jetzt fühle ich mich damit wie ein Pornosternchen aus den Siebzigerjahren. Trotzdem akzeptiere ich seine warme Umarmung und koste sie länger aus als notwendig, weil wir uns schon so lange nicht mehr gesehen haben.

Als er sich von mir löst, bedeutet er den Männern auf der Veranda einzutreten. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich habe zwei Gäste mitgebracht, die ich dir vorstellen muss.«

Die beiden Männer betreten mein Haus, die zwei Leibwächter folgen ihnen. Aber als mein Onkel die Hand hebt, halten sie an. »Wenn Sie beide bitte draußen auf der Veranda warten könnten.«

»Aber Sir«, protestiert einer der Leibwächter.

»Ich bin ausreichend geschützt, Gentlemen«, ist alles, was er sagt, bevor er ihnen die Tür vor der Nase zumacht. Er deutet auf den ersten Mann, einen großen blonden mit warmen braunen Augen und einem modischen Kinnbart. »Barrett … das ist Kynan McGrath. Ihm gehört ein Unternehmen namens Jameson Force Security.«

Das weckt leicht mein Interesse und ich schüttele ihm zur Begrüßung die Hand.

Der andere Mann tritt nach vorn. Bevor mein Onkel etwas sagen kann, stellt er sich bereits vor. »Ich bin Cruce Britton. Ich arbeite für Kynan.«

Als wir uns die Hand geben, schrillt eine Glocke in meinem Kopf, denn auch wenn ich sein Gesicht nicht erkenne, ist mir sein Name dafür umso bekannter. »Sie gehörten einmal zum Secret Service. Sie haben meinem Onkel das Leben gerettet.«

Cruce nickt mir zur Bestätigung zu und zieht die Mundwinkel leicht nach oben – es scheint, als sei er eher peinlich berührt als belustigt.

Mein Onkel atmet auf dramatische Weise tief ein und reibt sich dabei über den Bauch. »Das Abendessen riecht köstlich, Liebling. Ich bin am Verhungern.«

Argwöhnisch verschränke ich die Arme vor der Brust. »Was ist hier los? Bist du in Gefahr oder so etwas?«

Mein Onkel blinzelt, dann lacht er nervös. »Natürlich nicht, aber wie wäre es, wenn wir uns in die Küche begeben und du uns etwas von deinem berühmten Thunfisch-Nudelauflauf servierst?«

»Onkel Jon«, murmele ich warnend. Ich habe nicht die Geduld abzuwarten, bevor ich erfahre, ob etwas nicht stimmt oder ich mir Sorgen um ihn machen sollte.

»Ich schwöre, es geht mir gut«, versichert er mir, dann eilt er in die Küche. Kynan folgt ihm und lässt mich mit Cruce im Flur stehen.

Zuvor hat er keinen einschüchternden Eindruck gemacht, doch jetzt sieht er tatsächlich etwas überwältigend aus. Er ist einige Zentimeter größer als der andere Kerl und ich muss den Kopf weit in den Nacken legen, um zu ihm aufzusehen. Sein Haar ist dunkel, ordentlich zurückgekämmt und er trägt einen kurzen Bart.

Seine Augen sind jedoch beunruhigend. Ein helles Kristallblau, das mich zu zerschneiden scheint, während er mich anblickt.

Er ist ein unfassbar attraktiver Mann. Intensiv ist das Wort, das ich wählen würde, um ihn zu beschreiben. Tatsächlich ist sein Gesichtsausdruck besorgt, und das weckt in mir den Verdacht, dass mein Onkel in Gefahr ist.

Cruce macht eine Geste mit der Hand, womit er mir wortlos bedeutet, ich möge in die Küche gehen und er wird mir folgen. Ich wechsele jedoch nur die Position und stelle mich zwischen ihn und den Flur, der in die Küche führt.

»Was geht hier wirklich vor sich?«, frage ich. »Warum ist der Mann hier, der meinen Onkel gerettet hat? In welcher Gefahr befindet er sich?«

Cruce taxiert mich und scheint meine Fähigkeit zu bewerten, schlechte Nachrichten zu verkraften. Ich stelle mich seinen prüfenden Blicken, werde dann jedoch frustriert, als er an mir vorbei zu dem Ort sieht, an dem mein Onkel und Kynan stehen, weil es den Anschein hat, als würde er seine Antwort aufschieben.

Stattdessen bin ich erstaunt, als er sagt: »Er ist nicht derjenige, der in Gefahr ist. Du bist es und ich bin hier, um dich zu beschützen.«

***

»Ich verstehe nicht«, sage ich zum dritten Mal. Alle drei Männer sitzen an meinem Küchentisch und nehmen sich einen Nachschlag von meinem Thunfischauflauf. Ich habe kaum zwei Bissen herunterbekommen, denn mein Magen wehrt sich derzeit gegen die Vorstellung, Nahrung in sich aufzunehmen.

Da mein Onkel sich gerade eine Gabel voll mit Nudeln und cremigem Thunfisch in den Mund schiebt, blicke ich zu Kynan, dem das Unternehmen gehört, das beauftragt wurde, mich zu beschützen. »Bis wir den vollen Umfang dessen, was geplant wird, herausgefunden haben, müssen wir vom Schlimmsten ausgehen.«

»Und du denkst, sie werden mich entführen?«, frage ich, obwohl sie mir das bereits gesagt haben.

»Es ist die logische Schlussfolgerung«, antwortet Kynan. »Dass sie dich irgendwohin verschleppen und dazu zwingen, die Formel für sie fertigzustellen.«

»Aber ich würde mich weigern«, stelle ich klar.

»Sie würden dich zwingen«, sagt Cruce leise und die Überzeugung in seiner Stimme lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Aber nein … ich kann nicht hinnehmen, was sie mir sagen. »Das macht keinen Sinn. Ohne die Fähigkeit, sie zu testen, ist die Formel nichts wert, und Fusionsreaktoren gibt es nicht im Supermarkt zu kaufen.«

»Stimmt«, sagt Kynan, geht dann jedoch dazu über, meine Blase zum Platzen zu bringen. »Aber es existieren zahlreiche fremde Länder und Terrororganisationen, die das Geld und den Zugang zu den benötigten Materialien besitzen.«

»Und du willst jemanden zu meinem Schutz anstellen?«, frage ich. Dieses Mal wende ich mich mit der Frage an meinen Onkel, der immer noch an seinem letzten Bissen herumkaut.

Er schluckt, dann wischt er sich mit einer Serviette den Mund ab. »Nur so lange, bis wir herausgefunden haben, wer diese Leute sind, und sie unter Kontrolle haben. Aber bis dahin kann ich kein Risiko eingehen –«

»Bei der Arbeit stehe ich bereits unter Schutz«, werfe ich ein und unterbreche ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Und wenn du jemanden dazu abstellen musst, um mich nach Hause zu begleiten, dann ist das in Ordnung. Aber ich brauche niemanden –«

»Es ist bereits beschlossene Sache, Barrie«, sagt mein Onkel und bei seiner Eigenmächtigkeit knirsche ich mit den Zähnen.

»Ich bin erwachsen, Onkel Jon«, fauche ich. »Du kannst mir nicht vorschreiben –«

»Ich bin dein Präsident – derjenige, der dafür sorgt, dass dein Unternehmen die nötigen Geldmittel für deine Forschung bekommt«, knurrt er und beugt sich auf seinem Stuhl mir gegenüber nach vorn. »Und du wirst den Schutz annehmen, den ich einstelle.«

Ich schlucke hörbar und schäume innerlich vor Wut, aber im Stillen muss ich zugeben, dass er mich soeben ziemlich eingeschüchtert hat.

Sein Gesichtsausdruck wird jedoch wieder sanft und er greift über den Tisch nach meiner Hand. »Aber gestehe einem überfürsorglichen Onkel das hier bitte zu, ja, Liebling? Ich mache mir wegen dieser Drohung wirklich große Sorgen. Es könnte zwar sein, dass sich alles als heiße Luft erweist, doch du würdest einem alten Mann dabei helfen, nachts ruhig zu schlafen, wenn du es nur zulässt, dass diese Männer dich eine Zeit lang beschützen. Okay?«

Ich seufze lange und kapitulierend auf.

Denn so, wie er sich gerade eben ausgedrückt hat, würde ich niemals etwas tun, das ihm Angst bereitet.

»Okay, schön«, murmele ich, nehme meine Gabel in die Hand und spieße eine Nudel damit auf. »Aber wie genau sieht dieser ›zusätzliche Schutz‹ aus?«

»Du wirst jeden Tag von zwei Männern zur Arbeit gebracht und wieder nach Hause begleitet werden«, antwortet Kynan für ihn. »Selbstverständlich werden wir unseren Plan in den kommenden vierundzwanzig Stunden etwas anpassen und ich vermute, dass Bebe und unser Neuzugang Dozer ebenfalls in die Sache involviert sein werden. Aber das Gleiche gilt auch für die Arbeit … zwei Männer werden sich dauerhaft vor deinem Labor befinden.«

»Aber mein Gebäude ist sicher«, protestiere ich, weil ich das Gefühl habe, sehr viel Aufwand und Kosten zu verursachen. »Jeder, der hineingeht, benötigt eine besondere Autorisierung und eine Einlasskarte, um Zutritt zu bekommen.«

»Nichts ist absolut sicher«, erwidert Kynan und ich werfe Cruce einen Blick zu. Er hat bereits fertig gegessen und beobachtet wortlos unseren Austausch. Ich frage mich, warum er überhaupt hier ist, wo er doch bisher kaum etwas gesagt hat. »Leute können gekauft werden. Geld ist ein mächtiges Überzeugungsmittel. Mit der richtigen Vorbereitung würde es jemandem nicht schwerfallen, sich Zutritt zu diesem Gebäude zu verschaffen.«