Colin Bradley - The Puppet Show - Blossom Rydell - E-Book

Colin Bradley - The Puppet Show E-Book

Blossom Rydell

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Beschreibung

Hart und erbarmungslos ist der Konkurrenzkampf einiger Theaterdirektoren im Londoner ›West End‹. Colin fragt sich, ob dieser Neid und Hass so weit geht, dass sie sich gegenseitig vernichten und für den grauenhaften Mord an ihrem Konkurrenten Mark Redmond verantwortlich sind. Er steht vor einem Rätsel, bis er sich mit all seinem Spürsinn und seiner kriminalistischen Erfahrung an die Hintergründe des Falls herangetastet hat. Doch mit seiner Meinung steht er allein auf weiter Flur. Sein Freund Alexander Primes von ›Scotland Yard‹ ist völlig gegensätzlicher Ansicht, was seine Ermittlungen erheblich erschwert. Die Gefahr greift mit gierigen Händen in vielen Gestalten nach ihm. Wird es ihm gelingen, die Wahrheit in dieser Scheinwelt hinter den Kulissen des Theaters zu finden und den Verbrecher zu entlarven, bevor der sich weitere Opfer sucht?

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Colin Bradley

THE PUPPET SHOW

Crime Novel

Blossom Rydell

Bibliografische Information durch

die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.de abrufbar

1. Auflage 2020

2. Auflage 2025

ImpressumCopyright: © 2025 Blossom Rydell

Bissenkamp 1, 45731 WaltropDruck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.deISBN siehe letzte Seite des Buchblocks

»Es gibt Aufführungen,

da wünscht man sich das Orchester auf die Bühne

und die Schauspieler in die Versenkung.«

Germund Fitzthum (*1938)

Kapitel 1

London, 1926

Zwei Gruppen waren bei dem sportbegeisterten Publikum klar zu unterscheiden, dass das Stadion von Aylesbury bis auf den letzten Platz besetzt hatte.

Auf der Nordseite der Arena saßen die Studenten mit den Professoren der ›University of Bedfordshire‹, deren Campus und Gebäude unmittelbar dahinterlagen. Die meisten von ihnen trugen Pullover in den Farben von Bedfordshire auf denen in knalligem Rot das Logo der Universität aufgedruckt war.

Die Oxford-Anhänger füllten die gegenüberliegende Seite. Die ›University of Oxford‹ war um Einiges exklusiver als die Hochschule von Bedfordshire, was sich besonders deutlich auf den Parkplätzen zeigte. Die Wagen aus Oxford, mit denen die meisten Studenten angereist waren, schienen im Schnitt einen halben Yard länger als die der Gegner zu sein.

Auch sonst gab es so einige Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Auf der Seite von Bedfordshire hatte sich jeder Anhänger mit einem Lärminstrument bewaffnet, um damit die eigene Mannschaft zu ermuntern. Die Oxford-Partei hingegen schwenkte schlichte Papier-fahnen, in den traditionellen Farben Blau, Rot und Gold ihrer Universität. Auch verhielten sich die Studenten aus Oxford wesentlich ruhiger. Während des Spieles würde sich das allerdings ändern. Dann würden auch sie ihren Schlachtruf ertönen lassen – ein tiefes Röhren aus tausend Kehlen, das sich bis zur höchsten Lautstärke steigerte. Und wie immer würden die Schlachtenbummler aus Bedfordshire mit einem schrillen Schrei antworten, bei dem sie mit der Hand schnell hintereinander gegen den Mund schlugen – was dem triumphalen Geheul nordamerikanischer Indianer auf dem Kriegspfad nahekam.

Das alles war lange festgelegte Tradition, denn das Fußballspiel zwischen den beiden Universitäten fand bereits seit elf Jahren in jedem Sommer statt. Bislang stand die Bilanz für Oxford günstiger – sechs zu fünf. Der heutige Tag würde darüber entscheiden, ob Bedfordshire ausgleichen konnte oder ob Oxford auf den noch nie dagewesenen Vorsprung von sieben zu fünf davonziehen würde. Da Oxford, das auch mehr Geld hatte, damit für zwei Jahre vorne liegen würde, wäre ein solches Ergebnis für Bedfordshire eine Katastrophe schlechthin gewesen. Entsprechend angespannt war die Atmosphäre.

Und auf Seiten von Bedfordshire hatte man bereits einen schweren taktischen Fehler begangen: denn man hatte die Gäste auf die Sonnenseite des Stadions gesetzt. Es war ein heißer Sommertag, und die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Auf der Oxford-Seite wurde die Stimmung immer feindseliger, je äher die Eröffnung des Spiels rückte., und die Fans waren entschlossen, ihrer Mannschaft jede Unterstützung zu geben und zu gewinnen.

Allerdings konnte in diesem Augenblick niemand ahnen, dass dieses langersehnte Spiel nicht stattfinden würde …

***

Kapitel 2

In Aylesbury wurde nicht ›Rugby‹ wie zumeist gespielt, sondern Fußball. Das kam daher, dass Mark Redmond, ein reicher Theaterbesitzer aus London, vor elf Jahren einen Pokal gestiftet und zur Bedingung gemacht hatte, dass kein ›Rugby‹ gespielt wurde. Der Theatermann hatte eine gründliche Abneigung gegen diese harte Sportart und gehörte zu den Leuten, die versuchten, dieses Spiel durch Fußball zu ersetzen. Eine Vorliebe, die er sich etwas kosten ließ. Sämtliche mit dem Spiel zusammenhängenden Ausgaben wurden von ihm bezahlt, und da sich auch noch eine große Feier an das ›Match‹ anschloss, gehörte er aktuell zu den beliebtesten Leuten in Aylesbury.

Ein Zuschauer war an diesem Tag jedoch nicht wegen des anstehenden Fußballspiels gekommen.

Detective Inspector Alexander Primes von der Mordkommission des Yards lehnte an dem Geländer, dass die Aschenbahn des Stadions von den Zuschauerrängen trennte.

Neben ihm stand Sergeant Moore, der ihn von London begleitet hatte.

Primes sah auf die Uhr. »In fünf Minuten wird er das Spiel anstoßen. Anschließend werden wir ihn aufsuchen.«

Moore sah Primes zweifelnd an. »Glauben Sie wirklich, dass Redmond jetzt Interesse für diese Sache haben wird?«

Primes zuckte die Achseln. »Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben. Unsere Informationen sind ziemlich eindeutig. Ihm gehört eines der erfolgreichsten Theater im ›West End‹. Er ist auf dem besten Wege, das ›Royal Palladium‹ und das ›Apollo‹ kaputt zu machen. Ich glaube nicht, dass die Konkurrenz dabei untätig zusehen wird.«

Moore sah den Inspector ungläubig an. »Ich kann mir schwer vorstellen, dass man zu derart harten Mitteln greifen wird. Andrew Stannard ist schließlich kein Gangster.«

Primes schüttelte den Kopf. »Da bin ich anderer Meinung. Ich kenne Stannard, und ich kenne Quincy Fuller, den Inhaber vom ›Royal Palladium‹. Das sind zwei skrupellose Geschäftsleute, die hinterm Geld her sind und schon lange genug versuchen, Redmond auf legale Weise fertig zu machen, Sergeant. Inzwischen dürften die beiden gemerkt haben, dass sie es nicht schaffen, und ich bin fest davon überzeugt, dass sie von nun an deutlich rücksichtsloser vorgehen werden. Vergessen Sie nicht, dass das letzte Stück von Redmond ein Kassenschlager war. Es gab über zweihundert Vorstellungen.«

»Ich weiß.« Moore nickte bestätigend. »Stannard dagegen hat aktuell ein Musikstück laufen, das nur halbvolle Häuser bringt, und Fuller hat gerade einen weiteren Flopp aus dem Programm genommen. Schon den zweiten während einer Spielzeit. Grob geschätzt beträgt sein Verlust gut fünfzigtausend Pfund, wie mir zu Ohren gekommen ist.«

»Entspricht ungefähr dem, was Redmond allein sein letztes Stück in die Kasse gespült hat«, merkte Primes an.

»Deswegen sehe ich aber dennoch keine akute Gefahr!«

»Aber ich!«, beharrte Primes. »In einer Woche beginnt die neue Saison. Man erzählt sich, dass Redmond einen großen Knüller mit berühmten Stars bringen wird, und von seinen Konkurrenten weiß ich, dass die höchst mittelmäßige Stücke auf dem Spielplan stehen haben. Wenn die beiden wieder einen Reinfall erleben, werden sie Redmond die Schuld in die Schuhe schieben und versuchen, ihn zu erledigen. Ich habe Informationen aus sicherer Quelle zugespielt bekommen, dass demnächst eine große Sache steigen soll.«

Der Sergeant deutete auf das Spielfeld. »Da kommt Redmond.« Er musste schreien, um sich verständlich zu machen, denn inzwischen waren die beiden Mannschaften eingelaufen, und im Stadion erhob sich ein ohrenbetäubender Lärm. »Hübsches Bild … Redmond als Fußballstar!«

Der Theatermann stand in der Mitte des Spielfeldes. Er trug einen leichten Leinenanzug. Eine Golfmütze beschattete sein fleischiges Gesicht. Er genoss sichtlich den Augenblick. Sprechchöre ertönten, die immer wieder seinen Namen skandierten. Und auch das war in Bedfordshire Tradition.

»Ich glaube, für diesen Augenblick würde er glatt tausend Pfund bezahlen«, grinste Moore bis über beide Ohren. »Fünftausend Menschen, die ihm zujubeln. Ein eitler Bursche.«

»Dabei müsste er Applaus aus seinem Theater gewohnt sein. Aber Leute wie er können nie genug bekommen.«

»Nun ja«, lachte der Sergeant. »Andere verlangen es in bar.«

Um sie herum war es ruhig geworden. Eine erwartungsvolle Stille hatte sich über das weite Rund des Stadions gelegt.

Auf dem Spielfeld visierte Mark Redmond den Ball an und setzte sich etwas unbeholfen in Bewegung. Er war nicht mehr der Jüngste, wollte vor all den Zuschauern aber unbedingt eine gute Figur machen. Mit kurzen Schritten stampfte er über den kurzen Rasen und kam dem Lederball immer näher. Er hatte vor, den Ball genau auf der Mittellinie dahinrollen zu lassen. Wie immer überkam ihn die kurze Regung, das Leder leicht in Richtung der Mannschaft von Bedfordshire rollen zu lassen, aber letztlich hielt ihn sein Sportsgeist davon zurück, obwohl er mit dieser Mannschaft sympathisierte und ihr den Sieg wünschte. Sein rechter Fuß stieß nach vorne und berührte den Ball.

In diesem Augenblick erstarrten Primes und sein Kollege.

Ein orangefarbener Blitz zuckte auf, gefolgt von einer gewaltigen Explosion.

Mark Redmond wurde buchstäblich in der Luft zerrissen. Der Fleck, auf dem er gestanden hatte, war nur noch ein großer Krater. Steine und Erdbrocken prasselten auf ihn zurück, als das Krachen der Detonation verstummte.

Für einen Moment waren alle Menschen in einer Schockstarre. Dann aber brach im Stadion die Hölle los ...

***

Kapitel 3

»Eine verteufelte Geschichte ist das«, knurrte Primes sechs Stunden später. »Sieht ganz so aus, als wäre dieser gemeine Mord nicht mal eben so aus dem Handgelenk aufzuklären.«

Die Mordkommission hatte ihre Arbeit bereits abgeschlossen, während die Sprengstoffexperten des Yards noch am Werk waren. Jeder Quadratinch an Boden wurde aufs Genaueste untersucht, in der Hoffnung einen Hinweis auf den Bombenbauer zu finden.

Inzwischen war es spät und dunkel geworden. Die Polizisten hatten starke Scheinwerfer herangeholt, mit deren Hilfe das Fußballfeld in gleißendes Licht getaucht wurde. Der Tatort selbst war abgesperrt. Außer dem Beamten des Yards erhielten nur noch einige Reporter der ortsansässigen Presse Zugang. Überall standen Menschen in kleinen Gruppen beisammen und diskutierten lautstark über den Vorfall.

Primes ging weit ausholenden Schritten zur Sporthalle hinüber, wo seine Kollegen ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten und traf dort auf Garcia vom zuständigen Dezernat. »Gibt es schon irgendeinen Hinweis?«, wollte er wissen.

»Nun, alles war ich sagen kann: Es war Dynamit«, antwortete Garcia. »Eine ziemlich starke Ladung. Über den Zünder kann ich noch nichts sagen. Den haben wir bislang nicht gefunden, und …«, er seufzte, »die Aussichten sind schlecht.«

»Vielleicht ergibt die Untersuchung im Labor etwas Brauchbares«, meinte Primes.

Garcia zuckte die Achseln. »Schon möglich, aber ich würde nicht darauf setzen ... Haben Sie inzwischen herausgefunden, wer diesen Fußball auf das Feld gebracht hat?«

»Das ist auch noch völlig unklar. Vermutlich hat es der Schiedsrichter, ein gewisser Norman McKinney, getan. Aber daran kann sich niemand erinnern. Ich selbst muss gestehen, auch nicht darauf geachtet zu haben.«

»Und wo steckt dieser Bursche?«

»Er ist verschwunden!«

Die beiden Kriminalisten schauten sich bedeutungsvoll an.

»Sonst scheint der Fall ja ziemlich klar zu liegen«, stellte Garcia gedehnt fest.

»Wollen wir es mal hoffen«, erwiderte Primes. Er schüttelte sich eine Lucky aus der Packung und brannte sie an. »Dieser McKinney war übrigens das erste Mal in Bedfordshire«, fuhr er rauchend fort. »Er kam aus London, wo er als Sportlehrer tätig ist. Angeblich war er mit Mark Redmond befreundet. Hier in Bedfordshire war er bis heute eine unbekannte Größe. Er kam hier erst eine halbe Stunde vor Beginn des Spiels an und ist seit der Explosion von der Bildfläche verschwunden.«

»Haben Sie ihn schon London suchen lassen?«

»Natürlich. Dort ist er noch nicht aufgetaucht. Er ist Junggeselle und bewohnt ein Apartment im Stadtteil ›Lambeth‹. Wir haben inzwischen ein Foto von ihm aufgetrieben und die Fahndung nach ihm eingeleitet.«

»Kam dieser McKinney per Bahn oder mit einem Wagen?«, wollte Garcia wissen.

»Mit einem Wagen. Er fuhr einen alten ›Pierce-Arrow‹, Model 48, dessen Nummer uns bekannt ist. Aber den haben wir bisher auch noch nicht gefunden.«

»Das Model kenne ich. Baujahr 1918. Dreisitzer. Kommt aus den Vereinigten Staaten. So ein Wagen müsste sich doch finden lassen.« Garcia kaute nachdenklich auf seinem inzwischen erkalteten Zigarrenstummel herum. »Für mich ist der Fall ziemlich klar, Inspector. Dieser Norman McKinney praktizierte die Sprengladung in den Fußball und ist Redmonds Mörder. Jetzt müssen Sie nur noch herausfinden, warum er es getan hat und wo er steckt.«

»Hoffen wir mal, dass es so war«, seufzte Primes. »Nach meinen Erfahrungen mit den Theaterleuten vom ›West End‹ scheint mir der Fall wohl nicht so einfach zu liegen. Aber gut: warten wir es ab.«

»Sicher«, brummte Garcia und tippte grüßend an den Hutrand. »Bis später, Inspector.«

***

Kapitel 4

Colin Bradley war mit dem täglichen Studium der Morgenzeitung beschäftigt. Er hatte für die Zwölf-Uhr-Maschine nach Edinburgh einen Platz gebucht, wo er einen Versicherungsbetrug aufdecken sollte. Bis zur Abfahrt zum ›Croydon Airport‹ im Süden von London hatte er noch eine halbe Stunde Zeit.

Der Bericht über das ungewöhnliche Sprengstoff-Attentat in Bedfordshire erschien in allen Blättern auf der Titelseite.

Colin las ihn mit besonderem Interesse durch, da sein Freund Alexander Primes die Untersuchung führte.

Die ausführlichen Beschreibungen waren mit Fotos vom Tatort illustriert. Auch ein Foto von Norman McKinney war enthalten, dass Scotland Yard zur Verfügung gestellt hatte.

Colin erinnerte sich in diesem Augenblick an einen Fall, den er vor einiger Zeit an der Ostküste bearbeitet hatte. Ein Millionär war in ›Sutton on Sea‹ durch eine Sprengladung ermordet worden, die in jemand in einem Tennisball versteckt hatte.

Das stand damals auch groß in allen Zeitungen, ging es ihm durch den Kopf. Vermutlich hat es diesen McKinney zu seiner Tat angeregt. Aber etwas störte ihn an der Geschichte. Denn mehrere Reporter hatten in McKinneys Privatleben herumgeschnüffelt und dabei Entdeckungen gemacht, die an dessen Täterschaft zweifeln ließen. Die Journalisten hatten herausgefunden, dass McKinney ein beachtliches Bankkonto besaß, von dem er nichts abgehoben hatte, und das von der Polizei sofort gesperrt worden war. Auch hatten einige Zeugen bestätigt, dass er und der ermordete Redmond gut befreundet gewesen waren. McKinney war in seiner Jugend Spieler einer englischen Mannschaft gewesen. Redmond hatte ihn dort entdeckt und zu sich geholt, um ihm zu helfen, den Fußball populärer zu machen. Aber daraus kann ich beim besten Willen kein Motiv für einen Mord an Redmond ableiten, dachte er still, derweil er weiter durch die Zeitungen blätterte, ohne noch etwas an Bedeutung zu finden.

Das Läuten des Telefons holte ihn aus seinen Gedanken.

»Mr. Bradley?«, fragte die dunkle Stimme einer Frau, ehe sie sich vorstellte: »Mein Name ist Giovanna Martinelli. Ich bin Schriftstellerin.«

»Was wünschen Sie, Mrs. Martinelli«, erkundigte sich Colin, nur mäßig interessiert.

»Miss Martinelli«, korrigierte sie ihn. Jetzt lag ein Lächeln in ihrer Stimme. »Haben Sie Zeit, auf einen Sprung zu mir zu kommen?«

»Tut mir leid, Miss Martinelli! Ich habe um zwölf Uhr eine Verabredung mit einem Flugzeug.«

»Vielleicht überlegen Sie es sich noch, wenn ich Ihnen sage, worum es sich handelt«, ließ sie nicht locker. »Ich bin die Verfasserin des Kriminalstücks ›Alibi für den Kronanwalt‹, das vor einem Jahr in Redmonds Theater, im ›Phoenix‹, lief.«

In Colins Ohren klingelte es. Urplötzlich war sein Interesse geweckt.

»Mark Redmond wurde gestern umgebracht«, fuhr sie fort. »Und heute früh hat man einen Mordanschlag auf mich verübt.«

»Warum melden Sie das nicht dem Yard?«

»Weil ich das nicht für zweckmäßig halte«, erwiderte sie gedehnt. »Ich habe meine eigenen Vorstellungen von diesem Fall, und ich möchte, dass Sie ihn übernehmen … Sind Sie interessiert?«

Colin überlegte kurz. Die Sache reizte ihn. Der Versicherungsschwindel in Edinburgh konnte noch ein paar Tage warten. »Okay, Miss Martinelli. Wann können wir uns treffen.«

»Sofort. Ich erwarte Sie in meiner Wohnung, ›Cross Way‹, Nummer 17, am ›Roundwoodpark‹. Aber parken Sie Ihren Wagen bitte nicht direkt vor dem Haus. Ich habe das Gefühl, beobachtet zu werden.«

»Geht in Ordnung, Miss Martinelli. Ich kenne die Gegend«, versprach Colin und legte auf. Er ließ sich zum Flughafen durchstellen und bestellte seinen Flug nach Edinburgh ab. Dann griff er im Flur nach seinem Jackett und kletterte wenige Minuten später in seinen auffälligen Sportwagen, einen blauen ›Cunningham Type V3‹, den er sich vor zwei Jahren aus New York hatte kommen lassen, um die Autorin aufzusuchen.

***

Kapitel 5

Die Schriftstellerin wohnte im obersten Stock eines feudalen Appartementhauses mit Dachgarten und Ausblick auf den großzügig angelegten Park.

Colin wusste, dass sie bei Redmond einige sehr erfolgreiche Stücke herausgebracht hatte. Seit einem Jahr hatte man allerdings nichts mehr von ihr gehört. Es hieß, sie arbeite an einem neuen Stück. Mit dem Lift fuhr er hinauf und klingelte.

Giovanna Martinelli öffnete selbst und sah ihn mit beeindruckend umschatteten Augen an. »Kommen Sie herein, Mr. Bradley«, forderte sie ihn mit ihrer dunklen, angenehm rauchigen Stimme auf. »Ich wusste, dass Sie kommen würden, wenn Sie den Namen Redmond hören.«

»Vermutlich haben Sie das Hellsehen aus Ihren Stücken gelernt«, frotzelte Colin.

»Wer weiß? Schon möglich«, nickte sie und bedachte ihn mit einem spöttischen Grinsen. »Detektive haben ja alle etwas von Jagdhunden an sich, zumindest in meinen Stücken.« Sie deutete auf die Bar im Salon. »Interessiert an einem Drink? Whisky, Scotch oder Bourbon?«

»Whisky.« Colin holte eine Packung filterlose ›Woodbine‹-Zigaretten aus der Innentasche seines Jacketts und zündete sie an. »Kommen wir direkt zur Sache, Miss Martinelli! Wer wollte Sie umbringen?«

»Soweit sind wir noch nicht«, erklärte sie lächelnd. »Wir sind erst auf Seite acht dieses Stückes. Noch ist der Mörder unbekannt, wenngleich sich die ersten Verdachtsmomente abzeichnen.«

»Großartig.« Colin schmunzelte. »Sie schreiben bei sich selbst ab, wie?«

»Heute Morgen«, fuhr sie fort, ohne seinem Einwand weitere Beachtung zu schenken, »war ich im ›Phoenix‹. Ich hatte mich dort mit dem Regisseur verabredet, Mr. Bradley …« Sie sah ihn aus ihren strahlend blauen Augen an, während sie ihm das Glas reichte, in das sie zweifingerbreit vom Gewünschten eingeschenkt hatte. »Sie müssen wissen, dass ich seit einem Jahr im Auftrag des Inhabers vom ›Apollo‹ an einem Kriminalstück arbeite.«

»Sie schrieben doch sehr erfolgreich für Redmond.« Colin sah sie verwundert an. »Warum jetzt für das ›Apollo‹? Hat es mit ihm ein Zerwürfnis gegeben?«

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir trennten uns freundschaftlich, und ich wechselte zu Stannard …«

»Er ist aber Redmonds Konkurrenz!«

»Schon möglich.« Sie hielt kurz inne. »Ich hatte mich also mit dem Regisseur Mr. Jenkins für heute früh verabredet. Und ich gebe offen zu, dass ich ihn für das ›Apollo‹ gewinnen wollte.«

»Jenkins ist, soweit ich die Kritiken verfolgt habe, ein recht tüchtiger Regisseur«, brummte Colin. »Er gehörte zu den Stars der Londoner Theater-Szene.«

»Stimmt genau.« Sie nickte. »Aber lassen Sie mich fortfahren ... Ich kam etwas zu früh und wartete auf ihn. Um diese Zeit war außer dem Portier noch niemand im Theater anwesend. Ich saß also oben im Foyer, als plötzlich eine Scheibe neben meinem Kopf zersprang und in der gegenüberliegenden Wand eine Kugel einschlug.«

»Was taten Sie?«

»Ich warf mich natürlich zu Boden, was glauben Sie denn? Dann robbte ich zum Ausgang. Sie können sich ja vorstellen, dass ich ziemlich in Panik war.«

Colin nickte verstehend und nahm einen Schluck Whisky. »Haben Sie eine Ahnung, wo der Schütze gestanden haben könnte, Miss Martinelli?«

»Allerdings weiß ich das … Genau gegenüber vom ›Phoenix‹ liegt das ›Royal Palladium‹. Da ich mich im ersten Stock befand, kann man nur von dort auf mich geschossen haben.«

»Wie Sie bereits sagten, haben Sie den Yard nicht verständigten. Darf ich fragen: Warum?«

»Dürfen Sie ... Ich habe meine Gründe dafür, Mr. Bradley, und lege Wert darauf, die Geschichte nicht an die große Glocke zu hängen. Deshalb bat ich Sie, zu kommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Mann, der auf mich zielte, derselbe ist, der Redmond ermordet hat.«

»Und welches Motiv sollte er Ihrer Meinung dafür haben?«

»Hören Sie, Mr. Bradley, ich werde Ihnen erklären, wie ich darüber denke ... Hier existieren drei Theater, von denen das ›Royal Palladium‹ am schlechtesten geht. Das ›Phoenix‹ lag mit weitem Abstand vorne, das ›Apollo‹ ungefähr in der Mitte. Mit der Ermordung von Mark Redmond beginnt nun ein Machtkampf zwischen Quincy Fuller vom ›Royal‹ und dem ›Apollo