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Gesundheitsnetze mit ihren recht unterschiedlichen Benennungen, Zielsetzungen, Intensitäten der Marktteilnahme, Formen, Größen und Lebensdauer gibt es in Deutschland seit etwa drei Jahrzehnten. In den mittlerweile etwa 3.000 bis 4.000 Netzen arbeitet jeweils eine (häufig gewachsene) Auswahl von Akteuren aus dem Gesundheitswesen, dem Zweiten Gesundheitsmarkt, dem Sozialwesen, der Öffentlichen Hand und/oder aus relevanten B2B-Branchen zusammen. Über die tatsächliche Erfolgsmessung dieser Gesundheitsnetze, manchmal auch als eher einmalige Evaluierung verbrämt, dringt wenig nach außen. Mit der vorliegenden Pilotuntersuchung wird erstmals versucht, den im übrigen Wirtschaftsleben gängigen Controlling-Ansatz hinsichtlich seiner Anwendung bei diesen mannigfaltigen kooperativen Erscheinungsformen zu untersuchen.
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Seitenzahl: 88
Veröffentlichungsjahr: 2017
Die Arbeit beruht in weiten Bereichen auf der in einigen Teilen ergänzten Diplomarbeit Hochschule Wismar, 2017 u.d.T.: Tristan E.W. Dostal: „Controlling in Gesundheitsnetzen in Deutschland. Empirische Studie über die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Erfolgskennzahlen bei der Entwicklung neuer Formen der Gesundheitsversorgung.“
Vorwort
Problemstellung und Vorgehen
Controlling und betriebswirtschaftliche Controlling-Kennzahlen
2.1 Controlling und Management
2.2 Nutzen und Anwendung von Controlling-Kennzahlen im Unternehmen
2.3 Nutzen und Anwendung von Controlling-Kennzahlen für Dienstleistungsunternehmen und Non-Profit-Organisationen
Gesundheitsmarkt und Gesundheitsnetze
3.1 Gesundheitsmarkt und seine Akteure
3.2 Sektorennetzwerke und traditionelle Formen der Zusammenarbeit
3.3 Neue Formen der Zusammenarbeit im Gesundheitsmarkt
3.3.1 Erkennbare Geschäftsmodelle und Rechtsformen von Gesundheitsnetzen
3.3.2 Staatlich initiierte Gesundheitsnetze an den Beispielen Bayern und Niedersachsen
3.3.3 Sonstige branchenübergreifende Gesundheitsnetze
Controlling im Gesundheitsmarkt
4.1 Controlling bei Gesundheitsanbietern und Kooperationen
4.2 Ansatzpunkte für ein Controlling in (losen) Gesundheitsnetzwerken
Erste Hypothesen zur Anwendbarkeit und zum Stand der Controlling-Einführung
Empirische Untersuchung zum Stand der Erfolgsmessung von Gesundheitsnetzen
6.1 Methodischer Ansatz und Sampling der empirischen Untersuchung
6.2 Ausgewählte Ergebnisse der Online-Umfrage
Erste Schlussfolgerungen für ein Controlling in Gesundheitsnetzen
Weiterer Forschungsbedarf und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Veröffentlichungen der Reihe Xundland
basics
„Der Tag gehört dem Irrtum und dem Fehler.
Die Zeitreihe dem Erfolg und dem Gelingen.“
J. W. von Goethe (1749–1832)
Seit Jahrzehnten manifestiert sich das staatlich organisierte Gesundheitswesen in Deutschland als Teil der sozialen Daseinsvorsorge mehr und mehr in gesetzlich festgelegte und fortgeschriebene Etatbereiche von Leistungsanbietern (Sektoren). In diesem System entstand nicht zuletzt aus Gründen der Leistungsabrechnung und damit des Einkommens bzw. Umsatzes der Akteure bzw. der betreffenden Unternehmenseinheiten und Praxen ein mehr oder weniger ausufernder Verteilungskampf und Subventionswettlauf auf hohem Niveau. Das Gesundheitswesen steht mit diesen skizzierten Mechanismen finanziell spätestens seit den 1980er stark unter Druck (vgl. Abbildung 1). Insbesondere die Arbeitgeber kritisierten lange Zeit die von ihnen mitzufinanzierenden Krankenkassenbeiträge (Lohnnebenkosten).
Um dieses Sektorendenken zumindest für einige Versorgungsbereiche einzudämmen, wurde nach zahlreichen Gesundheitsreformen seit 1996 dann 2004 das Institut der integrierten Versorgung (IV-Verträge zwischen ausgewählten Sektoren/Leistungsanbietern und Krankenkassen) etabliert. Der Erfolg – neben den bis heute dominierenden Kollektivverträgen – die IV-Verträge im Gesundheitswesen durchzusetzen war äußert gering. Nach dem Ende der Anschubfinanzierung Ende 2008 reüssierten von den ehemals über 6.000 Verträgen (Stand 2011) nur wenige. Neben diesen steuernden Eingriffen gab es zahlreiche weitere i.d.R. recht komplizierte Modelle einschl. den sogen. Direktverträgen. Kostendämpfungsmaßnahmen wie z.B. die Einführung einer Praxisgebühr blieben ebenso erfolglos. Anfang 2016 wurde dann beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Beschlussorgan der Selbstverwaltung der wichtigsten Akteure des Gesundheitswesens, ein sogenannter Innovationsfonds von jährlich 300 Mio. Euro aufgelegt. Der G-BA soll hiermit bis 2019 neue sektorenübergreifende Versorgungsformen entwickeln und erforschen. Ein bundesweites Umsetzen in der Fläche könnte möglicherweise dann in den 2020er und 2030er Jahren erfolgen.
In weiten Bereichen vollkommen unabhängig von diesen gesetzgeberischen Initiativen schlossen sich dagegen zahlreiche Leistungsanbieter, später dann auch Zulieferer und Dienstleister des Gesundheitssystems (Erster Gesundheitsmarkt) untereinander und in den letzten zehn Jahren auch zunehmend sektorenübergreifend zusammen. Die Gründe, Ziele, Formen und die daraus erwachsenden Aktivitäten sind dabei recht unterschiedlich. Im gleichen Zeitraum traten, nachdem es im Gesundheitswesen z.B. die ersten regionalen Ärztenetze schon seit über 20 Jahren gibt, auch weitere Initiativen z.B. in Form von Gesundheitsregionen und -städten hinzu. Diese werden in einigen Bundesländern mit Steuergeldern zeitlich befristet gefördert.
Abbildung 1: Impuls und staatliche Interventionen im Gesundheitswesen im Überblick
Quelle: Eigene Darstellung
Da gleichzeitig die im Wesentlichen solidarisch finanzierte gesundheitliche Daseinsvorsorge, sprich Krankheitsversorgung der Bevölkerung, die Bedürfnisse und die Nachfrage der (gesunden) Verbraucher immer weniger zufriedenstellt, hat sich ebenfalls außerhalb der staatlichen Gesundheitsregulierung ein recht differenzierter Zweiter Gesundheitsmarkt entwickelt. Dieser basiert mit der Zielsetzung einer Gesundheitsstärkung (Gesundheitsförderung, Prävention) u.a. auf der historisch gewachsenen Naturheilkunde, der Fitness- und Wellness-Bewegung sowie zahlreichen importierten Heilungslehren. Die Angebote des Zweiten Gesundheitsmarktes werden von Verbrauchern und Unternehmen (z.B. für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement) nahezu vollständig selbst bezahlt.
Der Kosten- und Privatisierungsdruck insbesondere im stationären Bereich des Gesundheits-wesens (Krankenhäuser, Pflege- und Reha-Einrichtungen) sowie der Beitragswettbewerb der Krankenkassen durch die Gesundheitsreform von 1996, führten ebenfalls auf breiter Front zu einer rasch voranschreitenden internen Controlling-Implementierung. Im ambulanten Bereich wie z.B. bei den niedergelassenen Ärzten (Ausnahme u.a. Medizinische Versorgungszentren) ist dies hingegen aufgrund der geringen Praxisgrößen und einem recht zwiespältigen Verhältnis allen ökonomischen Themen gegenüber, bis heute kaum der Fall. Für die gesundheitsrelevanten Bereiche der Zulieferindustrien (B2B) und die betreffenden Dienstleistungsbereiche für den Gesundheitsmarkt – hier spricht man häufig auch von der Gesundheitswirtschaft – ist eine interne Controlling-Implementierung jeweils branchenüblich.
Mit dem vorangestellten Geleitwort Goethes sind wir schon beim Kern des Controllings: Denn was ist es nichts anderes als aus dem laufenden Tagesgeschäft mit seinen Unwägbarkeiten in einem gewissen Zeitablauf zu lernen. Dieses „Lernen“ spiegelt sich im Nachhalten von Ist- und angestrebten Soll-Werten wider. Mit der Periodisierung des Lernens wird gleichzeitig der Unterschied zwischen statischen Gesetzeswerken des Gesundheitswesens (SGB) und den sich aufdrängenden Notwendigkeiten deutlich mit anderen Akteuren des Gesundheitsmarktes auch unaufgefordert zu kooperieren. Gesundheitsnetze sind hier wg. ihrer in der Regel größeren zahlenmäßigen Dimensionierung und ihrer Flexibilität „besser“ geeignet, den zunehmenden Herausforderungen im Markt erfolgreich zu begegnen.
Um aber durch die Vernetzung der Akteure „besser“ als das sektoral organisierte und ausgerichtete Gesundheitswesen zu werden, bedarf es auch einer Erfolgsmessung der geleisteten Aktivitäten. Und so etwas geht auf Dauer nur mit einem professionellen Controlling. Die skizzierte Ausgangssituation ist reizvoll genug, um im Rahmen einer Untersuchung (hier Diplomarbeit) erstmals den Versuch zu wagen, die Controlling-Implementierung und die dabei genutzten Kennzahlen in der Netzwerklandschaft zum Themenfeld Gesundheit transparent zu machen und – soweit bereits möglich – zu fassen und ansatzweise zu bewerten.
Vilsbiburg, Frühjahr 2017
Tristan E. W. Dostal
Adrian W.T. Dostal
Mit dieser Zielsetzung wird dem Anliegen dieser Arbeit einführend eine knappe Skizze des Controllings im betrieblichen Umfeld im Allgemeinen und den Besonderheiten desselben im Kontext von Dienstleistungsunternehmen und Non-Profit-Organisationen vorangestellt. Der Gesundheitsmarkt kann in weiten Bereichen diesen Dienstleistungsunternehmen durchaus gleichgestellt werden (Kapitel 2).
Abbildung 2: Gang der Untersuchung im Überblick
Quelle: Eigene Darstellung
Im Rahmen einer knappen Literaturauswertung werden dann der Gesundheitsmarkt und seine zahlreichen und vielfältigen Akteure betrachtet und wichtige Typen von Sektorennetzwerken und den weiteren sich neu entwickelnden Formen der Zusammenarbeit im Gesundheitsmarkt kurz analysiert. Den neuen Formen der Zusammenarbeit werden die erkennbaren Geschäftsmodelle und Rechtsformen von Gesundheitsnetzen vorangestellt (Kapitel 3). Es folgt eine beispielhafte Zusammenstellung von Controlling-Ansätzen bei Gesundheitsanbietern einzelner Sektoren und Netzen, sowie ein Herausarbeiten erster Ansatzpunkte für ein (Projekt-)Controlling in Gesundheitsnetzen (Kapitel 4). Darauf aufbauend werden insgesamt sieben explorative Hypothesen zum erkennbaren Stand der Controlling-Einführung bei Gesundheitsnetzen und der Anwendbarkeit und Nutzung von betriebswirtschaftlichen Erfolgskennzahlen abgeleitet (Kapitel 5).
Die geringe Transparenz und die eingeschränkte Quellenlage lassen als Einstieg eine empirische Untersuchung im Rahmen einer Online-Umfrage unter möglichen Beteiligten und Interessierten solcher Gesundheitsnetze als sinnvoll erscheinen (Kapitel 6). Die Erfolgsmessung spielt sich offensichtlich, so haben Voruntersuchungen sowie die eigenen Erfahrungen der Autoren aus der Netzwerkarbeit der südostbayerischen Gesundheitsregion Xundland® Vils-Rott-Inn ergeben (Dostal, 2017b, S. 93ff.), in einem magischen Achteck ab (vgl. Abbildung 3). Die empirischen Daten der Befragung von Akteuren werden dabei nach der Entwicklung eines eigenen Fragen-katalogs von mit dem Online-Tool healthpanel.de der Autoren erhoben.
Nach der Darstellung der Befragungsergebnisse und ihrer im Rahmen dieser Arbeit ableitbaren Aussagekraft werden die im Vorfeld der empirischen Untersuchung formulierten Hypothesen jeweils anschließend einer kritischen Bewertung unterzogen und diskutiert (Kapitel 6). In einer ersten – gegenüber der Diplomarbeit ergänzten Schlussfolgerung für die Controlling-Einführung – wird ein entsprechendes Vorgehen entwickelt und vorgestellt (Kapitel 7). Der Versuch einer Benennung des weiteren Forschungsbedarfs und ein Ausblick auf die nähere Zukunft runden die Arbeit ab. Dieses Fazit versucht den Stand des Controllings von deutschen Gesundheitsnetzen und den dabei genutzten (betriebswirtschaftlichen) Kennzahlen zu bewerten. Dabei ist von einem weiten Begriff „betriebswirtschaftlicher“ Kennzahlen auszugehen (Kapitel 8).
Abbildung 3: Umfeld und Kernfragen eines Controllings in Gesundheitsnetzen
Quelle: Eigene Darstellung
Controlling ist in Deutschland auch nach über 50 Jahren seit seiner Einführung selbst in der „Wirtschaft“ immer noch ein mehr oder weniger schillernder Begriff (Sprenger-M., 2016, S. 2ff.). Weitgehende Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass es aus den Elementen der Planung, der Kontrolle (Soll-/Ist-Abweichung), der Information und der Steuerung des Unternehmens besteht (Daum, 2016, S. 1). Die einzelnen Handlungsfelder des Controllings haben sich nach einer anfänglichen massiv einschränkenden Verortung im betrieblichen Rechnungswesen mit seinen zahlreichen Finanzinformationen auf alle Funktionen eines Unternehmens erweitert, vom Kostencontrolling über ein Beschaffungs-, Personal-, Qualitäts-, Prozess- bis hin zu einem Organisationsentwicklungscontrolling (Bauer, 2015, S. 12f., 21ff.).
Vor über zehn Jahren formulierte der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU) folgende immer noch treffende Definition für recht breit angelegte Kennzahlen: „Nach herrschender Meinung in der Literatur und Praxis ist Controlling ein Instrument der Unternehmenssteuerung: Aktivitäten des Managements werden vom Controller koordiniert und auf das Unternehmensziel hin gesteuert. Die Ziele sind die entscheidenden Komponenten eines Unternehmens. Soll-/Ist-Abweichungsanalysen im Rahmen des Controllings dienen der Zielüberprüfung. In diesen Prozess ist jeder Mitarbeiter des Unternehmens eingebunden und hat seinen Beitrag zur Zielerreichung zu leisten. Ein Controlling-System setzt ein Führungskonzept voraus, welches die Vereinbarung von Zielen als wesentliches Element beinhaltet.“ (BDU, 2006, S. 19).
Damit sind als notwendige Bausteine für die Konkretisierung und Implementierung eines betriebswirtschaftlichen Controlling-Systems auch als fortlaufender Lernprozess definiert bzw. gesetzt:
der Controlling-Regelkreislauf als Lernprozess (von manchen Autoren auch als Subsystem der Führung betrachtet) mit den vier Basisfunktionen Planung, Kontrolle/Analyse Zielerreichung, Information/Feedback an die Verantwortlichen bzw. Beteiligten (z.B. in Form eines kontinuierlichen Berichtswesens mit ausgewählten Kennzahlen) sowie die eigentliche Unternehmens- bzw. Organisationssteuerung im Rahmen des Führungsprozesses (siehe Prinzip in
Abbildung 4
),
Abbildung 4: Der Controlling-Regelkreislauf als Lernprozess mit vier Phasen
Quelle: Eigene Darstellung nach Daum, 2016, S. 2.
die prinzipielle Schnittstelle von „Controlling“ zwischen dem das „Geschäft betreibenden“ Management und der eigentlichen Controller-Funktion und ihren Kernaufgaben sind in puncto Rollenverteilung bzw. -wahrnehmung und Interaktion unternehmensindividuell ausgeprägt (vgl.
Abbildung 5
),
das Vorhandensein einer firmen-/organisationsindividuellen Controlling-Konzeption mit zentralen strategischen und operativen Controlling-Kennzahlen und einem dezentralen Funktionsbereichs-Controlling (siehe Beispiel mit acht Unternehmensbereichen in
Abbildung 6
),
Abbildung 5: Zusammenwirken von Management und Controller
Quelle: Eigene Darstellung nach Daum, 2016, S. 3.
Abbildung 6: Beispielhafte Controlling-Konzeption eines Industrieunternehmens
Quelle: Eigene Darstellung nach Daum, 2016, S. 3.
die zwingende Voraussetzung für die Verantwortlichen bzw. Beteiligten auch verpflichtende Ziele für das Instrument Controlling zu beschließen (siehe Beispiel von Controlling-Kernzielen aus der Industrie in
Abbildung 7
).
Abbildung 7: Beispielhafte Controlling-Kernziele in industriellen Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung nach Daum, 2016, S. 3.
