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Dieser Crashkurs von Andrea Matheus unterstützt Führungskräfte dabei, ihre anspruchsvollen Aufgaben zu meistern und für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie für sich selbst ein menschen-zugewandtes, leistungsorientiertes Arbeitsfeld mit positiver Atmosphäre zu schaffen. Die Bedeutung der psychischen Grundbedürfnisse, der Stellenwert von Stress und dessen Auswirkungen auf die Arbeit geben den Weg vor für ein neues Verständnis von Führung. Konkrete handlungsleitende Schritte, praxisorientierte Essentials, Fragebögen und drei Podcasts mit Dr. med. Franz Sperlich, Arzt und Experte für Neurowissenschaften, unterstützen Führungskräfte bei der Umsetzung. Mit einem Geleitword von Dr. Franz Hütter. Aus dem Inhalt: - Psychologische Sicherheit für Teamarbeit und Führung - Kompetenzen, Tools und Modelle für die Führungsarbeit - Eine passende und tragfähige »New Work«-Variante schaffenNeu in der 2. Auflage: - Vertiefung des "Mirror of Success"-Modells aus neurowissenschaftlicher Perspektive - Sstärkerer Fokus auf die Herausforderungen der digitalen ZusammenarbeitDas Seminar zum Buch: Der New-Work-Kompass für Führungskräfte In diesem Kurs entwickeln Sie als Führungskraft die Fähigkeit zur Selbstregulierung, um selbst in guter Balance zu bleiben. Nicht zuletzt leiten sich aus dem Modell zahlreiche psychologisch fundierte Erkenntnisse ab, die Ihnen aufzeigen, wie Sie Ihre Mitarbeiter zu einem 'High-Performing-Team' entwickeln können. Das Seminar umfasst: 2 Tage Präsenz-Seminar, ca. 5 Std. Selbstlernphase, 1 Tag Online-Seminar, 1,5 Std. individuelles Praxis-Coaching Mehr Informationen: haufe-akademie.de
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Seitenzahl: 330
Veröffentlichungsjahr: 2025
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ISBN 978-3-648-17792-1
Bestell-Nr. 10647-0151
Andrea Matheus
Crashkurs New Work
2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Mai 2025
© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg
www.haufe.de | [email protected]
Bildnachweis (Cover): © Stoffers Grafik-Design, Leipzig, KI-generiert mit Midjourney
Produktmanagement: Mirjam Gabler
Lektorat: Peter Böke
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Abb. 1: Mirror of Success
Abb. 2: Mirror of Breakdown
Abb. 3: Die Teamperformance-Pyramide
Abb. 4: Heiße und kalte Konflikte
Abb. 5: Das Starfish-Modell
Abb. 6: Das Johari-Fenster (Quelle: Wikipedia)
Carsten hat als stellvertretender Leiter einen schweren Stand im Team
Bekanntschaft auf der Betriebsfeier
Abb. 7: Das Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse
Auf dem Bildschirm kann der Gesprächspartner unheimlich aussehen
Abb. 8: Fördern und Fordern im Gleichgewicht
Mangel an Authentizität
Rumpelstilzchen-Chef in Aktion
Die Bevorzugung eines Mitarbeitenden löst beim Rest der Mannschaft Unmut aus
Abb. 9: Das Wertequadrat
Warum lässt sich das Team nicht von Deiner Begeisterung anstecken?
Abb. 10: Menschenbildtheorie (nach Douglas McGregor)
Abb. 11: Die Bandura-Kurve
Abb. 12: Die Räume des Wandels
Carsten hat als stellvertretender Leiter einen schweren Stand im Team
Tab. 1: Mirror of Success zum Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit und Bindung
Tab. 2: Formen der Konfliktlösung
Tab. 3: Das Starfish-Modell
Tab. 4: Austauschformate
Tab. 5: Vor- und Nachteile der digitalen Zusammenarbeit
Tab. 6: Mirror of Success zum Grundbedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz
Tab. 7: Grundeinstellungen im Kontakt mit anderen Menschen (nach Thomas Harris)
Tab. 8: Handlungsempfehlungen für ein empathisches Gespräch (nach David Bohm)
Tab. 9: Klärung statt Kritik (nach Reinhard K. Sprenger)
Tab. 10: Die Ich-Zustände im Überblick
Tab. 11: Konstruktives Feedback in vier Schritten (nach Marshall B. Rosenberg)
Tab. 12: Die Eskalationsstufen (nach Friedrich Glasl)
Tab. 13: Der Talk-Check IMMTO
Tab. 14: Mirror of Success zum Grundbedürfnis nach Stimmigkeit (Kohärenz)
Tab. 15: Faktoren der Leistungsfähigkeit Deines Teams
Tab. 16: Ursachen von Widerstand
Tab. 17: Psychische Überlastungssymptome (nach Sonja Höhn)
Tab. 18: Mirror of Success zum Grundbedürfnis nach Orientierung und Kontrolle
Tab. 19: Das 4-Mat-Framing von Bernice McCarthy
Tab. 20: Das Reifegrad-Modell (nach Paul Hersey und Ken Blanchard)
Tab. 21: Mirror of Success zum Grundbedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung
Tab. 22: Das Modell der Big Five
Dr. Franz Hütter
Inmitten der atemberaubenden Veränderungsdynamik unserer Zeit braucht moderne Führung nicht nur Flexibilität und Klarheit, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Dynamik menschlichen Verhaltens. Führungskräfte sind immer mehr gefordert, sich flexibel und vorausschauend an ständig veränderte Umweltbedingungen anzupassen und die Fähigkeit dazu auch an ihre Mitarbeitenden weiterzugeben. Andrea Matheus’ Buch liefert genau dazu die notwendigen Impulse und Konzepte. Sie beruhen auf fundierten, sehr eingängig dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind zugleich in hohem Maße praxistauglich. Das Buch zeigt, wie Führung nicht nur effektiv, sondern auch menschlich gestaltet werden kann.
Ein zentrales Thema des Werks ist die psychologische Sicherheit – ein Faktor, der auf breiter empirischer Basis als essenziell für Lernen, Kreativität und Zusammenarbeit angesehen wird. Schließlich beeinträchtigen stressbedingte Frontalhirnausfälle genau die exekutiven Funktionen wie Strategieentwicklung, Entscheidungsfindung und Problemlösung, die für eine erfolgreiche Führungsarbeit essenziell sind. Dieses Buch verdeutlicht, wie psychologische Sicherheit dem systematisch vorbeugen kann: durch die Erfüllung grundlegender menschlicher Bedürfnisse nach Bindung, Orientierung, Selbstwerterhöhung und Lustgewinn – Bedürfnisse, die tief in unserer Neurobiologie verwurzelt sind. Wenn wir uns auf die Erfüllung dieser Bedürfnisse fokussieren, entsteht Konsistenz – eine geordnete Aktivität des neuronalen Signalverkehrs in unseren Köpfen, die nachweislich nicht nur unserer Leistungsfähigkeit, sondern auch unserer Gesundheit zugutekommt.
Besonders zentral ist das Konzept des »Mirror of Success«, der die positiven Effekte einer konsistenzorientierten Führung beschreibt. Dieses Modell zeigt, wie bedürfnisorientierte Führung nicht nur Stress reduzieren, sondern auch die neuroplastischen Prozesse im Gehirn anregen kann. Als Fähigkeit des Gehirns, sich durch Erfahrungen ein Leben lang zu verändern, bildet Neuroplastizität die Hardware-Voraussetzung für jegliche Lern-, Entwicklungs- und Change-Prozesse. Während toxischer Stress Neuroplastizität behindert, schafft eine wertschätzende, an den Grundbedürfnissen orientierte Führung die lernphysiologischen Voraussetzungen für erfolgreiche Veränderung im Kopf und im Unternehmen. Gleichzeitig warnt das Buch mit dem Konzept des »Mirror of Breakdown« vor den destruktiven Folgen einer Führung, die diese Bedürfnisse ignoriert oder verletzt. Eine solche Haltung kann nicht nur die Leistung von Menschen mindern, sondern auch dem Unternehmen langfristig die Existenzgrundlage entziehen.
Ein bemerkenswerter Kernaspekt des Buches ist sein Fokus auf die Persönlichkeitsentwicklung als Erfolgsbedingung für die Verbesserung von Führungskompetenz. Veränderung ist niemals bequem und echtes Wachstum entsteht manchmal erst, wenn man die Komfortzone verlässt – die Wissenschaft spricht hier von Phasen des »unhappy learning«, das mit nicht-trivialen Lernprozessen fast immer einhergeht. Der persönlichkeitszentrierte Ansatz ist kompatibel mit Befunden, nach denen Persönlichkeitsaspekte individuelle Unterschiede in Sachen Leistungsfähigkeit und Gesundheit weitaus besser erklären als rein verhaltensbezogene Dimensionen der Führung. Mit anderen Worten: Während Verhaltenstipps und Verhaltenstraining oft zu kurz greifen, liegt in der Fortentwicklung der eigenen Persönlichkeit viel ergebniswirksamer Mehrwert. Gut, dass Andrea Matheus hiermit ein überzeugendes Plädoyer formuliert, sich in diese tiefenwirksamen Dimensionen vorzuwagen.
Das Buch vermittelt indes nicht nur die Verständnisgrundlagen für solche Zusammenhänge auf erfreulich lockere Art, sondern bietet vor allem konkrete Werkzeuge und Methoden, um diese Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. So wird deutlich, wie Führung auch unter erschwerten Bedingungen über kurzfristige Problemlösung oder operative Maßnahmen hinausgehen kann.
Dabei geht es vor allem darum, langfristig tragfähige Strukturen zu schaffen, die intrinsische Motivation, Selbstverantwortung und kreative Problemlösung fördern. Auch hier schließt das Buch an aktuelle Erkenntnisse über soziale Systeme an, die die Rolle von Vertrauen, Transparenz und Autonomie für den Erfolg moderner Organisationen hervorheben.
Ich lese das Werk daher auch als eindringlichen Appell an Führungskräfte, ihre Rolle gegebenenfalls neu zu definieren: mit dem Wagnis, Kontrollbedürfnisse und den Versuch des Steuerns und Regelns öfter mal hintanzustellen und stattdessen mehr Vertrauen und Gegenseitigkeit zu wagen. So gibt es Impulse zur Gestaltung eines dauerhaft erfolgreichen Miteinanders in einem Umfeld, in dem Selbstorganisationsfähigkeit und Selbstverantwortung immer mehr zu unverzichtbaren Kernkompetenzen werden.
Möge dieses Buch vielen Führungskräften ein inspirierender Wegweiser sein – für den Aufbau leistungsfähiger Teams, die Entwicklung individueller Potenziale und eine Führung, die ebenso wirksam wie menschlich ist.
Liebe Führungskraft,
da Du ein Buch zum Thema »New Work« in den Händen hältst, würde ich Dich gern im Sinne der zeitgemäßen »Duz-Kultur« auch mit »Du« ansprechen.
Ich habe großen Respekt vor Menschen wie Dir, die sich Tag für Tag auf Führungsaufgaben einlassen. Für die moderne Führungskraft von heute liegt die Latte hoch: souverän, freundlich, unterstützend, ermutigend, fachlich kompetent, zuversichtlich und zugleich stark und durchsetzungsfähig sind nur einige Adjektive für die Anforderungen und Eigenschaften von Führungskräften, die mir da durch den Kopf gehen. Es wird von Dir erwartet – oder Du erwartest vielleicht auch von Dir selbst –, dass Du Dich jederzeit emotional im Griff hast, auf alles eine Antwort weißt, immer die richtigen Entscheidungen triffst, die Stimmung im Team ständig im Blick hast und dabei gleichzeitig Deine eigenen Aufgaben zu 100 Prozent erledigst. Ach ja, gesund bleiben und psychologisch in einer inneren Balance solltest Du dabei natürlich auch noch, selbst wenn Du unzählige Überstunden leistest.
Vielleicht hast Du schon viele Seminare besucht, in denen Du gelernt hast, wie man sich als Führungskraft von heute verhält, wie man »gesund führt« und all die schönen, wohlklingenden und hochmodernen »New Work«-Formate auf das eigene Team überträgt.
Vielleicht gab es nach einem vielversprechenden Seminar Momente der Ernüchterung, weil sich die Realität ganz anders dargestellt hat, als es in der Theorie vermittelt wurde. Vielleicht gibt es auch Mitarbeitende, die all dem Neuen und Modernen sehr skeptisch gegenüberstehen, und vielleicht hattest Du von Dir erwartet, dass Du diese mithilfe Deiner neuen rhetorischen Techniken mitreißt und für alle Neuerungen begeisterst.
Möglicherweise warst Du sogar hier und da müde, die perfekte Führungskraft abzugeben, und hast dann das eine oder andere Mal heimlich davon geträumt, eine Imbissbude an einem schönen Ort am Strand zu eröffnen, um Dich von der Last der Führungsaufgaben zu befreien. Willkommen im Alltag der modernen Führungskraft! Wenn Dir diese Gedanken bekannt vorkommen, dann kann ich Dir versichern: Du bist damit nicht allein!
In den vergangenen Jahren habe ich sehr viele Führungskräfte in Coachings, auf Leitungsklausuren und Workshops begleiten dürfen und war dabei mit ihnen im intensiven Austausch zu genau diese Themen. Die regelmäßig wiederkehrenden Probleme der Führungsarbeit haben mich zum Modell des »Mirror of Success« Mirror of Successgeführt. Dieses Modell bildet die theoretische Grundlage für den vorliegenden Crashkurs. Mit seiner Hilfe stehen Dir Möglichkeiten zur Verfügung, um optimale Rahmenbedingungen sowie eine wertschätzende innere Haltung für Dich und für Dein Team zu schaffen. Der Ansatz ist einfach und gleichzeitig wirkungsvoll. Es geht hier in erster Linie um das Verstehen von neuropsychologischen Wirkmechanismen. Wenn wir verstehen, was Menschen brauchen, damit sie ihre Potenziale entfalten und sich wirksam fühlen, dann können wir daran unsere Arbeitsumgebung, unser Verhalten und den Führungsstil ausrichten.
Das Ziel ist die Entwicklung, das innere Wachstum, und die Erkenntnis, aus der heraus Dein ganz persönlicher Transformationsprozess entsteht, so dass Du wachsen, Dich entwickeln und dabei authentisch bleiben kannst.
Bei diesem Werk handelt es sich um die zweite Auflage meines Buches, für die ich einige Passagen überarbeitet und ausgetauscht habe, ohne die ursprüngliche Aussage oder den Charakter des Buches zu verändern. Im Zuge der Überarbeitung wurden einige neuere Erkenntnisse berücksichtigt, und es sind neue, anschauliche Modelle hinzugekommen, die ich gern mit Dir teilen möchte. Ich wünsche Dir nun viel Erfolg und viele hilfreiche (neue) Erkenntnisse und Einsichten.
Andrea Matheus
Bremen, im Februar 2025
Psychologische Sicherheit für Teamarbeit und Führung
psychologische SicherheitDie Welt um uns herum verändert sich rasant. Megatrends wie die DigitalisierungDigitalisierung, die GlobalisierungGlobalisierung, der demografische Wandeldemografischer Wandel und die Nachhaltigkeit treiben diese Veränderungen immer stärker voran. Mit dem Einzug der Künstlichen Intelligenz in unsere Arbeitswelt werden uns bisher ungeahnte Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die enorme Vorteile bieten, jedoch auch viele »Nebenwirkungen« mit sich bringen werden.
VUKA-WeltWir leben schon längst in der »VUKA-Welt«. Dieser Begriff meint eine Welt, in der Faktoren wie Dynamik, Geschwindigkeit, Schwankungen, Unsicherheiten sowie Komplexität und Mehrdeutigkeiten das Geschehen bestimmen. Dabei steht das V für Volatilität, das U für Unsicherheit, das K für Komplexität und das A für Ambiguität. Dieses Akronym ist Anfang der 2000er Jahre entstanden, als man feststellte, dass die ganzen wunderbaren technischen Entwicklungen über die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten hinaus auch gewisse Nebenwirkungen mit sich bringen. Diese Faktoren lassen uns in unserem Bedürfnis nach Beständigkeit, Harmonie, Routine, Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit nicht mehr zur Ruhe kommen. Ständig müssen wir uns neu ausrichten und uns den äußeren Gegebenheiten anpassen. Neue Geräte, neue Geschäftsmodelle, neue Arbeitsprozesse. Unser Leben ist zu einem kontinuierlichen Veränderungsprozess geworden. Das mag unser menschliches Gehirn gar nicht und kostet darüber hinaus Unmengen an Energie. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, uns an die technisch geprägte Welt, die wir uns selbst erschaffen haben, anzupassen. Die alten Modelle von Zusammenarbeit und Führung haben in dieser neuen Epoche »ausgedient«, auch wenn diese Einsicht bei vielen Unternehmen noch nicht in ihrer ganzen Tragweite angekommen ist. Ja, manche Führungskraft hält paradoxerweise mit wachsendem Veränderungsbewusstsein stärker an alten Strukturen fest, nach dem Motto: »Das hat doch früher auch immer funktioniert.« Allerdings mit dem kleinen, aber nicht unerheblichen Unterschied, dass es Zeiten wie diese noch nie gab und wir alle gemeinsam Neuland betreten. Die Künstliche Intelligenz wird in unserer Arbeitswelt noch für eine enorme Erhöhung der Veränderungsgeschwindigkeit sorgen. Das soll jetzt nicht allzu negativ klingen und auch keine Ängste schüren, aber doch ein Bewusstsein dafür erzeugen, dass wir im Zuge dieser Veränderungen noch stärker auf uns als menschliche Wesen achten müssen als zuvor, um all diese Vorteile technologischer Entwicklungen »nebenwirkungsarm« zu nutzen und unsere Potenziale gemeinsam, im Sinne einer positiven Zukunftsgestaltung, zu heben.
In Zeiten dieses tiefgreifenden Wandels, in denen wir auf keine überkommenen Erfahrungswerte zurückgreifen können, braucht es auch neue Formen der Zusammenarbeit. Es reicht jedoch nicht, das Buzzword »New Work« so auszulegen, dass wir einfach nur ein paar Kickertische für die Mitarbeitenden aufstellen und wohlklingende, englische Bezeichnungen für alle Rollen im System einführen müssen, während unterm Strich alles beim Alten bleibt. New Work bedeutet vor allem, dass die Menschen in der jeweiligen Organisation gemeinsam darauf achten, die bestmöglichen Wege für die Herausforderungen zu finden, und sie sich nicht vor den Menschen im eigenen System schützen müssen. Diese Basisvoraussetzung nennen wir »psychologische Sicherheit«. New WorkNew Work und psychologische Sicherheitpsychologische Sicherheit gehen Hand in Hand und sind untrennbar miteinander verbunden. Um es mit einer Metapher zu beschreiben: Wenn New Work eine Kissenhülle wäre, dann ist die psychologische Sicherheit die Füllung – ohne diese Füllung würde das Kissen nicht als solches funktionieren.
Psychologische Sicherheit ist schwer zu greifen und wird oft erst dann deutlich spürbar, wenn sie fehlt. Um Dir als Führungskraft dieses Phänomen, diese Basis und Grundvoraussetzung gelingender Teamperformance, zu verdeutlichen, habe ich in diesem Buch das Modell der psychischen Grundbedürfnissepsychisches Grundbedürfnis nach Klaus GraweGrawe, Klaus genutzt. So sehr wir uns auch an den Umgang mit der Technik gewöhnt haben, im Inneren funktionieren wir Menschen noch wie vor Hunderttausenden von Jahren. Die psychischen Grundbedürfnisse, die Du in den fünf Kapiteln dieses Buches im Einzelnen kennenlernen wirst, prägen unser Denken, Fühlen und Handeln noch immer genauso wie bei unseren Vorfahren.
Welche »New Work«-Formate passen zur eigenen Organisation?
New WorkJede Organisation braucht einen individuellen Entwicklungsprozess, der die jeweiligen Rahmenbedingungen und Grundvoraussetzungen berücksichtigt. Es ist ein gemeinsamer Weg mit Deinen Mitarbeitenden, der damit beginnt, die psychologische Sicherheit in Deinem System einziehen und gedeihen zu lassen. Nur auf dieser Basis wird es gelingen, die nötige Beweglichkeit zu haben, um auf viele Veränderungen schnell und adäquat reagieren zu können. Neuausrichtungen und immer wieder neue Anpassungsprozesse werden Teil unserer Zukunft sein.
Beachte
Neue Modelle der Zusammenarbeit und Arbeitsorganisation sollten nicht einfach nur von anderen kopiert und über die eine Organisation gestülpt werden, nur damit man sich ein »modernes Unternehmen« nennen kann. Auch die Rückkehr in die alte hierarchische Führung kann nicht die Antwort auf die vielen Herausforderungen sein, die eine komplexe und komplizierte Arbeitswelt benötigt.
»Der Versuch der Agilisierung in hierarchischen Strukturen muss als gescheitert betrachtet werden. Da hilft auch keine Mindset-Arbeit. Ein großer Teil des dauerhaften Wandels in Unternehmen ist daher überflüssige Symptomarbeit«. (Starker 2024)
»Wir müssen die Menschen mitnehmen«
New Work, New-Work-FormateNicht jedes »New Work«-Format passt zu jedem Team und nicht jeder Mitarbeitende, der bislang klaren Anweisungen gefolgt ist, feiert plötzlich sein »Ownership«. Wenn über Nacht alle Strukturen ausgehebelt werden und Menschen sich ihren Aufgaben nicht gewachsen fühlen, weil ihnen die Orientierung fehlt, ist nichts gewonnen. Dieser Veränderungsprozess erfordert achtsame, angemessene und vor allem gemeinsame Schritte, um diese Entwicklung so zu gestalten, dass sich auch Mitarbeitende damit wohlfühlen. »Wir müssen die Menschen mitnehmen«, schallt es auf jeder Managementveranstaltung. Wissenschaftler, Coaches und Trainer versuchen seit Langem, Führungskräfte und Unternehmer für diesen Ansatz zu gewinnen, und halten zum Thema Mitarbeiterführung viele beeindruckende Reden. Ohne Zweifel stößt diese Forderung auf eine große berechtigte Zustimmung. Nur was meint das eigentlich genau und warum scheitert es so häufig an der Umsetzung?
Wir vergessen bei all der Begeisterung für die neuen Technologien viel zu häufig, dass wir uns in unserem biologischen Bauplan und in unserer ursprünglichen Bedürfnislage innerhalb der letzten Jahrtausende nicht wesentlich verändert haben. Dieses eigentlich notwendige »Level-up« haben auch die rasanten technischen Entwicklungen der letzten 150 Jahre nicht bewirken können, so sehr wir dem auch entsprechen möchten. Wir Menschen funktionieren noch immer wie vor Tausenden von Jahren. Unsere Gehirne sind »Steinzeitgehirne«. Unsere Grundbedürfnisse gleichen denen unserer Vorfahren.
Der niederländische Historiker Rutger Bregman (2020)Bregman, Rutger hat diesen Zusammenhang in seinem Buch »Im Grunde gut« sehr anschaulich dargestellt:
»Wenn wir die Geschichte der Welt im Maßstab zu einem Kalenderjahr betrachten, dann würde der Planet bis zum Oktober den Einzellern gehören, ab November hätte sich all das entwickelt, was Beine und Äste hat, und uns Menschen gäbe es erst seit dem 31. Dezember eine Stunde vor Mitternacht. Davon wären wir 58 Minuten Jäger und Sammler. Ab 23.58 hätten wir die Landwirtschaft entwickelt und wir Menschen wären sesshaft geworden. In der letzten Minute vor Mitternacht hätte sich dann alles ereignet, was wir Geschichte nennen.«
Kein Wunder also, dass wir trotz aller Entdeckungen und technischen Entwicklungen noch immer genauso anfällig für Fantasien und Täuschungen (Wahrnehmungsverzerrungen) wie unsere Vorfahren sind und nur allzu schnell in einen Katastrophenmodus verfallen.
Unser Gehirn hat mehr Rezeptoren für Negatives als für Positives, weil es seine originäre Aufgabe ist, unser Überleben zu sichern. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig das Alarmsystem hochfahren, heißt ein bewährtes Motto unseres Denk- und Steuerorgans. Diese Reaktionen werden nicht nur angesichts von realen, sondern auch bei nur empfundenen Bedrohungen ausgelöst. So können Katastrophen auch schnell mal über den Bildschirm zu uns kommen und uns in Angst und Schrecken versetzen.
»Nahezu alle Systeme in uns Menschen haben sich im Laufe der Jahrtausende entwickelt, um unser Überleben sicherzustellen. Die psychischen Grundbedürfnisse und deren Wirkmechanismen, die überwiegend auf der instinktiven Ebene, also außerhalb unserer bewußten Wahrnehmung, ablaufen, bilden einen Teil eines solchen Systems. Auch wenn wir noch so moderne Menschen sind, die heute nicht mehr ihre Beute sammeln und fangen müssen, sondern sich mit Karriere und den Annehmlichkeiten des Lebens beschäftigen, wirken diese alten Instinkte noch weiterhin und steuern zu einem großen Teil unser Verhalten, Denken und Fühlen. Unser primitives Selbst erlebt die Welt um sich herum in Feldern von Bedrohungen und Gefahr und von Wohlbefinden und Sicherheit.« (Sinek 2017)
Der Anthropologe und Keynote-Speaker Simon SinekSinek, Simon (2017) beschreibt in seinem Buch »Leaders Eat Last«, dass wir, indem wir diese unterschwelligen Steuerungsmechanismen verstehen, eine Umgebung erschaffen können, in der sich Menschen wohl und sicher fühlen, und uns besser auf die Herausforderungen vorbereiten können, die außerhalb unserer Organisation auf uns warten, als dass wir uns vor den Menschen im Kreis der Kollegen und Vorgesetzten in Acht nehmen müssen. Im Hinblick auf unsere knappen kognitiven Ressourcen ist dies ein durchaus sinnvoller Gedanke.
Unsere Gehirne sind Steinzeitgehirne, die noch genauso funktionieren wie bei den Menschen, die Beeren gesammelt und wilde Tiere erlegt haben. Um uns evolutionär an unsere jetzigen Gegebenheiten anzupassen, würde es viele tausend Jahre dauern. Unser Gehirn konnte sich unmöglich in dieser entwicklungsgeschichtlich kurzen Zeit den jetzt vorherrschenden Umständen anpassen. Dennoch können wir davon ausgehen, dass sich das Rad nicht mehr rückwärts drehen wird, sondern immer schneller vorwärts rollt.
Aktuell sind wir ständig der Gefahr ausgesetzt, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Die zahlreichen schnellen Veränderungen und die überwältigende Flut an Informationen, Bildern und Eindrücken überfordern uns. Unsere hohen Ansprüche und der Perfektionismus erzeugen zusätzlich einen enormen inneren Druck, der auf Dauer ungesund ist. Doch es gibt auch Wege, um diese Diskrepanz zu überwinden. Ein entscheidender Ansatz, den dieses Buch liefert, ist das Sicherstellen und Wahren der psychischen Grundbedürfnisse. Das Modell »Mirror of Success« fungiert dabei als Dein Kompass durch die VUKA-Welt. Mit diesem Kompass kannst Du Dich und Dein Team sicher durch unübersichtliches Terrain navigieren und Risiken begegnen, ohne dabei »Lost in Transformation« zu sein.
Neue Anforderungen an Führungskräfte
Führungskraft, neue Anforderungen an die FührungskraftFür die Führungskräfte von heute und morgen bedeuten die neuen Umstände die Notwendigkeit einer Erweiterung ihrer Führungsqualitäten, verbunden mit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung ihrer Führungspersönlichkeit. Zu diesen Anforderungen gehört ein fundiertes (neuro-)psychologisches Grundwissen sowie ein Verständnis davon, wie Menschen funktionieren und was sie benötigen, um gute Arbeit leisten zu können und sich mit dem, was sie tun, auch wohlzufühlen. Nur dann sind Mitarbeitende produktiv und motiviert.
Menschen wollen mitdenken und mitgestalten dürfen. Sie mögen es, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und sich mit anderen auszutauschen, um gemeinsam die besten Lösungen zu finden. Gerade in Krisenzeiten führt ein konstruktiver Austausch zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitenden zu mehr Verbundenheit und dadurch zu mehr empfundener Sicherheit und Selbstwirksamkeit, und damit zu mehr Mut und Optimismus unter den Beschäftigten.
Beachte
Die fachliche Expertisefachliche Expertise ist nicht mehr die wichtigste Kompetenz einer Führungskraft, vielmehr zählt die Fähigkeit, Menschen einen Rahmen für die bestmögliche Entfaltung ihrer Potenziale unter den Bedingungen psychologischer Sicherheit, durch Unterstützung und Empowerment zu bieten.
Um die genannten äußeren Herausforderungen zu meistern, sein Team in die Entwicklungsprozesse miteinzubinden und möglichst viel Stabilität zu schaffen, ist ein vertrauensvolles und wohlwollendes Miteinander am Arbeitsplatz dringend erforderlich und es bedarf zudem einer intensiven Teampflege. Der Fokus einer Führungskraft verschiebt sich damit von »Management« immer mehr in Richtung »Leadership«Leadership. Als erfolgreicher Leader stehen zunehmend die menschlichen Qualitäten und eine wohlwollende Haltung gegenüber den Mitarbeitenden im Vordergrund.
Wie begleitest Du die Menschen in Deinem Team auf dem Weg in die Zukunft? Wie nimmst Du Ängste und Bedenken und schaffst zugleich einen sinnstiftenden Spirit? Wie bewirkst Du, dass die Menschen in Deinem Team hinter Dir und dem Unternehmen stehen und sich voller Motivation, Vertrauen und Engagement in unbekannte Abenteuer stürzen? Wie vermittelst Du Deinen Mitarbeitenden, dass sie einen starken Leader und ein wohlgesonnenes Team hinter sich haben?
Wahrung der psychischen Grundbedürfnisse
psychisches GrundbedürfnisNicht zuletzt soll die Führungskraft sich auch wohlfühlen, anstatt sich selbst ständig in anstrengenden Situationen zu verausgaben. Deshalb gilt die Wahrung der psychischen Grundbedürfnisse ebenso für Dich als Führungskraft selbst. Auch daran habe ich in diesem Buch gedacht.
Der technische Fortschritt hat überall auf der Welt schleichend und oft unbemerkt einen hohen Preis eingefordert: Menschen leiden unter Orientierungslosigkeit, unter dem Mangel an Zugehörigkeit und Identifikation. Zudem finden sie sich häufig in Situationen permanenter Überforderung wieder. Die Folge ist eine kontinuierlich ansteigende Zahl von Fehltagen infolge psychischer Überlastung und Demotivation. Der rasante Anstieg von Fällen psychisch bedingter ArbeitsunfähigkeitArbeitsunfähigkeit ist alarmierend und zwingt zum Handeln.
Fehlt es Menschen in Teams an Vertrauen, Sinnhaftigkeit und Orientierung, wirkt sich dies signifikant auf die Arbeitsergebnisse und damit auf den Unternehmenserfolg aus. Wenn Mitarbeitende Angst haben, sich einzubringen oder auf Basis ihrer Expertise Entscheidungen von Vorgesetzten zu hinterfragen, kann dies fatale Auswirkungen haben.
Psychologische Sicherheit
Die kollaborative Zusammenarbeit braucht einen angstfreien Rahmen, in dem Bedenken, Ideen und Beobachtungen zeitnah geäußert werden dürfen, ohne dass Mitarbeitende Angst vor Repressalien haben müssen. Nur so können sich Menschen gemeinsam weiterentwickeln und optimale Ergebnisse hervorbringen. Diese Rahmenbedingungen zu gestalten, ist die bedeutendste Aufgabe der Führungskraft im »New Work«-Zeitalter.
In den meisten Unternehmen wird in Mitarbeiterbefragungen aller Artpsychische Belastung jedoch immer wieder das schwierige Miteinander im Team und das Verhalten einiger Vorgesetzter als belastend bewertet. Dieses Empfinden führt zu mangelnder Motivation aufgrund von Angst und Unsicherheit. Die fehlende Offenheit begünstigt unterschwellige Konflikte, die das Miteinander stark belasten. Diese Art von Arbeitsatmosphäre wirkt wie »Sand im Getriebe« des Unternehmens und blockiert jeden guten Workflow und jede Innovation, die für die Zukunftsfähigkeit so dringend notwendig ist.
Leitbilder für die Schreibtischschublade
UnternehmensleitbildViele Unternehmen verfügen zwar über ein wohlklingendes Leitbild, das sie häufig im Kreis der obersten Führungskräfte ohne Einbeziehung der Belegschaft entwickelt haben. Dieses Leitbild erweist sich im gelebten Alltag jedoch häufig als völlig unwirksam. Es bleibt eben nur bei wohlklingenden Worten und Sätzen, mit denen sich die Mitarbeitenden nicht identifizieren und die ihnen weder Sicherheit noch Orientierung vermitteln. Da die meisten Menschen der Organisation beim Ausarbeiten dieses Leitbildes nicht mitgewirkt haben, bleiben seine schönen Worte wirkungslos. Wenn ein solches Leitbild jedoch »bottom up« von allen im Unternehmen arbeitenden Personen mitgestaltet werden kann und es dann auch noch weitere Interventionen zur Einführung und Umsetzung der neuen Unternehmenskultur gibt, stehen die Chancen für eine nachhaltige Veränderung schon besser. Veränderung braucht Zeit, die Möglichkeit für Austausch und gegenseitige Unterstützung, um Ängste abzubauen und das Gefühl der Bewältigbarkeit in herausfordernden Phasen der Ungewissheit wachsen zu lassen. Dieser Aspekt wird leider häufig enorm unterschätzt und das Unternehmensleitbild bleibt weitestgehend unbeachtet, manchmal ist es den Mitarbeitenden nicht einmal bekannt.
Die am häufigsten verwendeten Wörter, die in allen Firmenleitbildern zu finden sind, lauten: Respekt, Vertrauen und Wertschätzung. In der Praxis erweisen diese sich leider oft als leere Worthülsen, denen bei genauer Betrachtung kein gelebtes positives Miteinander im Unternehmen entspricht. Es fehlt vielen Unternehmen an wirksamen Strategien der Umsetzung und einer nachhaltigen Verankerung der ausgelobten Werte. Ein Leitbild allein macht noch keinen guten Unternehmens-Spirit – leider ist dies jedoch die gängige Praxis, und die Enttäuschung ist groß, wenn Ergebnisse aus der Mitarbeiterbefragung negative Rückmeldungen über die Kultur und das Miteinander im Unternehmen zutage fördern.
UnternehmensleitbildMeiner Erfahrung nach verschwindet das Blatt Papier mit dem schön formulierten Leitbild häufig in den Schreibtischschubladen der Belegschaft, bestenfalls bekommt es einen gerahmten Platz an der Wand. In beiden Fällen geraten Sinn und Zweck des Leitbildes schnell wieder in Vergessenheit. Die Fehlannahme dieser Art von Kulturentwicklung von oben ist dieselbe wie bei einer Brigitte-Diät: Eine kurze und spontane Aktion soll gekrönt sein von einem durchschlagenden und dauerhaften Erfolg.
Beachte
Menschen sind »Gewohnheitstiere«, die ihren alten Mustern treu folgen, solange sie nicht intensiv und nachhaltig an Veränderungen arbeiten, deren Notwendigkeit sie einsehen.
Wer kennt das nicht: Da hat man mit seinem Team in einem Workshop ein paar gute Ansätze ausgearbeitet, und dann werden diese im Arbeitsalltag nicht umgesetzt. Denn sobald der Arbeitsalltag wieder seinen gewohnten Gang geht und Stress an der Tagesordnung ist, fallen wir rasch in unser gewohntes Verhalten zurück. Woran liegt das? Unser Gehirn greift gern auf Bewährtes zurück, weil dieses Verhalten mit einer kognitiven Leichtigkeit einhergeht. Bewährtes verspricht unserem Gehirn Sicherheit und Stabilität, weil es sich zu gern auf Erfahrungen aus der Vergangenheit stützt. Hinzu kommt, dass eine echte, nachhaltige Veränderungsbereitschaft einen Sinn, ein klares Ziel und einen realistischen Handlungsrahmen voraussetzt. Nur wenn das »Warum« stark genug ist, setzen wir Menschen uns in Bewegung – wir sind motiviert, wenn wir ein Ziel vor Augen haben, das unsere gegenwärtige Situation verbessert und auch erreichbar erscheint. Allerdings muss dieser Veränderungsprozess mit einer Glaubwürdigkeit für die Beteiligten einhergehen. Nur einfach mal drüber reden, hilft wenig. Zweifeln Menschen daran, dass diese Pläne ernst gemeint sind, ist ebenso mit einer eher geringen Motivation zu rechnen. Deshalb bist Du als Führungskraft besonders gefragt, als Vorbild in Erscheinung zu treten und Zusagen auch wirklich einzuhalten.
Verhaltensmuster aus der Rhetorikkiste
Führungsstil, Entwicklung eines modernen FührungsstilsEine weitere verbreitete Fehlannahme hinsichtlich der Entwicklung eines modernen Führungsstils besteht darin, dass man sich ein neues Führungsverhalten einfach antrainieren kann. Doch wer sich in seiner Persönlichkeit nicht weiterentwickelt, wird auch mit angelesenen und antrainierten Verhaltensmustern aus der Rhetorikkiste nicht erfolgreich sein. Viele Podcasts oder Youtube-Kanäle versprechen einen schnellen Erfolg, wenn Du als Führungskraft nur diese oder jene Rhetorik-Tricks anwendest. Überall zeigen Expertinnen und Experten Dir, wie Du erfolgreich kommunizieren sollst, um Ansehen und Respekt zu ernten. Es wird dabei eine Art »Expertenwissen to go« vermittelt. Von einer echten, tiefgreifenden persönlichen Entwicklung keine Spur. Ein bisschen erinnern mich diese vollmundigen Trainings an eine Hundeschule – und so wirken dann auch die Umsetzungen der Trainierenden im Alltag entsprechend »putzig«.
Oft führen aber auch die Erwartungen seitens der Geschäftsführung an ihre Führungskräfte, wenn eine schnelle Anpassung des Führungsstils gefordert wird, in die totale Überforderung: Man weiß als Führungskraft schon gar nicht mehr, was und wie man es sagen soll, um all den Inhalten aus den Trainings für modernes und angemessenes Führungsverhalten zu entsprechen.
Die bedauernswerte Führungskraft läuft nach all den Trainings und Führungs-Podcasts Gefahr, wie eine Marionette zu wirken und jeden Funken von Persönlichkeit und Authentizität zu verlieren. Ähnlich verhält es sich mit den vielen verschiedenen Persönlichkeitsmodellen, die Führungskräften dabei helfen sollen, ihr Team besser zu führen und sich auf die unterschiedlichen Menschentypen besser einzustellen. So verlockend es auch erscheinen mag und vielleicht unserem Bedürfnis nach Orientierung entgegenkommt: Vorsicht vor Schubladendenken! Wer seine Mitarbeitenden nur noch durch eine schematische Brille sieht und jedes Verhalten zum Beispiel auf die Farbpräferenzen der Individuen in seinem Team zurückführt, um daraus selbstgerecht entsprechende Handlungen abzuleiten, macht es sich zu einfach und wird letztlich nicht erfolgreich sein.
Beachte
NeuropsychologieWenn die neuropsychologischen Wirkmechanismen im Umgang miteinander nicht verstanden werden, bleiben Trainings, in denen lediglich Methoden und Tools zum Einsatz kommen, wirkungslos. Es braucht ein gutes Maß an Hintergrundwissen und Verständnis, Bereitschaft zur Veränderung, auch bei sich selbst, und viel Achtsamkeit.
Der Mirror of Success
Mirror of Success, Vorstellung des ModellsDas in diesem Buch vorgestellte Modell »Mirror of Success« soll Führungskräften eine solide Grundlage bieten, um im eigenen Team und in der gesamten Organisation ein Klima entstehen zu lassen, in dem angstfreie, motivierte, sinnhafte und produktive Zusammenarbeit gelebt wird – welche »New Work«-Formate dann im Einzelnen auch immer zur jeweiligen Organisation passen, kann auf der Basis des wertschätzenden Miteinanders am besten gemeinsam entwickelt werden. Modell und Buch möchten Führungskräfte, Projektleiterinnen und -leiter darin unterstützen, sich und das Team in einem guten psychischen Gleichgewicht zu halten und belastende Faktoren, wie teaminterne Konflikte und Überforderung, zu minimieren.
Beachte
Führungskräfte und Projektleiter erfahren in diesem Buch, welchen Einfluss sie auf das Miteinander im Team und auf den Erfolg des Unternehmens haben. Wenn Sie die psychologische Sicherheit in Ihrem Team fördern und stärken, können sie sich zu einem »High Performing«-Team entwickeln und zugleich selbst authentisch und in einem ressourcevollen Zustand bleiben.
Keep it simple!
Beim Verfassen dieses Buches war es mir wichtig, dass es unkompliziert aufgebaut und durch kurze und griffige Überblicke sowie durch eine gut verständliche Alltagssprache mit Leichtigkeit zu lesen ist. Auch habe ich mir hier und dort eine kleine Portion Humor erlaubt. »Keep it simple!« lautet schließlich eine »New Work«-Devise, der ich mich gerne anschließen möchte. Unser Gehirn mag Leichtigkeit, weil dies mit dem Einsparen unserer kognitiven Ressourcen einhergeht. Aus meiner Sicht sind die kognitiven Ressourcen die neue Währung unserer Gegenwart und Zukunft. Deshalb gewinnen Relevanz, Achtsamkeit und das Setzten von Prioritäten enorm an Bedeutung.
Das Modell »Mirror of Success«
Mirror of Success, Vorstellung des ModellsHinter jedem Konflikt, hinter jeder schwierigen Beziehung, jedem Unwohlsein in der Teamgemeinschaft ebenso wie hinter mangelnder Motivation stecken verletzte psychische Grundbedürfnisse, auf die ich im weiteren Verlauf dieses Buches noch intensiv eingehen werde. Sie sind der Schlüssel für eine gut funktionierende Gemeinschaft, übrigens auch außerhalb eines Unternehmens. psychisches GrundbedürfnisDoch werden sie im Arbeitsalltag selten explizit benannt. Niemand spricht davon, dass man sein »psychisches Grundbedürfnis nach Selbstwertschutz« verletzt habe. Stattdessen sprechen wir in solchen Zusammenhängen alltagssprachlich von »Respekt«, »Würde« oder der »Ehre«, die verletzt worden sind.
Unsere psychischen Grundbedürfnisse
psychisches GrundbedürfnisIm Modell »Mirror of Success« (vgl. Abb. 1) habe ich die psychischen Grundbedürfnisse mit unserem Alltagssprachgebrauch in einen Zusammenhang gebracht und um Verhaltensweisen, Maßnahmen und Einstellungen, die auf die Sicherung dieser Grundbedürfnisse einzahlen, ergänzt. So ergibt sich eine klare und gut nachvollziehbare Übersicht, die als Grundlage für die Entwicklung einer gelingenden Zusammenarbeit dient.
Im Idealfall, und das ist das Ziel dieses Buches, werden die psychischen Grundbedürfnisse aller Mitarbeitenden und Führungskräfte im Unternehmen von Vornherein gleichermaßen geachtet und gewahrt, damit demotivierende und demütigende Situationen, Angst und Unsicherheit gar nicht erst entstehen oder zumindest weitestgehend minimiert werden können. Kennen, verstehen und achten Menschen ihre psychischen Grundbedürfnisse wechselseitig, ist eine Grundlage dafür geschaffen, dass die Zusammenarbeit im Team von einem konstruktiven und wertschätzenden Austausch und einer zugewandten Grundhaltung geprägt wird. So können gemeinsam die besten Ergebnisse erarbeitet und im Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden.
»Mirror of Breakdown« – Die Rückseite des Spiegels
Mirror of BreakdownIm »Mirror of Success« geht es um das Zusammenwirken von Gruppen oder Teams sowie den Umgang und die Haltung der Individuen zueinander. Auf der Rückseite des Spiegels, dem »Mirror of Breakdown« (vgl. Abb. 2), wird aufgezeigt, welche Faktoren, Einstellungen und Verhaltensweisen diese Sicherheiten zerstören und ein gutes Teamgefüge und damit auch die Ergebnisse und die Leistungsfähigkeit eines Teams stark gefährden. Es handelt sich dabei um Negativbeispiele, die sich vielfältig ergänzen lassen.
Beachte
Werden psychische Grundbedürfnisse von Menschen dauerhaft verletzt, entstehen ernsthafte Gefahren wie psychische oder psychosomatische Erkrankungen bis hin zum Burn-out. Die Folge ist nicht selten eine vorzeitige Berentung. Immerhin haben 40 % der Fälle einen psychischen Hintergrund. Die Zahl der krankheitsbedingten Ausfälle durch psychische Belastungen hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Die Sicherung der psychischen Grundbedürfnisse psychisches Grundbedürfnis, Sicherung der Grundbedürfnisse im Unternehmenin Unternehmen ist also auch unter wirtschaftlichen Aspekten bei Weitem kein Nice-to-have, sondern ein Must-have.
Die ökonomische Bedeutung der psychischen Gesundheit ist seit Längerem bekannt. Sie spiegelt sich unter anderem darin, dass seit 2014 ein Gesetz zur »psychischen Gefährdung am Arbeitsplatz« im ArbeitsschutzgesetzArbeitsschutzgesetz (ArbSchG § 5 f.) verankert ist. Die umfängliche Bedeutung psychischer Erkrankungen wird jedoch von vielen Unternehmen nicht erkannt und die Auflagen werden entsprechend eher stiefmütterlich behandelt. Häufig werden nur oberflächliche Pflichtveranstaltungen durchgeführt, mit denen die offiziellen Anforderungen als formell erfüllt gelten, und die Chance auf einen echten Entwicklungsprozess im Unternehmen wird damit verspielt.
Auf welcher Grundlage basiert das Modell »Mirror of Success«?
Mirror of Success, theoretische Grundlage des ModellsDie Entwicklung des Modells »Mirror of Success« wurde durch meine berufliche Vorgeschichte inspiriert. Das vielbeachtete Buch des Therapieforschers Klaus Grawe (2004)Grawe, Klaus »Neuropsychotherapie«, in dem die psychischen Grundbedürfnisse im therapeutischen Kontext dargestellt werden, gab letztlich den Anstoß. Nach Auffassung Grawes gehen die Grenzen menschlicher Bedürfnisse zwar fließend ineinander über, dennoch ist eine Unterteilung in fünf Grundbedürfnisse zugunsten ihrer Nachvollziehbarkeit nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Diese Systematik der psychischen Grundbedürfnisse nutze ich seit Jahren beruflich und habe sie dabei mehr und mehr in einen Zusammenhang mit der modernen Arbeitswelt gestellt. Die Frage, die mich antreibt, lautet:
Was bedeuten die psychischen Grundbedürfnisse für die Zusammenarbeit und Führung in der Arbeitswelt?
Aus meiner Arbeit in Workshops und Coachings mit den psychischen Grundbedürfnissen entstand die Basis für das Modell »Mirror of Success«. Das Modell stellt übersichtlich dar, was Menschen brauchen, um motiviert und leistungsbereit in der heutigen Arbeitswelt zu agieren und dabei Freude und Erfüllung zu finden. Der »Mirror of Success« bietet somit eine hilfreiche Orientierung, um den Einfluss, den das Vorgesetztenverhalten sowie die Unternehmenskultur auf den Erfolg, die Leistungsfähigkeit, die Motivation und den Krankenstand in der Organisation haben, zu verstehen und gezielt zu entwickeln.
Mirror of SuccessDer »Mirror of Success« unterstützt sowohl die Persönlichkeitsentwicklung der Führungskräfte als Treiber einer sich stetig weiterentwickelnden, positiven Teamgemeinschaft als auch die Entwicklung alle Individuen der Einheit.
Zugunsten einer besseren Nachvollziehbarkeit und praktischen Anwendbarkeit meiner Überlegungen verzichte ich auf umfangreiche fachpsychologische Hintergrundinformationen, denn es geht in diesem Buch nicht um eine wissenschaftliche Darstellung. Vielmehr möchte ich Dir ein Werkzeug an die Hand geben, das pragmatisch aufbereitet für die unkomplizierte Anwendung im Führungsalltag eingesetzt werden kann.
Die Wörter und Wendungen, mit denen wir alltagssprachlich die psychischen Grundbedürfnisse benennen und umschreiben, sowie die sich daraus ergebenden Handlungsempfehlungen, um die Grundbedürfnisse zu stärken, dienen als Überbegriffe, es sind also nur Beispiele! Es gibt noch sehr viele weitere Formulierungen im Alltagssprachgebrauch, Redewendungen, Verhaltensweisen und Einstellungen, die auf die psychischen Grundbedürfnisse einzahlen oder diese verletzen.
Mirror of SuccessImmer wieder kannst Du mithilfe des »Mirror of Success« Deine Führungsarbeit reflektieren: »Sind wir in der Sicherung der psychischen Grundbedürfnisse unserer Mitarbeitenden noch auf Kurs?« Das Modell verwendet eine klare, eindeutige Sprache und erlaubt eine einfache Zuordnung bei Problemen und Konflikten. Vertrauen, Toleranz und Wertschätzung werden durch das Modell greifbar, in ihrem Ursprung nachvollziehbar und erlebbar.
Führungskraft, VorbildfunktionJeder und jede im Team ist hier in der Verantwortung, jedoch sind die Führungskräfte insbesondere in ihrer Vorbildfunktion gefordert, denn sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, welcher »Wind in der Abteilung weht«.
Zusammenfassend bietet das Modell »Mirror of Success« eine einfache, ganzheitliche und nachhaltige Grundlage für die persönliche Weiterentwicklung von Führungskräften, den Mitarbeitenden sowie für die tägliche Interaktion im Team.
Mirror of Success, grafische DarstellungDie folgenden Abbildungen 1 und 2 zeigen den Mirror of Success sowie die Rückseite des Spiegels, den Mirror of Breakdown: Mirror of Breakdown, grafische Darstellung
Der Mirror of Success ist eine Reflexionsfläche für die Sicherung der psychischen Grundbedürfnisse in Teams und Organisationen.
Der Mirror of Breakdown ist die Rückseite des Spiegels. Sie zeigt, durch welche Einstellungen und Verhaltensweisen psychische Grundbedürfnisse in der Arbeitswelt verletzt werden.
Abb. 1:
Mirror of Success
Abb. 2:
Mirror of Breakdown
Die psychischen Grundbedürfnisse
psychisches Grundbedürfnis, Übersicht der fünf GrundbedürfnisseWie wir im weiteren Verlauf dieses Buches noch erfahren werden, ist es für uns Menschen nicht nur wichtig, genügend Nahrung und einen sicheren Schlafplatz zu haben, sondern auch zu einer Gruppe zu gehören, Verlässlichkeit, Wertschätzung, Respekt und Anerkennung zu erfahren und zu wissen, woran man bei anderen Menschen ist und was von uns erwartet wird. Werden psychische Grundbedürfnisse verletzt, besteht die Gefahr der Leistungsminderung, es entstehen Ängste und Unsicherheiten, Motivationsverlust bis hin zu psychischen und psychosomatischen Erkrankungen.
Zum Abschluss der Einleitung möchte ich die Worte meines sehr geschätzten Kollegen Christoph Mauthner wiedergeben: »Die psychischen Grundbedürfnisse sind neuropsychologische Grundwahrheiten – diese sind nicht verhandelbar.«
Aufbau des Buches
In diesem Buch werden fünf psychische Grundbedürfnisse unterschieden:
Zugehörigkeit (Bindungsbedürfnis)
Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz
Stimmigkeit (Kohärenz)
Orientierung und Kontrolle
Lustgewinn und Unlustvermeidung
Jedes der folgenden fünf Kapitel ist einem Grundbedürfnis gewidmet und folgt dem gleichen Aufbau:
Einführung in das Grundbedürfnis
Mirror of Success: