Crashkurs Wein - Gerd Rindchen - E-Book

Crashkurs Wein E-Book

Gerd Rindchen

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Beschreibung

Wein in Wort und Bild. Mit den wichtigsten Infos, plakativ dargestellt und interessant und unterhaltsam erzählt. Keine langen Bleiwüsten, die mit theoretischen Abhandlungen über das begehrte Getränk ermüden, sondern eine erfrischende Präsentation für Weininteressierte. Und nicht nur Anfänger können hier noch etwas lernen: Kompetent wird im Leitfaden für den eigenen Geschmack erklärt, wie man seine, individuelle Geschmacksrichtung herausfinden kann, und wie man diese weiterentwickeln kann.

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Seitenzahl: 186

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WEIN – GANZ EINFACH GENIESSEN!

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Wein denken?

Lassen Sie mich raten: Irgendwas wie »Hmm, lecker – aber schwieriges Thema«, »Kenn ich mich nicht mit aus« oder »Wüsste ich gerne mehr drüber, ist aber alles so kompliziert«.

Dabei ist Wein genau das Gegenteil: Ein wunderbares Genussmittel, das uns die Natur geschenkt hat, und das die Menschen seit Jahrtausenden begleitet!

Machen Sie sich frei von der Vorstellung, Sie müssten beim Wein wichtig daherreden, alle möglichen komplizierten Bezeichnungen auswendig wissen und über die Qualität der letzten hundert Jahrgänge referieren können. Wenn Sie in ein Autohaus gehen, suchen Sie sich ja auch ein Auto aus, das Ihren Preisvorstellungen entspricht, mit Ihrer Wunschlackierung und der passenden Motorisierung. Und kein Mensch, weder der Verkäufer noch der Werkmeister, erwartet von Ihnen, dass Sie den Motor auseinandernehmen und wieder zusammenbauen können. Nur beim Wein denken immer alle, sie oder er müsse »Ahnung« haben, um mitreden zu können. Vergessen Sie’s! Probieren Sie munter drauflos, und lassen Sie sich von den oberwichtigen »Weinkennern« nicht ins Bockshorn jagen.

Ein paar einfache Tipps und Regeln gibt es allerdings, die Ihnen helfen können, sich im Bezeichnungsdschungel zurechtzufinden und daheim, in der Kneipe und im Restaurant zukünftig die Weine zu finden, die Ihnen wirklich schmecken.

Und dann verrate ich Ihnen noch ein paar nette Tricks und Kniffe, wie Ihnen die Weine, die Sie mögen, noch besser schmecken können.

Genau solche Anregungen finden Sie hier im Crashkurs Wein: Appetitlich verpackt, in kleine Häppchen zerlegt und leicht verdaulich. Seien Sie gewiss: Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden auch Sie die faszinierende Vielfalt der Weinwelt noch mehr genießen!

Herrschaftswissen zum Angeben

Manchmal werde ich Ihnen auch kleine Geschichten rund um den Wein erzählen, die vielleicht nicht überaus wichtig sind, aber einen tollen Eindruck hinterlassen, wenn man sie so en passant einstreut. Diese klassischen Smalltalk-Themen für die nächste Party (»Wusstet ihr eigentlich schon, dass ...«) finden Sie in den kleinen Kästchen mit dem Titel »Herrschaftswissen zum Angeben«.

KAPITEL 1

DIE WINZER UND IHRE WEINE

WARUM SCHEINBAR GLEICHE WEINE OFT GAR NICHT VERGLEICHBAR SIND

Genau wie der ehrgeizige und gute Koch, wird ein Winzer, von dem Sie einen guten Wein gekostet haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch seine anderen Gewächse mit der gleichen Sorgfalt produzieren.

So was ist ihnen möglicherweise auch schon mal passiert: Es ist schier zum Verzweifeln – da haben Sie unlängst bei Freunden endlich mal einen Wein getrunken, der Ihnen super geschmeckt hat.

Schlau wie Sie sind, haben Sie sich den Namen sorgfältig vom Etikett abgeschrieben: z.B. »2011 Riesling trocken – Oberbickelheimer Kirchberg«.

Dann haben Sie im Internet nach genau diesem Wein gefahndet, auch einen Anbieter gefunden und sich Ihren vermeintlichen Lieblingstropfen spornstreichs nach Hause bestellt. Und jetzt – oh je, große Enttäuschung! Im Glas bloß eine saure, muffige Brühe, die mit dem, was Sie bei Ihren Freunden getrunken haben, so gar nichts zu tun hat. Nach längerem Recherchieren (und einem Anruf bei den Freunden, die extra noch mal für Sie im Altglas das Etikett rausgesucht haben) des Rätsels Lösung: Der Wein, den Sie mochten, stammte vom Weingut Müller; der, den Sie gekauft haben, vom Weingut Schmidt. »Aber wie kann denn das angehen?« werden Sie nun fragen.

«Gleicher Wein, gleiche Traubensorte, gleicher Jahrgang, sogar der gleiche Weinberg – die müssen doch zumindest ähnlich gut schmecken.«

QUALITÄT UND MACHART ENTSCHEIDEN

So einfach ist das leider nicht. Denn, und das ist ganz wichtig: Die Qualität eines Weines wird ganz wesentlich vom Winzer bestimmt!

Stellen Sie sich vor, Sie haben in einem Restaurant ein leckeres Wiener Schnitzel gegessen, mit schöner krosser Panade, knusprigen Bratkartoffeln und knackigem Gurkensalat. Wiener Schnitzel ist ab sofort Ihr Leibgericht – bis Sie in einem anderen Lokal ein fades, trockenes Schnitzel mit matschigen Kartoffeln und welkem Salat serviert bekommen. Der Fall ist klar: Der eine Koch kann was und kauft beste Zutaten ein, der andere ist ein lustloser Stümper, der vielleicht auch noch minderwertige Lebensmittel verwendet. Logisch, dass das völlig unterschiedlich schmeckt – auch wenn beides »Wiener Schnitzel« heißt.

Versetzen Sie sich nun einmal in die Lage des Winzers, der ja die Trauben erzeugt und dabei maßgeblich Einfluss auf deren Qualität nimmt.

Und: Er bereitet aus den Trauben den Wein zu.

Der Winzer gleicht also einem Koch, der seine Zutaten selber anbaut und von der Qualität des Rohproduktes bis hin zur Zubereitung alles selbst in der Hand hat. Dabei haben die Winzer natürlich völlig unterschiedlich eingerichtete Weinkeller, genau wie jede Köchin und jeder Koch, ob daheim oder im Restaurant, in einer anders ausgestatteten Küche werkelt. Der eine mit Dampfgarer, Induktionsherd und erstklassigem Kochgeschirr, der andere mit einem alten Dreiplattenherd und verbeulten Blechtöpfen. Und so extrem sind die Unterschiede auch in den Kellern der Winzer.

Ein Winzer erntet die Trauben schonend in 25 Kilo-Kistchen, steckt alles Geld in Edelstahltanks, bei denen er die Temperatur kontrollieren kann, vermeidet den Wein strapazierende Pumpvorgänge durch ein horizontal ausgerichtete System der Weinverarbeitung (alles von oben nach unten) und keltert die Weine mit einer schonenden pneumatische Presse, sodass keine Bitterstoffe aus den Kernen in den Most gelangen.

Ein anderer haut die Trauben schon mal in einen alten Erntewagen, wo sie sich die ersten Verletzungen einfangen, nutzt seit Jahrzehnten die gleichen Betontanks, in denen die Gärung warm durchrauscht, bis die schönsten Aromen verflogen sind, pumpt im Keller munter hin und her und quetscht die Trauben mit größtem Druck durch eine alte Spindelpresse.

Kommen wir zurück auf unser eingangs erwähntes Beispiel: Winzer Müller und Winzer Schmidt haben ihre Weinberge nebeneinander liegen und ähnliche geographische und klimatische Voraussetzungen. Aber: Müller ist ein qualitätsorientierter, blendend ausgebildeter Weinmacher. Er erntet wenige, aber konzentrierte Trauben pro Hektar, macht viele Lesedurchgänge, dünnt die Trauben aus, um Erträge zu reduzieren, schneidet alle faulen Beeren sorgfältig von Hand heraus und baut den Wein in seinem blitzblanken, bestens ausgestatteten Keller sorgfältig aus.

Das Ergebnis ist der tolle Wein, der Ihnen so gut gefallen hat. Schmidt ist das alles egal, weil er den meisten Wein sowieso anonym im Fass verkauft. Er holt aus seinen Weinbergen so viel Menge raus wie möglich mit so wenig Arbeit wie nötig. Wenn mal eine faule Traube mitgepresst wird – was soll’s, und seine muffigen alten Fässer hat er auch schon lange nicht mehr geputzt. Seine paar Kunden kaufen den Wein seit 40 Jahren so und kennen es nicht anders. Und d e n Wein haben Sie nun erwischt …

Wenn Sie mal einen Wein getrunken haben, der Ihnen besonders gut geschmeckt hat: Merken Sie sich in allererster Linie den Namen des Erzeugers, und erst in zweiter Linie die Angaben zur Traubensorte, der Qualitätsstufe oder dem Jahrgang.

KAPITEL 2

MIT DER LAGE FÄNGT ALLES AN

WIE WEIN ENTSTEHT – DER WEG VOM REBSTOCK IN DIE FLASCHE

DIE WEINLAGE UND WAS IHRE QUALITÄT AUSMACHT

Eine Weinlage im weitesten Sinn ist ein Stück Land, auf dem Rebstöcke wachsen. Das Land ist dafür mehr oder weniger geeignet, und so ist auch das Qualitätspotenzial für die Weine, die hier entstehen können, unterschiedlich groß. Die Qualität einer Lage definiert sich aus dem Zusammenspiel von Bodenbeschaffenheit und klimatischen Verhältnissen und natürlich der Rebsorte mit ihren spezifischen Eigenschaften, die hier angebaut wird. Nur wenn diese Faktoren miteinander harmonieren, können gute Weine entstehen.

GUTER WEIN MUSS LEIDEN

Gute Weine wachsen nicht etwa dort, wo man meinen sollte. Also da, wo die meiste Sonne scheint, der Boden besonders fruchtbar ist und es die richtige Dosis an Regenwasser gibt. Im Gegenteil: Unter solchen Voraussetzungen entstünden banale, langweilige Weine.

Die besten Weine der Welt kommen fast alle aus sogenannten klimatischen Grenzzonen – also daher, wo Weinbau gerade noch eben so möglich ist. Und sie wachsen häufig auf armen, alles andere als fruchtbaren Böden. Stellen Sie sich einen Rebstock vor, der in einem sonnigen Gebiet auf einem fetten, warmen, fruchtbaren Boden wächst. Dieser Wein wird schnell reifen, dabei aber rasch seine gesamte Säure abbauen, dadurch platt und langweilig werden und – wenn niemand korrigierend eingreift – große Mengen an Trauben produzieren. Schnelles Wachsen ist also absolut gar kein Kriterium für guten Wein.

Die besten Weine wachsen häufig dort, wo eine andere landwirtschaftliche Nutzung kaum noch möglich ist: also auf kargen, steinigen Böden; Böden, auf denen sich die Rebe ordentlich quälen muss. An den Schiefer-Steilhängen der Mosel beispielsweise graben sich die Rebwurzeln in ihrem Überlebenskampf Schicht um Schicht, manchmal bis zu fünfzehn Meter regelrecht durch den Fels.

In der Champagne ist die Erdschicht teilweise nur 20 Zentimeter dick – darunter liegt reine Kreide, in welche die Reben bis zu 45 Meter tief hineinwurzeln. Aus jeder Schicht, durch die eine Rebwurzel durch muss, holt sie sich Mineralien und Nährstoffe ab, die sich naturgemäß transformiert in den Trauben wiederfinden. Und letztendlich damit den Geschmack des Weines maßgeblich mitbestimmen.

Hier sind wir ganz en passant auch zwei Begriffen auf der Spur, die in der etwas kryptischen Weinsprache häufig Verwendung finden:

Da wird gesagt, Weine schmecken »mineralisch« oder »vielschichtig«. Klar: Ein Rebstock, dessen Wurzeln tief in einen steinigen Boden wie Schiefer oder Granit hineinragt, nimmt natürlich auch viele Mineralien aus dem Untergrund mit auf – und das ist manchmal schon zu schmecken, der Wein wird mineralisch. »Vielschichtig« wird ein Wein dann, wenn mit zunehmendem Alter der Rebstock in immer mehr Bodenschichten vordringt, aus denen er sich die verschiedensten Aromen herauszieht und an seine Trauben weitergibt. Wenn es dem Winzer gelingt, die Botschaft solcher Trauben in die Weinflasche zu bannen, also den Wein so ausbaut, dass möglichst viele von diesen besonderen Geschmacksnuancen sich hinterher in ihm wiederfinden – dann hat man es im Idealfall tatsächlich mit einem schmeckbar vielschichtigen, nuancenreichen Wein zu tun.

Unter anderem ein Grund, warum in letzter Zeit auch wieder vermehrt Weine aus alten Rebstöcken – als »Alte Reben« oder auf Französisch »Vielles Vignes« bezeichnet – ihren Platz im gehobenen Weinsegment zurückeroberten. Ist ja auch irgendwo logisch: Ältere Rebstöcke haben Wurzeln, die tiefer in den Boden hineinwachsen, also ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein vielschichtiger Wein herauskommt, weitaus höher.

Und dass die Winzer ein bisschen damit angeben wollen, dass sie so alte Rebstöcke haben (die meist auch viel weniger Menge bringen als die jungen Hüpfer) kann man auch verstehen.

Große Weinfelder wie dieses ermöglichen eine rationelle Bearbeitung und maschinelle Lese.

Je »schwerer« es der Weinstock hat, desto besser am Ende das Resultat. Der Weinstock nimmt Mineralien aus dem Boden auf und gibt sie letztlich an seine Fürchte, die Trauben, ab.

EXTRAKT – DAS MENGE-GÜTE-GESETZ ODER: DIE REBSCHERE STEUERT DIE WEINQUALITÄT

Kommen wir zu einem weiteren Begriff aus der Weinsprache. Da wird von der Weinkennerszene ein guter Wein häufig mit dem Begriff »extrakt-reich« gelobt. Fleischextrakt kennen Sie, Kaffeeextrakt auch, aber Weinextrakt? Die Antwort ist ganz einfach: Bestimmt ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass ein preisgünstiger Wein manchmal irgendwie wässerig schmeckt – also wenig Aromen bietet, dass der Wein vielleicht nicht den ganzen Mundraum ausfüllt und beim Runterschlucken auch wenig bis gar nichts an Geschmack hinterlässt. Trinkt man dann einen teureren Wein, so schmeckt man oft (aber nicht immer) mehr von alledem: mehr Duft, mehr Aroma, oft auch einen länger anhaltenden Geschmack, sowohl im Mundraum als auch nach dem Schlucken. Kurz: Er macht einfach insgesamt viel mehr her im Mund.

Der Hauptgrund für diese Unterschiede ist, dass der Winzer in einem sehr wichtigen Bereich viel Einfluss darauf hat, wie sich die Qualität des Weines entwickeln kann: Und zwar bei der Weinmenge, die er aus einem Hektar Boden an Wein herausholt. Der Rebstock an sich ist äußerst undiszipliniert: Er produziert, wenn man ihn lässt, unglaublich viele, wuchernde Triebe, die wiederum möglichst viele Trauben ansetzen. Oft sind es so viele, dass der Rebstock diese dann am Ende entweder gar nicht oder nur mühsam ernähren kann – jedenfalls nicht so, dass ein vernünftiger Wein dabei herauskommen kann.

Das ist die Stunde des Winzers: Jetzt greift er mit der Rebschere ein und schneidet bereits schon in der Ruhephase den Rebstock so zurück, dass nur noch ein einziger Trieb übrig bleibt (manche Winzer lassen auch zwei Triebe stehen; das hängt von der Rebsorte und natürlich auch vom Terroir ab). Scheint dem Winzer im Sommer die Traubenzahl zu hoch, greift er nochmals zur Schere und entfernt einen Teil der noch ganz winzigen, grünen Trauben – Letzteres nennt man »Grüne Lese« oder »Grünlese«. Damit hat er es in der Hand, ob er mehr Masse oder mehr Qualität erhalten will. Ein Weinberg gibt eben nur eine bestimmte Menge an Nähr- und Geschmacksstoffen her; daher spielt es eine große Rolle, ob sich das auf viel oder wenige Weintrauben verteilt. Das nennt man das Menge-Güte-Gesetz. Die Erntemenge bei Wein wird in Hektoliter (1 Hektoliter sind 100 Liter) pro Hektar gemessen, die Bandbreite dabei ist sehr groß: Für einfachen Tafelwein oder Tafeltrauben ist es locker drin, bis zu 300 Hektoliter pro Hektar aus dem Boden herauszuholen.

Sehr qualitätsorientierte Winzer arbeiten, je nach Region und Rebe, bei ihren Spitzenweinen gerne mal mit Hektarerträgen zwischen 15 und 40 Hektoliter. Das bedeutet, dass bei Massenweinen der Ertrag pro Hektar durchaus zehnmal so hoch sein kann wie bei Rebanlagen, die für die Produktion von Spitzenweinen ausgelegt sind – bei mindestens gleichen Kosten pro Hektar für den Winzer, der so wenig produziert. Dass die Flasche Rot- oder Weißwein, die Sie beim Discounter Ihres Vertrauens für ca. 1,50 Euro bekommen, wohl nicht in die Kategorie der schmeckbar konzentrierten Spitzenweine fallen dürfte, liegt auf der Hand.

HERRSCHAFTSWISSEN ZUM ANGEBEN

Familienzwist um die »Grüne Lese«

Ein Generationskonflikt, bei dem sich gerade in Deutschland und Österreich schon Unmengen von Winzerfamilien richtig in die Haare bekommen haben, ist die »Grüne Lese«, also diese Aktion, bei der von den kleinen grünen Trauben einiges abgeschnitten wird und zu Boden fällt. Bis in die frühen 1980er-Jahre war nämlich der Fassweinpreis für Wein so gut, dass auch Winzer, die auf Menge produzierten, prima davon leben konnten und relativ gute Preise für ihre Trauben oder ihren Fasswein erzielten. In den Köpfen vieler Winzer der Nachkriegsgeneration ist bis heute jeder Liter Wein wertvoll, erstmal ungeachtet der Qualität. Nun rückte oder rückt in vielen dieser Weingüter die junge Generation an: Die Töchter und Söhne der Winzer sind häufig blendend ausgebildet, haben in guten Betrieben gelernt, meist in den Weinhochburgen Geisenheim oder Heilbronn Weinbau und Kellertechnik studiert und sich oft noch in Kalifornien, Neuseeland, Südamerika oder Südafrika den Wind der Weinwelt um die Nase wehen lassen.

Viele von ihnen, zum Beispiel in Rheinhessen und in der Pfalz, haben das brillante Potenzial ihrer bisher zum Teil völlig unbekannten Lagen erkannt und formen mit Feuereifer aus Weingütern, die vorher überwiegend Fassweine und billige Literflaschen verkauft haben, funkelnagelneue Spitzenweingüter. Das geht natürlich nur mit guten Qualitäten. Und dafür kann die »Grüne Lese« wichtig sein. Für viele der Senioren ist das unerträglich: Sie sehen nur, dass da »wertvoller« Wein einfach abgeschnitten und weggeworfen wird. Grund, den Junioren bittere Vorhaltungen zu machen, dass sie vorsätzlich Geld vernichten und das Weingut in den Ruin treiben würden. Ich kenne ein aufstrebendes Weingut, wo der Junior immer nur dann die »Grüne Lese« durchführen konnte, wenn sein Papa in Urlaub gefahren war. Unterstützung erhielt er jedoch vom Opa, der noch den Vorkriegs-Qualitätsgedanken verinnerlicht hatte und dem Enkel auch die ersten Barriques (kleine 225-Liter-Eichenfässchen) finanzierte. Mittlerweile ist das Weingut recht bekannt und erzielt viele Medaillen und gute Preise – seitdem ist Ruhe. Aber das ist beileibe kein Einzelfall, und viele junge Winzerinnen und Winzer (oder auch deren Eltern) rollen gequält mit den Augen, wenn dieses Thema zur Sprache kommt.

Mut zur Reduktion, das ist bei der »Grünen Lese« entscheidend.

DAS TERROIR – SCHLÜSSEL ZUR HERKUNFT DES WEINES

Und dann ist viel vom sogenannten »Terroir« die Rede. Damit ist in erster Linie, aber bei Weitem nicht nur, der Boden gemeint, auf dem und in dem der Wein wächst. Die unterschiedlichen Bodentypen geben den Weinen eine spezifische geschmackliche Prägung mit auf den Weg. Der Begriff »Terroir« bedeutet jedoch weitaus mehr:

Er umfasst die wesentlichen Voraussetzungen, welche die Biologie des Rebstocks und damit unmittelbar den Charakter der daran wachsenden Trauben beeinflussen. Dabei sind die wichtigsten Faktoren die chemische und physikalische Zusammensetzung des Weinbergbodens bis in die tieferen Schichten hinein, in welche die Wurzeln vordringen, das Klima mit Tages- und Nachttemperaturen und Niederschlagshäufigkeit, die Intensität der Sonneneinstrahlung und die Wasserversorgung der Reben. Weitreichendere Definitionen davon beziehen, was nur logisch erscheint, auch noch die Persönlichkeit des Winzers in den Terroirgedanken mit ein: Er prägt schließlich entscheidend mit, wie mit den naturgegebenen Voraussetzungen umgegangen wird.

Insgesamt gilt aber: Die genügsame und zähe Weinrebe kann sich mit allen möglichen, völlig unterschiedlichen Bodenarten anfreunden. Ob Schiefer, Muschelkalk, Buntsandstein, Kalkmergel, Lehm, Löss, Vulkanboden, Kiesel, Kreide oder Granit: Jeder Bodentyp kann charaktervolle, spannende und individuelle Weine erbringen.

DAS WISSEN UM TERROIRS – UND DIE KLASSIFIZIERUNG VON WEINEN

In traditionellen Weinbaugebieten ist das Wissen darum, wo welche Reben am besten gedeihen, seit Jahrhunderten verbreitet. So wurde im Burgund schon Mitte des 15. Jahrhunderts festgelegt, dass als einzige rote Rebe nur Pinot Noir angepflanzt werden durfte. 1787 verfügte der Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Sachsen, dass in seinem Herrschaftsbereich nur noch Riesling als Rebsorte zugelassen werden durfte. Dadurch entwickelte sich die Mosel zum größten zusammenhängenden Rieslinganbaugebiet der Welt. Das profunde historische Wissen um besondere Lagen führte dann im Burgund zu einer weltweit beachteten Klassifikation: Unterste Kategorie der Qualitätsweine (Appellation controllée, AC) sind die Gebietsweine, die als »Bourgogne blanc AC« oder »Bourgogne rouge AC« angeboten werden. Dabei ist die Rebsorte Chardonnay für die Weißweine und die Rebsorte Pinot noir für die Rotweine zwingend vorgeschrieben. Darauf folgen die Weine mit dem Namen des Dorfes, aus dem sie stammen, also zu Beispiel »Pommard rouge AC«. Die besseren Lagen im Dorf bekommen dann die Bezeichnung »Premier Cru«, die allerbesten Lagen, deren Weine auch am teuersten sind, dürfen sich »Grand Cru« nennen. Der Nachteil: Durch die einst im Burgund praktizierte Realteilung, also der Aufteilung von Landbesitz unter allen erbberechtigten Kindern, sind diese begehrten und teuren Premier Cru- und Grand Cru-Lagen sehr zersplittert und gehören meist vielen verschiedenen Winzern – sehr guten, guten, mittelmäßigen und mäßigen. Es kommt also auch bei diesen kostspieligen Weinen bester Lagen in erster Linie auf den Winzer an. Einen anderen Weg beschritt man im Bordeaux. Da sind die jeweiligen Weingüter (»Châteaux«) klassifiziert, was das Ganze etwas übersichtlicher macht. In Deutschland, wo im nationalen Weingesetz der Terroirgedanke keinen Niederschlag findet, gibt es seit Jahren Bestrebungen einer Vereinigung von Spitzenwinzern, eine Klassifizierung nach burgundischem Vorbild auf den Weg zu bringen.

DIE BEDEUTUNG DER JAHRGÄNGE

Dem Jahrgang kommt erhebliche Bedeutung für die Qualität der Weine zu. Vom Witterungsverlauf hängt entscheidend ab, ob reife und gesunde Trauben gelesen werden können. Dabei sind die Jahrgangsunterschiede in kühleren, also hier in Europa nördlichen Klimazonen, stärker ausgeprägt als in wärmeren Anbauzonen, wo die Weine gleichmäßiger und leichter reifen können. Der Grund: In den nördlichen Anbauzonen, wo die Reben häufig lange um jeden Sonnenstrahl ringen müssen, ist es nicht immer sicher, dass die Trauben zur vollen Reife gelangen. Ein wichtiges Thema ist auch der Niederschlagsverlauf: Wenn es zur Unzeit, also gegen Ende der Reifeperiode, wenn die Trauben schon sehr weit entwickelt sind, in den Weinbergen warm und feucht ist, wird es gefährlich – Fäulnis droht! Ein verregneter Sommer spiegelt sich ebenfalls in der Qualität des jeweiligen Weines wider. Die Jahrgangsqualität ist häufig auch innerhalb der Weinbauländer in den einzelnen Anbaugebieten unterschiedlich.

In schwierigen Jahrgängen, die viel Aufmerksamkeit und Arbeit in den Weinbergen verlangen, hängt besonders viel vom Winzer ab: Ein guter Erzeuger wird auch in einem weniger guten Jahr alles dafür tun, um gute Weine hervorzubringen – und es zumeist auch schaffen.

AUS TRAUBEN WIRD WEIN – DIE ALKOHOLISCHE GÄRUNG

So, nun sind die – mehr oder minder guten – Trauben geerntet und werden anschließend ausgepresst. Man hat jetzt den Traubensaft (offiziell heißt er »Traubenmost«) und es soll Wein daraus werden. Dazu braucht man Hefen, welche die alkoholische Gärung auslösen. Dabei verwandelt sich Zucker in Alkohol, gleichzeitig wird Kohlensäure freigesetzt. Trinken kann man dieses Übergangsprodukt auch schon – das ist nämlich der sogenannte Federweiße (oder Federrote, wenn er aus rotem Taubensaft entstand). Je weiter die Gärung fortgeschritten ist, desto weniger Süße und desto mehr Alkohol hat der Federweiße.

Irgendwann sterben die Hefen, meist mangels Nahrung, ab. Der Wein ist dann in der Regel »trocken«, hat also kaum noch Zucker. Der Rest Zucker, der nach dem Vergären im Wein verbleibt, heißt offiziell genau so: Restzucker. Als »trocken« dürfen in Deutschland Weine bis maximal 9 Gramm Restzucker pro Liter bezeichnet werden, als »halbtrocken« Weine bis maximal 17 g/l Restzucker. Darüber hinaus sind Weine »lieblich«, ab 45 g/l Restzucker »süß«. Die immer häufiger auf Etiketten zu findende Geschmacksangabe »feinherb« wird meistens für Weine im halbtrockenen oder unteren lieblichen Bereich verwendet, ist aber gesetzlich nicht definiert und insofern erst mal wenig aussagekräftig. Ganz wichtig: Die Winzer oder Kellereien können diese Geschmacksangaben aufs Etikett schreiben, müssen es aber nicht. Im Kapitel »Was das Etikett erzählt« (siehe >ff.) werden wir uns also noch mal eingehend damit befassen, wie Sie, zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit, einen trockenen, halbtrockenen oder lieblichen Wein identifizieren können.

HERRSCHAFTSWISSEN ZUM ANGEBEN

»Reinzucht« oder »Sponti« – die Sache mit den Hefen

Dass die alkoholische Gärung beim Traubenmost durch Hefen ausgelöst wird, wissen Sie ja.

Früher gab es keine Alternativen, der Winzer musste sich auf die Hefen verlassen, die an den Weintrauben kleben oder die sich in den Ritzen und Winkeln im Weinkeller verstecken. Diese »Naturhefen« sind jedoch kapriziös: Manchmal machen sie auf halber Strecke schlapp und der Wein bleibt halbtrocken oder sogar lieblich, obwohl der Winzer eigentlich einen trockenen Wein haben wollte. Oder es können unerwünschte Aromen gebildet werden. Um solche unliebsamen Überraschungen auszuschalten, haben sich in den letzten Jahrzehnten sogenannte »Reinzuchthefen« durchgesetzt. Das sind Hefen, die so gezüchtet sind, dass sie dem Winzer zu dem Geschmacksbild verhelfen, das er sich wünscht. Und: Es sind Hochleistungshefen, die dafür Sorge tragen, dass der Wein auch zu Ende gärt, also in der Regel trocken wird. Sie tragen den schönen lateinischen Namen Saccharomyces cerevisiae. Darin steckt das Wort Saccharose für Zucker und, die Asterix-erprobten Leser erinnern sich, cervesia für Bier. Denn auch Bier wird ja durch die alkoholische Gärung hergestellt. Aber: Keine Bewegung ohne Gegenbewegung. So haben sich in den letzten Jahren wieder einige Winzer zur »Spontanvergärung« bekannt – das ist die traditionelle Vergärung mit den Hefen, welche die Natur liefert. Die Weine, die so entstehen, werden im Fachjargon »Spontis« genannt. Wenn Sie also einen Winzer kennen (lernen) und ihn fragen, wie er es mit den »Spontis« hält, werden Sie mit Ihrem Insiderwissen mächtig punkten. Was nun besser ist? Eine Glaubensfrage: Viele Winzer schwören auf eine der beiden Richtungen und erzielen dabei jeweils eindrucksvolle Resultate, einige machen, je nach Wein, beides parallel. Wenn Ihnen ein Winzer einreden will, eine der beiden Alternativen sei die allein selig machende: Machen Sie es wie bei allen Extremisten – glauben Sie ihm einfach nicht.

TROCKEN, HALBTROCKEN, LIEBLICH: SO KOMMT DIE SÜSSE IN DEN WEIN