Credo in unam Mathematicam matrem omnipotentem - Ulrich R. Rohmer - E-Book

Credo in unam Mathematicam matrem omnipotentem E-Book

Ulrich R. Rohmer

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Beschreibung

Ich hoffe nun, der gutwillige und geduldige Leser, mutig genug, mir bis zum Schluss zu folgen, vermag zu verstehen, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Mir geht es nicht um Mathematikverleugnung oder angebliche Zerstörung derselben, wie auch immer das aussehen sollte. Vielmehr suche ich danach, das grundlegende Verdinglichungsproblem in Mathematik, Philosophie und mathematischen Wissenschaften neu und drastisch zurück ins Bewusstsein zu bringen. Wie das geschehen soll und was dabei entsteht, vermag ich nicht genau zu sagen... Ich rekurriere also eher auf Verhältnisse denn auf Dinge – ich sehe die Welt nicht vornehmlich aus Dingen aufgebaut, sondern aus Verhältnissen, aus Beziehungen. Ich glaube an Gott, weil ich eine Beziehung zu ihm habe und er mit mir, nicht aus Dinggründen. Das aber ist die Grundwahrheit für mich, die unter allem steht, wenn man so will, die Grundsubstanz (von sub-stare = unten-stehen); und diese Grundwahrheit als Grundsubstanz steht für mich am Anfang aller anderen Wahrheitssuche und Wahrheitsbeurteilung. Und vielleicht, so denke ich mir und bin darin wie der kleine Junge, der einst Radio samt Batterie zerkleinerte, weil er den singenden Mann im Radio suchte, vielleicht wird dereinst eine Mathematik entstehen, welche Ding- und Ergebnisgerichtetheit sanft verlässt und Ausdrücke verwendet, die Verhältnisse und Beziehungen angemessen beschreiben. Cantor, so meine ich, hat da mit seiner Mengenlehre schon angefangen, bei Vereinigungsmenge jedenfalls denke ich an Mengen, die sich mehr oder weniger mögen – und eine Beziehung haben. Oder etwa nicht? Die Welt ist für mich vornehmlich ein Wahrheitsgeflecht von Geschehnissen und Beziehungen, und Mathematik hoffentlich ein an sich harmloses und unglaublich interessantes Spiel des Homo Ludens...

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Ulrich R. Rohmer

Credo in unam Mathematicam matrem omnipotentem

Moderne Physik als religiöses Phänomen

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Prolog

Carbon Based Lifeforms, Erratic Patterns

 

Look at the pattern

Can you see what's wrong?

It's supposed to be perfect

(But really it's not)

But really it's not.

 

Can you find the flaws

Hidden in structured code

Hiding in the pattern

In between the rows?

 

Only illogics can find

Hidden flaws in a straight logic line.

Only erratics recognize

Errors in patterns of a perfect design.

Only illogics can find

Hidden flaws in a straight logic line.

Only erratics recognize

Errors in patterns of a perfect design.

 

Now that you know

That something's not right

Look at it carefully

In pale logic light.

 

Don't be sorry

If you can't recognize

The errors and faults

In such a perfect disguise.

 

Only illogics can find

Hidden flaws in a straight logic line.

Only erratics recognize

Errors in patterns of a perfect design.

 

Only illogics can find

Hidden flaws in a straight logic line.

Only erratics recognize

Errors in patterns of a perfect design.

 

http://lyrics.wikia.com/Carbon_Based_Lifeforms:Erratic_Patterns

 

I. Credo in unam Mathematicam, matrem omnipotentem

Ich glaube an die eine Mathematik, die Mutter, die Allmächtige, die Schöpferin des Himmels und der Erde, und an die Physik, ihre eingeborene Tochter, unsere Herrin, empfangen durch die heilige Vernunft, geboren von der jungfräulichen Idee, gelitten unter Jesus Christus und seiner Kirche, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, doch eines Tages auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; sie sitzt zur Rechten der zum Gott erhobenen Vernunft, der allmächtigen Mutter, von dort wird sie kommen, zu richten die Dummheit aller Lebenden und Toten. Ich glaube an den Heiligen Platon, die heilige Vereinigung der Vernünftigen, Gemeinschaft der Eingeweihten, Gnadenlosigkeit bei Abfall, Sinnlosigkeit Gottes und die Herrschaft der Zeit.

Amen

 

Inhalt:

 

I. 1. Der Mann aus dem Wüstenland

 

I. 2. Gloria in excelsis Mathematicae

 

I. 3. Laudamus te, benedicimus te, adoramus te, glorificamus te

 

I. 4. Gratias agimus tibi propter magnum gloriam tuam

 

I. 1. Der Mann aus dem Wüstenland

Lang ist die Geschichte europäischer Philosophie. Und Länge bedeutet nicht selten auch Eingeschliffenheit. Auf immerwährend ähnlichen Wegen hatte ein Empfinden gleichsam Spuren in die philosophische Wahrnehmung geschliffen, einer Gewohnheit ähnlich, die Werkzeuge abnutzt und in ihren Toleranzen (sollte es sich um Feinmechanik handeln) verändert. Wahrheit spielte da eine lange Rolle, Gott, Sein und Grund allen Seins. Gleich einem dauernden Wind, der feinen Sand mit sich führt und alles glättet und schleift, hat die lange Gebrauchsgeschichte von Grundpositionen europäischer Philosophie – metaphysischer Positionen, um genau zu sein - dahin geführt, wie selbstverständlich zum Beispiel davon auszugehen, dass Texte von Wahrheit sprechen, als hätten sie diese per se in sich. Und der Leser berühmter Texte, die zudem noch vorgeben, über Wahrheit zu berichten, könne sich ungefragt darauf verlassen, dass er nun von Wahrheit erfahre und sie womöglich im Verlaufe der Lektüre, im Text konserviert, unmittelbar zu vernehmen vermöge. Ich lese Platon & Co. bis hin zu Hegel und Heidegger und meine beim ein– oder zweimaligen Lesen (falls ich verstanden habe), nun zu wissen. Stillschweigend nehme ich dabei an, ich gerate nun in den Sog einer Wahrheitskonserve, die schon vor mir als Leser da war und Wahrheit – mal als Marmelade, mal als Wurst, mal als Trockenfutter – bereit ist, einfach so auszuteilen und die ich als evident anschauen könne.

 

Nö, sagte einst ein komischer Franzose und kam daher aus einem Teil der Welt, der in philosophischen Kreisen als Wüste betrachtet wird. Jacques Derrida, in Algerien geboren, kam als Kind erst nach Frankreich und auf Umwegen zu beidem, Bildung und Universitätskarriere. Nö, sagte er und eckte gleich damit an. Er hatte die Philosophen – die maßgeblichen im europäischen Raum - genau studiert und spürte in sich Widerstand: da stimmt doch etwas nicht!

 

Um die fünfzig Bücher hat der komische Franzose geschrieben, und alle sind – nun, sagen wir es milde – schwer zu verstehen. Um noch deutlicher zu werden: Derridas Bücher sind unmöglich zum Lesen. Eigentlich reicht ein Buch, und das empfehle ich gern: Die Postkarte von Sokrates bis an Freud und jenseits.

 

Derrida nenne ich gern „eine Granate vor dem Herrn“. Er kommt daher und wird von vielen gar nicht verstanden. Aber wie Intellektuelle zu erscheinen bevorzugen, geben sie das nicht gern zu und hassen ihn entweder, oder sie ahnen, was er meint und lieben ihn, vor allem Leute aus der Kunst- und Literaturszene. Philosophische Fakultäten machen es ihm schwierig, er sitzt immerzu wie zwischen den Stühlen. Philosophie hat doch mit Literatur nichts zu tu, sagen die einen und insistieren auf ihr Amt als Hüter über die klassischen Texte. Dabei hatte schon Nietzsche in seiner Geburt der Tragödiedie Borniertheit der Kaste der Philologen angegriffen und einen Verständniswandel gefordert, gleichsam ein existentielles Engagement. Ähnlich denkt Derrida. Haben nicht beide, Philosophie und Literatur, mit Texten zu tun? Mit Verstehen und Verständnis finden?

 

Das Gebiet des Verstehens – Hermeneutik genannt – war dabei schon längst ins Blickfeld der Philosophen gekommen, vornehmlich und berühmt geworden durch Gadamer in Heidelberg, der mit dem komischen Franzosen auch bald in Kontakt kam, obgleich nicht ohne Streitereien und Differenzen.

 

Derrida will das ungesagt angenommene Wahrheitsmonopol philosophischer Traditionen einerseits, überliefert in Texten und die durch die lange Tradition eingeschliffene und ungefragt angenommene Wahrheitsgerichtetheit des Lesers, als lebte sie metaphysisch in ihm, brechen. Der tief gelehrte Mann benutzt darum eine äußerst anspruchsvolle und gleichzeitig gebrochene Sprache. Man weiß niemals genau, ob er die Wahrheit sagt oder lügt. Er hat Spaß daran, den Leser in die Irre zu führen. Die Tradition sagt zum Beispiel, Sokrates hätte einen Becher mit Gift getrunken und sei gestorben. Derrida erinnert an den griechischen Text: Pharmakon heißt eben nicht nur Gift, sondern auch Arznei, Heilmittel. Was spricht dafür, beim Schierlingsbecher des Griechen daran zu denken, das er Arznei getrunken und geheilt wurde, durch den Tod geheilt? Solcherart provoziert Derrida den Leser. Übrigens gibt es einen Typen in Deutschland, den ich in einer Reihe mit dem Franzosen sehe und der ähnlich gehasst und geliebt wird und ein Meister neuer Worterfindungen und Provokationen ist: Peter Sloterdijk. Man lese nur sein Buch Sphären.

 

Autoren wie Derrida (und auch Sloterdijk) wollen sich konventioneller Lesestrategie entziehen. Der Leser soll verwirrt werden. Sie machen geläufige Konzepte kaputt, dekonstruieren sie. Darum wird Derridas Art Dekonstruktivismus genannt. Im dekonstruierten Text, der zunächst Verwirrung stiftet, sieht der Philosoph eine Chance, dass der Leser selber zum Denken kommt, indem die Krücke herkömmlicher Lesemodalität zerschlagen ist. Der Leser muss sich je immer neu dem Text zuwenden, ihn vielleicht neu übersetzen, auf alle Fälle sehen, was das mit ihm macht. Wahrheit, so der Franzose, ist ein sehr fragiles und unfassbares, schon gar nicht sicheres Unterfangen. Es sei besser, öfters zu schweigen und gar nichts zu sagen, so der Meister.

 

Und nach der Dekonstruktion nehme man die kleinen Stücke, mit deren Vermittlung sich Wahrheit dem Leser offenbarte und beginne, wenn möglich, das Werk der Rekonstruktion. Dekonstruktion und Rekonstruktion – das ist des geborenen Algeriers Ansinnen.

 

Bei Youtube finden sich einige Filmchen mit Jacques Derrida. Dort kann man erleben, wie bedächtig, zuweilen abgehackt der Philosoph redet, wie sich Wissen und Scheu abwechseln. Nein, der wackere Mann ist kein Denker im herkömmlichen Sinne. Er ist der große Fragende, der immer alles Hinterfragende. Er erhebt keinen Anspruch, leichtfertig von Wahrheit, Gott, Grund und Sein zu sprechen. Wenn so etwas, das die alten und großen Worte beschreiben, geschehen sollte, dann ist es sehr flüchtig und fragil und unsicher. Der Mensch berührt, wenn überhaupt, nur den Saum vom Mantel Gottes, um ein biblisches Bild zu bemühen. Niemals kann er etwas als Wahrheit in der Manier eines Dinges oder einer Sache gleichsam „haben“. Er muss immerzu neu schauen, neu Texte lesen, sich neu bewusst werden, dass er ein Botschafter nicht nur seiner Genetik ist, sondern auch von Texten, denen er sich ausliefert. Der Mensch ist ein Wandelnder und Reisender. Darum sind des Meisters Texte zerrissen. Wir kennen das übrigens schon von Nietzsche her. Und Sloterdijk scheint sich auch Mühe zu geben, dieser Einsicht folgen zu wollen – sein Sprachduktus ist dem Derridas, schaut man ihn im Fernsehen, nicht unähnlich.

 

Du musst selber gucken, selber denken, selber Erfahrungen mit Wahrheit machen, und du kannst dich nicht wie selbstverständlich an etwas von früheren Zeiten festhalten, nicht an Methoden und nicht an überlieferten Inhalten und Büchern, indem du annimmst, darin sei Wahrheit schon gratis verborgen erhalten – nein! Es hat mit dir zu tun! Und es fordert dich, immerzu! So etwa spricht der komische Franzose Jacques Derrida und legt sich nach der Jahrtausendwende schlafen, nachdem er noch dem alten Gadamer zu Ehren einem Ruf folgte. Und heute stipulieren und schwätzen viele Intellektuelle klug, wenn es um den Mann geht, der ursprünglich aus der Wüste kam.

 

Sprechen jene Schlauberger vom Anliegen Jackies, wie ihn seine Familie nannte, haben sie seine Botschaft verstanden? Oder ist er mehr als Modeerscheinung wahrgenommen worden, ein kleiner, giftiger Zwerg, der überall aneckte, unmögliche Bücher schrieb und dessen Vorträge schwer verständlich und nicht selten abgehackt klangen? Cool, oder? Avantgarde pur! Einer, der „die Kotbehausung des Geistes“ (um einen Ausdruck Baudelaires zu gebrauchen) mächtig aufrührte!

 

Mir scheint, ein Derrida der neuen Mathematik und jener Wissenschaft, welche sie als ein Werkzeug anwendet, nämlich der Physik, sei bis heute nicht wirklich erschienen. Vielleicht ist auch seine Zeit noch nicht reif, wiewohl einige kritische Stimmen wie einsame Rufer in der Wüste ihre Stimmen erhoben und noch heute vernehmbar sind. Jedoch – sie haben keine öffentliche Reputation, sie genießen keine Beachtung und ernsthafte Auseinandersetzung. Credo in unam Mathematicam ist in der Tat das neue Credo einer Gott – losen Welt, die es wohl erforderlich machte, eine Art Quasireligion, einen Ersatz für metaphysische Betrachtungen zu finden, die mittlerweile als suspekt gesehen werden und - so bezeugt es das neue Credo – vollständig in Mathematik und Physik aufgegangen und von diesen abgelöst worden seien.

 

Diese Schrift ist eine Kritik der neuen Religion. Denn diese spielt mit Initiationen, ähnlich antiker Geheimkulte: der Adept muss erst aufwendige Studien betreiben, um überhaupt das Heilige betreten zu können, nämlich die Graduierung zum diplomierten Physiker der neuen Zeit.

 

Zum Allerheiligsten schließlich gelangt der promovierte Akademiker in Sphären ziemlich dünner Luft – er ist nun darauf vorbereitet, wie ein mathematischer Asket die Welt zu erklären, wobei bekannte Meister wie Richard Feynman durchaus davon ausgehen, dass nur eine Handvoll von Menschen genau verstehen, was sie tun (und er, Feynman, rechnet sich zu einem dieser Elitisten). Zudem neigt die neue Physik dazu, zunehmend schon längst bekannte philosophische Einsichten zu vernachlässigen, wie das Beispiel von Meister Stephen Hawking (angeblich der intelligenteste Mensch unter den Physikern) und seinem Werk Der große Entwurf durchaus offenbart. Grundsätzlich sind die Jünger der neuen Religion – und darauf gerade hatte Derrida in der Philosophie hingewiesen, nämlich nicht darin gleichsam zu versinken – Anhänger eines mathematischen Platonismus. Und damit ist die Kritik nicht zu Ende – die physikalischen Welterklärer haben nun die Stelle von Priestern eingenommen, die Segen und Sakramente spenden, vornehmlich denen, die ihnen glauben, Verehrung spenden und die selber nichts verstehen oder zu verstehen meinen. Selten spricht einer dieser heiligen Menschen (in den letzten Jahren sind auch zunehmend Frauen wie Lisa Randall hervorgetreten mit öffentlich wirksamer kerygmatischer Bedeutung) von tiefgehenden Zweifeln seiner Ableitungen, Annahmen und Bedeutungen, seiner ganzen auf mathematischen Erklärungen aufgebauten Realitätsentwürfe wegen, und er vermengt nicht selten schon in der Wortwahl Unüberlegtheiten, die er wohl wegen der dünnen Luft in seinen Sphären für nicht weiter bedenkenswert hält: mal spricht er von Universum, dann von Multiversum, mal von Modell und dann von Realität. Und er rümpft schnell die Nase über Subjekte, die schlecht in Mathematik sind und seufzt, wenn er einen guten Tag hat, wie ein gütiger Vater hinunter zu seinem unwissenden Kind, dass es eben nur mit Hilfe der Mathematik möglich sei, die Welt zu beschreiben und zu verstehen. Und lächelnd wie ein Priester streicht er über das Haupt des Unwissenden und denkt im Stillen: du wirst es nie begreifen, kleiner Schwachkopf!

 

Woanders ist man recht angetan von den höchst Erleuchteten des neuen Credo. In Norwegen verteilen offensichtliche Schwachköpfe den Nobelpreis und halten sogar als Kriegsverbrecher geltende Subjekte wie Mister Obama oder Herrn Kissinger und andere Bagaluten für äußerst würdig. In Spanien verteilt ein König mit nicht erwähnenswerter mentaler Leuchtkraft die begehrte Fields - Medaille für Mathematik und geht danach auf Großwildjagd, von den gebeutelte Spaniern freilich bezahlt.

 

Jawohl, es stört mich gewaltig, dass die neue Religion ihr Credo spricht und in Wahrheit Vorschub leistet für eine Gesellschaft der Arroganz, Kälte und – Technikversessenheit. Dabei kommt der Nichtmathematiker, der Nichtflieger in extremen mathematisch – physikalischen Höhen, nicht gut weg. Solcherart verschafft man sich eine notwendige Begründung für ein westlich geprägtes Kastensystem mit dem Hang zu Standard, Uniformität, Abrechenbarkeit und Gottlosigkeit. Die neue Physik als neue Religion hat erst Kapitalismus, Utilitarismus und moderne Finanzwirtschaft ermöglicht. Die Brownsche Bewegung, von Einstein einst untersucht, ist nun Grundlage für die Berechnung von Börsenbewegungen. Physiker und Mathematiker sitzen an den Schaltstellen von Firmen, Versicherungen, Finanz- und Wirtschaftsinstituten. Die neuen Welterklärer sind gleichzeitig die neuen Weltgestalter. Die neue Religion als gnostische Religion des rechten Wissens kennt keine Barmherzigkeit und Vergebung. Zu viele dieser akademisch geadelten Priester sitzen auch dort, wo Rüstung, Technik und Töten geplant und produziert wird.

 

Das stört mich sehr. Ich bin ein tiefer Zweifler am neuen Weltbild der Physik geworden, obgleich ich beide, Mathematik und Physik sehr liebe, und zwar seit ich ein Kind war. Mein Großvater, ein belesener Landwirt mit einer riesigen Bibliothek, hatte Heisenberg und von Weizsäcker gelesen und nannte sie Opportunisten (wie auch von Ardenne, der Kenner wird ahnen, warum). Und er sagte mir einen Satz, der sich bis heute in mir festgehakt hat: schau genau hin, in der Natur gibt es kaum rechte Winkel und Geraden! Und: sie sind so schlau, dass sie gar nicht wissen, wie dumm sie sind! Später las ich Einsteins Aufsatz über Geometrie und Erfahrung und konnte mich des Eindrucks nicht entledigen, dass der wackere Mann vom mathematischen Platonismus wusste und doch nicht wagte, ihn ganz hinter sich zu lassen. Im Anfang war das Wort, und nicht der Urknall, sagte mein Großvater noch, und wer das verleugne, hätte nichts verstanden. Ich betrachte mich nicht als dumpfen Jesusschwätzer oder fundamentalistischen Gottesspinner, vielmehr als einen engen Verbündeten von Jesus. Gott hat für mich eine tiefe und elementare Bedeutung, ohne dass ich viel dazu sagen könnte. Aber erst jetzt erlaubt mir mein inneres Gespür die Veröffentlichung meiner Gedanken zur neuen Physik.

 

Freilich werde ich keine allgemeine und universal gültige Lösung in diese Welt werfen können. Ich rechne damit, dass mir Hass und Ablehnung entgegenschlagen, obgleich mir mein Nervenkostüm erlaubt, mich nicht zu scheren über Geschrei anderer Subjekte – niemals hat es mich zu Jubelveranstaltungen jedweder Art, noch in Gerichte und Schmähtheater gezogen, da über andere unanständig gerichtet und beurteilt wird. Die menschliche Natur in ihrer Gebrochenheit, Fragilität und Begrenztheit ist mir mitnichten unbekannt, und ich finde mich von ihr umschlossen mit einem, wie ich meine, gerütteltem Maß an Verständnis, Toleranz und Liebe.

 

Aus diesem prozesshaften Komplex heraus finde ich mich in tiefem Widerspruch zur neuen Physik und ihren mathematischen Weltbildern. Und darum fordere ich einen Derrida der neuen Physik. Mathematisch lässt sich Demut wohl kaum hinreichend ausdrücken. Aber genau dieses schwebt mir vor – dass die neue Physik ihre Grenzen erkennt und, wenn überhaupt, demütig ihr Priesteramt ausführt. In ihrer hochfahrenden und aus Illusionen geborenen Art der Bedeutungssicherung ihrer Stände liegt ihr Kerygma nämlich nicht selten in bedeutungslosen Fabeln, um ein Wort vom neutestamentlichen Paulus zu bemühen.

 

Studienempfehlungen

 

Dokumentarfilm Derrida (2002)

https://www.youtube.com/watch?v=CtcpwJCC6Co

 

Bericht über Hawkings Der große Entwurf

https://www.youtube.com/watch?v=aultFgae44c

 

Albert Einstein, Geometrie und Erfahrung Text

https://archive.org/details/geometrieunderf00einsgoog

 

Anklage wegen Kriegsverbrechen

http://www.westernjournalism.com/obamas-impeachment-trial-war-crimes/

http://www.thirdworldtraveler.com/Kissinger/CaseAgainst1_Hitchens.html

http://www.presstv.ir/detail/2013/05/24/305172/chomsky-calls-for-obama-trial-at-icc/