Damian - Vertrauen - Madlen Schaffhauser - E-Book

Damian - Vertrauen E-Book

Madlen Schaffhauser

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Beschreibung

Endlich hat sich Damian seinen Dämonen gestellt und mir seine Vergangenheit anvertraut. Trotzdem ist es schwierig einem blind zu vertrauen. Besonders bei solchen Vorgeschichten, wie unseren. Vermutlich hätte ich ihm genau aus diesem Grund von meinem Besuch bei meinem Ex erzählen sollen. Denn dann müsste ich nicht diesen stechenden Schmerz fühlen, der mein Herz zerreisst. Die Wahrheit, dass ich soeben den Mann meines Lebens verloren habe, lähmt meinen Körper und lässt meine Seele weinen. Hört das jemals wieder auf?

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Madlen Schaffhauser

Damian - Vertrauen

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

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20.

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36.

37.

38.

Danksagung

Über die Autorin

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Leseprobe Gesucht Gefunden

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2.

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2.

3.

Impressum neobooks

Zu diesem Buch

Endlich hat sich Damian seinen Dämonen gestellt und mir seine Vergangenheit anvertraut. Trotzdem ist es schwierig einem blind zu vertrauen. Besonders bei solchen Vorgeschichten, wie unseren.

Vermutlich hätte ich ihm genau aus diesem Grund von meinem Besuch bei meinem Ex erzählen sollen. Denn dann müsste ich nicht diesen stechenden Schmerz fühlen, der mein Herz zerreisst. Die Wahrheit, dass ich soeben den Mann meines Lebens verloren habe, lähmt meinen Körper und lässt meine Seele weinen. Hört das jemals wieder auf?

Band 2

Widmung

Eva & Paul

Nicht im Kopf, sondern im Herzen liegt der Anfang.

Maxim Gorki

1.

Während der ganzen Fahrt sitze ich steif auf dem Rücksitz und ergebe mich meinen Tränen. Ich dachte, dass ich irgendwann keine mehr haben würde, doch sobald ich mich ein wenig gefasst habe, rollen sie von Neuem.

Ich kann nicht glauben, dass er mich derart ausgenutzt und belogen hat. Dass ich nur eine kurze Abwechslung für ihn war. Oder möchte ich es einfach nicht wahrhaben? War es vielleicht von vornherein ein Spiel für ihn?

Ich höre die Frauen von der Benefizgala, wie sie auf der Toilette über mich gesprochen haben und mich als Zeitvertreib und Spielzeug betitelten. Lagen sie etwa doch richtig damit?

In den vergangenen Wochen war ich unglaublich glücklich, wie seit langer Zeit nicht mehr und ich habe wirklich angenommen, er wäre es auch. Ich dachte sogar an eine gemeinsame Zukunft, doch so leicht kann man sich irren. Wahrscheinlich war er glücklich, wobei dieser Begriff vielleicht nicht der richtige Gefühlsausdruck für ihn ist.

Meine Gedanken rasen wild im Kreis herum. Ich wünschte, ich könnte sie ausschalten, in der hintersten Ecke meines Bewusstseins verschliessen und sie vergessen, weil die Erinnerungen an Damian und unsere gemeinsame Zeit viel zu schmerzhaft sind. Aber es möchte mir nicht gelingen. Ständig sehe ich ihn vor mir. Mal liebend, mal lachend, mal kalt, mal distanziert.

Wann wird das endlich aufhören? Wann wird dieser Schmerz, der in meinem Herzen wütet, erlöschen? Wie soll es jetzt weitergehen? Kann ich noch immer bei ihm arbeiten oder muss ich mir einen neuen Job suchen? Wie komme ich mit dieser neuen Situation klar? Kann ich ihm noch unter die Augen treten, ohne dass ich an uns denken muss?

Ich starre aus dem Fenster, versuche mich auf die Umgebung zu konzentrieren, die nun, da wir uns London nähern, heller wird. London, die Stadt, in der ich ihn kennengelernt habe. London, wo er wohnt und arbeitet. London, wo ich ihm wieder begegnen werde, egal ob ich es möchte oder nicht.

Sollte ich vielleicht alles zusammenpacken und weiterziehen, so wie ich es schon einmal gemacht habe? Ich werde wieder von vorne beginnen müssen, doch das sollte nicht zu schwierig werden. Schliesslich wäre es nicht das erste Mal. Nur ist da das Problem, dass ich nicht von hier weg möchte.

Pietro biegt in Miras Strasse und hält den Rolls Royce vor ihrem Wohnblock. Eigentlich müsste ich jetzt aussteigen und in mein Zimmer gehen, aber ich brauche noch einen Moment.

Pietro sagt nichts. Er drängt mich nicht, den Wagen zu verlassen, damit er endlich nach Hause kann, um eine Mütze Schlaf zu bekommen. Nein, er bleibt geduldig sitzen, schaut nur kurz in den Innenspiegel und richtet seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne.

Als ich mich letztendlich soweit gefangen habe, um nach oben zu gehen, steigt er schnell aus und hält mir die Tür auf. „Alles in Ordnung?“ fragt er unsicher.

Ich schüttle nur den Kopf. „Danke fürs herbringen.“ äussere ich mich leise.

„Soll ich Sie noch begleiten?“

„Es geht schon.“ Ich drehe mich um und öffne die Tür ins Treppenhaus.

Es ist bereits nach drei, während ich in mein Schlafzimmer komme. Ich überlege mir, ob ich die Kleider ausziehen soll, entscheide mich dann jedoch dagegen. Ich bin zu erschöpft und müde, um noch irgendwelche Bewegungen zu machen.

Aber als ich dann auf meinem Bett liege, kann ich noch lange nicht einschlafen. Immer wenn ich die Augen schliesse, sehe ich ihn vor mir, was mir ständig neue Tränen in die Augen treibt.

Irgendwann muss ich dann doch in den Schlaf gesunken sein, denn jetzt scheint die Sonne durch den nicht ganz geschlossenen Vorhang. Es dauert ein paar Sekunden, bis mir alles wieder einfällt und wie ein spitzer Pfeil durch mein Herz schiesst. Viel zu wuchtig kommen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück.

Mühsam rapple ich mich aus dem Bett und gehe hinüber ins Bad. Dort stelle ich mich unter den heissen Wasserstrahl und hoffe, dass mir die Dusche hilft zu vergessen. Leider vergebens. Meine Haut färbt sich bereits rot, weil das Wasser brennt, nur dass ich es kaum spüre, weil der Schmerz, der in meiner Brust tobt, viel stärker ist.

Ich wage es kaum in den Spiegel zu sehen, trotzdem werfe ich einen kurzen Blick hinein und erschrecke über mein Äusseres. Meine Augen wirken leblos. Die dunklen Ringe unter ihnen werde ich nicht mal mit reichlich Make-up kaschieren können. Glücklicherweise ist heute Samstag. Ich brauche also nicht vor die Tür zu gehen. Vielleicht werde ich Mira und Alan über den Weg laufen, aber das werde ich schon irgendwie hinkriegen. Ich bin nur froh darüber, dass ich ihn nicht sehen muss.

Zwei Tage habe ich Zeit, um mich an die neue Situation zu gewöhnen und die werde ich nutzen. Ich werde am Montag als eine ganz andere Jessica zur Arbeit gehen. Als eine Jessica, die sich nicht zum Narren halten lässt. Als eine Jessica, die nicht ihr Herz an ihren Chef verloren hat. Ich werde mich nicht unterkriegen lassen. Nicht mehr.

Mit dieser neugewonnenen Energie ziehe ich eine schwarze Freizeithose an, ein abgetragenes T-Shirt und gehe in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Nachdem ich mir eine Tasse von dem dunklen Getränk eingeschenkt habe, setze ich mich auf die Couch und geniesse die Stille in der Wohnung. Wahrscheinlich sind meine Mitbewohnerin und ihr Freund schon zur Hochzeit gefahren. Das bedeutet, dass ich heute niemandem mehr begegnen werde, was mir gerade sehr gelegen kommt.

Ich höre mein Telefon im Zimmer trällern, doch ich habe keine Lust dranzugehen. Später kann ich noch immer zurückrufen, wenn ich mag. Ich lehne mich zurück und geniesse immer wieder einen kleinen Schluck von dem heissen Kaffee, der jedes Mal langsam meine Kehle hinabrinnt und ein angenehmes Gefühl hinterlässt.

Das Klingeln in meinem Zimmer verstummt und die erwünschte Stille kehrt zurück. Nur leider hält das keine Minute an, dann beginnt mein Handy von neuem eine Melodie zu spielen. Ich brauche nicht nachzusehen, wer es ist. Nur für einen Menschen habe ich diesen Ton gewählt. Damian.

Was möchte er von mir? Wurde gestern nicht alles gesagt, was es zu sagen gibt? Möchte er mich vielleicht noch weiter erniedrigen? Oder möchte er mir mitteilen, dass ich meine Sachen bei ihm abholen soll? Das werde ich, aber nicht heute.

Ich halte mir die Ohren zu, damit ich das Klingeln nicht mehr hören muss und als es dann wieder verstummt, gehe ich schnell in mein Zimmer, um das Telefon auszuschalten. Meine Handtasche liegt noch immer an der Stelle, wo ich sie gestern achtlos hingeworfen habe, krame mein Smartphone heraus und entsperre das Display. Es sind über zehn unbeantwortete Anrufe und über fünf Nachrichten eingegangen. Allerdings mache ich es aus, bevor ich nachsehen kann, von wem die Anrufe und Mitteilungen sind.

Zurück in der Küche sehe ich mich nach etwas Essbarem um und muss enttäuscht feststellen, dass es nichts gibt, was mir irgendwie zusagen könnte. Ich beschliesse also in den Supermarkt zu gehen, obwohl ich darüber überhaupt nicht begeistert bin, aber ich brauche etwas für meinen Magen.

Schon eine halbe Stunde später schiebe ich den Einkaufswagen vor mir her. Ich werfe hinein, was mir gerade in die Finger kommt, wobei ich erst an der Kasse bemerke, dass ich überhaupt nichts für eine gesunde Ernährung eingepackt habe. Normalerweise achte ich immer darauf, doch an diesem Morgen kein einziges Mal. Wahrscheinlich widerspiegelt mein heutiger Einkauf meine Laune. Denn alles was ich mir besorgt habe, deutet unmissverständlich auf Frust hin. Genauso wie ich mich fühle.

In jeder Hand halte ich eine Tasche und mache mich wieder auf den Weg in die Wohnung. Ich biege gerade um die Ecke und die Tafel der U-Bahn kommt in Sicht, als ich jemanden meinen Namen rufen höre. Mein Körper spannt sich sofort an, weil ich im ersten Augenblick annehme, es könnte Damian sein. Wer sonst sollte mir hier über den Weg laufen? Als ich dann die weibliche Stimme deutlicher höre, drehe ich mich um und die Anspannung fällt augenblicklich von mir.

„Hey Jessica. Dachte ich doch, dass du es bist.“ Bernice, die im Kundendienst von Meyer Enterprises arbeitet, begrüsst mich mit einem freundlichen Lächeln.

„Hallo Bernice.“

„Warst wohl einkaufen?“ Sie deutet auf die Taschen an meinen Seiten. „Bist du mit der Tube hier?“

„Ja. Mira ist mit Alan auf einer Hochzeit. Also muss ich das Zeug halt auf diese Weise nach Hause schleppen.“

„Brauchst du Hilfe?“

„Das ist nett von dir, aber es geht schon. Was hat dich hierher verschlagen?“ Ich weiss, dass sie am anderen Ende der Stadt wohnt, daher bin ich etwas neugierig geworden und frage mich, was sie in dieser Gegend macht.

„Ich hab einen Bekannten besucht.“ Dabei kann sie ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

„Ach so, einen Bekannten.“ Ich rümpfe meine Stirn und steige, so gut ich kann, in ihr Lachen ein, als sie über meine Bemerkung grinsen muss.

Wie ich von Mira gehört habe, hat Bernice eine Vorliebe für kurze Bettgeschichten. Sie ist ein total lieber Mensch, nur mit einer etwas anderen Einstellung als ich. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte so locker sein wie sie. Dann würde ich mich jetzt vielleicht nicht so niedergeschlagen und alleine fühlen. Vielleicht könnte ich Damian dann ganz einfach aus meinem Herzen entfernen.

„Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Abwechslung vertragen.“ reisst sie mich aus meinen abschweifenden Gedanken und ich sehe sie etwas verdattert an. „Hast du heute Abend schon was vor? Ich kenn da einen ausgezeichneten Club.“

„Ich weiss nicht, ob das was für mich ist.“

„Na komm. Zwei meiner Freundinnen werden auch da sein. Das wird bestimmt lustig. Oder hast du was Besseres vor?“

Was soll ich antworten? Dass ich mich in Miras Wohnung verkriechen möchte, um mich dem Schmerz, der sich immer mehr in meiner Brust ausbreitet, ergeben zu können?

„Ich weiss nicht.“

„Ach komm, gib dir einen Ruck.“

Plötzlich erscheint mir die Gesellschaft zu meiden, nicht mehr als die sinnvollste Art, um mit Damians Verrat umzugehen. Ich brauche Ablenkung. Ich muss wieder nach vorne schauen und alles andere hinter mir lassen. Noch bevor ich länger darüber nachdenken kann, höre ich mich sagen: „Also gut. Wann und wo?“

Nachdem ich mit Bernice einen Treffpunkt abgemacht habe, verabschieden wir uns und ich gehe weiter zur U-Bahn. Doch kaum bin ich zehn Meter weiter, ruft wieder jemand meinen Namen. Dieses Mal ist der italienische Akzent nicht zu überhören.

„Darf ich Sie nach Hause bringen, Miss Weber?“

Ich traue meinen Augen und Ohren nicht, als ich Pietro vor mir sehe und mir dieses Angebot macht. Warum? Sofort suche ich die Strassen nach Damian ab, aber ich kann ihn nirgends sehen. Ausser er sitzt im schwarzen Rolls Royce, neben dem Pietro steht und der auf eine Antwort wartet.

„Ist er da drin?“ Ich nicke Richtung Limousine.

„Nein. Er ist auf einer Konferenz. Den ganzen Tag.“

„Und warum sind Sie hier?“

„Weil er mir aufgetragen hat Sie zu bewachen.“

„Ich verstehe das nicht. Es ist aus zwischen uns. Also, warum lässt er mich noch beschatten? Es kann ihm scheissegal sein, was ich mache, wer mich verfolgt oder was mir passiert!“ schreie ich heraus, woraufhin sich der Leibwächter versteift, sich aber gleich wieder fängt und mich mitleidig ansieht.

„Er hat Sie schon mehrfach versucht zu erreichen, nur...“

Ich schneide ihm das Wort ab, weil ich nicht hören möchte, was er sagen will. „Richten Sie ihm aus, dass er sich von mir und meinem Leben fernhalten soll.“

„Wenn er nicht geschäftliche Dinge zu erledigen hätte, wäre er selbst hier. Es ist ihm wichtig, dass sie in Sicherheit sind und dass es Ihnen gut geht.“

„Soll das ein Witz sein?“ Ein grausames Lachen windet sich aus meiner Kehle. Er möchte, dass es mir gut geht? „Damian ist der, der Schuld für mein Gefühlschaos ist. Sie müssten mich vor ihm beschützen!“

„Miss Weber, bitte.“

Er tut mir schon fast leid. All das, was ich Damian an den Kopf werfen sollte, musste sich nun sein Bodyguard anhören.

„Lassen Sie uns gehen.“ Er hebt die Einkaufstaschen vom Boden, die ich vorhin fallen gelassen habe und legt sie in den Kofferraum. Danach öffnet er mir die hintere Wagentür. Ich leiste keinen Widerstand, weil ich auf einmal keine Kraft mehr habe und bin froh, dass mein aufgelöstes Ich niemand mehr sehen kann, nachdem ich eingestiegen bin.

Pietro und ich reden kein einziges Wort auf der Fahrt. Er wagt nicht einmal einen Blick in den Innenspiegel. Was er seinem Boss erzählen wird, ist mir eigentlich egal. Hauptsache Damian lässt mich in Ruhe.

Bei der Wohnung angekommen, steige ich schnell aus, bevor mir Pietro öffnen kann und nehme die Taschen entgegen, die er bereits ausgeladen hat.

„Seien Sie nicht zu hart zu ihm.“

Verblüfft sehe ich ihn an und mir liegt schon eine Erwiderung auf der Zunge, aber irgendwas in seinem Blick lässt mich innehalten. Stattdessen frage ich nur: „Warum?“

„Geben Sie ihm eine Chance, es Ihnen zu erklären.“

„Was zu erklären? Warum er mich brauchte, obwohl er die längste Zeit Helen hatte?“

Ich sehe, wie ein Schatten über sein Gesicht gleitet und er schwer schlucken muss. „Reden Sie mit ihm.“ Er tippt sich an seine imaginäre Hutkrempe und steigt wieder ein.

Der Appetit ist mir in der Zwischenzeit komplett vergangen und ich frage mich, warum ich überhaupt auf die Strasse gegangen bin.

Während ich die Einkäufe in die Kästen räume, gehe ich ständig das Gespräch mit Pietro durch. Warum besteht er darauf, dass Damian und ich uns aussprechen? Letzte Nacht wurde alles gesagt, was es zu sagen gab. Damian soll mit seiner Helen glücklich werden und mich in Ruhe lassen. Je früher desto besser.

Ich möchte von ihm nicht wissen, wie leid es ihm tut, dass er ein solches Spiel mit mir gespielt hat, dass er mir niemals wehtun wollte. Solches Mitleid brauche ich nicht. Er soll weiter sein Leben leben und ich werde meines wieder irgendwie kitten. Und damit werde ich an diesem Abend beginnen.

Obwohl ich heute schon einmal geduscht habe, stelle ich mich ein zweites Mal darunter. Das Wasser massiert meine angespannten Schultern und spült ein klein wenig von meiner Unruhe weg, die mich seit letzter Nacht immer noch fest im Griff hat.

Nachdem ich mich abgetrocknet und die Haare in ein Handtuch gewickelt habe, stelle ich mich vor meinen Schrank und gehe alle meine Kleider durch. Dabei fällt mir das teure Kleid, das mir Damian zur Gala gekauft hat, ins Auge und ich muss unweigerlich an jenen Abend denken. Wie wir getanzt haben, als hätten wir das schon jahrelang miteinander gemacht. Wie er mich immer wieder ansah, während wir uns unterhielten. Wie er mich anlächelte und wie erschrocken er aussah, als er mich draussen in der Kälte fand.

All jene Bilder flimmern mir durch mein inneres Auge und ich muss mich auf die Bettkante setzen, damit ich nicht zu Boden sinke, weil es in meiner Brust plötzlich unheimlich eng wird. Damian war immer sehr aufmerksam, liebevoll und einnehmend. Aber nun weiss ich, dass alles nur vorgeheuchelt war. Ich kann immer noch nicht begreifen, wie ich mich so in ihm täuschen konnte.

2.

Ich stehe vor dem Club und warte auf Bernice, die schon eine halbe Stunde zu spät ist. Wenn sie in den nächsten Minuten nicht erscheint, werde ich wieder nach Hause gehen. Hier zu sein kommt mir ohnehin immer absurder vor. Lieber würde ich jetzt zu Hause auf dem Sofa liegen und irgendeinen Film ansehen, statt an diesem Ort, wo ich auf meine Mitarbeiterin warten muss. Zwar fand ich die Aussicht auf Abwechslung äusserst verlockend, als ich mich Ausgang fertig gemacht habe, aber nun habe ich immer weniger Lust auf diesen Club, aus dem laute Musik dringt.

Gerade als ich mich entscheide von hier zu verschwinden, taucht Bernice neben mir auf.

„Tut mir leid, tut mir leid.“ meint sie laut schnaufend. „Ich habe etwas zu lange für mein Styling gebraucht.“ Sie lächelt mich entschuldigend an.

„Als ob du das nötig hättest.“ Sie ist von Natur aus eine schöne Frau. Mit ihren langen, gelockten, dunklen Haaren, die immer perfekt sitzen, ihren grünen Augen und Kurven, die genau an den richtigen Stellen sind. Und mit dem Kleid, das sie trägt, zieht sie alle Blicke auf sich. Daher ist es kein grosses Wunder, dass jedes Wochenende ein anderer mit ihr nach Hause gehen will.

Ich dachte, ich sähe ein wenig verführerisch aus in meinem schwarzen Minikleid, doch neben ihr verblasse ich total. Bernice jedoch ist da ganz anderer Meinung.

„Wow.“ Sie mustert mich von Kopf bis Fuss, was mir etwas unangenehm ist, aber als ich in ihrem Blick völlige Aufrichtigkeit lese, drehe ich mich sogar um die eigene Achse. „Ich hätte nicht gedacht, dass du solche Kleider in deinem Schrank hängen hast. Pass auf, dass dir nicht zu viele Kerle nachsabbern und jetzt lass uns endlich in den Club gehen.“

Es ist zu voll. Es ist zu laut. Überhaupt nicht mehr mein Ding. Aber wahrscheinlich bin ich genau aus diesem Grund hier. Ich versuche mich neu zu orientieren und dazu gehören Orte, wo Damian sich bestimmt nicht aufhält.

Bernice bestellt uns beiden ein Bier, das wir gleich auf Ex trinken. Nach dem zweiten erscheinen Bernices Freundinnen und die dritte Flasche wird ebenso schnell ausgetrunken, wie die ersten beiden. Irgendwann wechseln wir zu Cosmopolitans. Mit jedem weiteren Drink wird meine Stimmung besser und mit jedem Schluck vergesse ich, warum ich überhaupt hier bin.

Es macht Spass mit diesen Frauen hier zu sein und ich bin Bernice dankbar, dass sie mich dazu überredet hat.

Im Laufe des Abends entscheiden wir uns für die Tanzfläche, wo die Beats, die aus den Lautsprechern dröhnen, meinen Puls zum Rasen und meinen Körper in Bewegung bringen. Ich schliesse die Augen und konzentriere mich ganz auf die Musik. Ich fühle mich frei, unbeschwert und .... total betrunken. Aber es ist mir egal. Ich bin niemandem eine Rechenschaft schuldig, was die ganze Atmosphäre nur noch besser macht.

Plötzlich spüre ich Hände auf meiner Taille, was mich etwas aus dem Konzept bringt, doch als ich den Typen hinter mir begutachte und die Pfiffe der Mädels höre, schliesse ich wieder die Augen und geniesse den Augenblick.

Zuerst liegen nur seine Hände auf meiner Seite, doch irgendwann schmiegt er sich mit seinem ganzen Körper an meinen. Wir tanzen eng aneinander reibend und lassen uns von der Musik treiben. Er keucht an meinem Ohr, flüstert mir schmutzige Worte zu, was mein Blut zum brodeln bringt. Ich lehne mich noch mehr an ihn. Bewege mich an ihm, während er mit seinen Händen über meinen Bauch fährt.

Seine Erektion drückt durch den Stoff an meinen Po und er stöhnt: „Oh ja. Ja, mach weiter so, Babe.“

Schlagartig erwache ich aus meiner Trance, löse mich aus seinem Griff und weiche sofort zwei Schritte zurück.

„Sag niemals mehr Babe zu mir!“ Ich flippe fast aus, weil er dieses Kosewort benutzt hat.

Er hebt die Hände in die Höhe und kommt auf mich zu.

„Fass mich nicht an!“ brülle ich.

„Was ist los? Eben noch wolltest du, dass ich dir an die Wäsche gehe und jetzt drehst du durch oder was?“

Angewidert sehe ich ihn an. Wie konnte ich nur so blöd sein und mich auf diesen Typen einlassen? Ich kenne die Antwort auf meine Frage, aber ich möchte sie nicht in mein Bewusstsein lassen, denn das würde mich vollkommen fertigmachen.

„Alles in Ordnung bei dir?“

Ich atme erleichtert auf, als ich Bernice neben mir sehe und die schützend einen Arm um mich legt.

„Alles gut.“ versuche ich so normal wie möglich zu antworten. „Ich möchte nur weg hier.“

„Komm.“ Sie zieht mich mit sich mit, wobei ich den Kerl, mit dem ich eben noch getanzt habe, fluchen höre: „Ihr seid doch alles Schlampen!“

„Verpiss dich du Arsch!“ gibt Bernice zurück und schiebt mich weiter.

Der Alkohol ist nicht gerade hilfreich, um Ordnung in die Gedankenwelt zu bringen und zum ersten Mal heute Abend wäre es mir lieber, wenn ich nicht so viel getrunken hätte. Alles dreht sich, als wir auf einen Tisch zugehen, der in einer dunklen Ecke steht.

„Möchtest du vielleicht noch einen Cosmo?“ fragt mich Bernice.

Abwehrend hebe ich die Hand. „Lieber nicht.“

„Was anderes?“

„Ein Wasser.“

„Sicher?“

„Ich möchte nicht nochmal einem Typen wie dem da begegnen.“ und deute zur Tanzfläche, wo ich noch vor wenigen Minuten mit einem Fremden getanzt habe.

„Aber er war doch ganz schnuckelig?“

„Vielleicht. Nur bin ich nicht der Typ für One Night Stands.“

„Dann solltest du dich vielleicht nicht mehr so ins Zeug schmeissen, wie bei dem Kerl eben. Er war richtig geil auf dich.“

„Es war dumm von mir.“ Ich kann mein Tun nicht vor ihr erklären. Ich kann ihr nicht sagen, dass ich an unseren Chef gedacht habe, während der Blondschopf sich an mich heranmachte. Wie sehr ich mir wünsche, dass Damian hier wäre, wie sehr ich ihn vermisse. „Ich sollte vielleicht mal an die frische Luft.“

„Soll ich dich begleiten?“

„Nein, bleib du nur bei deinen Freundinnen. Ich komm schon klar.“ Klar vielleicht nicht wirklich, aber ich muss allein sein. Ich muss über das, was ich eben gemacht habe, nachdenken und wieder einen klaren Kopf bekommen.

Ich setze mich auf eine Bank, die nur ein paar Meter vom Club entfernt steht und lasse den Abend, ganz besonders die letzte Stunde, Revue passieren. So gut es in meinem benebelten Zustand eben geht.

Was würde Damian wohl sagen, wenn er mich so gesehen hätte? Würde er über mich herziehen, weil ich kurz nach unserer Trennung auf eine verführerische Art mit einem anderen tanzte? Oder wäre er eher zornig, weil ich ihn so schnell abgeschrieben habe? Oder könnte er vielleicht eifersüchtig sein?

Der letzte Gedanke gefällt mir mit Abstand am besten, doch davon kann ich nur träumen. Ich muss ihn vergessen, nach vorne sehen und so tun, als hätte er mir nicht unheimlich wehgetan.

„Miss Weber, darf ich Sie nach Hause bringen?“

Erschrocken drehe ich den Kopf und sehe Pietro neben mir stehen. Ich war wohl so sehr in meinen Erinnerungen versunken, dass ich ihn nicht habe kommen hören.

„Was tun Sie denn hier?“ ist das Erste, was ich hervorbringe.

„Auf Sie aufpassen.“ Er zuckt unschuldig mit den Schultern.

„Warum?“

„Weil es mein Job ist.“

Ich nicke nur, weil es nichts bringt, mit ihm über seine Aufgabe zu sprechen. Also stehe ich auf und folge ihm. „Waren Sie die ganze Zeit da?“

„So in etwa.“

„Dann haben Sie auch gesehen wie....“

„Ja, das habe ich.“ unterbricht er mich, bevor ich aussprechen muss, was ich im Club getan habe.

Verlegen sehe ich zu Boden. „Ich habe Sie nicht bemerkt.“

„Ich bin dazu ausgebildet, nicht gesehen zu werden.“

Wir schweigen, während er mich stützend zur Limousine bringt, die in der nächsten Strasse abgestellt ist. „Weiss Damian, wo ich bin?“

„Ja.“ Bevor ich ihm die nächste Frage stellen kann, spricht er weiter. „Er ist nicht begeistert.“

„Das kann ihm egal sein. Schliesslich sind wir nicht mehr zusammen.“

„Sie sind ihm nicht gleichgültig.“

„Wo ist er?“ höre ich mich auf einmal fragen.

„In der Schweiz.“

„Oh.“ Ich brauche eine Sekunde, um einen klaren Gedanken zu fassen und um den Schmerz zu verdauen, der eben mein Herz zugedrückt hat. „Geschäftlich oder Privat?“

„Privat.“

„Oh.“ sage ich wieder und ich muss schwer schlucken.

„Vielleicht sollten Sie ihr Telefon einschalten.“

„Wie?“

„Ihr Telefon ist schon den ganzen Tag aus.“ Pietro öffnet die Tür und ich klettere in den Fond des Rolls Royce.

Mein Smartphone liegt in meiner kleinen Handtasche. Ich habe es zwar eingesteckt, damit ich es bei einem Notfall dabei gehabt hätte, aber ich habe es seit heute Morgen nicht mehr eingeschaltet, weil ich mir nicht anhören konnte, was mir Damian sagen wollte und auf keinen Fall durfte ich seiner Stimme lauschen. Es wäre zu schmerzhaft gewesen.

Ich drücke auf den Knopf und das Handy erwacht zum Leben. Kaum habe ich die PIN eingegeben, zeigt es mehrere unbeantwortete Anrufe und unzählig Nachrichten an. Ehe ich nachsehe, von wem sie sind, tippe ich schnell eine SMS an Bernice. „Verdammter Mist.“ meckere ich, als sich herausstellt, dass ich ihre Nummer gar nicht habe.

„Irgendein Problem?“ fragt mich Pietro von vorne.

„Könnten wir nochmals zum Club fahren? Ich habe meiner Kollegin nicht gesagt, dass ich gehe. Ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen um mich macht.“

„Schon erledigt.“

„Wie?“

„Als Sie nach draussen gegangen sind, habe ich Miss Turner mitteilen lassen, dass ich Sie nach Hause bringen werde.“

„Woher waren Sie sich so sicher, dass ich mit Ihnen gehen würde?“

„Obwohl Sie ziemlich betrunken waren, sind“ korrigiert er sich. „konnte ich an Ihrem Gesicht ablesen, dass Sie nicht mehr länger dort bleiben wollten.“

„Sind Sie nun auch noch Gedankenleser?“

Er schmunzelt nur und konzentriert sich wieder auf die Strasse. Also schaue ich auf mein Telefon. Bis auf ein Anruf sind alle von Damian. Der Erste war um sechs Uhr morgens. Der Letzte noch nicht einmal vor einer Stunde. Sowie ich den Nachrichtenordner geöffnet habe, seufze ich auf, als ich die vielen Mitteilung sehe, die allesamt von Damian stammen. Ich weiss nicht, ob ich es wagen darf, sie zu lesen, weshalb mehrere Minuten vergehen, bis ich den Mut gefasst habe nach unten zu scrollen, um die älteste zu öffnen.

Liebe Jess, vergib mir.

Geschrieben um kurz nach vier Uhr morgens.

Die nächste SMS:

Es tut mir leid, ich war ein Arsch.

Darauf folgend:

Ich muss in die Schweiz. Aber ich wünschte, ich hätte mich vorher mit dir unterhalten können. Ständig sehe ich dich vor mir, wie du mich mit deinen Augen traurig, verletzt und enttäuscht ansiehst. Bitte melde dich. Es tut mir leid.

So geht es zehn Nachrichten weiter, ausser dass sie immer ergreifender werden.

Wir starten bald. Ich werde erst wieder in London an mein Telefon gehen können. Das wollte ich dir kurz mitteilen. Eigentlich habe ich gehofft, dass ich noch etwas von dir höre, bevor wir abheben. Leider ist mein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Jess, Babe, es war nicht meine Absicht. Sorry.

Ich versuche die Tränen zurückzuhalten, doch sie treten mir ungebeten in die Augen und lassen die Texte vor meinen Augen undeutlich werden.

Wir rollen nun über die Landebahn und noch immer kein Zeichen von dir. Ich wünschte, du wärst bei mir. Dein Damian

Erst vor wenigen Minuten:

Jess, meine Süsse. Das was ich zu erledigen hatte, habe ich getan. Ich dachte, ich würde mich danach besser fühlen, aber das tue ich nicht. Es geht mir sogar noch beschissener als davor. Es war ein sehr langer und anstrengender Tag. Wahrscheinlich sollte ich schlafen gehen, aber ich werde keine Ruhe finden, weil du nicht da bist und weil ich keine einzige Nachricht von dir erhalten habe. Jess, ich werde dir alles erklären. Ich werde dir erzählen, warum ich mich in den letzten beiden Tagen wie ein Arschloch benommen habe. Du kannst mich fragen, was immer du willst und ich werde dir alles beantworten. Bitte Jess, komm zu mir. Bitte komm in mein Appartement. Dein Damian

Ich weiss nicht, was ich von seinen SMS halten soll. Gerne würde ich ihm all das glauben, was er hier schreibt und ihm verzeihen, aber dafür brauche ich wirklich gute Erklärungen. Noch einmal eine solche Abfuhr wie letzte Nacht überstehe ich nicht.

Pietro meinte, dass Damian aus privaten Gründen in der Schweiz war, aber was sind das für Angelegenheiten? Hat er sich von Helen getrennt, weil er mit mir zusammen sein möchte? Wird er mir wirklich alles erzählen, was ich wissen möchte? Kann ich ihm vertrauen? Warum sollte er plötzlich bereit sein, sich mir gegenüber zu öffnen? Kann es sein, dass ich ihm vielleicht doch etwas bedeute?

Tausend Fragen huschen durch meinen Kopf und keine kann ich beantworten. Ich bin nervös, weiss nicht, was ich machen soll.

Ich glaube, es ist nicht sinnvoll zu dir zu kommen. Ich drücke auf senden, bevor ich die Nachricht wieder löschen kann.

Sofort piepst mein Handy.

Jess, tu mir das nicht an. Bitte.

Ich möchte nichts lieber, als ihn sehen. Doch ich glaube wirklich, dass es völlig schief laufen könnte, wenn ich jetzt zu ihm gehe.

Ich bin viel zu betrunken für ein ernsthaftes Gespräch. Und du weisst, was passiert, wenn jemand von uns zu alkoholisiert ist.

Begründe ich meine erste SMS.

Ich möchte dich trotzdem sehen. Wir können auch morgen reden, aber bitte komm zu mir. D

Nachdenklich sehe ich in die Dunkelheit. So flehend und verzweifelt habe ich ihn noch nie erlebt. Ihn, der kontrollsüchtige und herrische Damian. Was soll ich nur tun?

3.

Ich gebe den Code ins Armaturenbrett und fahre vom Parkhaus bis nach oben auf seine Etage. Meine Beine sind schwach und mein Magen rebelliert. Wobei die Ursache dafür nicht nur beim Alkohol liegt, sondern viel mehr daran, dass ich in wenigen Sekunden in seinem Reich sein werde. Halt suchend stütze ich mich am Handlauf ab, damit ich nicht das Gleichgewicht verliere und beobachte das kleine, runde Licht wie es von einer Zahl zur nachfolgenden wandert.

Meine Nervosität wird immer grösser, als ich mich dem Appartement nähere. Wie soll ich mich verhalten? Was soll ich sagen?

Es macht Bling und der Aufzug hält. Schnell zupfe ich an meinem Kleid und richte meine Haare, bevor sich die Türen öffnen.

Ich möchte gerade einen Schritt in seine Wohnung machen, da sehe ich ihn. Er sitzt auf einem der Sessel im Empfangsbereich. Sein Kopf hat er in die Hände gestützt, aber als er mich hört, hebt er seinen Kopf.

Mir stockt der Atem. Er sieht mitgenommen und müde aus. Die dunklen Ringe unterstreichen zusätzlich seine erschöpfte Erscheinung. Damian steht auf und sieht mich an, sagt jedoch kein Wort. Sein Anzug, der normalerweise immer tadellos sitzt, ist völlig zerknittert. Die Krawatte liegt neben ihm am Boden. Als ich in den Raum trete, sehe ich, dass seine Augen gerötet sind. Hat er etwa geweint?

„Hallo Jess.“ unterbricht er als erster die angespannte Stille zwischen uns.

Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich bringe kaum ein Wort heraus, weil der Knoten in meinem Hals unheimlich gross ist. „Hallo Damian.“ sage ich schliesslich atemlos.

„Danke, dass du gekommen bist.“

„Du weisst warum.“

„Ja.“ Wir sehen uns lange an, bevor er mir eine Hand entgegenstreckt und ich meine in seine lege. Kaum berühren sich unsere Hände, geht ein berauschendes Kribbeln durch meinen ganzen Körper, während sich ein leises, verzweifeltes Stöhnen einen Weg aus Damians Mund bahnt. „Möchtest du etwas zu trinken?“

„Wasser.“ Er lässt meine Hand nicht los, bis wir in der Küche stehen und er mir ein Glas mit Wasser füllt.

Ich leere das Glas in einem grossen Zug und stelle es vor mich hin.

„Nochmals?“ fragt er mich.

„Ja.“ Auch dieses Glas trinke ich fast aus, denn ich möchte schnell nüchtern werden. Ich kann die Nacht nicht hier verbringen ohne zu wissen, was gespielt wird.

Wieder sehen wir uns an. Er auf der einen Seite der Theke, ich auf der anderen. Mir liegen viele Fragen auf der Zunge, aber ich halte mich zurück. Es war seine Idee, dass ich hierher kommen soll. Er bestand darauf, dass wir reden. Jetzt muss er den ersten Schritt machen.

Er kommt um den Tresen und nimmt mich wieder an der Hand. Wir gehen weiter in den angrenzenden Salon, wo wir uns auf eines der drei hellgrauen Sofas setzten. Ich achte darauf genug Abstand zu ihm zu haben. Denn wenn ich ihn weiter berühre, werde ich mich nicht mehr beherrschen können und über ihn herfallen. Dabei brauche ich Antworten und wir brauchen ein klärendes Gespräch.

„Es tut mir leid.“ Er fährt sich mit einer Hand über das Gesicht.

„Was tut dir leid?“

„Ich war ziemlich unfair zu dir.“

„Ach ja?“

„Mir wäre lieber, ich könnte alles rückgängig machen. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt.“

„Mit uns?“ Meine Stimme ist eine Oktave höher als normal.

„Nein!“ ruft er aus. „Nein.“ Nun etwas ruhiger.

„Warum bin ich hier? Was willst du von mir?“ frage ich ihn streng. Eigentlich wollte ich nicht so gnadenlos klingen, andererseits ist es vielleicht besser, wenn ich auf Abstand bleibe, um mich zu schützen.

Damian fixiert mich mit seinen braunen Augen, in denen ich jedoch nicht lesen kann, was in ihm vorgeht. Ein dunkler Schatten liegt über seinem Gesicht und alles wirkt angespannt und... unsicher? Damian und unsicher? Nein, da spielen meine Sinne garantiert einen Streich. Ein Typ wie er, der immer Autorität und Selbstsicherheit ausstrahlt, kann nicht verängstigt sein.

„Bitte verzeih mir.“ Er streckt die Hand nach mir aus, doch ich rücke weiter von ihm weg, was ihn mehr erschüttert, als alles bisherige.

„Was soll ich dir verzeihen?“ Ich funkle ihn kühl an. „Dass du mich angeschrien hast? Dass du mich aus deinem Leben gestrichen hast? Dass ich dir nicht gleich wichtig bin, wie du mir? Dass du mir wehgetan hast?“

Als er nur stumm neben mir sitzt, seinen Kopf in die Hände gestützt hat und auf den Boden starrt, stehe ich auf. Ich brauche Bewegung. Ich muss weg von ihm.

„Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe? Warum sollte ich hierherkommen, wenn du doch nichts sagst?“ Ich drehe mich abrupt weg, was nicht gerade eine sinnvolle Entscheidung von mir ist, denn der Alkohol meldet sich schlagartig zurück. Ich taumle unbeholfen rückwärts und kann mich mit Mühe an der Rückenlehne des Sofas halten, um zu verhindern, dass ich zu Boden poltere.

„Jess.“ höre ich Damian hauchen. Dabei erwacht er aus seiner Starre und springt auf die Füsse. Seine Hände greifen nach meinen, doch ich reisse mich los. „Wie viel hast du getrunken?“

„Das kann dir egal sein!“ schreie ich ihn an.

„Nein, kann und tut es nicht.“ gibt er genervt retour. „Du kannst kaum stehen.“ Etwas von seiner Autorität ist zurück.

Ich kann seine Vorwürfe nicht hören. Ausserdem habe ich ihm per SMS mitgeteilt, dass ich betrunken bin. Also was soll jetzt dieser Scheiss? „Es war ein Fehler, herzukommen.“ Dieses Mal wende ich mich langsamer ab, aber bevor ich einen Schritt machen kann, hält er meine Hände fest umklammert.

„Nein! Ich brauche dich.“

Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, zu sehr setzt mir seine traurige Stimme zu. Wenn ich jetzt seinen Blick erwidere, bin ich verloren.

„Wofür?“ frage ich leise, meine Augen auf unsere Hände gerichtet.

„Damit ich mich nicht ganz so verloren fühle, wie in den letzten achtundvierzig Stunden.“

Ich schnappe kurz nach Luft, fühle mich von seinen Worten völlig überwältigt. „Was?“

„Bitte bleib.“ fleht er mich an und als ich meinen Kopf hebe, um ihn anzusehen, bleibt mir fast der Atem weg. Sein Gesicht ist verzerrt und blass. Tiefe Traurigkeit steht in seinen sonst so bildschönen Augen.

„Erzähl es mir.“ Jetzt bin ich es, die bettelt. Ich möchte endlich wissen, was in ihm vorgeht, was er durchgemacht hat, dass er von solcher Trauer gequält wird.

„Wenn ich das könnte.“ bringt er kaum hörbar hervor.

Ich befreie mich aus seinem Griff, aber nicht um von ihm abzurücken, sondern um ihn in meine Arme zu schliessen. Seit wir uns kennen, war es immer er, der mir Kraft gegeben hat, der mich wieder aufgebaut hat. Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich ihm Halt geben sollte.

Sobald wir uns umarmen und sich unsere Körper aneinander schmiegen, steigen mir die Tränen in die Augen. Nicht wegen mir, nicht wegen uns, vielmehr seinetwegen. Ich höre ihn nicht weinen, aber ich spüre sein Augenwasser an meinem Hals, was das enge Band um meine Brust noch mehr zusammenzieht.

Wir rühren uns nicht vom Fleck. Wir halten uns einfach nur, um uns gegenseitig für die kommende Diskussion zu stärken. Vielleicht vergehen nur ein paar Sekunden, vielleicht sind es auch Minuten, während wir uns nicht bewegen. Mir ist es vollkommen egal, wie lange wir hier stehen, ohne dass wir reden. Wir haben Zeit. Zeit um uns auszusprechen. Denn dieses Mal weiss ich, dass mir Damian seinen Kummer anvertrauen wird.

Seine Hände bewegen sich langsam meinen Rücken auf und ab, seine Nase saugt meinen Duft ein, seine Lippen drücken mir sanfte Küsse auf den Nacken, küsst seine und meine Tränen weg.

„Danke.“ flüstert er in die Stille hinein. „Danke, dass du hier bist.“

Wir lösen uns vorsichtig voneinander, dann schaue ich in seine Augen. Keine Spur davon, dass er vor wenigen Augenblicken geweint hat, aber die Trauer ist noch deutlich da.

„Was ist passiert, Damian?“ Meine Stimme zittert.

Er verschränkt seine Finger in meine und führt mich zur Couch zurück. Ich nehme neben ihm Platz, halte weiterhin seine rechte Hand und warte geduldig ab, was als nächstes kommt.

„Ich war gerade mal zwanzig und Helen neunzehn, als wir heirateten.“

Ich ersticke fast, weil mich seine Worte so sehr schockieren, dass ich kaum atmen kann. Ist er also doch verheiratet? Das Schlimmste, was ich mir ausgemalt habe, ist letztendlich eingetreten. Er hat eine Andere. Dazu ist sie noch seine Frau. Wie konnte er mir das antun? Wieso hat mich niemand davor beschützt?

Mit einem Mal werde ich wütend auf Rose und auf Pietro, weil sie mir immer wieder zugeredet haben, dass ich Damian eine Chance geben solle. Dass ich ihm gut tue und ihm wichtig sei. Ich solle ihm Zeit geben. Aber für was?

Ich begreife das alles nicht. Ich kann dem allem einfach nicht folgen.

„Jess. Jess...“ Mein Name kommt geflüstert über seine Lippen. Seine Hand liegt auf meinem Rücken. Seine Berührung brennt sich unbarmherzig in meine Haut und in meine Seele. „Gehts wieder?“ Er betrachtet mich mit einem sorgenvollen Blick.

Mein Erstickungsanfall verfliegt, so wie meine Beherrschung. Ich kann nicht fassen, dass er mich derart unschuldig ansehen kann, nachdem er mir jene ungeheuerliche Wahrheit enthüllt hat. „Was willst du von mir? Was für ein Scheiss läuft hier eigentlich?“ Ich schreie die Fragen förmlich heraus. Es war nicht mein Plan auszuflippen, aber, dass er verheiratet ist, lässt mich einfach aus der Haut fahren.

„Sieh mich an und hör mir zu.“ bittet mich Damian und hält meine Hände eisern fest. „Wir kannten uns seit der Schulzeit und für uns war es keine Frage, dass wir irgendwann heiraten würden. Nur nicht so jung. Doch dann wurde Helen schwanger und wir gaben uns das Jawort.“

„Es reicht! Ich will nichts mehr hören.“ Ich versuche aufzustehen, jedoch ohne Erfolg, denn seine Finger umschliessen noch immer meine Handgelenke.

Er redet weiter, als würde er meinen Widerstand nicht bemerken. „Nicht mal ein halbes Jahr später kam Luna zur Welt. Es war bis dahin der schönste Moment meines Lebens. Es war ein unbeschreibliches Gefühl meine Tochter im Arm zu halten. Meine Tochter.“ seufzt er und schliesst für einen kurzen Moment die Augen. „Ich hatte Angst ich würde sie zerdrücken, als ich sie in meine Arme schloss, so klein war sie. Sie...“

„Warum erzählst du mir das alles?“ frage ich mit bebender Stimme. Das was er hier beschreibt, hätte ich vor wenigen Monaten selbst erleben sollen, aber es wurde mir nicht vergönnt. Ich kann mich nur schwer beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen.

„Jess.“ Damian legt einen Finger unter mein Kinn und bringt mich dazu ihn anzusehen. Auch er ist dem Weinen nahe. „Ich möchte dir damit nicht wehtun. Ich möchte, dass du mich verstehst. Vielleicht kannst du es, wenn ich dir alles erzählt habe.“ Stumm nicke ich, denn plötzlich ist mir klar, dass noch etwas Entsetzliches kommen wird und Damian spricht weiter. „Helen und ich haben unser kleines Kind von Anfang an vergöttert. Sie war unser kleiner Schatz. Unser Ein und Alles. Ich habe versucht all die Träume meiner zwei Mädchen zu erfüllen, so gut es eben ging. Es war nicht immer einfach, die Arbeit und das Privatleben unter einen Hut zu bringen, trotzdem waren wir eine glückliche Familie.

Ich verbrachte viel Zeit in meiner Firma, die ich nur kurz vor Helens Schwangerschaft begann aufzubauen. Allerdings nahm ich mir öfter mehrere Wochen am Stück Ferien, damit ich mit meiner Frau und Kind verreisen konnte. Uns zog es in der ganzen Welt umher. Wir flogen nach Amerika, in die Dominikanische Republik, Dubai, wanderten in den Schweizer Bergen oder fuhren mit unserem Auto durch Europa.“ Sein Adamsapfel hüpft in die Höhe, als er schwer schluckt und nach Worten sucht. „Niemals hätte ich gedacht, dass ein solcher Trip mein Leben zur Hölle werden lässt. Ich sass...“ Damian versagt die Stimme. Er lässt seinen Kopf hängen und knetet unkontrolliert meine Finger.

Ich warte darauf, bis er sich wieder gefangen hat, aber er redet nicht weiter. „Erzähl es mir.“ fordere ich ihn schliesslich leise auf.

„Es ist auch nach all den Jahren noch wie ein Stich ins Herz, wenn ich nur daran denke.“

„An was?“

„Wie der Wagen in einen anderen donnert und wir zur Seite geschleudert werden.“

Ich halte vor Schreck den Atem an. Obwohl er mir noch nicht erzählt hat, was genau passiert ist, ahne ich schon, was kommen wird. Ich möchte es nicht wirklich erfahren und trotzdem muss ich es von ihm hören.

„Als wir auf der Heimreise von Frankreich waren, kam plötzlich ein Pick-Up auf unserer Fahrbahn entgegen. Ich habe versucht dem Falschfahrer auszuweichen, aber ich habe es nicht geschafft. Er fuhr uns mit hoher Geschwindigkeit in die Seite, wobei es uns wild herumwirbelte. Ich konnte das Steuer noch so fest gegenlenken, nur machte das Auto, was es wollte. Dann überschlug es uns und wir flogen über die Mittelleitplanke, bevor wir auf dem Dach liegen blieben. Nachdem der erste Schock nachliess, wollte ich mich von meiner Gurte lösen, um nach Helen und Luna zu sehen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Als ich meinen Kopf drehte, sah ich, wie meine Frau zusammengesunken auf dem Beifahrersitz sass. Ihr Gesicht war blutüberströmt. Ihre Augen starrten geradeaus. Da wusste ich, dass ich sie verloren hatte. Von meiner Tochter war kein einziges Geräusch zu hören. Ich betete zu Gott und redete mir ein, dass sie einfach tief am schlafen war, allerdings sollte ich wenig später erfahren, dass auch sie es nicht überlebt hatte.

Wie und wann die Sanitäter und Feuerwehr zu uns kamen, kann ich nur durch einen Nebelschleier sehen. Aber die Worte, die ein Retter zu einem anderen sagte, höre ich noch ganz deutlich, als wäre es eben erst passiert. Was für eine Schande für dieses junge Leben. Genau dieser Satz versetzte mich damals in einen Schockzustand, der mich fast um den Verstand brachte. Die Sanitäter mussten mir eine Beruhigungsspritze geben, damit ich nicht zusammenbrach. Mir fielen gleich darauf die Augen zu und als ich sie wieder öffnete, lag ich im Krankenhaus.

Zuerst begriff ich nicht, wo ich war und wieso, aber als die Erinnerungen dann zurückkamen, schlugen sie auf mich ein, wie tausend Fäuste. Ich bekam kaum Luft und fing an zu hyperventilieren, was meine Apparate, an denen ich angeschlossen war, zum piepsen brachten. Keine zehn Sekunden später waren Krankenschwestern und der diensthabende Arzt um mich versammelt, um mich zu beruhigen. Sie setzten mich unter Narkose und ich fiel in einen langen traumlosen Schlaf. Das wiederholte sich so oft, bis ich mich wieder im Griff hatte.

Meine körperlichen Verletzungen waren lächerlich, hinsichtlich meiner psychischen. Ich hatte lediglich eine Gehirnerschütterung, einen gebrochenen Arm und ein paar Prellungen, während meine Frau und mein Kind, in dem Auto, das ich fuhr, den Tod fanden. Es hätte mich erwischen sollen, nicht meine kleine, süsse Luna. Nicht Helen. Sie waren zwei so wunderbare Menschen.

Jeden Tag frage ich mich, warum Gott mir die beiden wichtigsten Personen in meinem Leben nehmen musste und mich zurückliess. Warum konnte ich nicht gehen? Will er mich etwa bestrafen?“ Er schüttelt verständnislos den Kopf. „Ich werde wohl nie eine Antwort darauf bekommen.“

Ich muss ein paar Mal leer schlucken. Seine Geschichte setzt mir unheimlich zu. Niemals hätte ich mit so einer Enthüllung gerechnet, aber jetzt kann ich vieles an seinem Verhalten verstehen. Vieles was Rose, Pietro oder Linus gesagt haben, ergibt endlich einen Sinn. Damian hat eine dicke Mauer um sich herum aufgebaut, um sich zu schützen. So wie ich, bevor ich ihn traf.

Es schockiert mich, wenn ich an seine Frage denke: Warum konnte ich nicht gehen? Denn ich wüsste nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich ihn nicht kennengelernt hätte. Er ist die Person, die mich aus meinem Kokon befreit hat. Er ist die Person, die mich dazu brachte, wieder an eine glückliche Zukunft zu glauben. Er ist die Person, die mich wieder lieben gelernt hat.

Ich sehe ihn mit tränennassen Augen an. „Warum sollte er dich bestrafen wollen?“

„Weil ich Schuld bin, dass Helen und Luna sterben mussten.“ presst er angewidert zwischen den Zähnen hervor.

Ich nehme seine Hände in meine und fahre beruhigend mit den Daumen über seine Handrücken. „Wieso denkst du so etwas? Du hast mir soeben erzählt, dass ein Auto auf eurer Spur entgegenkam. Du hast alles versucht, was in deiner Macht stand.“

„Das ist nicht genug!“ Er kämpft mit seiner Beherrschung und möchte sich von mir lösen, doch ich lasse ihn nicht frei.

„Das Schicksal ist nicht immer auf unserer Seite. Das habe ich an meinem eigenen Leib erlebt. Mehr als genug. Aber du warst der, der mich lernte nicht aufzugeben.“

„Das ist nicht dasselbe.“

„Warum?“ frage ich ihn.

„Weil ich diesen Trip nach Frankreich unbedingt machen wollte, während Helen lieber nach Australien geflogen wäre. Wenn ich nicht so darauf bestanden hätte an die Cote d'Azur zu reisen, wäre dieser verdammte Unfall nicht passiert!“ Er reisst sich von mir los und steht auf. Unruhig geht er im Raum auf und ab. Die Hände in die Taschen gesteckt.

„Hör auf damit.“ Ich erhebe mich ebenfalls und gehe langsam auf ihn zu. Dabei strecke ich meine Hände nach ihm aus. Ich möchte ihn halten und ihm Kraft geben. Ich möchte ihm helfen diese selbstzerstörerischen Gedanken zu vertreiben, die ihn wie eine eiserne Kette zerdrücken. „Mach dich nicht für etwas verantwortlich, wofür du nichts kannst.“

„Es ist meine Schuld.“ wiederholt er in dem Augenblick, in dem ich meine Arme um ihn lege und ihn fest an mich ziehe.

„Nein.“ flüstere ich sanft an sein Ohr. „Du hast alles versucht, um deine Familie zu beschützen. Halt dich an diesem Gedanken fest.“

„Das ist unheimlich schwer.“

„Lass mich für dich da sein. Lass mich in dein Leben.“

4.

Verführerischer Kaffeeduft steigt mir in die Nase. Ich brauche einen kleinen Augenblick, um mich zu ordnen. Dann fällt mir alles wieder ein. Mein Herz beginnt schnell und dynamisch gegen meine Brust zu hämmern. Aber nicht aus Angst oder Verlangen. Nein, es schlägt derart lebendig, weil er sich mir endlich anvertraut hat. Zwar weiss ich noch immer nicht, warum er in der Schweiz war. Doch ich bin sehr zuversichtlich, was das angeht.

Vorsichtig setze ich mich auf dem Sofa auf, weil mein Kopf ein klein wenig dröhnt. Der ganze Alkohol, den ich letzten Abend in mich geschüttet habe, macht sich noch etwas bemerkbar. Damian hat mir gestern irgendwann einen kleinen Löffel mit Honig gebracht, damit ich heute nicht zu sehr verkatert bin. Und es bringt tatsächlich etwas.

Ich muss schmunzeln, weil ich in eine Decke gehüllt auf der Couch sitze. Wir haben es doch tatsächlich nicht mehr ins Bett geschafft, sondern sind im Wohnzimmer eingeschlafen.

Nachdem wir stundenlang geredet haben, nahm ich an, dass er mit mir schlafen möchte, doch er nahm mich einfach nur in die Arme, gab mir einen zaghaften Kuss und bettete meinen Kopf auf seine Brust. Was mein Herz auf angenehmste Weise berührte. Plötzlich wusste ich mit Sicherheit, dass es ihm zwischen uns nicht nur um Sex geht.

Verschlafen reibe ich die Augen und sehe mich um. Von Damian keine Spur. Es hätte mich auch verwundert, wenn er so spät am Morgen noch neben mir liegen würde. Er ist ein Frühaufsteher, wobei ich eher zum Gegenteil tendiere. Also stehe ich auf und folge dem feinen Frühstücksduft.

Verblüfft stoppe ich an der Tür, die zur Küche führt. Eigentlich hätte ich Angelica erwartet, doch es ist Damian der mit dem Rücken zu mir steht und in einer Pfanne rührt. Wahrscheinlich Eier.

„Guten Morgen.“

Er blickt über die Schulter und schenkt mir ein wunderschönes Lächeln. „Hallo meine Süsse.“

Oh, wie sehr ich diese Bezeichnung aus seinem Mund vermisst habe. Ich gehe um die Theke und schlinge meine Arme um seine Taille.

„Gut geschlafen?“ fragt er mich, als er mir einen Kuss auf die Nasenspitze drückt.

„Ausgezeichnet. Und selbst?“

„Schon seit Tagen nicht mehr so gut, wie letzte Nacht. Du hast mir gefehlt.“ Er beugt sich langsam zu mir. „Ich möchte dich küssen.“

„Auf was wartest du dann noch?“

Seine Lippen versiegeln meinen Mund. Erst fährt er vorsichtig darüber, dann lässt er seine Zunge denselben Weg machen. Er ist äusserst wachsam und wünschenswert zart. Aber ich möchte ihn spüren. Richtig fühlen.

„Vor was hast du Angst?“ frage ich ihn an den Lippen.

„Du bist immer noch hier.“ flüstert er kaum hörbar.

Seine Bemerkung erschüttert mich ein wenig, jedoch nur für einen kurzen Moment. Ich weiss, worauf er anspielen möchte, nur gehe ich nicht darauf ein. Wir müssen noch einiges klären und ausserdem habe ich Fragen, die nach wie vor nicht beantwortet sind. Allerdings brauche ich jetzt etwas anderes als Antworten auf meine Fragen. Ich möchte ihn endlich spüren, schmecken und mich bei ihm verlieren. Es ist schon viel zu lange her, seit wir uns das letzte Mal geliebt haben. Mein ganzer Körper steht von seinen federleichten Küssen in Flammen. Ich will mehr. Ich will ihn.

„Ich bin nirgendwo lieber als hier. Hier bei dir. Und jetzt küss mich.“ Ich lege eine Hand in seinen Nacken und öffne meinen Mund, um seiner Zunge Einlass zu gewähren.

Ein leises Knurren steigt aus seiner Kehle, sobald sich unsere Zungen zu einem wilden Tanz vereinen, was mir ein bezauberndes Kribbeln zwischen den Beinen verursacht. Ich schmiege mich weiter an ihn, kralle meine Hände in seine Haare und vertiefe unseren Kuss. Unseren ersten Kuss nach der Versöhnung.

„Ich habe dich unglaublich vermisst.“ stöhnt er in meinen Mund.

„Zeig es mir.“ Ich gehe einen Schritt zurück, nur gerade so viel, dass ich den Saum meines Kleides heben kann, um es auszuziehen.

Allein in BH und Slip stehe ich nun vor ihm. Seine Augen wandern über meinen ganzen Körper. Kein Detail entkommt seinem brennenden Blick.

„Oh, Jess. Du bist so unglaublich schön.“ und ich glaube es ihm. Noch nie habe ich mich so begehrt gefühlt, wie in diesem Moment. Er verschlingt mich mit seinen bernsteinfarbenen Augen, die fast golden glitzern. „Ich kann mich kaum beherrschen, nicht wie ein Tier über dich herzufallen. Du bist so verdammt heiss, dass ich nur meinen Reissverschluss öffnen und deinen kleinen Slip zur Seite schieben möchte, damit ich meinen harten Schwanz in deine Möse rammen kann.“

„Dann tu es.“ hauche ich vor Erregung.

„Nein. Ich werde dich ein anderes Mal auf dieser Theke nehmen. Aber jetzt möchte ich dich ganz langsam, auch wenn mein Schwanz völlig anderer Meinung ist.“

Ich reisse meine Augen weit auf und quietsche wie ein kleines Kind, als er sich mit einer raubtierhaften Bewegung seine Hände um mich legt und in die Luft hebt. Mit mir auf den Armen verlässt er dich Küche und trägt mich über den Flur in sein riesiges Schlafzimmer.

„Hast du keine Angst, dass jemand deiner Angestellten uns sehen könnte?“ Mir ist der Gedanke, dass Angelica plötzlich um die Ecke kommen könnte, unangenehm.

„Sie kommt erst später.“

„Sie ist nicht in deinem Appartement?“

„Nein.“

„Gut.“

„Wieso?“

„Dann sind wir vollkommen ungestört?“ frage ich weiter, seine übergehend.

„Ja. Auf was willst du hinaus?“ möchte er wissen, als er in mein schmunzelndes Gesicht sieht.“

„Ich kann mich völlig gehen lassen? Ich kann deinen Namen so laut schreien und stöhnen, wie ich möchte?“

„Du Luder, mach mich noch geiler.“ keucht er an meinem Ohr, als er mich aufs Bett legt. „Meine Hose platzt so schon fast.“

Ich sehe an ihm hinunter. Sein Schwanz drückt deutlich gegen den Stoff. „Lass mich ihn befreien.“ Ich setzte mich auf und greife nach seiner Ausbuchtung. Ich berühre ihn durch die Jeans und benetze voller freudiger Erwartung mit der Zunge meine Lippen. Mein Puls rast. Mit zittrigen Fingern öffne ich den Knopf, dann ziehe ich den Reissverschluss nach unten und gleite mit meinen Händen in seine Boxershorts. Die eine Hand bahnt sich einen Weg zu seinen knackigen Pobacken, die andere streift über seine Spitze, auf der schon der erste Lusttropfen glänzt. Ich wische ihn mit dem Zeigefinger weg, nehme den Finger in den Mund und lecke den Tropfen ab. Dabei beobachtet mich Damian, wobei sich seine Augen weiter verdunkeln. Sein Kiefer ist angespannt. Seine Lust zum greifen nahe.

Meine Hand wandert langsam zurück zu seinem aufgerichteten Penis und umklammert ihn mit einer köstlichen Zärtlichkeit. Ich höre, wie er zischend Luft einatmet und die Augen eine Sekunde schliesst, um mich gleich wieder mit seinem glühenden Blick anzusehen.

„Du weisst gar nicht, was du mit mir machst.“ Er küsst mich auf den Mund. Doch dieses Mal nicht mehr zart und langsam, sondern voller Sehnsucht und ungezügelt vor Erregung.

Mein Herz pocht heftig gegen den Brustkorb, dass ich schon befürchte, es könnte zerspringen, wenn mich Damian nicht bald von meiner Lust befreit.

„Ich brauche dich, Damian. Ich möchte dich tief in mir spüren. Bitte.“ hauche ich in sein Haar.

Ein sehnsüchtiges Klagen schlüpft aus seiner Kehle, als er sich mit seinem weichen Mund einen Weg zu meinen Brüsten bahnt. Schon im gleichen Atemzug sind sie aus meinem BH befreit und seine Lippen umschlingen meine Nippel. Er küsst, saugt und zerrt daran, bis sie steif und prall sind. Ich biege mein Rücken durch, um ihn aufzufordern nicht aufzuhören. Mein ganzer Körper brennt vor Lust, mein Blut brodelt.

Doch dann hört er plötzlich auf. Verständnislos sehe ich ihm zu, wie er sich erhebt und einen Schritt zurück geht, während es mir für eine Sekunde die Luft abschnürt. Als ich danach in seine Augen blicke und seinen Bewegungen folge, wächst meine Ungeduld schier ins Unermessliche.

Damian schlüpft in einer verdächtigen Rekordzeit aus seinen Kleidern und steht dann völlig nackt vor mir. Ich lecke mit der Zunge über die Lippen und lasse meine Augen über seinen Körper wandern, der nur aus Muskeln zu bestehen scheint. Sein aufgerichteter Penis gewinnt schlussendlich meine vollste Aufmerksamkeit.

„Komm zu mir.“ flehe ich ihn an, während ich mir schnell meinen Slip ausziehe.

Die Matratze gibt unter ihm nach, als er sich wie ein wildes Tier auf mich zubewegt. Sein intensiver Blick, mit dem er über meinen Körper gleitet, berauscht mich. Und als er endlich mit seinem ganzen Gewicht auf mir liegt, stosse ich die Luft aus, die ich angehalten habe, seit er sich von seinen Kleidern befreit hat.

Ich öffne meine Beine noch etwas mehr, damit er sich tief in mir versenken kann. Damit er mich ganz ausfüllen kann. Seine Spitze berührt meine Klitoris und ich wimmere vor Verlangen, als er sich ein kleines Stück nach unten bewegt.

„Ich werde dich richtig hart rannehmen.“ Mit diesen Worten rammt er seinen Schwanz in mein feuchtes Loch. „Ah, Jess.“ stöhnt er, als er bis zur Wurzel in mir steckt. „Ich habe ganz vergessen, wie es sich anfühlt in dir zu sein.“

Ich lächle ihn an, schlinge meine Beine um seine Hüften und fordere ihn auf, mich so zu nehmen, wie er es eben angedeutet hat.

Er zieht sich langsam aus mir zurück. „Du machst mich ganz verrückt.“ Im nächsten Atemzug ist er wieder tief in mir.

Ich drücke meinen Rücken durch und stöhne laut auf, als er mich mit seinem langsamen, verheissungsvollen Rhythmus vögelt. Meine Finger krallen sich wie von selbst in seine Schultern, ziehen an seinen Haaren und kneten seinen angespannten Hintern, während seine Stösse mich beinahe um den Verstand bringen.

Er beschleunigt seine Bewegungen. Nur noch er und ich existieren. Unsere Körper klatschen fest aneinander und unser Atmen geht schnell und abgehackt.

„Jess, ich werde bald kommen.“

Einer seiner Daumen wandert zwischen unsere Körper und in dem Augenblick, in dem er meine Klitoris berührt, baut sich eine gewaltige Flut in mir auf und trägt mich und all die Gefühle, die in mir toben, immer höher.

Als mein Orgasmus nicht mehr weit ist und unweigerlich auf mich zurast, stöhnt Damian laut meinen Namen und spritzt seinen Samen in mein verlangendes Loch. Obwohl sein ganzer Körper zuckt und bebt, hört er nicht auf mich zu streicheln und zu vögeln. Er möchte, dass ich komme. So wie er eben gekommen ist.

Damians Keuchen an meinem Ohr, sein Finger an meiner Klit, sein harter Schwanz, der mich total ausfüllt, führen mich auf die Spitze einer gewaltigen Welle, bevor sie an der Brandung bricht und mich mit sich in die Tiefe reisst.

Nachdem wir uns unter der Dusche ein weiteres Mal geliebt hatten, knurrte mein Magen derart verräterisch laut, dass wir uns in die Küche setzten. Damian machte frische Rühreier, da er beim ersten Versuch von meiner Anwesenheit zu sehr abgelenkt wurde.

Während wir nun in die herrlich duftenden Croissants beissen und von unseren Getränken nehmen, halten wir uns immer wieder an den Händen, fahren zärtlich über die Fingerknöchel und sehen uns mit einem Lächeln auf dem Gesicht an. Jeder strahlt über sein Glück und dass wir es geschafft haben, zusammen über eine grosse Hürde zu springen, die beinahe unsere gemeinsame Zukunft zerstört hatte.

Damian wundert sich, wie viel ich vertilgen kann und fragt mich, wann ich mich letztmals richtig ernährt habe. Ich will ihm nicht die ganze Wahrheit sagen, daher schummle ich ein klein wenig bei meiner Antwort. Er braucht nicht zu wissen, dass ich die letzten drei Tage so gut wie nichts in meinen Magen bekam, weil er mich ignorierte und mich aus seinem Leben ausschloss. Jetzt wo wir uns wieder versöhnt und gefunden haben, brauchen wir keinen neuen Stoff, um andere Schuldgefühle zu provozieren.

„Oh nein. Ich habe ganz vergessen mich bei Mira zu melden.“ Wie ein aufgescheuchtes Reh hüpfe ich von meinem Barhocker und eile zu meiner Tasche. Doch weit komme ich nicht, da mich Damian am Arm zurückhält, bevor ich überhaupt einen Schritt machen kann.

„Keine Panik. Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen und Rose auch.“

„Wie?“ frage ich ihn ungläubig.

„Du warst total dicht und bist dann auf meiner Brust eingeschlafen. Da habe ich mir gedacht, es wäre sinnvoll sich bei ihnen zu melden.“

„Danke.“ Ich sehe den Mann auf der anderen Seite der Theke an, wie er mich sanft und glücklich betrachtet. Mir liegt ein mächtiger Ausdruck auf der Zungenspitze und nur mit viel Kraftaufwand kann ich mich gerade noch rechtzeitig zurückhalten, um nicht Ich liebe dich zu sagen. Genau das tue ich, auch wenn ich versucht habe, mich in keinen Mann mehr zu verlieben. Aber Damian haut mich einfach um. Er ist der Richtige. Ich spüre es. Trotzdem kann ich es ihm nicht sagen.

Er hat mir erst vor wenigen Stunden seine Vergangenheit anvertraut, die wirklich nicht leicht zu verdauen ist. Er hat sich mir gegenüber endlich geöffnet. Das ist fast ein so grosses Zugeständnis, wie der kleine Satz Ich liebe dich. Aber ich kann ihn jetzt nicht mit meinen Gefühlen, die ich für ihn empfinde, überfallen. Es würde ihn in sein früheres Leben zurückwerfen und er würde sich vor mir verschliessen, vielleicht sogar von mir entfernen, weil er eine zu grosse Angst davor hat, mich zu verlieren.

Damian liebt das Leben, jetzt und hier. Er sieht nicht in die Zukunft, weil sie zu viele Gefahren mit sich bringen kann. Das hat er mir gestern Abend mehr als einmal zu erklären versucht und ich habe es verstanden, auch wenn ich insgeheim darauf hoffe, ihm eines Tages sagen zu können, was ich für ihn fühle.