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Die grüne Energiewende ist geschafft. Die Erderwärmung wurde auf dem scheibenförmigen Planeten gestoppt und die Strompreise sind so günstig wie nie zuvor. Dies befeuert jedoch den Energiehunger der Menschheit und schon bald müssen wieder fossile Kraftwerke in Betrieb genommen werden, wodurch die Atmosphäre ein weiteres Mal aufgeheizt und der Klimawandel fortgesetzt wird. Nancy erlebt mit ihrer Familie in Spanien eine Sturzflut. Kurze Zeit später bricht der Nordatlantikstrom ab und löst eine verheerende Kettenreaktion auf der ganzen Welt aus. Nancys Freund Marcel lebt in New York, wo sich langsam der Ozean in Manhattan hineinzufressen beginnt. Marcel muss nicht nur vor den Fluten fliehen, sondern sich auch mit kriminellen Banden herumschlagen. Ein weiterer Freund der Familie ist der Milliardär Johan. Er versucht vor dem im Schnee versinkenden England zu fliehen und muss sein Hab und Gut zurücklassen, während seine Frau in Australien lebt, und vor den verheerenden Bränden im Land in Sicherheit gelangen möchte. Die hohe Kohlendioxidkonzentration, welche durch die Verwendung der fossilen Brennstoffe verursacht wird, ebnet auch für eine außerirdische Lebensform den Weg, die Erde für die sie bewohnbar zu machen. Die Aliens starten einen genau berechneten Angriff und zerstören vorerst nur militärische Einrichtungen. Danach richtet sich ihre Invasion allerdings gegen die Menschen, welche versklavt und als Nahrung genutzt werden. Während Nancy, ihre Familie und mehreren Menschen auf die andere Seite der flachen Erde fliehen, kämpfen ihre Freunde gegen diese Alieninvasion. Die geflüchteten Menschen werden auf der anderen Erdenseite von deren Bewohnern, den Ayelen, geduldet. Nach einem Mord innerhalb der Menschengruppe werden die Stimmen der Ayelen immer lauter, dass sie auf ihre Erdenseite zurückkehren sollen, da sie in Frieden leben und die menschliche Aggressivität nicht dulden wollen. Damit dies möglich werden kann, finden die Ayelen ein Metall, welches für die Außerirdischen giftig wirkt, nicht jedoch für die Menschen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Fünfzehn Jahre nachdem festgestellt wurde, dass eine weitere Spezies auf der anderen Planetenseite der Erde existiert, heizt sich die Atmosphäre auf Grund des Klimawandels zunehmend auf. Nancy und ihre Freunde, welche auf verschiedenen Kontinenten leben, bekommen die Naturkatastrophen merklich zu spüren. Nancys Familie erlebt die Springflut DANA (welche eine autobiografische Schilderung des Autors ist). Da die Menschen mit der Klimaerwärmung optimale Verhältnisse für das Leben von Aliens geschaffen haben, kommt es zu einer Invasion. Nancy flüchtet mit ihrer Familie auf die andere Planetenseite, während Freunde von ihr den Kampf gegen die Invasoren aufnehmen.
Für die vielen freiwilligen Helfer von Nah und Fern.
Dieses Buch widme ich den vielen Freunden und Bekannten, die uns unterstützt haben.
Des Weiteren widme ich dieses Buch auch den vielen freiwilligen Helfern, die mit ihrem körperlichen Einsatz und dem ihrer Gesundheit den Betroffenen der Flutkatastrophe in Valencia (DANA) geholfen haben.
DANKE!
"Der endlose blaue Ozean des Himmels hat sich als ein zartes Häutchen erwiesen. Wie verhängnisvoll ist es, diese zarte Schutzhülle des Lebens auch nur im Geringsten zu schädigen."
Wladimir Schatalow, Kosmonaut
Kapitel 1: Beste Freunde
Kapitel 2: DANA in Valencia
Kapitel 3: Die Nordatlantikströmung bricht ab
Kapitel 4: Die Flucht
Kapitel 5: Ruhe vor dem Sturm
Kapitel 6: DANA - Erste Welle
Kapitel 7: DANA - Zweite Welle
Kapitel 8: DANA - Dritte Welle – Infanterie
Kapitel 9: Abschied vom Paradies
Er hatte doch recht! Es gab ein Paradies. Sie war gekommen, um ihn zu empfangen. Cyrus sah ihre leuchtenden, smaragdgrünen Augen und ihre kleine Narbe an der rechten Wange. Er fand diese schön. Ein rehartiges Wesen stand neben ihm und leckte die Wunde seines Kopfes. Er erinnerte sich, als er Nancy bei der Taufe ihrer Kinder das erste Mal traf.
Cyrus hatte noch nie zuvor eine lieblichere Person getroffen, die solch eine Güte ausstrahlte. Er war noch ein Kind, kaum zwölf Jahre alt und sie war einunddreißig. Er fand sie schon beim ersten Treffen faszinierend. Wenn er sie ansah und sie zurücklächelte, konnte er schmelzen und im Boden versinken. Er freute sich auf den jährlichen Urlaub in Valencia, einfach nur, um ihre Gesellschaft zu genießen. Wenn er eines Tages eine Frau heiraten würde, müsste sie ein Abbild von Nancy sein. Er würde alles tun, um sie zu beschützen und das hatte er auch getan – bis zum heutigen Tag. Er blickte in die Weite. Bis zum Horizont war der grüne Wald zu erkennen. Neben Cyrus plätscherte ein Wasserfall und zahlreiche Tiere blickten ihn an. Es war, als würden sie ihn in ihrem Reich willkommen heißen. Langsam stumpften seine Gefühle ab. Cyrus hörte kaum das Zwitschern der Vögel und spürte kaum den leichten Regen, welcher auf die Erde niederprasselte. Er spürte auch kaum noch die Schmerzen in seinem Kopf. Zu groß war der Einfluss der körpereigenen Drogen, so dass er nur mehr ein Bild sah: Ihr Gesicht in einem gelb leuchtenden Schein. So wunderschön wie an dem Tag, als er sie das erste Mal sah. In seinen Gedanken spielte es sein Lieblingslied: Forever Young von Alphaville.
***
Zehn Jahre zuvor wartete der zwölfjährige Cyrus mit seiner Mutter am Flughafen von Mumbai und freute sich auf die Rückkehr seines Vaters, Ravi. Dieser war eben von einer langen Rettungsexpedition zurückgekehrt. Sein Vater war jener Mann, welcher das berühmte Astronautenehepaar, Nancy und Eli, von der anderen Seite der flachen Erde gerettet hatte. Wie schon so oft, hatte sein Vater ihm versprochen, bei seinem Kricket-Turnier dabei zu sein. Doch stets machten ihnen Ravis berufliche Aktivitäten einen Strich durch die Rechnung. Endlich war es so weit. Als Cyrus seinen Vater in der Ankunftshalle sah, lief er zu ihm und umarmte ihn. Es war eine lange, feste Umarmung. So sehr hatte er seinen Vater vermisst. Tränen kullerten Cyrus vor Freude über seine rötlichen Kinderwangen.
Cyrus: "Papa, Papa! Endlich! Morgen habe ich mein Abschlussspiel! Diesmal bist du aber auch dabei!"
Ravi: "Klar! Fest versprochen. Diesmal wird nichts dazwischenkommen."
Dann ging Ravi zu seiner Frau. Sie gab ihm eine kurze, kalte Umarmung. Es war zu Ende. Egal, was er nun für ein Held nun war. Nur weil er zwei Menschen von der anderen Seite der flachen Erde gerettet hatte, war er noch lange nicht auch ihr Held. Er hatte sie und ihr Kind einmal zu viel versetzt.
Während sie zu ihrer Villa in Mumbai fuhren, hatte Cyrus tausende Fragen über die Rettungsmission seines Vaters. Ravi erzählte ihm von der abenteuerlichen Reise durch das Erdinnere und von den fluoreszierenden Pilzen, aus denen sie eine Brücke gebaut hatten. Er berichtete von der anderen Planetenseite, der atemberaubenden Natur und der Lebensweise der Ayelen. Es dauerte eine lange Zeit, bis Cyrus endlich bereit war, zu Bett zu gehen.
Am Abend, als Cyrus schon tief und fest schlief, hatte Ravi ein langes Gespräch mit seiner Frau. Sie hatten vor, sich im Guten zu trennen. Es hatte nie böse Worte zwischen ihnen gegeben, noch hatte jemand von ihnen eine Beziehung. Es war schlicht und einfach nie Zeit für ein Familienleben. Ravi war ein Arbeitstier. Er liebte seinen Job und diesen leider mehr als seine Frau. Sie waren sich beide darüber einig, wie ihre getrennte Zukunft aussehen sollte. Cyrus sollte mit Ravi nach Deutschland ziehen und langsam ein Gefühl für das Geschäftsleben bekommen. Es tat ihr im Herzen weh, ihren Sohn nicht mehr bei sich haben zu können. Sie liebte ihn über alles. Cyrus war noch jung, aber es war in ihrer Kultur so üblich, dass Kinder schon früh in das Erwachsenenleben eingebunden wurden. Es war an der Zeit, dass er die Geschäfte seines Vaters kennenlernte. Eines Tages sollte er diese übernehmen.
Am nächsten Tag war es endlich so weit. Ravi sah das große Schulabschluss-Kricketturnier seines Sohnes. Sämtliche Schulen traten gegeneinander an. Ravi genoss das Spiel ebenso sehr wie Cyrus. Immer wieder begegneten sich ihre Blicke. Sein Sohn war zu einem Athleten herangewachsen und er war gut in allem, was er tat. Es war kein Wunder, dass sein Team gewann. Bei der Siegerehrung hielt Cyrus stolz den Pokal in die Höhe und blickte zu seinen Eltern. Ravi und seine Frau jubelten ihm zu.
Noch in den Sommerferien übersiedelten Ravi und Cyrus nach Deutschland. Seit Ravis Wiederkehr war Cyrus stets mit seinem Vater auf den zahlreichen Geschäftsreisen mit. Ravi besuchte mit seinen rechtlichen Beratern sämtliche Firmen, welche im Ruhrgebiet eine Bergbauberechtigung für Kohle hatten. Während seiner Abenteuer bei Nancys und Elis Rettung hatte er von der Ayele Amy die wertvolle Information erhalten, dass es auf der anderen Seite der Erdkruste der flachen Erde reichlich Vorkommen von seltenen Metallen gab. Er müsste sich nur an die sieben Kilometer nach unten graben.
Da sich Deutschland von der Förderung fossiler Brennstoffe abgewandt hatte, konnte Ravi die Bergwerksberechtigungen zu einem Spottpreis kaufen. Bei jeder Unterschrift, welche ihm ein Abbaugebiet einbrachte, glänzten seine Augen. Ravi eröffnete sein Büro direkt im Ruhrgebiet. Kurze Zeit später war sein erfahrenstes Bohrteam vor Ort und begann mit der Arbeit. Niemand wusste, welche Erze sie zu Tage fördern würden, doch vertrauten sie Ravi blind. Ab siebentausend Kilometern Erdtiefe sollten sie auf die andere Seite der Erdkruste stoßen; dann würde das große Geschäft winken. Während Ravi seine Maschinen ins Ruhrgebiet verlegte und alle Vorkehrungen für einen erfolgreichen Baubeginn traf, besuchte Cyrus eine englischsprachige Schule. Er hatte sich schnell eingelebt. Cricket wurde in Deutschland leider nicht gespielt, doch entdeckte er seine Liebe zum Schwimmen und Klettern. Sein Tagesplan war voll. Nach der Schule hatte er entweder Trainingsstunde in einer seiner Sportarten oder er war mit seinem Vater bei geschäftlichen Besprechungen dabei. Natürlich langweilte er sich als zwölfjähriges Kind in den dämlichen Sesseln, welche meist abseits standen. Allerdings verstand er auch nur wenig von dem, was die Erwachsenen besprachen, doch sein Vater bestand darauf, dass er bei den Sitzungen anwesend war. Er sagte immer, dass die Informationen und das Gefühl für die Geschäftswelt unbemerkt in Cyrus hineinsickern würden. Vielleicht war das mit ein Grund, warum Cyrus den Sport so liebte. Es war viel angenehmer, zu schwimmen oder zu klettern, als die ewiglangen Geschäftsdiskussionen mitanhören zu müssen. Er verabredete sich nicht oft mit Freunden. Auf die meisten Freiheiten, welche für viele Kinder seines Alters selbstverständlich waren, musste er verzichten.
Ravi errichtete zahlreiche Bohrtürme und bald begann er an vielen Stellen in die Tiefe zu graben. Von Kollegen wurde er für verrückt gehalten. Er wurde als Träumer bezeichnet, welcher hunderte Millionen Euro wortwörtlich in den Sand setze. Natürlich wusste niemand, dass Ravi wertvolle Informationen von den Bewohnern der anderen Erdenseite hatte. Er konnte sich jetzt schon totlachen, wenn er an die verdutzten Gesichter seiner Mitstreiter dachte, sobald er die wertvollen Erze zu Tage befördern würde. Niemand würde so viele Metalle der Seltenen Erden fördern wie er. Die Bohrunternehmen weltweit freuten sich, den größten Player in ihrem Bereich losgeworden zu sein. In aller Ruhe bohrte er Kilometer für Kilometer in die Tiefe.
Einige Monate nach Bohrbeginn klopfte ein Mitarbeiter an Ravis Tür. Ravi schlürfte eben eine heiße Tasse kostbaren, grünen Tee, als es an der Tür klopfte.
Er stellte seine Tasse auf dem Tisch ab und rief: "Ja, bitte!"
Ein Mitarbeiter öffnete die Tür. Er hatte eine Gesteinsprobe in der Hand.
Aufgeregt sagte er: "Sehen Sie, Herr Ravi Kumar. Wie metallisch dieses Gestein glänzt. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es muss einen extrem hohen Metallanteil haben."
Ravi lächelte zufrieden. Er wusste, dass sie an der Erdkruste der anderen Seite angekommen waren. Ravi nahm das Stück Erz in seine Hand. Er hielt es gegen das Licht und drehte es in alle Richtungen.
Zufrieden und ruhig sagte Ravi: "Sehr schön. Dann lassen Sie uns die Früchte der harten Arbeit ernten. Dieses Schmuckstück soll als Erinnerung an diesen großen Moment meinen Schreibtisch zieren. Wir werden noch sehr viel mehr davon sehen."
Der Mitarbeiter sagte: "Obwohl ich schon so lange für Sie arbeite, muss ich gestehen, diesmal dachte ich nicht, dass wir einen großen Durchbruch schaffen."
Ravi: "Ich denke, niemand hat daran geglaubt - niemand, ausgenommen ich. Das, mein lieber Pepe, war erst der Anfang - der Beginn einer neuen Ära."
Ravi fühlte sich so groß und stolz. Er war an der Kola-Bohrung, dem tiefsten Loch der Welt beteiligt gewesen. Er führte die Abbauarbeiten von Diamanten auf dem Mond durch und war der Experte für die schwierigsten Bohrungen weltweit. Hatten seine Konkurrenten wirklich gedacht, er wäre übergeschnappt? Natürlich hatte er diesmal Informationen, welche sonst niemand hatte, aber trotzdem - wie konnte man nicht an ihn glauben? Jetzt würde er sie eines Besseren belehren. Ravi ist wieder da und diesmal mächtiger als je zuvor. Es war dieses Gefühl des Triumphes, welches er so sehr liebte. Ravi bemerkte eben, dass er in seinen Gedanken wegschwebte.
Er drehte sich zu seinem Mitarbeiter um und sagte: "Pepe, bring die nächsten Stücke ins Labor. Sehen wir uns die chemische Analyse an. Ich bin mir sicher, dieses Ding steckt voller Metalle der wertvollen Seltenen Erden."
Der Mitarbeiter sagte: "Sehr wohl. Ich mache mich gleich auf den Weg."
Wie sehr wünschte er sich, dass sein ehemaliger Mitarbeiter Sven diesen Moment miterleben könnte. Doch dieser hatte bei einem tragischen Unfall sein Leben verloren. Die Ayelen wollten keinen Kontakt mit der Menschheit. Zu groß war die Angst, dass die kriegerischen Menschen sie bedrohen könnten. Die Menschen sollten glauben, dass der Durchgang zur anderen Planetenseite in Island sei. Der wahre Durchgang befand sich jedoch im österreichischen Pittental. Unerkannt waren damals Ravi, Sven, Nancy und Eli nach Island gereist, um dort eine falsche Fährte zu legen. Sven verletzte sich jedoch dabei und entschied sich, sein Leben zu opfern.
Amy, die Ayele, war eine alte Dame. Sie war auf die andere Seite des Planeten zurückgekehrt und genoss nun ihren Ruhestand. Ihre Aufgabe war es, zu kontrollieren, dass die Öffentlichkeit annahm, der Durchgang zur anderen Planetenseite sei durch eine Sprengung verschlossen worden. Die Bevölkerung hatte durch das Ablenkungsmanöver geglaubt, dass der Durchgang in Island sei. Die wahre Passage durch Pitten in Österreich sollte für immer ein Geheimnis bleiben. Nicht einmal Johan, welcher Nancys, Elis und Andreas Arbeitgeber war, hatte eine Ahnung von diesem Plan.
Von Ravis Gefährten waren nur mehr Andrea, Nancy und Eli übrig.
Andrea verließ Johans Weltraumunternehmen und war nun Ravis Bauingenieurin. Sie fertigte Pläne an, wie und wo sie die Stollen bauen sollten. Obwohl in dieser Tiefe die Erdkruste zahlreiche Hohlräume und Gänge wie Schweizer Käse hatte und stetig ein Luftzug zu spüren war, pumpten sie Luft in die Tiefe. Kein Risiko sollte eingegangen werden. Sie bauten mehrere Aufzüge, welche mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Metern pro Sekunde in die Tiefe fuhren. Daher brauchten sie in etwa acht Minuten, bis sie die erste Station bei siebentausend Metern Tiefe erreichen konnten. Sie trieben alle weiteren fünfhundert Meter einen Stollen seitwärts in den Felsen, bis sie bei neuntausend Metern Tiefe angekommen waren. Die zahlreichen natürlichen Hohlräume störten beim Bau, aber das metallhaltige Erz machte jede geologische Störung wett. Ravi förderte in Massen die seltenen Metalle an die Erdoberfläche.
***
Nancy und Eli lebten in der spanischen Stadt Valencia in einem kleinen Haus. Sie waren eben von der Geburt ihrer Zwillinge nach Hause gekommen. Nancy war froh, noch am selben Tag nach Hause zu dürfen. Die Familie lag zusammengekuschelt in ihrem Bett. Nancy und Eli hielten ihre kleinen Babys in den Armen. Sie sollten die Namen von Helden tragen - Amy und Sven. Das verliebte Paar sah zum Mond hoch. Er strahlte in dieser Nacht besonders hell. An seiner rechten Seite sah man den Diamantasteroiden stecken, links davon schien es, als ob sich ein großes, schwarzes Objekt hinter den Mond schieben würde - oder war es doch nur eine dunkle Wolke am hell erleuchteten Nachthimmel?
Nancy und Eli wussten von Amy, dass die Außerirdischen nur darauf warteten, dass das Klima wärmer und vor allem, dass die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre 0,07 Massenprozent überschreiten würde. Die Aliens hatten ein lebensnotwendiges Enzym, welches diese Konzentration brauchte. Es wurde seit Jahrzehnten von UFO-Sichtungen berichtet. Wenn dieses Objekt im Mondlicht keine Wolke war, aber hinter dem Mond verschwand, musste es einen Durchmesser von mehreren Quadratkilometern haben.
Nancy und Eli sahen sich in die Augen. Sie wussten, die Sorge eines Angriffs war noch nicht berechtigt. In der Erdatmosphäre befanden sich noch immer nur 0,06 Prozent Kohlendioxid. Wenn Ravi den Markt sowohl mit billigen Metallen überschwemmen konnte als auch mit der Produktion von grüner Energie erfolgreich wäre, hätten sie gute Chancen den Grenzwert nicht zu überschreiten.
Eli drückte Nancys Hand und flüsterte ihr ins Ohr: "Es wird alles gut sein."
Nancy lächelte ihrem Geliebten zu und gab ihm einen Kuss. Wie recht er hat, dachte sie. Leider war immer erst alles gut, nachdem sie durch ein Desaster gegangen waren. Sie drückte seine Hand und legte ihren Kopf an seine Schulter. Erschöpft schlief sie ein.
***
Einige Monate später luden sie Johan mit seiner Frau Linda, Andrea, Ravi und seinen Sohn nach Valencia ein. Nancy und Eli hatten ein kleines Fest geplant. Zum einen wollten sie die Taufe ihrer Zwillinge feiern und zum anderen Nancys und Elis zweiunddreißigsten Geburtstag. Johan musste jedoch absagen, da sein Firmenimperium im Umbruch war. Er ließ von der verlustreichen Entwicklung der Weltraumprojekte ab und legte seinen Fokus auf Drohnen und autonomes Fahren. Johan versprach jedoch, sich bald bei ihnen zu melden.
Kurz nach Johans Absage meldete sich auch Linda per Telefon. Sie konnte ebenfalls nicht an der Taufe teilnehmen. Als Journalistin hatte sie einen Auftrag für eine Berichterstattung aus Australien erhalten. Da sie sehr gut mit den Medien in Sydney vernetzt war und als Hauptansprechperson für Sonderberichterstattungen eingesetzt wurde, konnte sie nicht einfach absagen. Ausgerechnet an diesem Wochenende musste sie abreisen. So gerne hätte sie den süßen Nachwuchs gesehen.
Nancy legte den Hörer auf und schüttelte ihren Kopf: "Typisch diese beiden. Irgendwann bringt sie der Stress noch ins Grab."
Eli antwortete: "Die Armen können sich keine zwei Tage Auszeit gönnen. Ich hoffe, sie finden bald etwas Ruhe."
Nancy: "Zumindest haben wir noch Ravis Clan."
Eli schmunzelte: "Ob der Clan schon eine Familie geworden ist?"
Nancy: "Du meinst Andrea und Ravi?"
Eli nickte und lächelte sie an. Nancy mussten laut lachen. Sie schüttelte den Kopf. Ihre langen blonden Haare wirbelten herum.
Nancy: "Ravi ist so beschäftigt. Da ergibt sich in eintausend Jahren nichts."
***
Vier Wochen später warteten Nancy und Eli am Flughafen auf ihre Gäste. Nancy hatte die Zwillinge eben gestillt. Nun schliefen die beiden tief und fest in einem Tragetuch an Elis Körper - eines vorne und eines hinten. Von der Landung bis zum Erscheinen der ersten Reisenden verging immer eine gefühlte Ewigkeit. Nancy schaute ständig auf die Kofferanhänger und horchte, welche Sprache die ankommenden Passagiere sprachen, um festzustellen, ob die herauskommenden Menschen aus Deutschland kommen konnten. Sie glaubte ein oder zwei deutsche Wörter gehört zu haben. Es könnte allerdings auch holländisch gewesen sein.
Während Nancy hin und her überlegte, welche Sprache es nun war, erschienen bekannte Gesichter im Wartebereich.
Als Nancy das Trio sah, rief sie: "Hey, endlich! Da seid ihr ja!"
Sie lief zu ihnen und umarmte Ravi und Andrea kräftig mit rechts und links je einem Kuss.
Nancy sagte zu Ravis Sohn: "Du musst Cyrus sein. Ich habe schon einiges von dir gehört!"
Sie drückte ihn und gab ihm ebenfalls, wie es in Spanien üblich ist, jeweils links und rechts einen Kuss. Cyrus wurde ganz rot im Gesicht. Nancys leuchtend smaragdgrüne Augen bezauberten ihn. Unterhalb des rechten Auges konnte Cyrus eine kleine, feine Narbe an der Wange erkennen. Ravi lächelte. Eli umarmte die Besucher ebenfalls, allerdings langsam und behutsam, um die beiden Kinder nicht zu wecken.
Eli sagte: "Kommt! Lasst uns zum Auto gehen. Was tut sich bei euch? Ich hoffe, die Geschäfte laufen."
Ravi antwortete: "Im Moment sieht es sehr gut aus. Amy hatte recht. Wir sind auf metallreiches Erz gestoßen. Erz, so hoch angereichert an diesen speziellen Metallen, habe ich auf unserer Erdkruste noch nie gesehen. Wir arbeiten eng mit Firmen im Stromspeicherbereich zusammen und haben neue Stromspeichermedien entwickelt. Mit dieser Menge an Metallen der Seltenen Erden werden wir der grünen Energie Flügel verleihen. Aber genug von Geschäften. Wie geht es euch und den Kindern?"
Eli antwortete: "Wir sind so etwas von müde! Sie sind beide gesund, schlafen aber maximal vier Stunden am Stück. Ich denke, mehr brauche ich nicht zu sagen."
Ravi: "Ach, ihr Armen. Das habe ich bei meinem Kind leider ganz versäumt. Ich war ständig auf Geschäftsreisen. Das ist nun einmal mein Leben."
Beim Auto angekommen, sagte Nancy: "Jetzt müssen wir uns aufteilen. Wir haben nur einen Wagen. Ich schlage vor, Ravi und Eli fahren mit dem Taxi, Andrea und Cyrus mit mir. Wäre das in Ordnung?"
Ravi nickte. Die Taxis standen ohnehin Schlange vor dem Flughafeneingang. Ravi atmete tief ein.
Ravi: "Ich liebe diese salzige Meeresluft. Kaum zu glauben, dass das Meer an der anderen Seite von Valencia ist."
Eli: "Obwohl ich hier wohne, genieße ich jedes Mal diesen Moment. Es gibt nichts Schöneres, als aus dem Flughafen hinauszugehen und tief einzuatmen."
Ravi: "Euer Klima ist so gesund. Meine Frau, ähm Ex-Frau, fühlte sich auch in Meeresnähe immer besser, als in der Stadt. Sie leidet an trockener Haut und hat alle möglichen Allergien. Deswegen war sie oft bei ihrer Mutter im Strandhaus. Ich hatte ohnehin nie Zeit für lange Urlaube am Meer."
Während Nancy, Andrea und Cyrus schon losgefahren waren, stiegen Ravi und Eli in ein Taxi.
Im Taxi fragte Eli Ravi: "Wie geht es deinem Sohn, seit seine Mutter dir die Obsorge übertragen hat?"
Ravi antwortete: "Ich denke, es ist teilweise mühsam für ihn, ständig mit mir zu reisen, aber er genießt es auch, mit mir unterwegs zu sein. Ansonsten macht er sehr viel Sport. Andrea passt manchmal auf ihn auf, aber du weißt, wie beschäftigt wir alle sind. Ich wünschte, ich könnte mehr Zeit mit ihm verbringen, ohne zu arbeiten, aber du weißt, wie selten das vorkommt. Ich kann gar nicht anders. Ständig werde ich gebraucht. In den Ferien ist er bei seiner Mutter in Indien. Ich hoffe, ihr zwei macht es besser mit der Kindererziehung."
Eli: "Wir sind genau das Gegenteil. Nancy und ich sind ständig zusammen. Ich habe auch nicht vor, noch einmal den Helden zu spielen. Ich wünsche mir ein ruhiges, gemütliches Leben. Ich möchte den Strand und die Sonne genießen und meine Kinder in Frieden aufziehen. Ich hoffe, du bist erfolgreich genug, damit diese verdammten Aliens weg von unserem Planeten bleiben. Ich habe das Gefühl, die kreisen wie die Geier da oben. Jeden Tag liest man von irgendwelchen UFO-Sichtungen."
Ravi: "Keine Sorge. Mit meiner Schwemme an Metallen wird die Energiewende und natürlich meine Brieftasche einen Boost erleben."
Ravi lachte, als er seine Brieftasche erwähnte. Eli lächelte. Er mochte Ravis scharfe Zunge. Obwohl er ein Herzensmensch war, gab es kaum einen Gedanken ohne geschäftliche Hintergründe. Kurze Zeit später kamen sie an ihrem Haus an. Nancy parkte zur selben Zeit ihren Elektrowagen vor dem Haus. Sie hatten noch einen kurzen Stopp bei einem Churros-Stand eingelegt – eine Süßigkeit, welche es in Mitteleuropa nicht gab. Cyrus nagte an dem leicht knusprigen Teig, welcher in Schokolade getunkt und zusätzlich mit Zucker bestreut war.
Ravi: "Oh. Ich sehe du hast Churros entdeckt."
Cyrus versuchte mit seinem vollen Mund zu antworten: "Ja… …und… …es schmeckt… …lecker."
Während Nancy ihnen das Haus zeigte, richtete Eli etwas Essen am Tisch im Garten an.
Andrea war begeistert von ihrem grünen Haus. Sie hatten zwei kleinere Gärten, welche durch alte Steinmauern von der Straße getrennt waren, einen Balkon und einen großen, überdachten Wintergarten. Dieser maß zirka sechs mal zwölf Meter und war zwei Stockwerke hoch. Darin befanden sich zwei Gästezimmer, welche übereinander angeordnet waren. Eine Treppe führte zu einer kleinen Terrasse. Von dieser erreichte man über eine kleine Hängebrücke das obere Zimmer. Der gesamte Wintergarten war wie ein Urwald angelegt, sodass man die Zimmer kaum bemerkte. Neben den vielen Pflanzen plätscherte ein Wasserfall.
Cyrus, dessen Mund noch von Schokolade umrandet war, sah die Hängebrücke und brachte nur ein lautes: "Wow!" hervor.
Andrea sagte: "Man kann sehen, dass ihr Pflanzen mögt."
Nancy: "Dies war immer unser Traum."
Andrea: "Da braucht ihr beinahe einen Gärtner."
Nancy: "Nicht nötig. Wir haben beide einen grünen Daumen."
Plötzlich rief Cyrus aufgeregt: "Ich mag da oben schlafen!"
Er deutete auf eine Hängematte, welche zwischen zwei Palmen angebracht war.
Ravi streichelte Cyrus übers Haar: "Gerne, dann muss ich mein Bett nicht teilen."
Cyrus: "Das kannst du für dich allein haben. Ich schlafe den ganzen Urlaub in der Hängematte."
Andrea: "Unglaublich, wie schön ihr euer Haus hinbekommen habt. Es erinnert mich sehr an unseren Ausflug auf die andere Seite der Erde."
Eli erschien in diesem Moment und sagte: "Wir haben uns ein Stückchen Paradies geschaffen – unser eigenes, kleines Dschungelparadies. Übrigens, das Essen wartet auf euch im Garten."
Umgeben von zahlreichen Palmen und Bäumen aßen sie kleine Snacks. Nancy und Eli lebten vegan. Für Cyrus war es etwas ungewohnt, kein Fleisch und keine tierischen Produkte zu essen. Trotzdem gab es genug Angebot: veganes Gulasch, gebackene Pilze, Linsensuppe, Spaghetti, Tacos, Nudeln und dazu diverse Soßen. Cyrus war komplett verzaubert von dem paradiesischen Haus. Er hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Zur Krönung des Abends schlichen sich auch noch drei Katzen, welche sich anfangs noch scheu versteckt hatten, an Cyrus heran. Eine war eben fünf Wochen alt.
Cyrus: "Oh Mann, ist die süß! Das ist ja noch ein Baby."
Nancy: "Ja. Dieses Baby hat vor einer Woche die halbe Nacht unter einem Auto geweint. Wir sind morgens aus dem Bett gesprungen und haben sie gerettet. Sie war fast blind, aber nach der Entwurmung dürfte ihre Sehkraft zurückgekehrt sein."
Cyrus: "Darf sie mit mir in der Hängematte schlafen?"
Nancy: "Kann gut sein, dass sie etwas bei dir bleibt, aber sie ist sehr aktiv."
Nancy legte ihm die Katze auf den Bauch. Er stellte sich vor, in einem riesigen Urwald zu leben und träumte von einem kleinen Haus mitten im Palmenwald. Während er dem plätschernden Wasserfall zuhörte, schlief er langsam ein. Diese Nacht schlief Cyrus besonders gut. Es war seine erste Nacht in einer Hängematte. Andrea, Ravi, Nancy und Eli unterhielten sich bei einem guten Wein bis spät in die Nacht. Sie hatten sich viel zu erzählen.
Am nächsten Morgen fand die Taufe von Amy und Sven statt. Danach schlenderten sie in der grünen Stadt von Spielplatz zu Spielplatz. Valencia hat unzählige Parkanlagen und besitzt einen riesigen, breiten, grünen Streifen, welcher sich quer durch die Stadt bis zum Hafen zieht.
Eli saß mit den Zwillingen in der hohen Wiese. Er ließ sie keinen Moment aus den Augen. Cyrus spielte mit Andrea, Ravi und Nancy Fußball. Andrea stand im Tor, während Nancy, Ravi und Cyrus versuchten, dieses zu treffen. Natürlich war Cyrus allen weit überlegen und erzielte die meisten Tore.
Nancy sagte außer Atem: "Du spielst ja fast wie ein Profifußballspieler."
Cyrus antwortete: "Ich spiele gerne mit Freunden in Deutschland. Nebenbei spiele ich auch noch Basketball und gehe klettern."
Nancy: "Du scheinst eine richtige Sportskanone zu sein."
Cyrus:" Sport macht mir großen Spaß. Ich würde gerne Computerspiele spielen, aber das lässt mich mein Vater nicht."
Nancy: "Mach dir nichts draus, Sport ist ohnehin viel gesünder und ein gutes Buch ist viel netter als ein doofes Computerspiel."
Cyrus nickte zustimmend. Obwohl er nicht ganz ihrer Meinung war. Wenn Nancy so etwas sagte, hatte dies jedoch viel mehr Gewicht als die Predigten von seinem Vater. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag. Erst am späten Nachmittag kamen Wolken auf.
Am Abend feierten sie in einem indischen Restaurant. Es lag im Herzen der Stadt. Nancy schenkte sich und Cyrus Kindersekt ein.
Ravi erhob sein Glas und sagte: "Auf eine wunderbare Zukunft, mögen unsere Kinder in einer wohlbehüteten Welt aufwachsen!"
"Auf eine wunderbare Zukunft!", erwiderten die anderen und stießen mit ihren Gläsern an.
Cyrus fragte Nancy: "Wie war es auf der anderen Seite der Erde? Was hast du gemacht, bis dich mein Vater und Andrea gerettet haben?"
Nancy antwortete: "Eli und ich verbrachten dort eine wunderbare Zeit. Die Bewohner der anderen Planetenseite heißen Ayelen und sind die Nachkommen der Neandertaler. Sie sind sehr freundlich. Nachdem wir die nahezu unüberwindbaren Enden der Magnetströme beider Erdhälften durchflogen hatten, sind wir mit unserer Notkapsel auf einen Baum gestürzt. Beim Abstieg hat sich Eli seinen Fuß gebrochen. Die Ayelen haben Elis Fuß mit ihren medizinischen Mitteln schnell geheilt. Wir haben viele neue Früchte und Tiere kennengelernt. Du kannst alle Tiere streicheln. Sie sind sehr zahm, weil sie dort nicht von Menschen gejagt werden. Wenn du magst, kann ich dir einige Tiere zeichnen."
Cyrus:" Oh ja, bitte! Glaubst du, dass wir dort eines Tages hingehen können?"
Nancy: "Ich denke, eher nicht. Sie wollen mit uns Menschen nichts zu tun haben, weil wir zu kriegerisch sind und sie Angst haben, dass wir noch einmal versuchen könnten, sie auszurotten."
Ravi sagte: "Ich denke, da haben sie auch recht. Es ist gut, wenn wir großen Abstand zu ihnen halten."
Cyrus fragte Nancy weiter: "Glaubst du, dass uns die Aliens eines Tages angreifen werden?"
Nancy beugte sich zu ihm und zwinkerte ihm zu: "Ich denke, dass dein Papa die Welt retten wird. Mit seiner Hilfe wird sich unsere Erde nicht weiter aufheizen und die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre sicherlich unter 0,07 Massenprozent bleiben."
Cyrus lächelte. Sein Vater war ein Held. Kaum hatten sie ihr Gespräch beendet, fingen die beiden Babys an zu weinen. Nancy und Eli nahmen je eines in den Arm und versuchten, sie wieder zu beruhigen. Ravi freute sich, so gute Freunde zu haben. Abgesehen von Johan, Linda und Andrea, die auch seine Mitarbeiterin war, waren sie leider auch die einzigen. Viele Freundschaften ließ sein volles Arbeitsleben nicht zu.
***
Fünf Jahre später schien der Kampf gegen den Klimawandel gewonnen zu sein. Die Abweichung der globalen Temperatur stieg nur mehr verschwindend gering an und hatte sich in den letzten drei Jahren bei einem Plateau von etwa +1,5 Grad Celsius eingependelt. Die Kohlendioxidkonzentration erreichte ebenfalls einen stabilen Wert bei 0,065 Prozent. Ravi war nicht nur der größte Produzent von Seltenen Erden geworden, er wurde auch stolzer Besitzer von Firmen, welche neuartige Akkumulatoren produzierten. Sie konnten große Mengen an Energie billig und sicher speichern. Mittlerweile wurden sie nicht nur in Autos verbaut, sondern dienten auch in der Stromproduktion als Energiepuffer. So konnte die überschüssige Energie von Wind- und Solarkraftwerken problemlos zwischengespeichert und auch dann verwendet werden, wenn der Wind nicht blies oder die Sonne nicht schien.
Auch die Menschen hatten sich verändert. Sie akzeptierten die anfangs noch höheren Kosten der grünen Energie. Es wurden zahlreiche Wellen-, Solar- und Windkraftwerke gebaut. Die hohen Investitionskosten für den Energiewandel reduzierten sich allmählich, so dass der Verbraucherpreis stetig fiel. Letztendlich sank der Strompreis auf ein sehr niedriges Niveau – niedriger als je zuvor. Es wurde generell weniger Fleisch konsumiert und mehr lokal eingekauft. Dies war ein großer Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen. Man versuchte, den Müll in eine Kreislaufwirtschaft zu integrieren, was von Jahr zu Jahr besser gelang. Viele Menschen waren bemüht, ihren Lebensraum zu retten.
Cyrus widmete sich nach wie vor hauptsächlich dem Sport. Er besuchte ein Sportgymnasium und hatte in seinem jungen Alter schon an sämtlichen Triathlons und Marathons teilgenommen. Jedes Jahr verbrachte er den Urlaub mit seinem Vater bei Nancy und Eli. Ihre Kinder waren schon fünf Jahre alt und hatten sehr viel Energie.
Johan war Nancys und Elis erster Arbeitgeber und jahrelanger Freund. Trotz seiner vielen Geschäfte schaffte er es mit seiner Frau Linda auf mehrere Wochenendbesuche. Doch kaum war er angekommen und versuchte sich zu entspannen, läutete auch schon sein Telefon. Er wurde viel zu oft in seinen neuen Firmen in England gebraucht, um sich etwas Erholung zu gönnen. Vor allem der Abgang von Marcel Zweig machte ihm zu schaffen. Er war ein langjähriger und verlässlicher Mitarbeiter, der sich leider in den Kopf gesetzt hatte, in die Staaten zu ziehen, um den Golfstrom zu erforschen. Seit dem Wissenschaftler festgestellt hatten, dass dieser sehr bald versiegen könnte, hatte Marcel es sich zur Aufgabe gemacht, ihn genauestens zu überwachen. Sie alle hatten ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. Marcel, Johan und Nancy telefonierten nahezu wöchentlich miteinander, um Neuigkeiten auszutauschen.
Nancy und Eli arbeiteten von zu Hause aus. Sie führten die riesigen Datenmengen der Erdüberwachungsstationen zusammen, um diese an die Vereinten Nationen, kurz UNO, weiterzuleiten, wo daraus ein Bericht angefertigt wurde. Dieser Bericht war ein großer Teil des Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, oder umgangssprachlich auch Klimarat genannt. Dieser Rat veröffentlicht jedes Jahr gesammelte Daten, um politischen Entscheidungsträgern den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammengefasst zu präsentieren. Nancy und Eli genossen die Zeit miteinander. Zu oft hatten sie dem Tode schon ins Auge sehen müssen, als dass sie auch nur noch einen Tag ohneeinander verbringen wollten.
***
Diesen Sommer besuchten Nancy und Eli mit ihren Kindern Ravi, Cyrus und Andrea in Deutschland. Ravi hatte eine große Villa mit einer Haushälterin. In seinem gepflegten Garten befanden sich ein Swimmingpool und ein Tennisplatz. Cyrus empfing Nancy mit einem großen Blumenstrauß. Alle waren glücklich, sich endlich wieder zu sehen. Während sich die Haushälterin um die Kinder kümmerte, wagten Ravi und Eli ein Tennismatch gegen Nancy und Cyrus. Nancy und Eli hatten nur selten den Luxus gehabt Tennis zu spielen und auch Ravi war meist zu sehr beschäftigt, um seinen eigenen Tennisplatz zu genießen. Cyrus war, wie so oft, die absolute Nummer eins am Platz.
Ravi probierte mit seiner verbliebenen Puste eine Konversation zu beginnen. "Ich bin stolz auf die Menschheit, dass sie die Energiewende geschafft hat. Das hätte ich mir nicht so schnell vorgestellt."
Eli antwortete: "Stimmt. Dass sich diese störrischen Esel doch entschieden haben, ihre Gewohnheiten zu ändern und auf ihren Planeten aufzupassen, hat mich auch sehr verwundert. Leider hatten wir in den letzten Daten wieder einen Anstieg der Durchschnittstemperatur."
Nancy ergänzte: "Das könnte aber auch ein statistischer Ausreißer sein."
Ravi: "Was meint ihr?"
Nancy: "Okay, stopp. Laufen, atmen und reden ist etwas zu schwer."
Eli beugte sich kopfüber und sagte: "Puuh. Ja. Genug für heute."
Cyrus sagte: "Ach Mann, kommt schon. Jetzt habe ich mich erst aufgewärmt."
Sie lachten.
Eli sagte: "Ich denke, dann solltest du dir stärkere Gegner suchen. Ich bin geschafft."
Sie gingen zum Ausgang des Tennisplatzes und trockneten ihre schweißgebadeten Gesichter in den Handtüchern.
Eli drehte sich zu Ravi um und sagte: "Wir hatten einen Anstieg auf +1,6 Grad über der Durchschnittstemperatur, aber wie gesagt, vielleicht ist es nur ein Ausreißer."
Ravi: "Hoffen wir es. Die nächsten Daten werden es uns zeigen."
Eli: "Wir werden dich auf jeden Fall auf dem Laufenden halten."
Ravi: "Wollt ihr einmal unsere Mine begutachten?"
Nancy antwortete: "Oh ja. Das wäre cool."
Eli antwortete: "Ich würde mich auch freuen, aber diesmal bitte ohne unerwartete Abenteuer."
Ravi lachte und antwortete: "Keine Sorge. Wir haben mehrere Aufzüge und externe Frischluftzufuhr. Die Mine ist sicher. Schließlich wurde sie von Andrea geplant."
Nancy: "Wann können wir sie sehen?"
Ravi: "Wie wäre es gleich morgen?"
Nancy: "Perfekt."
Am Abend saßen Eli und Nancy Hand in Hand vor dem Gästehaus und beobachteten den Vollmond. Immer wieder zogen verschwommene Punkte an ihm vorbei.
Eli sagte: "Ich frage mich, was diese Punkte sind. Machen wir uns schon verrückt mit diesen UFO-Sichtungen? Jede Wolke, jeder Satellit und Wetterballon werden Aliens zugeordnet. Ich würde lachen, wenn dies alles natürliche oder von uns selbst verursachte Phänomene wären oder vielleicht sogar unser eigener Weltraumschrott."
Nancy drückte seine Hand und sagte: "Ich wünschte, du hättest recht, aber du weißt, was unsere alte Freundin Amy sagte. Sie sind da oben und beobachten uns. Sobald wir ihr Klima geschaffen haben, werden sie kommen."
Eli sah sie an und erwiderte: "Dann hoffen wir, dass dies nie passieren wird."
Am nächsten Morgen fuhren Ravi, Andrea, Nancy und Eli zur Mine. Cyrus begleitete sie nicht, denn er hatte Basketballtraining. Es war ihm bei weitem wichtiger, sich mit einem Ball an der frischen Luft auszutoben, als in eine Höhle zu kriechen. Vor dem Eingang zu Ravis Werksareal befand sich eine kleine Hütte mit einem Wachposten. Er grüßte freundlich und winkte sie weiter. Kurze Zeit später kamen sie an einem kleinen, flachen Gebäude an, welches als Büro und Unterkunft für Mitarbeiter diente. Ravi parkte sein Auto vor dem Eingang. Dann gingen sie zu den Aufzügen. Davor angekommen, legten sie neongelbe Schutzkleidung an und setzten ebenfalls gelbe Helme auf.
Eli fragte Andrea: "Wie lange fahren wir hinunter?"
Andrea: "Unser tiefster Punkt liegt neuntausend Meter unter der Erdoberfläche. Das macht bei einer Geschwindigkeit von zwanzig Metern pro Sekunde ungefähr sieben bis acht Minuten."
Eli zog die Augenbrauen hoch und sagte: "Wow, das ist nicht wenig Zeit in so einer kleinen Kabine."
Ravi stieß ihn in die Rippen und sagte: "Was ist mit dir? Du warst am Mond, hast dich auf die andere Seite des Planeten katapultiert und bist durch Löcher wieder zurückgekrochen. Da werden dich doch ein paar Minuten in einem Aufzug nicht schwach werden lassen."
Eli antwortete: "Du wirst es nicht glauben, aber die meisten meiner Abenteuer waren nicht geplant."
Nancy gab ihm einen Kuss, sodass ihre Helme zusammenstießen und sagte scherzhaft: "Zeit für das nächste Abenteuer, sonst rostest du noch ein."
Andrea öffnete die Aufzugstür und sagte: "Hereinspaziert und es wird nicht gemeckert, denn das komplette Tunnelsystem wurde von mir geplant."
Sie stiegen ein. Andrea schloss mit lautem Gerassel die Gittertür hinter sich. Es war ein sehr geräumiger Aufzug für fünfzehn Personen. Rüttelnd und quietschend setzte er sich in Bewegung. Durch das Gitter konnte man die verschiedenen Gesteinsschichten beobachten, welche nach oben hinwegflitzten.
Andrea sagte: "Wir fahren ganz hinunter. Da sehen wir unsere längste waagrechte Strecke."
Ravi erklärte: "Diese Mine unterscheidet sich von den anderen, in denen ich gearbeitet habe, gewaltig. Nach einigen hundert Metern treffen wir hier bei vielen Tunneln auf unterirdische Hohlräume. Es ist teilweise schwer, diese unregelmäßigen Hindernisse zu überwinden. Mal stoßen wir auf ein Loch, welches mehrere Meter tief ist, ein anderes Mal ist uns ein Fluss im Weg."
Andrea ergänzte: "Allerdings können wir jedes Hindernis überwinden. Wir bauen Brücken oder betonieren Löcher einfach zu."
Ravi: "Das ist richtig und die Ausbeute an Metall kann sich sehen lassen. Wir sind mit Abstand die größten Produzenten der Metalle der Seltenen Erden."
Eli fragte: "Unten angekommen gehen wir zu Fuß weiter?"
Andrea antwortete: "Natürlich nicht. Wir haben Elektrofahrzeuge, damit fahren wir bis zum Minenende."
Nach langen acht Minuten öffnete sich die Tür des Aufzugs. Ein sieben Meter breiter und vier Meter hoher Schacht lag vor ihnen. Gelbe Neonbeleuchtung zog sich den endlos wirkenden, waagrechten Schacht entlang. An der linken Seite führten weitere Aufzüge hinauf. Es roch etwas feucht und es war sehr warm. Sicherlich hatte es mehr als fünfundzwanzig Grad. Das Klima wirkte fast tropisch. Nur fehlten die grünen Büsche, die Tiere und die tropische Geräuschkulisse. Die Wände waren grau von den Steinen. Anstatt Vogelgezwitscher hörte man nur das Brummen der großen Windturbinen, welche Frischluft nach unten pumpten.
Sie stiegen in einen offenen Geländewagen und fuhren den kilometerlangen Schacht entlang. Er mündete in ein riesiges Gewölbe, welches an die hundert Meter lang war. An dessen Boden war eine Straße entlang betoniert worden, um die Unebenheiten des Bodens auszugleichen. Teilweise befand sich neben der Straße ein drei Meter tiefer Abgrund. Von diesem Gewölbe führten sternförmig fünf weitere Stollen leicht abwärts in die Erdkruste.
Aus zwei dieser Stollen kamen zur selben Zeit Geländewagen auf sie zu. Einer von diesen hielt neben ihnen an, während der andere weiterfuhr und etwa fünfzig Meter weiter hinten stehen blieb. Der Fahrer, welcher allein im Wagen saß, sagte per Funkgerät zu seinen Kollegen, dass er sie erst oben treffen würde, weil er mit Ravi noch etwas besprechen musste. Die Kollegen aus dem anderen Wagen winkten zustimmend zurück und beschleunigten ihren Wagen wieder in Richtung der Aufzüge. Der Mann war schlank und groß. Er hatte ein freundliches Gesicht und lächelte zur Besuchergruppe herüber.
Der Mann sagte: "Hi Ravi, am Nachmittag werden wir für den Erzabbau sprengen. Aber vielleicht gibt es da etwas, das du zuvor sehen solltest."
Ravi erwiderte: "Kein Problem, Pepe. Wir können gleich mitkommen. Das sind übrigens Nancy und Eli."
Pepe: "Sehr erfreut euch kennenzulernen. Ich habe schon viel von euch gehört."
Ravi: "Was hast du mir zu zeigen?"
Pepe runzelte seine Stirn und sagte: "Etwas…, besser du siehst es selbst."
Pepe wendete sein Fahrzeug und winkte ihnen zu folgen, was sie auch taten. Am Ende des Stollens hielten sie ihre Wagen an und stiegen aus.
Pepe: "Ähm, vielleicht sollten wir allein zu dem Bach hinübergehen – aus Sicherheitsgründen."
Ravi runzelte die Stirn und sagte: "Ist schon gut, Pepe. Ich habe vor meinen Freunden nichts zu verbergen."
Einige Meter vor ihnen querte ein kleiner Bach. Dieser verschwand in einem zwei Meter hohen und einem Meter breiten Seitengang. Er glitzerte im Scheinwerferlicht des Wagens. Sie gingen nach vorne und standen nun direkt vor dem plätschernden Rinnsal. Pepe zeigte stumm darauf. Sie mussten genau hinsehen, um zwischen den Steinen etwas zu erkennen. Im Wasser befand sich ein Stück Metall mit einem Loch, in dem ein Holzstück steckte. Ravi runzelte die Stirn und sah Pepe fragend an.
Pepe sagte: "Vor mir war noch kein Mensch hier. Ich bin auch der Einzige, der davon weiß. Ich nehme an, dass dieser Weg sehr viel weiter führt, als mancher wissen sollte.
Ravi nickte nachdenklich und sagte: "Ich weiß, was du meinst. Da hast du gut mitgedacht."
Ravi bückte sich und hob das Metallteil hoch. Er, Andrea, Eli und Pepe begutachteten es.
Nancy: "Könnte ein Werkzeug gewesen sein."
Ravi: "Wir sind eindeutig nicht die ersten hier. Gut, dass du das entdeckt hast. Wir wissen nicht, ob dieser Weg eventuell verschüttet ist, aber wenn jemand herausfinden sollte, dass dies ein Durchgang zur anderen Seite des Planeten ist, wird das Militär schnell hier sein."
Andrea ergänzte: "Und die werden früher oder später einen Weg finden."
Nancy und Eli sahen Pepe an.
Ahnend, was die beiden dachten, sagte Pepe: "Schon gut, schon gut. Keine Angst. Ich erzähle kein Sterbenswörtchen. Schließlich möchte ich meinen Job noch länger haben."
Ravi wandte sich zu den anderen: "Pepe ist einer meiner Topleute. Man kann ihm vertrauen."
Andrea sagte mit strenger und ernster Stimme: "Wir graben keine Tunnel mehr in diese Richtung. Ich möchte, dass dieser Abschnitt gesprengt wird, sodass dieser Weg verschüttet ist. Wir werden an den anderen Abschnitten weitergraben."
Ravi nickte und sagte: "Ich stimme dem zu."
Pepe: "Alles klar. Ich werde die Vorbereitungen treffen."
Ravi: "Pepe, ich möchte, dass du unsere Gäste kennenlernst. Wie wäre es mit einem gemeinsamen Abendessen?"
Pepe: "Gerne."
Ravi: "Alles klar. Bis am Abend."
Pepe: "Bis am Abend."
Pepe begutachtete die Tunnelwände, um zu sehen, wo er die Sprengladungen anbringen sollte. Ravi, Andrea, Nancy und Eli stiegen wieder in ihr Fahrzeug und fuhren retour zum Aufzug.
Ravi wandte sich an Nancy und Eli: "Ich möchte gerne, dass ihr ihm von der anderen Seite erzählt. Pepe ist ein guter Mann, aber wenn er von euch persönlich hört, welches Paradies auf der anderen Seite liegt, wird er es noch besser schätzen und schützen können."
Nancy: "Das heißt, du vertraust ihm nicht einhundertprozentig."
Ravi: "Ich möchte nur auf Nummer sicher gehen."
Eli: "Wenn jemand von diesem Durchgang erfährt, ist das ein Desaster."
Andrea: "Falls es wirklich ein Durchgang ist."
Ravi: "Vielleicht sollten wir dies überprüfen. Wenn er ohnehin weiter im Inneren verschüttet ist, ist die ganze Aufregung umsonst."
Eli: "Sprengen wir lieber gleich. Was verschlossen ist, ist verschlossen."
Nancy: "Am liebsten wäre mir, wenn ihr die komplette Mine sprengen würdet."
Ravi schüttelte den Kopf: "Tut mir leid, Nancy. Ich kann nicht die komplette Mine sprengen. Sobald ich diese jedoch fertig abgebaut habe, werde ich es tun. Versprochen."
Am Abend trafen sie alle zusammen. Diesmal war auch Cyrus wieder dabei. Nancy und Eli erzählten nochmals von ihren Abenteuern auf der anderen Seite der Erde. Sie beschrieben die fremdartige Tier- und Pflanzenwelt, die friedliche Gesellschaft der Ayelen, dass sie jedes Leben respektierten, ihre harmonische Beziehung zur Natur sowie deren Anliegen, niemals den Menschen einen Weg in ihre Welt zu zeigen, damit sie vor deren kriegerischen Handlungen geschützt blieben. Während sie dies sagten, schauten sie mit ernstem Blick zu Pepe.
Pepe: "Ich verstehe. Man würde sie wahrscheinlich früher oder später auslöschen. Ich erinnere mich sehr gut an die Versprechen, die isolierten Naturvölker unserer Erde zu schützen. Mittlerweile wurden sie nahezu alle zurückgedrängt, ausgebeutet oder aus religiöser Überzeugung kontaktiert. Meine Mutter hatte eine Arbeit darüber verfasst. Dreißig bis neunzig Prozent der Menschen sterben bei einem Erstkontakt an unseren Krankheiten."
Ravi: "Weißt du nun, warum die Welt der Ayelen schützenswert ist?"
Pepe: "Vollkommen."
Andrea: "Ich hoffe nur, dass wir bei unserem Besuch keine Krankheiten übertragen haben."
Ravi:" Das hoffe ich auch. Zumindest sind sie medizinisch weit fortgeschritten."
Nancy: "Hoffen wir, dass sie für immer von uns verschont bleiben."
Pepe machte auf Nancy einen vertrauenswürdigen Eindruck. Nun fühlte auch sie sich sicherer, dass dieses kleine Geheimnis unter ihnen bleiben würde. Sie scherzten noch den restlichen Abend bei ein paar Gläsern Wein.
Am nächsten Tag verbrachten sie einen entspannenden Tag am Pool, bevor Nancy und Eli mit ihren Kindern am Abend wieder nach Spanien zurückkehrten. Das Flugzeug war voll besetzt und die Kinder sehr müde. Es dauerte etwas, bis ihre Koffer am Förderband erschienen. Doch trotz aller Müdigkeit war es ein wunderschönes Gefühl, die feuchte valencianische Meeresluft ihrer Traumstadt einzuatmen. In ihrer kurzen Abwesenheit hatte sich ihr Garten in einen kleinen Urwald verwandelt. Doch nicht nur dieser wollte gepflegt werden, sie hatten auch einige neue Berichte für die Arbeit zu verfassen.
***
Ein Jahr später kamen Ravi, Andrea und Cyrus wieder auf Besuch zu Nancy und Eli. Sie fuhren direkt vom Flughafen zu ihrem Haus. Als Ravi klingelte, öffneten die beiden Kinder Amy und Sven die Tür.
Ravi sagte: "Hallo ihr beiden. Mein Gott, seid ihr groß geworden."
Amy antwortete: "Ich bin sieben Jahre alt."
Dann erschienen Nancy und Eli an der Tür. Ravi umarmte sie eine lange Zeit.
Nancy sagte: "Es ist so schön, euch endlich wieder zu sehen. Kommt rein. Ich hoffe, ihr seid hungrig. Wir haben eben das Essen angerichtet."
Andrea: "Und ob. Ich bin schon seit dem Flug hungrig. Im Flugzeug gibt es nur Junk zu essen."
Andrea, Ravi und Cyrus gingen durchs Haus und setzten sich im Garten an einen hölzernen Tisch. Der Garten maß an die achtzig Quadratmeter. An einer Seite wuchsen mehrere Bananensträucher. An zwei von diesen hing jeweils eine große Bananenblume. An der vier Meter hohen Ziegelwand, welche den Garten von der Straße abgrenzte, kletterte ein weitverzweigter Rosenstrauch empor. Er hatte viele weinrote Knospen, welche sich bald öffnen würden und schon jetzt wunderbar süßlich dufteten.
Nancy fragte Cyrus: "Was macht dein Sport?"
Cyrus antwortete: "Ich bin Sporttrainer an der Militärakademie."
Nancy: "Oh, wow. Dein erster richtiger Job. Gefällt er dir?"
Cyrus: "Ja, ich liebe es. Die strenge Hierarchie war etwas gewöhnungsbedürftig, aber meine Kollegen sind sehr nett."
Ravi fragte: "Halten euch die Kinder beschäftigt?"
Eli: "Das kann man wohl sagen, aber von neun bis um sechzehn Uhr sind sie in der Schule. Da machen sie sich ganz gut und wir können etwas durchatmen."
Ravi: "Ihr wirkt etwas müde."
Eli: "Das liegt an dem Bericht, welchen wir bis um drei Uhr morgens fertiggeschrieben haben."
Ravi: "War er so dringend oder wolltet ihr die Arbeit vor eurer Urlaubswoche vom Tisch haben?"
Nancy und Eli schauten sich besorgt an. Sollten sie jetzt schon mit negativen Nachrichten beginnen? Ihre Besucher waren eben erst angekommen, aber wenn Ravi schon danach fragte, wollte Nancy nicht lange herumdrücken. Sie holte tief Luft und räusperte sich.
Nancy: "Wir wollten dich nicht gleich damit überfallen. Wir haben leider schlechte Nachrichten."
Ravi: "Was ist los?"
Eli sagte: "Aufgrund der geringen Energiepreise zeigen die neuesten Wirtschaftsdaten einen massiven Wirtschaftsaufschwung. Es werden wieder vermehrt Gaskraftwerke ans Netz geschaltet und deshalb erwärmt sich die Erde wieder."
Ravi: "Was können wir ändern?"
Nancy: "Du musst die Produktion drosseln."
Ravi: "Warum? Dann werden sie noch mehr fossile Energie verbrennen und die Kohlendioxidkonzentration wird zusätzlich ansteigen."
Nancy: "Kurzfristig würden sie dies, aber langfristig würden die Energiepreise wieder steigen, die Nachfrage nach Energie sinken und damit auch die Wirtschaftsleistung heruntergefahren."
Ravi: "Ich muss das mit meinen Wirtschaftsfachleuten besprechen. Verdammt. Es kommt mir so vor, als wären wir in einen Teufelskreis geraten."
Eli: "Früher haben die Ölbarone die Wirtschaft geregelt, jetzt musst du dies tun."
Nancy:" Egal welche Entscheidung du triffst, sie wird sicherlich einigen nicht passen."
Ravi nickte. Er wusste, dass es auch ein gefährliches Spiel war. Er hatte viele Freunde, aber ebenso viele Feinde. Manche würden sich wünschen, dass Ravi tot wäre. Er hatte in seiner Firmenhierarchie vorgesorgt. Seine Lebensversicherung war, dass ein Nachfolger in seine Fußstapfen treten und denselben Weg wie er verfolgen würde - bis eines Tages Cyrus das Firmenimperium übernehmen könnte. Doch das Gefühl, mit dem Feuer zu spielen, war nicht besonders gut.
Cyrus: "Ich freue mich schon auf den Strand. Wie wäre es, wenn wir uns etwas in der Sonne entspannen und an etwas Positives denken."
Andrea: "Ah, da möchte jemand seine Muskeln bei den spanischen Mädels spielen lassen."
Cyrus verdrehte die Augen. Alle lachten.
Die Kinder sagten: "Oh ja. Lasst uns zum Strand gehen."
Nancy:" Ich denke, das ist eine gute Idee."
Sie packten ihre Badesachen und fuhren an den Strand. Cyrus hatte sich wahrhaftig starke Muskeln antrainiert. Er spielte Beachvolleyball mit Andrea und den Kindern. Ravi beobachtete Andrea in ihrem Bikini. Sie war sehr attraktiv und hatte eine wunderschöne, sportliche Figur. Andrea war so viel mehr als nur eine Kollegin. Sie beschäftigte sich auch viel mit Cyrus und hatte oft auf ihn aufgepasst, wenn Ravi geschäftliche Besprechungen hatte. Man könnte fast sagen, dass sie eine gewisse Mutterrolle eingenommen hatte. Wenn sich Ravi eine Lebenspartnerin wünschen würde, wäre es eine Frau wie Andrea. In diesem Moment hörte er sie lachen. Sie hatte eine wunderschöne Stimme. Sollte er wieder eine Beziehung eingehen? Er war geschieden, weil er nie für seine Familie Zeit gehabt hatte. Er war immer auf Geschäftsreisen. Jetzt lebte sein Sohn bei ihm, aber es hatte sich nichts geändert. Es waren seltene Ausnahmen, wenn er nicht arbeitete, so wie eben jetzt. Doch auch hier in Valencia klingelte immer wieder sein Telefon und sobald er wieder in Deutschland wäre, würde er von einer Geschäftsbesprechung zur nächsten eilen. Noch während seine Gedanken von einer neuen Beziehung im Nebel seines Tagtraums verblassten, kamen Andrea und die anderen auf ihn zugelaufen. Erst jetzt merkte er, dass er sie noch immer anstarrte.
Während Cyrus und die Kinder sich Eis kauften, setzte sich Andrea keuchend und außer Atem neben ihn hin.
Andrea: "Puh, das war ein anstrengendes Spiel. Morgen werde ich bestimmt einen Muskelkater haben."
Ravi roch das Gemisch ihres Parfums und ihren Körpergeruch. Es war ein angenehmer Duft. Er lächelte sie an. Was sollte er tun? Sie war seine langjährige Kollegin. Sie war das Ingenieursgehirn in seinem Unternehmen. Was würde er alles riskieren mit einer Beziehung, die eventuell wieder scheiterte?
Andrea fragte mit ihrer süßen Stimme: "Soll ich dir etwas zu trinken holen?"
Ravi antwortete: "Ja. Das wäre toll. Sangria?"
Andrea: "Um diese Tageszeit?"
Nun meinte auch Eli, der auf der anderen Seite lag: "Ja, klar. Wir sind hier in Spanien."
Nancy sagte: "Ich komme mit und helfe dir tragen."
Andrea und Nancy standen auf. Der Getränkestand war etwas entfernt. Während sie durch den heißen Sand gingen, war Andrea in Gedanken versunken. Sie hatte Ravis Blick bemerkt. Was hatte dies zu bedeuten? War es doch nur Einbildung? Sie fühlte sich immer von bösen Jungs angezogen. Leider. Sie war jedoch auch intelligent genug, Beziehungen mit ihnen schnell zu beenden, bevor sie verletzt wurde. So kam es, dass sie nie lange Beziehungen hatte. Seit sie für Ravi arbeitete, war aus beruflichen Gründen ohnehin keine Zeit dafür. Ravi wäre anders. Er war nicht böse, aber sein geschäftliches Interesse stand über dem menschlichen. Andererseits hatte er einen guten Kern. Er wäre sicherlich unkompliziert und auch ein Gentleman. Wie sehr sehnte sie sich nach einer richtigen Beziehung. Leider war er auch ihr Chef. Fängt man sich eine Beziehung mit seinem Chef an? Plötzlich wurde sie von Nancys Stimme aus ihrem Tagtraum gerissen.
Nancy: "Nancy an Andrea, bitte kommen. Ist alles in Ordnung?"
Andrea: "Hey, ja. Klar. Ich war nur etwas gedankenversunken."
Nancy: "Du hast ausgesehen, als wäre dein Geist auf einem anderen Planeten gewesen. Darf ich fragen was los ist?"
In diesem Moment waren sie am Getränkestand angekommen. Ein junger Mann stand hinter der Bar.
Andrea: "Vier Sangrias, bitte."
Dann wandte sie sich Nancy zu: "Ach. Manchmal fühle ich mich nur etwas einsam."
Nancy: "Obwohl du nahezu Tag und Nacht arbeitest?"
Andrea: "Ja. In meinen Pausen würde ich mich gerne an jemanden anlehnen."
Nancy: "Jagst du noch immer bösen Buben hinterher?"
Andrea: "Nein, diese Idioten interessieren mich nicht mehr. Ich bräuchte etwas Beständigeres, aber auch keinen Langweiler."
Nancy: "Du bist ohnehin ständig mit Ravi zusammen, wäre der nichts für dich?"
Andrea: "Er ist mein Chef."
Der Barmann stellte die vier Sangrias auf die Theke und sagte: "Macht sechzehn Euro."
Dann zwinkerte er Andrea zu und sagte: "Nebenbei, ich habe heute Abend noch nichts vor."
Andrea legte die sechzehn Euro auf den Tisch und lächelte ihn an.
Dann zwinkerte sie ihm zu und sagte: "Darling, ich sagte, ich möchte eine beständige Beziehung und keine Idioten mehr."
Nancy und Andrea nahmen die Sangrias und gingen zurück zu den Liegen. Nancy kicherte über Andreas Antwort. Andrea sah Nancy an und lachte ebenfalls. Sie brachten die Becher zu den Liegen. Dort spannte Cyrus eben seine Muskeln an und die Kinder durften so fest wie möglich zudrücken.
Nancy: "Sind die wirklich echt? Ich hoffe, du hast nicht mit künstlichen Mitteln nachgeholfen."
Cyrus: "So etwas würde ich nie machen. Ich möchte auch einmal zwei so süße Kinder haben."
Er spannte seine Muskeln noch fester an.
Cyrus: "Da, greif mal. Alles echt."
Nancy drückte seine Bizeps und sagte: "Dann kannst du gleich mal meine zwei süßen Kinder ins Wasser werfen."
Amy und Sven schrien: "Jaaa. Komm Cyrus, schmeiß uns ins Wasser."
Nancy und Eli waren froh, dass die beiden Kinder einen Actionpartner für das Wasser hatten. Cyrus war sanftmütig und kinderliebend. Sie krabbelten auf ihn und er warf sie in hohem Bogen in die Wellen.
Ravi sagte: "Schon fast beängstigend, dieses Muskelpaket im Wasser. Ich bin froh, dass er so sanftmütig ist, andererseits habe ich Angst, dass er sich dem Militär anschließt. Ich würde es nur ungern sehen, wenn er kämpfen müsste."
Nancy: "Ich denke, wenn es so weit ist, wird er die richtigen Entscheidungen treffen."
Ravi: "Ich habe ihn stets auf meine Firmenbesprechungen mitgenommen, in der Hoffnung, dass er eines Tages mein Firmenimperium fortführen wird, aber er scheint sich mehr für Sport zu interessieren."
Eli: "Was auch immer wir sagen oder möchten, letztendlich liegt die Entscheidung bei ihnen."
Ravi, Nancy und Eli sahen ihren Kindern beim Spielen im Wasser zu. Die letzten Klimadaten drückten auf ihr Gemüt. Wie lange würden ihre Kinder noch lachen und spielen können? Über die sonst so fröhliche Stimmung schob sich eine kleine, unscheinbare Wolke. Nicht, dass es kein schöner Urlaub war, doch etwas lag in der Luft, etwas, worüber niemand mehr sprechen wollte. Jeder wusste, dass sich aus den unscheinbaren Wolken ein Gewitter zusammenbrauen könnte, ein Gewitter, wie es noch nie da gewesen war.
***
Am 29. Oktober des darauffolgenden Jahres rief Nancy Ravi an. Er hatte seine Förderung von Metallen zurückgefahren. Wie vermutet, wurden wieder vermehrt Gas, Kohle und Öl für die Energieproduktion genutzt. Die Preise für Energie stiegen und der Verbrauch begann langsam zu sinken.
Ravi: "Hi Nancy! Was gibt es Neues?"
Nancy: "Ich habe eben einen Anruf von Marcel Zweig erhalten. Er sitzt in New York und sammelt die Daten des Nordatlantikstroms."
Ravi: "Des was? Ich kann dich schwer hören."
Nancy: "Des Nordatlantikstroms, du weißt schon, dem Golfstrom. Die Meeresströmung scheint sich verlangsamt zu haben."
Ravi: "Was bedeutet das?"
Nancy: "Nichts Gutes. Wenn er komplett abbricht, heißt dies folgendes: Die Durchschnittstemperatur in Island wird um zehn Grad sinken, in den U.K. um acht Grad, in Deutschland um vier bis sechs und in Österreich um zwei Grad. Im Mittelmeerraum wird sich die Temperatur nicht ändern. Die Temperatur, die in Europa fehlt, bleibt in Australien und Afrika liegen, weil der Wärmetransport ausfallen wird. Das heißt, ganz Australien wird zur Wüste."
Ravi: "Kurz gesagt, Island, U.K. und Australien kollabieren?"
Nancy: "Unter anderem. An der Ostküste der USA steigt der Meerespegel um zwei Meter, der polare Jetstream wird instabil und der Regengürtel verschiebt sich."
Ravi: "Okay, das heißt zusammengefasst was genau?"
Nancy: "Krieg und Migration. Wenn sich der Regengürtel verschiebt, brennt der Urwald und es regnet in der Wüste von Namibia. Wer weiß, was sonst noch alles passiert, schließlich hängen die Ökosysteme alle zusammen."
Ravi: "Hört sich nicht besonders aufbauend an."
Nancy: "Wir werden die Daten in den nächsten Monaten genauer beobachten. Ich habe eben eine Freundin zu Besuch. Sie hilft mir bei der Datenauswertung. Ich melde mich, wenn ich neue Nachrichten habe. Mach dich schon mal auf ein Gewitter gefasst."
Ravi: "Alles klar. Ich hoffe, wir hören uns mit besseren Nachrichten wieder. Mach´s gut."
Nancy legte den Hörer auf. In diesem Moment läutete es an der Tür. Nancy öffnete.
Nancy: "Hallo Chantal! Ich dachte, du kommst erst später? Komm rein."
Chantal: "Das war mein Plan. Ich habe mich entschieden, doch keine Runde mit dem Rad zu drehen. Die Wolken fliegen wie verrückt. Ich hoffe, dass es okay für dich ist, wenn ich etwas früher dran bin."
Nancy: "Klar. Kein Problem. Ich wollte uns eben Brötchen zubereiten."
Chantal: "Dann können wir das nun gemeinsam machen und uns im Anschluss dein Projekt ansehen."
Nancy: "Danke, dass du gekommen bist. Ich brauche für den Haufen an Daten wirklich eine strukturiert denkende Person. Das sind mindestens vierzig Klimastudien, welche ich auf einen gemeinsamen Nenner bringen muss. Jetzt komm aber herein. Hier ist es gemütlicher."
Nancy beobachtete die dunklen, schnell vorbeiziehenden Wolken. Dann schaute sie besorgt zu ihrer Freundin Chantal.
Nancy: "Ich hoffe, Eli kommt mit den Kindern bald vom Spielplatz retour. Die Wolken zischen da oben so schnell. So etwas habe ich noch nie gesehen."
Chantal: "Habt ihr nicht dieses Wetterphänomen La Gota Fria, zu Deutsch Kalter Tropfen, – wo es drei Tage durchregnet?"
Nancy: "Ja. Allerdings hat es in den letzten zwei Jahren nicht viel geregnet."
Chantal: "Es sieht merkwürdig aus, als würde der Jetstream diese Gewitterwolken im Kreis jagen."
In diesem Moment öffnete sich die Haustür. Eli trat mit den beiden Kindern ein. Nancy war sichtlich erleichtert.
Eli: "Was für ein Sturm."
Nancy: "Mich wundert, dass du mit den Kindern draußen warst."
Eli: "Es regnet ja nicht. Die dunklen Wolken sind in den Norden gezogen."
Chantal: "Wo sie sich vor den Bergen sammeln."
Nancy: "Jetzt lernst du endlich Chantal kennen. Sie ist die Beste auf dem Gebiet der Datenauswertung und wird uns heute helfen."
Chantal: "Freut mich, euch kennen zu lernen. Eli hat mir schon viel von euch erzählt."
Eli: "Willkommen bei uns. Du meinst, die Wolken ziehen nicht weiter?"
Chantal: "Rund um die Berge hat sie der Jetstream eingekesselt. Die drehen sich da oben im Kreis herum."
Eli: "Wie auch immer. Jetzt sind wir zu Hause."
Nancy: "Lasst uns schnell Brötchen machen und essen. Es ist bald acht Uhr abends. Nach dem Essen geht es ab ins Bett, Kinder. Zieht euch schon einmal die Straßenkleidung aus und Pyjamas an. Vergesst nicht eure Hände zu waschen!"
Amy und Sven riefen fast zur selben Zeit: "Ja. Machen wir Mama!"
Die Kinder liefen nach oben und wuschen sich im Rekordtempo ihre Hände. Dann gingen sie in ihre Zimmer, um sich ihre Pyjamas anzuziehen. Eli zog sich seine Schuhe aus und wusch sich ebenfalls die Hände. Als er wieder das Wohnzimmer betrat, ertönte auf seinem Handy ein Alarmsignal. Während er auf sein Handy schaute, schrillten auch auf den anderen Handys Alarme.
Eli: "Zivilschutzalarm?"
Chantal: "Was?"
Eli: "Keine Ahnung. Achtzig Kilometer im Norden gibt es ein Atomkraftwerk. Vielleicht war ein Unfall?"
Kaum hatte der verdutzt schauende Eli dies gesagt, blickte Chantal erschrocken zur Eingangstür und rief: "Da kommt Wasser herein."
Nancy: "Oh mein Gott. Ich lege die Sachen vom Boden auf die Sofas."
Chantal: "Schnell! Holt Decken! Dichten wir die Eingangstür ab!"
Das Wasser spritzte mit zunehmend stärker werdendem Druck zwischen der Eingangstür und dem Türrahmen ins Haus. Langsam wanderte der eindringende Wasserstrahl hinauf.
Nancy lief zum Fenster: "Oh mein Gott. Es steigt fast bis zum Fenster."
Eli schaute geschockt aus dem Fenster. Noch hatte das Wasser das Fensterbrett nicht erreicht. Es wirbelte wild davor herum. Nancy und Eli legten die untersten Bücher der Bibliothekswand, welche das Wohnzimmer zierte, auf etwas höhergelegene Regale.
Eli: "Das Wasser ist schon beim Fenster. Wie hoch steigt es noch? Lasst uns hinauf gehen. Wenn die Tür nachgibt sind wir in Lebensgefahr."
Nancy: "Die Katzen!"
Schnell griff sich jeder eine Katze und lief in das obere Stockwerk. Dieses bestand aus einem Badezimmer, einem kleinen Kinderzimmer und einem großen Spielzimmer. Nancy sperrte zwei Katzen in das Kinderzimmer und eine ins Badezimmer. Dann setzten sie sich zum Stiegenaufgang und sahen erschrocken zu, wie schnell das Schlammwasser Stufe für Stufe emporstieg. Plötzlich schnalzte der Sicherungshebel mit einem lauten Tack hinauf. Dann fiel der Strom aus und es war dunkel. Nancy, Eli, die Kinder und Chantal gingen auf den Balkon.
Das Wasser war bereits eineinhalb Meter hoch. Hinter der Ziegelmauer, welche den Garten umgrenzte, schwammen eben langsam mehrere Autos und eine Mülltonne vorbei. Sergio, ihr Nachbar des angrenzenden Hauses stand ebenfalls schon am Balkon. Er schüttelte seinen Kopf und hatte Tränen in den Augen.
Sergio: "Seid ihr alle in Ordnung?"
Eli: "Ja. Wir haben auch die Katzen schnappen können."
Nancy: "Was ist passiert?"
Sergio: "Ein Freund hat mich vorhin angerufen und gesagt, dass es in den Bergen so sehr geschüttet hat, dass eine Sturzflut ausgelöst wurde."
Eli: "Ich verstehe das nicht. Es ist hier alles eine flache Ebene. Im Süden sind Äcker und dann ist da der Nationalpark mit dem Albufera See. Hier ist alles viele Kilometer weit flach."
Sergio: "Ich verstehe auch nicht, wo all das Wasser herkommt. Mehr weiß ich auch nicht. Das Internet funktioniert nur gelegentlich und Anrufe sind gar nicht möglich. Diesen Event nennt man La Gota Fria oder DANA. Normalerweise regnet es drei Tage durchgehend, aber so etwas habe ich noch nie gesehen."
Nancy: "Was ist DANA? Ein Name?"
