Dandelia Dorca und die Wunschkekse - Marlies Lüer - E-Book

Dandelia Dorca und die Wunschkekse E-Book

Marlies Lüer

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Beschreibung

Der Haussegen der Dorcas hängt schief! Das liegt vor allem daran, dass schwangere Hexen extrem launisch sind und ihren Ehemann in eine Kröte oder Stubenfliege verwandeln, wenn ihnen der Sinn danach steht. Nur mal eben kurz, versteht sich … schließlich liebt Dandelia ihren Oliver.

Dandelia besteht darauf, dass ihr Kind auf Avalon aufwachsen soll. Aber ist die Insel wirklich ein sicherer Ort für Kleinkinder?

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Dandelia Dorca und die Wunschkekse

 

 

Marlies Lüer

Urban Fantasy

©2019

Band 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Autor: Marlies Lüer

Cover: Eva Baumann Design

Illustration: Pixabay License,

freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis nötig

Impressum:

Marlies Lüer, Esslinger Str. 22, 70736 Fellbach

www.Silberworte.de

 

Was bisher geschah …

 

 

 

Band 1, Das wahre Leben der Dandelia Dorca

 

 

War es ein dummer Zufall oder Vorhersehung? Der Inhaber von „Oliveros Zauberladen“ lernt unter dramatischen Umständen die junge Hexe Dandelia kennen und gerät zwischen die Fronten, denn die Prima Magica Chrysantha, die Oberhexe Avalons, fordert ihn zum Duell.

Wie gut, dass das nervige, kleine Stimmchen in Olivers Hinterkopf sich als Geist des Glewlwyd, Wächter Avalons entpuppt. Er übernimmt Olivers Körper und stellt sich zum Kampf.

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Dandelia Dorca und die Wunschkekse

Was bisher geschah …

Inhaltsverzeichnis

-1-

-2-

-3-

-4-

-5-

-6-

-7-

-8-

-9-

Epilog

 

 

 

-1-

 

„Bereit?“

„So bereit, wie man nur sein kann.“

„Drachengeschwader voraus!“

„Findest du nicht, dass du etwas übertreibst, Oliver?“

„Man kann nicht vorsichtig genug sein, mein Hexlein.“

Seufzend blickte Dandelia in den Tunnel, der sich wie gewünscht in der Standuhr aufgetan hatte, und zählte bis zehn, atmete tief ein, tief aus. Nie ging Oliver ihr mehr auf den Geist, als wenn er sich übervorsichtig gebärdete. Waren alle Männer so?

Dandelias Waldi flog voran, seine Gefährtin folgte. Olivers weißer Schulterdrache Wendi, mit vollem Namen Blodwen-Rosalie, kam rasch zurückgeflattert, verwuschelte Olivers Frisur und flog pfeilschnell wieder zurück. Alles in bester Ordnung! Nur seine Haare nicht mehr. Dandelia konnte sich ein kleines Grinsen nicht vergreifen, als er leise fluchte und mit den Fingern Ordnung auf dem Kopf machte, doch viel besser sah er danach auch nicht aus. Sie hob ein Bein an, um in den Uhrenkasten zu steigen, und prompt ergriff ihr Mann hilfsbereit ihren Ellenbogen, um sie zu stützen.

„Geht es denn?“

„Bei Merlins Bart, ja doch! Ich bin nicht invalide, nur fett.“

„Aber Hexlein, du bist nicht …“, begann er und wurde von einem genervten „Doch!“ unterbrochen. Im nächsten Moment verschwand seine Angetraute im Tunnel und er beeilte sich, ihr zu folgen. Wenige Momente später standen sie wieder vereint in einem hellen, freundlichen Raum.

„Was bin ich froh, dass unsere Häuser sich verbunden haben! Stell dir vor, wir würden wie damals in der Höhle herauskommen und ich müsste dich nach Urbe Magorum bergab tragen.“

„Stell du dir vor“, entgegnete Dandelia, „wir kämen in der Höhle heraus und ich würde dich den Bergtrollen zum Fraß vorwerfen, weil du mich pausenlos bemutterst und Hexlein oder Dandi-Maus nennst.“

Oliver öffnete den Mund, um sich über ihre Garstigkeit zu beklagen, aber im nächsten Moment lag Dandelia schon heulend an seiner Brust und ließ sich trösten und bemuttern. Die Hormone! Oliver zählte die Tage bis zur Niederkunft. Nein. Ehrlich gesagt, die Stunden. Die Stunden samt Minuten.

„Ich bin so gemein zu dir und du meinst es doch nur gut“, wisperte Dandelia und weinte sein Hemd nass. „Aber ich kann nichts dagegen tun, das musst du mir glauben. Bitte.“

Oliver strich ihr zärtlich über die Haare. „Aber ja doch.“ In Gedanken knirschte er mit den Zähnen. Das tu ich doch immer. Immer und immer wieder. Es war echt nicht mehr zum Aushalten mit ihr. Waren alle schwangeren Frauen so? Während er Dandelia in seinen starken Armen hielt, betrachtete er Waldi und Wendi, die sich auf einem Regalbrett niedergelassen hatten. Der weiße Schulterdrache tröstete offenbar den grünen. Anscheinend übertrug sich die Unausgeglichenheit seiner Frau auf ihren magischen Seelengefährten. Waldi sah aus, als hätte er Kopfweh oder etwas in der Art. Wendi knabberte zärtlich an seinen Stirnhöckern. Und wer tröstet mich, dachte Oliver sehnsüchtig. Noch zwei Wochen bis zum errechneten Termin, eventuell auch drei. Und dann … nein, dann wäre nicht wieder alles normal – alles wäre anders.

Dandelia seufzte noch mal und klopfte ihm freundlich auf die Schulter. „Danke, mein Lieber. Ich koche uns jetzt mal einen Tee und danach melden wir uns bei Doria und Talantha.“ Dandelia schlurfte zum Herd und entzündete das Holz darin mit einem Fingerzeig, während Oliver sich die Kette mit dem Standuhrschlüssel wieder um den Hals hängte, nachdem er den Besenschrank verschlossen hatte, der zum Gegenstück der Uhr auf dem Dachboden in Exeter geworden war. Er schätzte mit leicht schräggelegtem Kopf die Breite des Schrankes ab – höchstens ein guter halber Meter. Erstaunlich, dass Dandelia da noch durchpasste. Ob sich der Tunnel den Erfordernissen automatisch anpasste? Wie gut, dass er das nur dachte und nicht laut aussprach … sonst hätte er den Rest des Tages wohl als Kröte verbracht. Oliver nahm sich vor, Kyrian zu bitten, ihm einen Abwehrzauber beizubringen. Vorsichtshalber …

Mr. Spock, den er unterm Arm trug, zappelte und sprang zu Boden. Neuerdings konnten sie ihn nicht mehr allein lassen, weder in der Wohnung, noch im Laden. Dandelia tippte auf Trennungsangst, Oliver war mehr der Meinung, er sei eingeschüchtert und überfordert. Die Schulterdrachen hatten ihre eigene Theorie für die Verhaltensänderung entwickelt, schwiegen aber ihren Menschen gegenüber, denn sie hielten die Katze schlicht für einen eifersüchtigen Kontrollfreak. Vorbei die Zeit, als Mr. Spock seinen Oliver für sich alleine hatte! Missmutig schlich die Katze unter die Sitzbank der Küche und rollte sich dort zusammen in der Gesellschaft von Staubmäusen.

Während Dandelia den Kräutertee aufbrühte, füllte Oliver zwei Näpfe mit frischem Wasser, einen für die Drachen, den anderen für Mr. Spock. Er öffnete einen Fensterflügel – die frische Frühlingsluft war einfach eine Wohltat, zumal sie sich hier mit Waldluft vermischte.

„Wir sollten nachher einen kleinen Spaziergang machen, meinst du nicht auch?“

Dandelia deutete auf ihre geschwollenen Knöchel und verzog ihr Gesicht. „Wie wäre es, wenn du alleine spazierst und mich in meinem Elend alleine lässt?“

„Vielleicht sollte ich genau das tun.“

Überrascht blickte die junge Hexe zu ihrem frisch angetrauten Mann. Sie waren, sobald die Schwangerschaft feststand, den Bund fürs Leben eingegangen. Ihr war nach einer garstigen Antwort zumute, aber zu ihrer aller Glück wurde sie von ihrer Kristallkugel abgelenkt, die dreimal rot aufleuchtete. „Wir bekommen Besuch.“

Waldi flog sofort zum offenen Fenster hinaus. Wenig später kehrte er wieder und legte sich gemütlich auf das Regalbrett. „Doria kommt allein“, sagte er und kuschelte sich an Wendis Flanke an. „Du erlaubst doch, Rosi?“

„Immer doch, mein Waldi“, entgegnete sie und legte ihren Schwanz, dessen Zacken neuerdings in einem Altrosa schimmerten, fest um ihren Gefährten. Nur er durfte sie vertraulich „Rosi“ nennen; für alle anderen war sie Wendi – bei förmlichen Anlässen Blodwen-Rosalie.

Unter der Bank her war ein leises Fauchen zu hören und das Kratzen von Krallen auf Holz. Oliver zuckte mit den Schultern und stellte einen dritten Tonbecher auf den Tisch. Becher und Teekanne waren von Dandelia selbstgetöpfert und in Drachenfeuer gebrannt, was dafür sorgte, dass sie fast unzerbrechlich waren. Brombeerwein wäre ihm lieber gewesen, aber als treusorgender Ehemann, und als solcher war man ja auch irgendwie mitschwanger, verzichtete er in ihrer Gegenwart stets darauf und trank Tee.

„War nicht verabredet, dass wir runterkommen sollen nach Urbe Magorum?“, fragte er leicht verwundert.

„Ja, allerdings. Talantha und Doria kümmern sich immer zusammen um die Schwangeren. Wenn denn mal jemand überhaupt schwanger wird. Ich kann mich erinnern, es gab vor über fünfzehn Jahren drei zeitgleiche Schwangerschaften. Eine Sensation! Allerdings wurde nur ein Baby geboren, die anderen beiden gingen in den ersten Wochen verloren. Die ganze Stadt hat um sie getrauert.“

„Verständlich, wo Kinder auf Avalon so selten geworden sind.“

Dandelia nickte nachdenklich. „Es gibt nur zwei Magorums, die jünger sind als ich.“

„Magorums?“

„So nennen sich die Stadtbewohner spaßeshalber. Zumindest die Jüngeren.“ Dandelia schnupperte in die Luft. „Ich kann den Ziegenbock riechen. Bitte sei so gut und öffne die Tür in zwei Minuten.“

„So genau kannst du die Entfernung anhand des Geruchs abschätzen?“, fragte Oliver staunend und bereute die Frage sofort. Eben noch hatte Dandelia eine höfliche Bitte an ihn gerichtet, aber jetzt verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Maske, die einer wütenden Mórrigan würdig war. Erschöpft von ihren ständigen Stimmungsschwankungen, stand er plötzlich auf und verließ die Hütte, um tief durchzuatmen. Kein Wunder, dass es kaum noch Avalonkinder gibt! Welcher Mann ist so bescheuert, sich wissentlich darauf einzulassen? Hexen sind einfach unausstehlich, wenn sie schwanger sind, dachte Oliver. Wenn ich das gewusst hätte …

Um seinen Stress loszuwerden, schritt er kräftig aus, dem Ziegenbockwagen entgegen. Doria winkte ihm schon lebhaft zu. Sie hielt den Bock in einiger Entfernung von der Hütte an und bedeutete Oliver, sich neben ihr auf dem Kutschbock niederzulassen. Ihr wissender Blick sagte alles.

„So schlimm?“

Oliver nickte und schämte sich nicht der Träne, die über seine Wange kullerte.

„Es ist nicht zum Aushalten!“

„Du armer Mann, du. Bald ist es geschafft und deine Frau ist wieder so liebenswürdig wie zuvor. Hexen haben einen anderen Hormonhaushalt als nichtmagische Menschenfrauen. Kann gut sein, dass deine Dandi-Maus ihnen in besonderem Maße ausgeliefert ist. Eigentlich sorgen die leiblichen Mütter der jungen Hexen dafür, wenn die Jahre der Geschlechtsreife eintreten, dass das nicht überhandnimmt. Aber dein Schätzchen ist ja ohne die Fürsorge einer Mutter aufgewachsen. Und andere Frauen können die Rolle leider nicht übernehmen und die richtigen Kräuter und Zauber verabreichen.“

„Sag ihr bloß nicht aus Versehen, dass du weißt, dass ich sie gerne Dandi-Maus nenne. Beim letzten Mal hat sie mir das Bügeleisen an den Kopf geworfen.“

Oliver strich sich die Haare zurück, um eine mittlerweile gut verheilte Narbe über der Ohrmuschel zu zeigen.

„Dandelia bügelt?“, fragte Doria entgeistert. „Hast du sie verzaubert?“

„Ich wünschte, ich könnte es. Nein, sie versucht, sich den Exeter-Frauen anzupassen. Und das schließt das Bügeln meiner Hemden ein.“ Mit einem Hundewelpenblick schaute er die Alte an. „Ich habe das geradeso überlebt!“, klagte er.

„Och du Ärmster. Beim nächsten Mal kommst du zu mir und ich flicke dich zusammen.“ Doria zwinkerte ihn an. Junge, wehleidige Männer waren so niedlich … „Lerne, ihr aus dem Weg zu gehen. Es dauert nicht mehr lang. Du könntest sie auch hier bei uns lassen und wiederkommen, wenn das Baby da ist.“

„Das kann ich?“, fragte Oliver aufatmend und saß plötzlich wieder mit geradem Rücken, schöpfte Hoffnung. „Ach, lieber nicht. Sie würde mir das nie verzeihen, befürchte ich.“

Doria schnalzte, und der Ziegenbock unterbrach das Grasen, zockelte bis zur Hütte. Oliver half gentlemanlike der Alten vom Kutschbock.

„Ich danke dir, mein Junge. Wie wäre es, wenn du jetzt einen langen Spaziergang machst und ich kümmere mich um unsere Schwangere?“ Sie zwinkerte ihm vertraulich zu und flüsterte: „Im Korb da findest du Brombeerwein und Kekse. Mach dir eine schöne Zeit unter den Tannen. Ich schicke dir deine Wendi, wenn wir fertig sind.“

„Danke“, sagte er schlicht und atmete auf. „Wo ist eigentlich Talantha? Wir sollten doch zu euch runterkommen.“

„Ach ja, meine Güte, ich werde wirklich alt. Ganz vergessen! In der Stadt herrscht so eine Art Seuche, gegen die ich zum Glück immun bin. Ich übertrage sie auch nicht. Wir wollten verhindern, dass Dandelia und das Ungeborene angesteckt werden. Talantha liegt jedenfalls flach, und mit ihr die halbe Stadt. Wir können kaum noch den Betrieb des Freizeitparks aufrechterhalten.“

„Das ist ja furchtbar! Eine Seuche! Ist es Ebola? Oder die Cholera?“

„Nein. Ich glaube, die Nichtmagischen nennen es einen ‚Schnupfen‘. Mal ehrlich, wer denkt sich einen solch albernen Namen für eine so schreckliche Krankheit aus?“

Kopfschüttelnd ließ sie den werdenden Vater zurück. Dieser wiederum hätte gern ein so läppisches Problem wie einen Schnupfen im Tausch gegen überstrapazierte Nerven. Dandelia beklagte sich neuerdings darüber, dass er nachts mit den Zähnen knirschen würde und sie so um den wohlverdienten Schlaf käme, wo sie doch jetzt für zwei schlafen müsse … Doch als er deswegen freiwillig ins Exil ging und im Büro über dem Laden geschlafen hatte, da war es ihr auch nicht recht. An wem sie dann bitte ihre kalten Füße wärmen solle … daraufhin hatte er Dandelia warme Wollsocken in die Hand gedrückt. Zwei Tage lang sprach sie kein Wort mit ihm. Nun denn. Er schwor sich, dieses Kind würde das erste und letzte sein, griff energisch nach dem Korb und zog sich zum Waldrand zurück, wo er sich, weich auf Moos gebettet, an den Stamm einer Tanne anlehnte. Lächelnd öffnete er die Schachtel mit den Keksen. Sie war aus dem Laden „Hexenkekse und mehr“, der mitten im Freizeitpark lag. Die Kekse waren im Grunde völlig geschmacksneutral, aber ein Zauber sorgte dafür, dass jeder seinen Lieblingskeks aß und von dem köstlichen Duft nicht genug bekam. Die Besucher sagten tatsächlich manchmal, sie wären wie verzaubert – und ahnten nicht, dass es den Tatsachen entsprach. Für ihn schmeckten sie nach Nuss-Nougat, und manchmal auch nach Zimt und Kandis. Der Brombeerwein hingegen war Natur pur. Oliver nahm einen kräftigen Schluck und ließ den Fruchtwein mit geschlossenen Augen genießerisch über die Zunge in die Kehle laufen.

Da raschelte es plötzlich leise neben ihm … und plötzlich lag Mr. Spock auf seinen ausgestreckten Beinen und fing sofort an zu schnurren.

„Spöckchen, alter Freund, hast du es auch nicht mehr ausgehalten? Nur Mut, es ist bald vorbei.“ Das Schnurren verstärkte sich, als Oliver seinem Kater den Bauch kraulte. „Willst du einen Keks? Schmeckt nach Thunfisch.“

Oliver hielt ihm einen vor die Nase und sah belustigt, wie diese förmlich erbebte. Er warf ihn auf den Waldboden und Mr. Spock jagte hinterher und spielte mit dem Keks, bevor er ihn auffraß. Die Sonne schien warm und warf ihre Strahlen auf Dandelias Hütte, die Oliver so sehr liebte. Sie war für ihn mehr als nur ein Wochenendhaus, sie war ihm Heimat geworden. Dort hatten sie auch das Baby gezeugt, davon war er überzeugt.

„Cheers! Auf dich, mein Junge!“, sagte er laut. Oliver nahm einen tiefen Schluck und genoss das leichte Brennen, das der Wein hinterließ. „Auf dich, mein Mädchen!“, fuhr er fort und lächelte. Die Flasche war zur Hälfte geleert und er fühlte sich schon viel besser. Doch in seiner Brust fühlte er nach wie vor ein leises Ziepen, das seine unterschwellige Angst verkörperte. Dandelia hatte sich stets geweigert, einen Gynäkologen zur Vorsorge aufzusuchen. Sie vertraute nur den Hexen von Avalon. Auch wollte sie hier gebären, auf der Insel. In irgendeinem heiligen Hain oder so, er hatte den Namen vergessen. Unvernünftig! In höchstem Maße unvernünftig! Sie wollte auch nicht, dass das Kind eine echte Geburtsurkunde bekam und somit später auch schulpflichtig werden würde. Nein, für sie kam nichts anderes als ein Aufwachsen in Avalon in Betracht, nachdem sie England näher kennengelernt hatte. Ihre anfängliche Begeisterung für alles jenseits ihrer kleinen Insel hatte einen jähen Umschwung genommen. Das war dann zu dem ersten, echten Streit ausgeartet. Oliver wollte nicht, dass ihr gemeinsames Kind in einer Scheinwelt aufwuchs und zu einem richtigen Zauberer erzogen wurde. Das war viel zu gefährlich. Eines Tages würde womöglich die Tarnung gänzlich zusammenbrechen – und dann? Area 51 oder lebenslange Sicherungsverwahrung in der Psychiatrie? Oder Ausnutzung der Fähigkeiten im Geheimdienst ihrer Majestät? Die Regierung und erst recht das Volk würde echte Zauberer und Hexen nicht in ihrer Mitte dulden. Um keinen Preis. Sie wären Freaks, Ausgestoßene, Internierte! Der Mensch an sich war intolerant und fühlte sich leicht bedroht. Ihr Streit hatte mit einer Art Waffenstillstand sein vorläufiges Ende gefunden, aber Oliver wusste, dass eine konsequente Entscheidung unerlässlich war und dachte immer und immer wieder über Argumente nach, mit denen er Dandelia überzeugen wollte. Was sollte das alles bloß noch werden? Sie konnten sich nicht mal auf einen Namen für das Kind einigen. Oliver merkte nicht, dass er den letzten Keks in seiner Hand zerkrümelte. Für den Kater war das durchaus willkommen, er verschlang hastig die plötzlich nach Lachs duftenden Krümel und leckte danach sein Mäulchen sauber. Gebieterisch stupste er seine Nase an die geballte Faust und wollte noch die letzten Spuren in sich aufnehmen. Oliver gewährte ihm die Schlabberei an seiner Hand und hob mit der anderen den Weinkrug an die Lippen und leerte ihn bis zur Neige. Er hätte noch lange so sitzen können, hier, am Baum, so herrlich allein. In der freundlichen Wärme eines Frühlingstages, an einen Baum gelehnt, ohne Pflichten, einfach nur er selbst sein und dem sanften Rauschen des Windes zuhören. Ganz leise hörte er sogar das Meer, wenn er genau lauschte. Meeresbrandung … ja, ein Hauch von Salz lag auch in der Luft. Dazu das Zwitschern der Vögel, das Keckern und Fauchen von Eichhörnchen, die sich von Raubvögeln bedroht sahen. Einige Ameisen hatten den Brombeerweinkrug und seine Hand erobert. Natur pur. Er ließ sie eine Weile gewähren, schaute ihnen verträumt zu. Sie bissen nicht. Wendi kam plötzlich im Tiefflug angerauscht und blieb dann wie ein Kolibri vor seinem Gesicht in der Luft stehen, in wahnwitziger Geschwindigkeit mit den Flügeln flatternd. Er hatte gar nicht gewusst, dass sie das konnte.

„Du kannst wiederkommen. Sie sind fertig mit allem.“ Indigniert schaute sie zum Kater hinab, der unwillig mit dem Schwanz schlug und sie anstarrte. In seinen smaragdgrünen Augen lag eine Mischung aus Wut und Trauer und ein klein wenig Hass. Er fauchte leise und schlug seine Krallen in Olivers Oberschenkel.

„Aua! Was ist in dich gefahren, du blödes Spitzohr?“

Verärgert stand Oliver auf und ging auf die Hütte zu, drehte wieder um und hob die leere Schachtel vom Waldboden auf und nahm den Krug, worin nun einige Ameisen eifrig umherwuselten. Schließlich war er Umweltschützer, da ließ man seinen Müll nicht liegen. Wendi umflatterte ihn und ließ sich auf seinem Kopf nieder, beugte sich nach vorn und begann, zärtlich an ihm zu knabbern.

„Wendi, was tust du?“

„Es geht dir nicht gut. Ich knabbere an deinen Stirnhöckern.“

„Das sind meine Augenbrauen. Menschen haben keine Stirnhöcker, es sei denn, sie wären Neanderthaler.“

„Und? Bist du einer?“

„Ein was?“

„Ein Neanderthaler.“

„Nein. Natürlich nicht. Du kaust auf meinen Augenbrauen. Das hilft mir nicht.“

„Oh, dem großen Drachengeist sei Dank! Deine Höcker fusseln nämlich, hab schon Härchen auf der Zunge.“

Oliver hörte spuckende Geräusche von oberhalb.

„Augenbrauen, nicht Höcker. Darauf bestehe ich.“

Oliver wischte mit der freien Hand über die Stirn, um den Drachenspeichel zu entfernen. Bei aller Liebe, aber der Sabber neigte zum Müffeln, wenn er trocknete.

„Was auch immer, Oliver. Ich würde dir gern helfen. Waldi ist am Ende, der kriegt das alles mit. Ihre ganzen Gefühle und so. Das schwappt über, und manchmal kann er den geistigen Schutzwall nicht aufrechterhalten.“

„Armer Kerl. Das war doch aber im letzten halben Jahr nicht so, oder habe ich es nur nicht mitbekommen?“

„Nein, das ist erst seit zwei Wochen so ausgeprägt.“

„Spürst du mich auch?“

„Nicht mehr als sonst. Du bist ja nicht trächtig,“

„Schwanger. Bei uns heißt das schwanger.“

„Stimmt. Verzeih mir.“

Oliver klopfte auf seine Schulter und sofort wechselte Wendi ihren Platz. Schließlich war sie ein Schulterdrache und kein Kopfdrache. Mr. Spock flitzte ihnen voraus, wich dem grasenden Ziegenbock aus und sprang elegant durch das immer noch geöffnete Fenster. Von innen hörte man die beiden Frauen lachen und Oliver wurde es leichter ums Herz. Als er kurz darauf die Hütte betrat, lächelte Dandelia ihn entspannt an. Doria drehte sich zu Oliver um und zwinkerte ihm unauffällig zu.

„Tja, ich muss dann wieder. Im Wagen habe ich noch ein paar Vorräte für euch, das sollte für ein langes Wochenende reichen. Deiner Frau und dem Kind geht es sehr gut. Ich schätze, mehr als vierzehn Tage dauert es nicht mehr. Das Baby hat sich endlich gedreht. Kommt recht bald wieder, ich bereite die Geburtsstätte im Heiligen Hain vor.“

Oliver begleitete die alte Hexe zum Kutschwagen, steckte dem Ziegenbock heimlich etwas Salzlakritz zu und hievte den Korb mit den Vorräten von der Ladefläche. Der Duft frischgebackenen Brotes stieg ihm in die Nase.

„Nochmal tausend Dank für alles, Doria“, sagte Oliver und half ihr beim Aufsteigen.

„Deine Dandi-Maus sollte für einige Tage erträglicher sein“, verriet ihm Doria mit einem Augenzwinkern. „Ich habe ihr Stein und Bein geschworen, dass Hexen, die kurz vor der Geburt immer nett zu ihrem Mann sind, schneller wieder ihre alte Figur zurückbekommen und vor allem ein artiges Kind.“

„Und das hat sie dir geglaubt?“ Oliver lachte laut auf und knuffte sanft gegen die zarte Schulter der Hexe. „Du bist mir ja eine!“

„So, nun muss ich aber. Macht’s gut ihr zwei Hübschen und genießt die letzten Tage, vor allem die Nächte, wo ihr noch durchschlafen könnt. Hach, ganz Urbe Magorum freut sich auf euer Baby!“

Doria hob die Zügel an und schnalzte mit der Zunge. Der Ziegenbock gehorchte und zockelte gen Tal. Oliver trug schnellen Schrittes den Korb in die Hütte, denn der Brotduft hatte seinen Appetit geweckt. Gemeinsam verspeisten sie Käsewürfel, Beerenobst aus Avalons Plantagen und Walnuss-Feigen-Brot, das dezent auch nach Apfel und Zimt duftete.

„Ich könnte jetzt einen Verdauungsspaziergang gebrauchen, du auch?“, fragte Dandelia träge und strich über ihren Bauch.

„Unbedingt. Es ist so schönes Wetter. Bald soll es umschlagen, sagt der Wetterbericht. Wohin willst du, zum See?“

„Nein. Ich will zum Friedhof.“ Etwas ungelenk erhob sie sich von der Holzbank, stützte sich dabei auf der Tischplatte ab und ächzte. „Den kennst du noch nicht. Ist nicht weit weg von hier.“

„Was willst du denn dort? Ist wer gestorben, den ich kenne?“

„Nein. Ich will zu … ach, das erkläre ich dir, wenn wir dort sind.“

Hand in Hand gingen sie langsam Richtung Wald, bogen aber vorher auf einen Weg ab, der Oliver bisher nicht aufgefallen war. Es war mehr ein Trampelpfad, der, wenn ihn nicht alles täuschte, zum Rand der Insel führte, in die Nähe der Ruinen, wo die Tafelrunde stand. Dandelia erzählte ihm aus ihrer Kindheit, wie sie bei verschiedenen Familien aufwuchs, weil keiner mit ihr zurechtkam. Ihre Trauer und die Wut über das Verlassenwerden durch ihre Eltern äußerten sich in Ungehorsam, Aufsässigkeit, Zerstörungswut. Sie war erst neun Jahre alt, als das Meer der Magie nach ihren Eltern rief und sie verschlang. Oliver versuchte redlich, ihre Bildersprache zu verstehen und lauschte intensiv, stellte hier und da Fragen. Offenbar waren sie bei dem Versuch, einen neuen Zauber zu kreieren, ums Leben gekommen.

„Letztlich wollte mich nur noch die alte Gerwen bei sich dulden. Sie war fast taub, also machte sie sich nichts aus meinem ewigen Gezeter. Ihre Geduld war unendlich. Ich durfte bei ihr sein, wie ich war, tun, was ich wollte … wir lebten abseits der Siedlung. Stell sie dir wie eine Eremitin vor. Ihr graues Haar schleifte auf dem Boden, war verfilzt. Gerwen war nicht ganz richtig im Kopf, sie vergaß immerzu alles Mögliche, obwohl ihr Verstand an sich messerscharf war. Aber sie hatte ein großes, goldenes Herz. Sie gab mir Verantwortung. Von ihr habe ich gelernt, wie man Tiere und passende Naturgeister als Helfer ruft, wie man sie gesund pflegt, wenn sie sich verletzt haben, und all solche Sachen. Sie gab mir ihre schwierigsten Pflegefälle, auch gefährliche Tiere. Und so vergaß ich meinen Schmerz, denn ihrer war größer.“

Es war kühl zwischen den Eiben, Oliver fröstelte. Auch ihre Schulterdrachen waren still und lauschten Dandelias Erzählung.

„Hier ist es.“

„Wo? Ich sehe keinen Friedhof.“

„Nicht wie bei euch. Wir verstreuen die Asche unter den Bäumen, oder vergraben die Urne zwischen den Eiben. Wir gehen schon einige Minuten auf dem Friedhof umher.“

„Gibt es denn keine Grabsteine? Woher wollt ihr wissen, dass ihr am richtigen Ort seid?“

„Daher!“

Dandelia machte eine rasche Handbewegung, so als wolle sie etwas von unten nach oben schieben und murmelte dazu ein Zauberwort. Zwei Säulen aus Licht formten sich in drei Metern Entfernung. In ihnen erschienen die Abbilder eines Mannes und einer Frau.

„Das sind meine Eltern. Nora und Balian. Stell es dir wie ein Hologramm vor. Nur dass dieses einen Mittelwert aus allen Erinnerungen der Bewohner von Urbe Magorum abbildet. Alle, die sie liebten, die mit ihnen befreundet waren, haben diese Erscheinungen geformt. Wenn eines Tages alle gestorben sind, die sich an sie erinnern können, werden die Lichtsäulen leer bleiben.“

Oliver nahm seine Frau in den Arm und küsste ihre Stirn. „Ich wünschte, ich hätte sie kennenlernen können. Sie wären sicher wunderbare Großeltern für unser Kind gewesen. Ich mag ihr Lächeln und wie ihre Augen strahlen.“

 

***

 

Das Wochenende in der Hütte am Wald verging viel zu schnell. Am Sonntagabend kehrten sie durch den Besenschrank zurück auf den Dachboden des Ladens. Sorgsam verschloss Oliver die Uhr und hängte sich den Schlüssel wieder um den Hals. Mr. Spock schien die Nacht hier verbringen zu wollen, denn er zog sich sofort in seine kleine, gut gepolsterte Höhle aus Weidengeflecht im Arbeitszimmer zurück und war nicht mit guten oder bösen Worten hervorzulocken. Die Drachen hingegen flogen eine Kontrollrunde durch den Laden im Erdgeschoss und sammelten sich in der kleinen Teeküche. Erwartungsvoll saßen sie auf dem Kühlschrank, wo immer kleine Leckerbissen aus der Pfanne für sie bereitlagen.

„Ihr seid so verfressen, aber ich liebe euch dafür, ihr kleinen Ungeheuer“, säuselte Dandelia und öffnete die Tür zum kühlen Futterparadies. Völlig unerwartet knurrte Waldi und stieß Rauchwölkchen aus. Auch Wendi spannte ihre Muskeln an und im selben Moment flogen sie aus dem Raum. Vor Schreck ließ Dandelia den Teller mit den Leckerchen fallen, er zersprang mit einem Knall in viele Scherben. „Was ist los?“, rief sie den Drachen hinterher, die Richtung Verkaufsraum durch die Luft sausten.

„Dandi-Maus? Ist dir was passiert? Warte, ich komme!“, rief Oliver und rannte die Treppe hinab. Er hörte die Drachen fauchen und kreischen. Wie sehr wünschte er sich in diesem Moment, sie könnten hier ebenso frei in menschlicher Sprache reden wie auf Avalon. „Wo bist du?“ Zuerst warf er im Vorübergehen einen flüchtigen Blick ins Lager. Leer. Und dann hörte er schon Dandelia entsetzt aufschreien und sah, als er in den Verkaufsraum stürmte, wie sie in sich zusammensackte. Im letzten Moment konnte er noch Kopf und Schultern auffangen, so dass sie weich zu liegen kam. Waldi und Wendi flogen erregt vor der Fensterscheibe auf und ab und fletschten ihre messerscharfen Zähne.

„Nein, das kann nicht sein“, murmelte Oliver, als er ein bekanntes Gesicht sah. Ein Mann stand auf dem Gehweg. Ein Mann, der ihm sehr, sehr ähnlichsah, aber keine Brille trug. Total heruntergekommen, aber unverkennbar.

Olarion!

„Was hast du mit ihr gemacht, du Schwein?“, schrie er ihn an und rannte zur Tür, fingerte am Schloss und wollte die Tür öffnen, dem Feind hinterherlaufen, ihn stellen und zur Verantwortung ziehen. Doch Wendi biss ihn sanft in die Hand, zog ihn dann am Ohr zu Dandelia zurück. Ein merkwürdiger Geruch stieg in seine Nase. Verwirrt starrte er auf die wässrige Pfütze, die sich unter seiner Frau ausbreitete. Dann begriff er.

„Oh nein. Die Fruchtblase ist geplatzt. Dandelia, wach auf! Du musst ins Krankenhaus.“

Zuerst wollte Oliver eine Taxe rufen, aber dann wählte er doch 999 für eine Ambulanz und schilderte die Lage. Besorgt kniete er sich neben seine Frau und hielt ihre kühle Hand, rieb sie warm, sprach mit Dandelia, stupste sie in die Kuhle über dem Schlüsselbein, um sie wachzuhalten, doch ihre Augenlider flatterten nur. Nach einer Weile kehrte sie aus ihrer kurzen Ohnmacht zurück und bat Oliver, sie nach Avalon in den Hain zu bringen.

„Versprich es mir!“, verlangte sie.

„Was hat er dir getan? War das ein Schadzauber oder hast du dich nur fürchterlich erschrocken?“

„Ich weiß es nicht. Bring mich in den Hain! Ruf Doria und die Hainhexen.“

„Die Ambulanz ist schon unterwegs, ich bringe dich ins Krankenhaus. Wir schaffen es nicht bis zur Insel. Keine Widerrede.“

Oliver küsste ihre Fingerspitzen und hielt Ausschau nach der Ambulanz, schloss im nächsten Moment die Tür auf, denn er hörte das Signalhorn. Tränen, geboren aus Angst und Wut, rannen über seine Wangen und er merkte es nicht. Dandelia keuchte auf, als eine starke Wehe kam. Als die Sanitäter sie in den Ambulanzwagen brachten, war ihr Gesicht ebenso schmerzverzerrt wie wütend. Oliver fuhr vorne auf dem Beifahrersitz mit. Der Fahrer schaute ihn hin und wieder prüfend an und sprach beruhigend mit dem werdenden Vater, der viel zu blass um die Nase war.

Die Drachen blieben im Haus zurück. Blodwen hatte Waldemar im letzten Moment noch zurückgehalten, sonst wäre er mit dem Krankenwagen mitgeflogen. Ein Schulterdrache, der auf sich hielt, ließ seine Hexe – oder seinen Hexer – nie allein, schon gar nicht, wenn Gefahr im Verzuge war. Doch sie waren hier nicht daheim und somit nicht sicher vor neugierigen Nichtmagischen. Sie flogen in die obere Etage, wo Mr. Spock in seinem Körbchen im Tiefschlaf lag. Die Schulterdrachen setzten sich in die Fensterbank und schauten besorgt auf die Häuser und Straßen der Stadt. Die Dämmerung kam und dann die Nacht. Immer noch waren sie allein. Der Kater hatte sich irgendwann dazugesellt und hielt mit ihnen Wacht.

 

Wenige Stunden später kam Dandelias und Olivers erstes Kind zur Welt. Ein Junge.

 

 

-2-

 

 

Einige Jahre später …

 

 

Feierabend. Oliver schloss die Tür hinter dem letzten Kunden und nahm den Einsatz aus der Kasse, um in der kleinen Küche die Einnahmen zu zählen. Lustlos setzte er die Kassette auf dem Tisch ab und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Das war zu einer festen Gewohnheit geworden, seit er den Laden alleine führte. Dandelia war seit dem Vorfall mit Olarion nicht mehr hier gewesen. Manchmal übernachtete er sogar in dem kleinen Wohnhaus, hier in Exeter, wenn sie sich wieder einmal gestritten hatten. Aber, mal ehrlich, was hätte er denn auch anderes tun sollen? Sie damals ins Krankenhaus zu bringen, war ein Gebot der Vernunft gewesen. Sie hatte einen Schock erlitten und ihr Kreislauf drohte zusammenzubrechen. Es war ihm allein zu verdanken, dass sie und der Junge lebten! Sogar die alte Doria war seiner Meinung, aber das galt Dandelia wenig. Sie trauerte nach wie vor einer Geburt im Heiligen Hain hinterher. Doria und auch die anderen Mitglieder des Hohen Rates waren einstimmig der Meinung, dass die Ursache des Fluch-Versagens an der Schwangerschaft gelegen hatte. Wenn Hexen ein Kind austrugen, schwächte das ihre Magie, denn alle gute Kraft floss in das Werden des Kindes und den Schutz der Gesundheit der Mutter. Olarion musste das gespürt haben. Warum es ihn aber genau zu dieser bestimmten Zeit zu „Oliveros Zauberladen“ gezogen hatte, darüber konnte man nur mutmaßen. Vielleicht war er auch nur zufällig in der Nähe von Exeter gewesen.

Oliver öffnete die Flasche und trank sie halb leer.

---ENDE DER LESEPROBE---