Dangerzone – Bedrohung aus der Tiefe - Andreas Schlüter - E-Book

Dangerzone – Bedrohung aus der Tiefe E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Gefährliche Schatzsuche am Great Barrier Reef Marcel und Julia begleiten ihren Vater, einen erfolgreichen Tierfotografen, auf einen Tauchtrip in die faszinierende Unterwasserwelt des Great Barrier Reefs. Als Marcel zwischen den Korallen eine verwitterte Münze entdeckt, sind die Geschwister elektrisiert: Stammt die Münze etwa aus dem Schatz der gesunkenen Endeavour von James Cook? Und das ist erst der Beginn eines großen Abenteuers: Auf der Suche nach dem Schatz landen Julia und Marcel auf einer einsamen Insel, werden von einem australischen Wirbelsturm überrascht und sind plötzlich umzingelt von Haien! Gefährliche Orte, tödliche Tiere, fiese Verbrecher  -  auch im zweiten Band der Action- und Abenteuerserie von Andreas Schlüter geht es zur Sache! Mit illustrierten Sachbuchseiten inkl. Survival-Tipps. Alle Bände der Serie: Band 1: Dangerzone – Gefährliche Wüste Band 2: Dangerzone – Bedrohung aus der Tiefe Band 3: Dangerzone – Flucht aus der Todeshöhle, erscheint im Herbst 2023 Serie bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 185

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Andreas Schlüter

Dangerzone

Bedrohung aus der Tiefe

Band 2

 

 

Mit Vignetten von Stefani Kampmann

 

 

Über dieses Buch

 

 

Gefährliche Schatzsuche am Great Barrier Reef

Marcel und Julia begleiten ihren Vater, einen erfolgreichen Tierfotografen, auf einen Tauchtrip in die faszinierende Unterwasserwelt des Great Barrier Reefs. Als Marcel zwischen den Korallen eine verwitterte Münze entdeckt, sind die Geschwister elektrisiert: Stammt die Münze etwa aus dem Schatz der gesunkenen Endeavour von James Cook? Und das ist erst der Beginn eines großen Abenteuers: Auf der Suche nach dem Schatz landen Julia und Marcel auf einer einsamen Insel, werden von einem australischen Wirbelsturm überrascht und sind plötzlich umzingelt von Haien!

Gefährliche Orte, tödliche Tiere, fiese Verbrecher - auch im zweiten Band der Action- und Abenteuerserie von Andreas Schlüter geht es zur Sache! Mit illustrierten Sachbuchseiten inklusive Survival-Tipps.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

© Christian Kalnbach

Bevor Andreas Schlüter, geboren 1958, mit dem Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern begann, leitete er Kinder- und Jugendgruppen und arbeitete als Journalist und Redakteur. 1994 feierte er mit dem Kinderroman »Level 4 – Die Stadt der Kinder« einen fulminanten Erfolg und ist seitdem als Autor tätig. Andreas Schlüter verfasst zudem Drehbücher, unter anderem für den »Tatort«. Schon als Junge liebte er Abenteuerromane, in denen man die wildesten Sachen erleben kann, ohne nasse Füße oder Kratzer zu bekommen

© Magdalene Noll

Stefani Kampmann, geboren 1971, zeichnete schon als Kind gerne und überall. Während ihres Studiums der Innenarchitektur nahm sie zahlreiche Aufträge als Illustratorin an und verfolgte diesen Weg danach weiter. Sie bebilderte zahlreiche Kinder- und Jugendbücher und veröffentlichte zwei Graphic Novels. Außerdem gibt sie Comic-Workshops für Jugendliche. In ferne Länder ist sie schon einige Male gereist, zum Glück musste sie dort aber (fast) nie ums Überleben kämpfen.

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de

Inhalt

Kapitel 1 Im Paradies

Kapitel 2 Eine seltsame Entdeckung

Kapitel 3 Die Münze des Käpten Cook

Kapitel 4 Auf Schatzsuche

Kapitel 5 Unverhoffte Helfer

Kapitel 6 Ein Sensationsfund

Kapitel 7 Eine böse Überraschung

Kapitel 8 Allein auf der Insel

Kapitel 9 Zyklon (oder: Willy Willy)

Kapitel 10 Alles verwüstet

Kapitel 11 Attacke unter Wasser

Kapitel 12 Ein Taucher!

Kapitel 13 Flucht

Kapitel 14 Gefährliches Versteck

Anhang

Leseprobe Band 3

Schreck in der Abendstunde

Kapitel 1Im Paradies

Marcel stand knietief im Wasser und schaute übers Meer. Ob nicht vielleicht doch ein Hai in der Nähe zu sehen war? Andererseits hatten ihm seine Eltern versichert, dass an dieser Stelle höchst selten welche auftauchten. Doch Marcel war skeptisch. Seiner Meinung nach konnte niemand mit Sicherheit sagen, wo sich diese gefährlichen Raubfische herumtrieben. Aber zumindest an diesem Vormittag behielten seine Eltern wohl recht. Soweit er es erkennen konnte, schwamm hier wirklich kein Hai herum.

Er ging in die Knie und prüfte noch einmal, ob das Glas seiner Taucherbrille auch nicht beschlagen war, indem er sie knapp unter die Wasseroberfläche drückte und nun wie durch ein Fenster ohne Verzerrungen auf den Grund des kristallklaren Wassers schauen konnte.

»Ich bin so froh, dass wir aus Alice Springs weg sind!«, rief er seiner Zwillingschwester Julia zu, die sich nur wenige Meter entfernt die Halterung des Schnorchels durch das Kopfband ihrer Taucherbrille schob.

»Ich auch«, antwortete sie und hockte sich ins Wasser, um sich die Schwimmflossen über die Füße zu ziehen. »Ein lebensgefährliches Abenteuer genügt mir. Das muss ich wirklich nicht noch mal haben.«

»Nein!«, stimmte Marcel ihr lachend zu. Er befestigte ebenfalls den Schnorchel an der Taucherbrille und streifte sich seine Flossen über. Dabei ließ er noch einmal kurz den Blick über den weiten weißen, feinsandigen Strand schweifen, an dessen Rand der Regenwald begann.

»Im Vergleich zur Wüste ist das hier das reinste Paradies!«

»Nicht nur im Vergleich dazu«, konterte Julia. »Wie sollte das Paradies denn sonst aussehen?«

Marcel blickte übers Meer.

»Na ja, etwas weniger giftige und gefährliche Tiere wären gut. Aber du hast schon recht. Hier ist es wirklich paradiesisch.«

Seit einer Woche bewohnten sie zwei der kleinen Ferienhütten in Strandnähe. Die Behausungen waren nicht sonderlich luxuriös, aber so preiswert, dass ihre Eltern sie gleich für einen ganzen Monat gemietet hatten; eine für sich und eine eigene Hütte für Marcel und Julia. Bezahlen mussten sie ohnehin nur eine, weil ihr Vater beruflich hier war und seine Reisekosten vom Auftraggeber übernommen wurden. Nur die Zusatzkosten mussten aus eigener Tasche beglichen werden. Ihr Vater Gunnar hatte als Tierfotograf einen großen Auftrag: die Fotos für einen Bildband über Australiens Fauna. Wegen der riesigen Entfernungen zwischen den verschiedenen Regionen Australiens und dem großen Aufwand, den man für gute Fotos treiben musste, würde er für den Auftrag vermutlich ein ganzes Jahr benötigen. Deshalb hatte er seine Familie mitgenommen. Julia und Marcel wurden in dieser Zeit von ihrer Mutter Maria unterrichtet, die darüber hinaus in den Städten immer wieder als Lehrerin arbeitete und somit auch während der langen Reise Geld verdiente.

Jetzt waren sie also hier in der berühmten Cape Tribulation – zu deutsch: Bucht der Tränen – und freuten sich auf die Tauchausflüge, die sie mit ihrer Mutter in den nächsten Tagen unternehmen wollten.

»Bereit?«, fragte Marcel seine Schwester und zog die Taucherbrille über Nase und Augen.

»Ja!«, antwortete Julia. Sie formte mit Daumen und Zeigefinger das Taucherzeichen für »Alles okay«. Und fragte erstaunt: »Hast du deine Kamera nicht dabei?«

»Nö! Ich schaue mich erst mal so um. Fotos machen kann ich in den nächsten Tagen immer noch.« Er schob sich das Mundstück zwischen die Lippen, atmete ein paarmal probehalber ein und aus und prüfte mit der rechten Hand den korrekten Sitz des Schnorchels. Dann glitt er bäuchlings ins Wasser, tauchte mit dem Gesicht unter, legte die Arme eng an seinen Körper und bewegte sich mit Hilfe der Flossen in ruhigen Bewegungen fort. Sofort überkam ihn das wohlige Gefühl, das er vom Schnorcheln kannte. Es fühlte sich überhaupt nicht mehr wie Schwimmen an, sondern als würde er über die Felsen unter Wasser hinwegfliegen.

Die Leidenschaft fürs Fotografieren hatten die beiden Kinder von ihrem Vater, Julia zugegebenermaßen viel mehr als Marcel. Der beobachtete zwar auch gern Wildtiere, aber lieber aus sicherer Entfernung. Außerdem fehlte ihm meist die Geduld, in einem Versteck stunden- oder manchmal gar tagelang auszuharren, um auf den richtigen Moment für das perfekte Foto zu warten. Manchmal war es sogar schwierig, das gewünschte Tier überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Dann war vom optimalen Auslösezeitpunkt noch überhaupt keine Rede. Und exakt in dem Moment, in dem sich das Tier endlich blicken ließ, stimmte vielleicht gerade das Licht nicht, oder das Wetter war schlecht, oder etwas stand im Weg, oder es wurde zu gefährlich, oder, oder, oder. Marcel hatte daran keinen Spaß. Deshalb war er sich sicher: Er würde später auf keinen Fall den Beruf seines Vaters ergreifen. Aber ihn gemeinsam mit seiner Schwester zu begleiten und seltene oder auch bizarre oder lustig aussehende Tiere zu beobachten, das gefiel ihm recht gut. So wie jetzt, als er schwerelos über einem Korallenriff schwebte.

 

Wow! Was für Farben!

Natürlich hatten Marcel und Julia sich vorher zahlreiche Videos über Korallenriffe und speziell übers Great Barrier Reef angesehen. Die Aufnahmen waren spektakulär gewesen. Aber selbst über dem Riff zu schnorcheln, das war noch mal ein gänzlich anderes Erlebnis. Auch wenn Marcel viele Tiere, die im Video vorgekommen waren, nicht sofort sah. So viele knallbunte Fische zogen, teils einzeln, teils in dichten Schwärmen, an ihm vorbei. Dazu die schier endlosen Korallen, die im gebrochenen Sonnenlicht ebenfalls in vielen Farben erstrahlten.

Er schaute zu seiner Schwester, die einige Meter entfernt ihr erstes Fotoobjekt gefunden hatte. Über einer Felsspalte schwamm ein etwa dreißig Zentimeter großer Lionfish, der im Deutschen den Namen Feuerfisch trug. Mit seinem bunt gestreiften Körper und den in alle Richtungen abstehenden stachelähnlichen »Hartstrahlen« bildete er ein perfektes Motiv. Aber seine Schwester musste sich vorsehen, denn der Fisch war giftig. Er trug sein Gift sowohl in den Hartstrahlen der ersten Rückenflosse als auch an der Schwanzflosse und in den Bauchflossen – also quasi rundherum. Zwar nutzte er es nicht zur Jagd, sondern nur zur Verteidigung, aber Julia sollte ihm besser nicht zu nah kommen. Das Gift war für Menschen nicht tödlich, aber es konnte sehr schmerzhafte Muskelzuckungen auslösen. Das hatte Marcel gelesen. Jetzt erinnerte er sich, dass er nie mit seiner Schwester darüber gesprochen hatte. Ob sie über den Feuerfisch ebenfalls Bescheid wusste? Oder fand sie ihn einfach nur schön und fotografierte ihn viel zu unbedarft und unvorsichtig? Für seinen Geschmack war sie bereits viel zu dicht an ihn herangeschwommen. Da sie im Moment nur das Display ihrer Unterwasserkamera im Blick hatte, bemerkte sie vielleicht nicht einmal, wie gefährlich nah sie dem Fisch schon gekommen war.

Marcel entschied sich, seine Schwester zu warnen. Hoffentlich kam er nicht zu spät, immerhin war sie einige Meter von ihm entfernt. Er begann, mit starken Flossenschlägen in ihre Richtung zu paddeln.

In dem Augenblick spürte er, dass ihm irgendetwas folgte.

Er schaute sich um und erschrak.

Direkt hinter ihm schwamm ein gigantischer Fisch! Bestimmt zweieinhalb Meter lang und sehr breit, mit großen dunkelbraunen Flecken und einem riesigen hässlichen Maul: ein Riesenzackenbarsch. Auch von diesem Unterwassermonster hatte Marcel gelesen. Er erinnerte sich an das, was bei Wikipedia stand: Angriffe auf Sporttaucher und auf größere Haie konnten mehrfach beobachtet werden.

Marcel spürte Panik aufkommen. Wieso folgte der verdammte Fisch ihm? Welche Chance hatte er überhaupt gegen einen Monsterfisch, der sogar Haie vertilgte?

Obwohl er wusste, dass man in solchen Situationen Ruhe bewahren sollte und beim Tauchen nichts gefährlicher war, als panisch zu werden, paddelte Marcel nun noch wilder, um schneller voranzukommen. Vor sich sah er seine Schwester, die sich von dem Feuerfisch entfernt hatte und ihren Bruder mit der Kamera ins Visier nahm.

Am liebsten hätte Marcel ihr zugerufen: Was soll das? Fotografier mich nicht, hilf mir lieber! Aber das ging unter Wasser natürlich nicht.

Julia machte einige Aufnahmen und hielt ihrem Bruder den hochgereckten Daumen entgegen.

War sie wahnsinnig geworden? Er flüchtete vor einem zweieinhalb Meter großen Raubfisch, und seiner Schwester fiel nichts Besseres ein, als ihn dabei abzulichten?

Allerdings sah er den Riesenzackenbarsch jetzt plötzlich neben sich. Der Fisch hatte ihn eingeholt – drehte nun aber ab!

Marcel hatte genug. Er stoppte, hob den Kopf aus dem Wasser und spuckte das Mundstück seines Schnorchels aus. Seine Schwester würde sicher auch bald auftauchen. Gleichzeitig spähte er von oben, ob der Monsterfisch womöglich zurückkehrte.

Julia näherte sich ihrem Bruder, behielt den Kopf aber unter Wasser. Soweit Marcel sehen konnte, war sie immer noch am Fotografieren.

»JULIA!«, brüllte er.

Endlich tauchte sie auf.

»Was ist los? Hast du einen Krampf im Bein?«

»Nein«, antwortete Marcel. »Aber fast einen Monsterfisch am Hals! Wieso hast du mir nicht geholfen?«

»Wobei?«, fragte Julia allen Ernstes.

Marcel erklärte ihr, dass der Riesenfisch ihn gejagt habe.

»Riesenzackenbarsche jagen nicht. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie einen verfolgen«, erwiderte seine Schwester.

Das wusste Marcel eigentlich auch. Theoretisch. Praktisch jedoch war der Fisch ihm gefolgt.

»Der war nur neugierig!«, behauptete Julia. »Er ist doch auch schon weitergeschwommen. Du warst ihm wohl zu langweilig.«

Marcel verzog das Gesicht. Neugierig! Langweilig! Woher wollte Julia das wissen? Es war wie bei Hundebesitzern: Wenn er den Eindruck hatte, die Hunde fletschten blutrünstig die Zähne, bekam er meist zu hören: »Der will nur spielen.« Ob Marcel auch spielen wollte, hatte ihn noch nie ein Hundebesitzer gefragt.

»Ist er wirklich weg?«, fragte Marcel und sah sich beunruhigt um.

»Ja«, versicherte Julia. »Glaub mir, der war nicht gefährlich. Viel gefährlicher war der Feuerfisch, den ich fotografiert habe. Hast du den gesehen?«

»Ja, allerdings. Deshalb bin ich ja zu dir geschwommen. Weil ich dich warnen wollte.«

»Echt?«, fragte Julia. »Das ist ja süß.«

Marcel schnitt eine Grimasse. Süß! Na prima. Er fand es eigentlich weniger süß als vielmehr heldenhaft, dass er seiner Schwester hatte beistehen wollen und sich dabei selbst in Gefahr gebracht hatte.

Ein Motorgeräusch unterbrach ihr Gespräch.

Die beiden schauten hinaus aufs Meer und sahen, wie sich ihnen ein kleines Tauchboot langsam näherte. Ungefähr hundert Meter von ihnen entfernt stoppte es.

»Das ist Papa!«, rief Julia. »Er kann nicht näher kommen, weil es hier zu flach ist.«

»Schnorcheln wir hin?«, fragte Marcel.

»Auf jeden Fall!«

Die beiden schwammen los.

Ihr Vater erwartete sie schon.

Julia und Marcel hoben die Köpfe aus dem Wasser und hielten sich am Rand des Tauchbootes fest.

»Wow!«, stieß Marcel bewundernd aus. »Ist das das Tauchboot, mit dem du jetzt immer hinausfährst?«

Sein Vater nickte und erklärte: »Damit mache ich die Tauchfahrten zum Fotografieren. Wir fahren mit einem größeren Boot das Great Barrier Reef ab, zu besonders interessanten Stellen, und nehmen das Tauchboot mit.«

»Wirklich?«, fragte Julia. »Ich habe da vorn schon in den ersten fünf Minuten über zwanzig Fotos geschossen.«

»Super!«, lobte ihr Vater. »Aber leider ist es ein paar hundert Meter weiter schon vorbei mit der Herrlichkeit. Einmal hier um die Bucht herum sieht man das Absterben der Korallen. Umweltschützer kümmern sich um dieses Gebiet. Von denen konnte ich mir auch das Tauchboot für eine Woche ausleihen, weil sie Urlaubspause machen.«

Julia und Marcel zogen lange Gesichter.

»Das Korallenriff stirbt ab?«, fragte Julia ungläubig.

»Ja«, bestätigte ihr Vater. »Ein erschreckend großer Teil davon. Aber hier in der Nähe sind Korallengärtner dabei, Korallenwälder wieder aufzuforsten. Wollt ihr euch das mal ansehen?«

Die Geschwister begriffen gar nicht richtig, was ihr Vater ihnen da erzählte. Korallengärtner? Korallenwälder? So etwas gab es? Sie hatten noch nie davon gehört. Beide antworteten wie aus einem Munde: »Ja. Das wollen wir!«

»Aber wie?«, fragte Marcel.

Das Tauchboot bot nur Platz für eine Person.

»Ihr könnt euch auf den Rand setzen«, erläuterte ihr Vater. »Jeder auf eine Seite. Wir bleiben über Wasser, und ich fahre euch hin. Ich muss das Boot sowieso zurückbringen, damit es heute Nachmittag verladen werden kann.«

»Cool!«, jubelte Marcel.

Und so ließen sie sich von ihrem Vater über das Wasser schippern.

Es dauerte nicht lang, bis sie das Gebiet erreicht hatten, in dem die Umweltschützer tätig waren. Drei Boote lagen in einem Abstand von vielleicht fünfzig Metern vor Anker.

Gunnar stoppte das Tauchboot und ließ es in die Richtung des ersten Boots treiben.

»Hier könnt ihr euch schon mal anschauen, worum es geht!«, rief er seinen Kindern zu.

Julia und Marcel machten sich bereit und ließen sich ins Wasser gleiten.

Schon auf den ersten Blick erkannte Marcel die Katastrophe. Während er eben in der Bucht noch in satten Farben strahlende Korallenlandschaften mit einer reichen Tierwelt erblickt hatte, waren die Riffs hier nichts anderes als eine unendlich triste, bräunlich-graue abgestorbene Landschaft – wie in einem apokalyptischen Science-Fiction-Film. So weit man schaute, schien keinerlei Leben mehr zu existieren.

Zuvor hatte Marcel sich beim Schnorcheln wie ein Vogel gefühlt, der über eine vielfältige Landschaft voller Naturwunder flog. Jetzt fühlte er sich zwar wieder, als ob er flöge. Doch dieses Mal eher wie ein Astronaut über einem verseuchten, düsteren Sperrgebiet. Wie auf der dunklen Seite des Mondes. Nie hatte Marcel etwas Deprimierenderes gesehen. Zu seiner Überraschung begann seine Schwester auch hier, eifrig zu fotografieren. Er hingegen wollte sich diesen Unterwasser-Friedhof nicht länger anschauen.

Völlig niedergeschlagen tauchte er auf.

»Das war mal eine Korallenkolonie?«, fragte er seinen Vater. Er konnte nicht glauben, dass es hier einst so bunt und lebendig zugegangen sein sollte wie in der Bucht.

Sein Vater nickte mit bitterer Miene. »Allerdings. Insgesamt wurde schon ein Drittel des 2300 Kilometer langen Great Barrier Reef durch Hitzesommer und Wirbelstürme zerstört. Die wiederum eine Folge des fortschreitenden Klimawandels sind.«

Marcel rechnete im Kopf mit. Ein Drittel, das bedeutete, dass mehr als 700 Kilometer Korallenriff bereits vollständig zerstört und fast jegliches Leben darin ausgelöscht war.

Great Barrier Reef

Das Korallenriff Great Barrier Reef ist das größte zusammenhängende Ökosystem der Welt. Es gibt drei Grundtypen von Korallenriffen: Atoll, Saumriff und Barriere-Riff. Saumriffe bilden sich nahe dem Ufer. Atolle entstehen um Vulkaninseln herum. Barriere bedeutet so viel wie Schranke. Die Korallen wachsen immer weiter ins Meer hinaus und bilden so eine Schranke zum Land hin. Das Great Barrier Reef besteht aus fast 3000 einzelnen Riffen aller drei Typen. Es erstreckt sich über 2300 Kilometer vor der Nordostküste Australiens. Damit ist es mehr als dreimal so lang wie die Strecke von München nach Hamburg.

Das Wort Riff ist altnordisch und bedeutet Rippe. Es bezeichnet eine langgestreckte Erhebung, die vom Gewässerboden teilweise bis über die Wasseroberfläche hinausragt. Im Riff leben so viele Korallen-, Fisch- und Weichtierarten wie sonst nirgendwo auf der Welt. Sogar seltene Arten von Walen, Delfinen und Schildkröten sind dort zu finden.

1981 wurde das Great Barrier Reef von der UNESCO zum Weltnaturerbe ernannt. Es steht unter Naturschutz. Korallenriffe brauchen besondere Bedingungen, um sich gut entwickeln zu können: geringe Temperaturschwankungen, sauberes Wasser und eine maximale Meerestiefe von 40 Metern. Die fortschreitende Erderwärmung, 700000 Touristen, die das Great Barrier Reef jährlich besuchen, Dünger und Pflanzenschutzmittel, die ins Meer gespült werden, und chemischer Abfall aus den Gold- und Kupferminen von Papua-Neuguinea gefährden das Riff. Sein ökologisches Gleichgewicht droht zu kippen und zerstört zu werden. Fachleute weisen auf massive Zerstörungen wie eine großflächige Korallenbleiche hin, in deren Folge die Korallen absterben. Von 1996 bis heute hat es bereits sechsmal eine großflächige Korallenbleiche im Great Barrier Reef gegeben.

»Zusätzlich werden die Korallenriffs aktuell durch die sogenannte Dornenkrone zerstört«, berichtete sein Vater weiter. »Das ist ein aggressiver Seestern, der die Korallen frisst. Auf den beiden Booten dort hinten gibt es spezielle Unterwasser-Drohnen, mit denen diese Seesterne bekämpft werden. Aber hier ist es schon zu spät. Die Korallen in diesem Abschnitt sind fast komplett vernichtet. Deshalb werden in nahegelegenen Laboren neue Korallen gezüchtet und hier ausgesetzt. Ihr könnt dabei helfen, wenn ihr möchtet.«

»Ja. Gern!«, antwortete Marcel, obwohl er Gartenarbeit überhaupt nicht mochte. Aber das hier war etwas anderes. Niemals zuvor hatte er so hautnah und so direkt nebeneinander die Schönheit der Natur und deren Zerstörung beobachten können. Unter dem Eindruck des sterbenden Korallenriffs war er bereit, alles zu tun, um ein wenig zu dessen Rettung beizutragen.

In dem Augenblick tauchte Julia auf.

»Das ist ja grauenhaft!«, stieß sie aus. »Ich habe noch nie so etwas Schreckliches gesehen.«

Ihr Vater erklärte noch mal, was er eben Marcel erläutert hatte. Auch Julia wollte sofort mithelfen.

»Heute könnt ihr das noch tun«, sagte Gunnar. »Dann ist eine Woche Pause. Nach dieser Woche bin ich auch zurück und werde den Umweltschützern bei der Dokumentation der Lage und ihrer Arbeit helfen. Ich werde eine Woche lang gratis alles für sie in Form von Fotos und Filmen aufzeichnen. Dann können sie besser Spenden für ihre Arbeit gewinnen.«

»Das finde ich toll«, lobte Julia ihren Vater. »Wir helfen heute mit. Oder, Marcel?«

»Klaro! Hab ich auch schon gesagt.«

»Meldet euch bei dem Mann dort mit dem bunten Stirnband. Seht ihr ihn?«

Marcel und Julia nickten.

»Aber was sagt Mama dazu?«, fragte Julia. »Die denkt, wir schnorcheln noch in der Bucht.«

Ihr Vater winkte ab. »Ich hab sie natürlich längst informiert.«

»Bleibst du auch hier?«, fragte Marcel. »Oder wie kommen wir wieder zurück?«

»Ihr fahrt mit dem ersten Boot nachher zurück an Land, zur Station der Umweltschützer«, erklärte ihnen ihr Vater. »Dort hole ich euch ab.« Er sah auf seine Uhr. »Das wird so ungefähr um 15 Uhr sein.«

Marcel erschrak. »Jetzt ist es erst elf. Ich hab’ keine anderen Klamotten mit. Und Hunger habe ich auch bald.«

Sein Vater grinste und versprach: »Ihr bekommt alles an Bord.«

Was Julia nun wiederum erstaunte. »Woher wusstest du, dass wir hierherkommen würden? Hast du das von vornherein geplant?«

»Natürlich«, antwortete ihr Vater. »Also, schwimmt zum ersten Boot. Wir sehen uns nachher an der Station.«

Marcel und Julia winkten ihm zu, dann schnorchelten sie los.

Ihr Vater winkte zurück und fuhr mit dem Tauchboot davon.

Kapitel 2Eine seltsame Entdeckung

Ihr Vater hatte wirklich alles geregelt. Julia und Marcel wurden an Bord von den Umweltschützern herzlich empfangen. Jessica, eine sportliche, dunkelhaarige Frau um die dreißig, stellte sich als Leiterin des Projekts zur Aufforstung des Korallenwaldes vor und zeigte den Kindern ihre Tauchflaschen. Neoprenanzüge, Taucherbrille und Flossen hatten die Zwillinge ja schon dabei.

Jessica sprach nur Englisch, aber Julia und Marcel hatten in den letzten Wochen fleißig gepaukt, so dass sie das meiste verstanden.

Tommy, der Mann mit dem bunten Stirnband und den langen strubbeligen Haaren, legte ihnen die Tauchflaschen an, nachdem er sie sorgfältig geprüft hatte. Er sprach ein wenig Deutsch, weshalb ihr Vater sie wohl zu ihm geschickt hatte.

»Die sind aber klein«, stellte Marcel fest – obwohl er eigentlich nicht scharf darauf war, eine größere und schwerere Flasche mit sich herumzuschleppen.

»These are snorkel bottles«, erläuterte Tommy. Und versuchte es noch mal auf Deutsch: »Äh … Schnorkelfläschchen.«

»Schnorchelflaschen?«, korrigierte Julia, dabei hatte sie noch nie von solchen Flaschen gehört.

Sie waren deutlich kleiner als die normalen Tauchflaschen, die sie kannte.

Tommy erklärte ihnen, dass sie beim Verankern der Korallensetzlinge relativ lange unter Wasser sein würden. Da reichten die Schnorchel nicht aus. Andererseits wollte er den Kindern bei ihrem ersten Arbeitseinsatz keine schweren Tauchflaschen aufladen.

Diese kleinen Schnorchelflaschen waren ein guter Kompromiss.

»Ihr könnt damit etwa 8 bis 10 Minuten tauchen«, erklärte Tommy.

»Nur?«, hakte Marcel nach. »Das ist ja wenig!«

»Immerhin so lange, wie ein Delfin unter Wasser bleiben kann«, entgegnete Julia.

Tommy lachte. »Ja, that’s right.«

Die kleinen Flaschen waren mit Hilfe einer speziellen Luftpumpe leicht zu befüllen.

Julia und Marcel sollten also einfach auftauchen, wenn die Flaschen leer waren, und sie gegen volle austauschen.

»Euer Vater hat gesagt, ihr habt schon euer Tauchabzeichen gemacht?«, versicherte sich Tommy.

Julia und Marcel nickten.

»Ja«, antwortete Julia. »Aber unsere Zertifikate haben wir nicht dabei.«

Tommy winkte ab. »Alles okay. Trotzdem taucht ihr sicherheitshalber zusammen mit Eileen. Das ist die Frau mit den kurzen roten Haaren dort drüben.« Als hätte sie Tommy gehört, schaute Eileen zu den Kindern hinüber und winkte ihnen zu. »Sie wird euch gleich alles zeigen. Viel Spaß.«

Julia und Marcel bedankten sich und gingen mit den Flaschen und den Flossen in der Hand zum Heck des Bootes, wo Eileen auf sie wartete.

Jetzt erst sah Marcel, dass das Boot eine Art Plattform wie einen Anhänger im Schlepptau hatte. Auf der Plattform standen rechteckige, aus Rohren zusammengeschraubte Metallgestelle. Auf den ersten Blick hätte man vermuten können, die Gestelle seien Klettergerüste für einen Spielplatz.