Dann kam Göndi - Ursula Raddatz - E-Book

Dann kam Göndi E-Book

Ursula Raddatz

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Beschreibung

Mehr als 1500 Kilometer liegen zwischen ihnen, der Frau, die im Norden Schleswig-Holsteins mit Trauer und Lethargie kämpft, und dem kleinen Hund, der im Süden von Ungarn seit über zwei Jahren in einem Tierheim lebt. Sie zieht sich zurück, droht zu vereinsamen und er hofft verzweifelt darauf, dass es irgendwo einen lieben Menschen für ihn gibt. Beide erzählen ihre Geschichte, aber finden sie einen Weg zueinander, trotz aller Hindernisse und Zweifell? Das Internet schafft die Verbindung. Doch kann es gutgehen, mit Frau und Hund, die sich noch nie vorher gesehen haben und nun einander vertrauen wollen?

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Das Buch:

1500 Kilometer liegen zwischen ihnen, der Frau und dem Hund. Sie haben sich nie gesehen und scheinen doch auf seltsame Art miteinander verbunden zu sein.

Im Norden von Schleswig-Holstein kämpft eine Frau mit der Trauer und Lethargie, die sie nach bitteren Erfahrungen und dem Tod ihres geliebten Hundes überfallen hat. Sie zieht sich immer mehr von der Welt zurück und droht zu vereinsamen.

Im Süden von Ungarn sitzt ein kleiner Hund seit über zwei Jahren in einem Tierheim und wartet verzweifelt darauf, dass sein geliebter Mensch ihn abholen kommt.

Es ist ein weiter Weg, bis das Internet die nötige Verbindung zwischen ihnen schafft. Und es gibt Hindernisse und Zweifel. Kann es gutgehen mit Frau und Hund, die sich niemals vorher gesehen haben und nun einander vertrauen wollen?

Göndi darf hier seine Geschichte auf eine ergreifende Weise selbst erzählen.

Die Autorin:

Die Autorin Ursula Raddatz, bekannt durch ihre historischen Romane, die in Angeln, in Schleswig-Holstein angesiedelt sind, hat mit dem vorliegenden Buch einen Schritt in die Welt der Tiergeschichten gemacht. Im Wechsel mit der nicht namentlich benannten Protagonistin schafft sie Raum für die Stimme des kleinen Terriermischlings Göndi, den ein unvorhersehbares Schicksal für über zwei Jahre in einem Tierheim in Ungarn festhält. Sie ist weit entfernt davon, den Hund zu vermenschlichen und zu verniedlichen. Auf anrührende Art zeigt sie hier, wie sich die Schicksale von zwei Wesen miteinander verbinden, die sich unter normalen Umständen nie begegnet wären.

Die historischen Romane der Autorin wurden im BoD-Verlag veröffentlich, wie auch zwei weitere Bücher, über die Geschichte einer verratenen Liebe, die erst bei einer Demenz offenbart wird und ein «Beinahe-Krimi», der davon handelt, wie harmlose Senioren einen Mord planen.

Als ich eine Hand suchte,

fand ich deine Pfote...

Zitat von einem Unbekannten,

es passt so gut zu uns.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel: Ende August 2014, irgendwo an der Ostsee...

Kapitel: Irgendwo in Ungarn, im September 2014

Kapitel: Im Winter 2015, irgendwo an der Ostsee...

Kapitel: Im Frühling 2015, irgendwo in Ungarn...

Kapitel: Im Frühling 2015, irgendwo an der Ostsee...

Kapitel: Sommer 2015, immer noch in Ungarn

Kapitel: Sommer 2015, irgendwo in Schleswig-Holstein

Kapitel: Sommer 2015, im Tierheim in Ungarn

Kapitel: Ende August 2015, Hoffnung an der Ostsee...

Kapitel: Ende August 2015, keine Hoffnung in Ungarn...

Kapitel: 21. August 2015, Entscheidung an der Ostsee...

Kapitel: September 2015, Enttäuschung in Ungarn

Kapitel: Ende September 2015, das lange Warten...

Kapitel: 1. Oktober 2015, was geschieht in Ungarn?

Kapitel: 3. Oktober 2015, ein unendlich langer Tag...

Kapitel: 4. Oktober 2015, eine unendlich lange Fahrt...

Kapitel: 4. Oktober 2015, am Morgen, alles wird gut ...

Kapitel: 4. Oktober 2015, ein Wunder für Göndi...

Kapitel: Seit dem 04. Oktober 2015, an der Ostsee, sind wir gemeinsam glücklich...

1. Kapitel

Ende August 2014, irgendwo an der Ostsee...

Der Regen rann über mein Gesicht, ich wischte ihn nicht fort. Dass sich meine Tränen hineinmischten, spürte ich nicht, zu tief war meine Trauer. Im strömenden Regen stand ich im Garten und grub ein tiefes Loch, das Grab für meinen tapferen Hundegefährten, der mich zwölf lange, wunderbare und aufregende Jahre begleitet hatte.

Jetzt war er gegangen, über die Regenbogenbrücke, wie es auf den betreffenden Internetseiten hieß, die ich meistens überschlug, weil man dort Haustiere für meinen Geschmack zu sehr vermenschlichte.

Leo, mein kleiner Welsh-Terrier war nicht mehr. An diesem verregneten Nachmittag im August starb er in meinen Armen. Ein Hundeleben war zu Ende, das sich zwölf Jahre mit meinem eigenen verbunden hatte. Während ich in dem nassen Lehm das Grab für meinen geliebten Welsh-Terrier aushob, gingen meine Gedanken weit zurück, zu dem Tag, als er zu mir kam.

Es war ein verängstigter, vernachlässigter kleiner Hund, der sich damals dafür entschied, sein Schicksal ohne Zögern in meine Hände zu legen. Jetzt stand ich hier, im strömenden Regen dieses grauen Tages, der nichts Sommerliches und schon gar nichts Tröstliches in sich trug.

Zwischen Haselstrauch und Holunder legte ich meinen treuen Gefährten zur letzten Ruhe. Auf weiches Laub bettete ich ihn, deckte ihn mit Thujazweigen zu und brachte es kaum fertig, die nasse Erde über ihn zu schaufeln. Ein großer Stein, den ich darüber rollte, kennzeichnete die Stelle, auf die meine Tränen unaufhörlich tropften. Lange stand ich dort und konnte nicht glauben, dass ich ihn nie wiedersehen, nie wieder sein Bellen hören und nie wieder sein lockiges Fell streicheln würde. Erst als es dämmerte, ging ich ins Haus, das mir so leer und kalt vorkam, ohne ihn, ohne meinen geliebten Leo.

Jeden Tag ging ich zu ihm, stand lange an seinem Grab und hielt Zwiesprache mit ihm. Ich teilte meine Sorgen und Nöte mit ihm, so wie früher, als er noch bei mir war. Mein Leben wurde einsam, weil ich meinen Kummer vor der Welt verbarg. Ich glaubte, niemand könne verstehen, wie sehr ich Leo vermisste und um ihn trauerte. Immer wieder kam die Frage in mir auf, ob meine Entscheidung, Leos Leben auf sanfte Weise zu beenden, die Richtige war. Hätte er nicht doch noch etwas länger bei mir bleiben dürfen? Ging es ihm wirklich so schlecht? War er tatsächlich so krank?

Meine Vernunft sagte mir damals, dass es für Leo das Beste sei, nachdem meine Tierärztin feststellen musste, dass Leo dement geworden war. Ich erschrak, als ich diese furchtbare Diagnose hörte, kannte ich so etwas doch nur von alten Menschen. Konnte es wirklich wahr sein? Würde die Demenz uns trennen, ehe der Tod es tat?

Ich beobachtete Leo daraufhin genauer. War er früher hinter jeder Amsel, jedem Kaninchen hergejagt, zeigte er nun gar kein Interesse mehr daran. Er trottete beinahe lustlos an meiner Seite und lief auch nicht mehr weit voraus, wie früher. Es schien, als brauche er mit einem Mal die Sicherheit, die ihm die Leine bot, weil er langsam die Orientierung verlor. Manchmal sah er mich mit einem Blick an, den ich bis dahin von ihm nicht kannte, so leer, als wäre seine Seele ganz woanders. Mit Leos zunehmender Inkontinenz kam ich zurecht, dafür gab es genügend Hilfsmittel. Als er aber immer weniger auf mich reagierte, mit abwesendem Blick vor dem Bücherregal stand und offensichtlich nicht wusste, wo er sich befand, ahnte ich, dass es nicht mehr lange so weitergehen würde. Bald erschrak mein tapferer kleiner Leo vor seinem eigenen Schatten, fand aus dem Garten nicht mehr allein ins Haus zurück und jaulte plötzlich völlig grundlos auf. Eines Tages, als ich ihn behutsam streicheln wollte, zuckte er erschrocken zurück und knurrte mich an. Offensichtlich erkannte er mich nicht mehr.

Noch am selben Tag beriet ich mich mit meiner Tierärztin. Mitfühlend sah sie mich an und empfahl mir, Leo einschläfern zu lassen. Dieser Gedanke entsetzte und erschreckte mich. Wie konnte ich Leo so etwas antun, durfte ich seinem Leben wissentlich ein Ende setzen? Die Ärztin erklärte mir, dass sich Leos Zustand auf keinen Fall bessern würde und er bald nichts mehr wiedererkennen könnte. Es wäre nur eine Qual für ihn, weil er vor allem und jedem Angst haben würde. Ich bat mir ein paar Tage Bedenkzeit aus.

Ein langes, sonniges, aber trauriges Sommerwochenende nahm ich Abschied von Leo, ging mit ihm noch einmal all die Wege, die wir so oft in besseren Zeiten zusammen gewandert waren, saß mit ihm im Arm am Strand und lauschte dem sanften Wellenschlag der Ostsee. Leo machte voller Vertrauen alles geduldig mit, bis wir wieder zu Hause waren und er auf einmal das Haus nicht mehr betreten wollte. Er wehrte sich, jaulte und schnappte nach mir. Also blieb ich mit ihm im Garten, bis er fest eingeschlafen war. Dann trug ich ihn hinein und legte ihn behutsam in sein Körbchen. Die ganze Nacht wachte ich neben ihm, war für ihn da, wenn er aus dem Schlaf aufschreckte und anscheinend nicht mehr wusste, wo er sich befand.

In dieser entsetzlichen langen Nacht wurde mir klar, dass meine Tierärztin recht hatte. Was wäre es für ein Leben für meinen kleinen Terrier, wenn er ständig in Angst und Schrecken leben müsste und ich ihn nicht einmal trösten könnte, weil er mich nicht mehr erkannte und sogar Angst vor mir hatte.

Am nächsten Morgen rief ich die Tierärztin an. Sie kam und gab Leo die erlösende Spritze. Ich hielt ihn weinend im Arm an mich gedrückt, als er seinen letzten Atemzug tat. Leise schloss sie danach die Haustür hinter sich, während ich mit meinem toten Hundegefährten im Arm zurückblieb. Jetzt war ich wirklich allein... ganz allein...

2. Kapitel

Irgendwo in Ungarn, im September 2014

Es war nass und kalt, nirgendwo ein Plätzchen, um diesem Regen zu entgehen. Göndi drückte sich, so weit es ging, in die einzige Ecke des Holzverschlages, durch dessen Ritzen der Dauerregen nicht so sehr drang. Die löchrige Decke, die von allzu vielen Hunden knurrend und zähnefletschend verteidigt worden war, hatte er seit gestern für sich allein. Ein Triumph war das nicht, denn nun hockte Göndi einsam und allein in dem eingezäunten Gehege des Tierheimes, das schon so lange Zeit sein Zuhause war.

«Nein, ein Zuhause ist das hier nicht, mein Zuhause war da, wo ich herkomme, da möchte ich so gern wieder hin», dachte der kleine Hund und schüttelte sein struppiges Fell, um sich ein wenig trockener zu fühlen. Warum waren es immer die anderen Hunde, die aus dem Zwinger herausgeholt wurden und die dann nie wiederkamen? Wieso durfte er nicht hinaus? Wie lange würde es noch dauern, bis auch er von freundlichen Händen befreit und auf die Reise zu einem neuen Heim geschickt würde?

Vor ein paar Wochen durfte Mika auf die Reise gehen, dieser Dackelmischling, der immer so aufdringlich bellte und den Menschen schön tat, nur um Aufmerksamkeit zu erregen. Göndi war mit ihm nie so richtig warm geworden, weil Mika sich nicht nur in den Vordergrund drängte, wenn die Besucher kamen, sondern auch, wenn das Futter verteilt wurde, sich gleich darauf stürzte und seinen Genossen die besten Stücke vor der Nase wegfraß. Damals war Göndi immer hungrig geblieben, doch das interessierte Mika nicht. Er interessierte sich nur für sich selbst.

Es war erst besser geworden, als Börre abgeholt wurde, ein kleiner weißer Malteser, der dem kräftigeren Mika auch nichts entgegenzusetzen hatte. Am selben Tag noch kam Trapper als neuer Zwingergefährte zu Mika und Göndi. Etwas größer als Göndi und ihm ein wenig ähnlich mit dem beige-grauen Fell, zeigte er gleich, dass er sich als Chef fühlte und wies Mika in seine Schranken. Göndi, der schon fürchtete, dass er wieder einmal der Verlierer sein würde, stellte bald fest, dass Trapper ihn beschützte und sein Freund sein wollte. Mika, der entthronte Zwingerkönig hockte in einer Ecke und schmollte, bis auch er abgeholt wurde. Mit dem freundlichen Trapper allein im Zwinger, fühlte Göndi sich beinahe glücklich. Sie teilten sich das Futter brüderlich und schliefen, eng aneinander gekuschelt auf der Decke in der Hütte.

Doch gestern kam wieder jemand in den Zwinger und schnappte sich Trapper. Nur ein kurzer Schlaps über Göndis Schnauze war ihm noch vergönnt, dann schloss sich die Gittertür hinter ihm und Göndi blieb wieder einmal allein zurück.

«Vielleicht haben die mich verwechselt, Trapper ist mir ähnlich, nur ein bisschen größer und dunkler als ich. Vielleicht war eigentlich ich gemeint und sie kommen gleich wieder und holen mich ab. Ich will nicht mehr allein sein, ich möchte zu Menschen, die ich liebhaben darf und die mich auch lieben.

So, wie es früher war, als ich noch bei dem Menschen war, der mich als Welpen zu sich holte. Diesen Menschen werde ich bestimmt nicht wiedersehen», dachte Göndi traurig, «vielleicht sucht er mich und weiß nicht, wo er mich finden kann. Und ich kann nicht hier heraus. Es ist so lange her, dass ich hierher kam. Vergessen habe ich den Mann nie und das will ich auch nicht, nie, niemals. Eines Tages öffnet sich auch für mich das verhasste Gitter, und mein geliebter Mensch wird dort stehen und mich mit sich in unser Zuhause nehmen.»

Göndi schüttelte sich erneut, verkroch sich noch tiefer in die alte Decke und träumte von früheren Zeiten.

Es war, als läge er wieder vor dem Kamin, in dem ein lustig flackendes Feuer brannte, dass ihn wärmte. Leise perlende Töne wehten vom Klavier zu ihm hinüber, an dem sein Mensch saß und Musik machte. Warum er das tat und was es zu bedeuten hatte, wusste Göndi nicht, aber es war so beruhigend, so anheimelnd und er fühlte sich sicher und geborgen. Immer wenn der Mann am Klavier saß, spürte Göndi, wie glücklich und zufrieden er war. In diesen Momenten schien die Zeit still zu stehen, aller Ärger, alle Sorgen waren vergessen.

Erst die schrille Stimme der Frau riss Göndi und wohl auch den Mann aus ihren Träumen. Die Frau machte keinen Hehl daraus, dass sie den Hund nicht mochte.

«Ich verstehe überhaupt nicht, was du an diesem Straßenköter findest. Warum hast du ihn eigentlich nicht dort gelassen, wo du ihn gefunden hast? Er bringt doch nur Dreck und Ungeziefer ins Haus.»

Der Mann antwortete nicht, hatte längst aufgegeben, den Hund zu verteidigen, den er als halbverhungerten Welpen neben seiner toten Mutter am Straßenrand fand. Die beiden anderen Welpen waren ebenfalls tot. Auch dieser Kleine, der noch ganz schwach atmete, bliebe wohl nicht mehr lange am Leben. Das konnte der Mann nicht zulassen. Er hob ihn auf, wickelte ihn in seine Jacke und brachte ihn zu einem Freund, der von Beruf Tierarzt war. Der untersuchte den winzigen Hund genau und behielt ihn erst einmal bei sich in der Praxis, um ihn langsam aufzupäppeln. Jeden Tag kam der Mann, der ihn gefunden hatte, setzte sich zu dem Hundekind, streichelte es vorsichtig und liebevoll und erzählte ihm von seinem Zuhause, dass auch bald das Heim des Kleinen werden sollte. Es dauerte nicht lange, da war aus dem abgemagerten, struppigen Etwas ein niedlicher Welpe geworden, der auf seinen dicken Pfötchen dem Mann fröhlich entgegen stolperte.

«Hör mal, Zoltan», sprach nach einiger Zeit der Tierarzt seinen Freund an, «viel länger kann ich den Kleinen aber nicht hierbehalten. Er ist gesund und kräftig genug, um an jemanden vermittelt zu werden. Das ist aber nicht meine Aufgabe. Normalerweise müsste ich ihn jetzt an ein Tierheim abgeben. Aber da du mein bester Freund bist und offensichtlich an dem Hund hängst, wollte ich dich erst fragen, ob du ihn nicht mit zu dir nehmen willst.»

Der Welpe, der auf dem Schoß des Mannes hockte, spitzte die Ohren. Da wurde über sein weiteres Schicksal gesprochen. Wie sehr wünschte er sich, dass der Mann ihn mitnehmen würde, bei ihm wäre er sicher und wüsste, dass er geliebt würde. Beinahe vergaß er zu atmen, so gespannt wartete er auf die Antwort.

«Lieber Freund», sagte der Mann nach einer Weile, die dem kleinen Hund wie eine Ewigkeit vorkam, «darüber habe ich auch schon länger nachgedacht. Du siehst ja selbst, wie sehr der Kleine an mir hängt und wie lieb ich ihn in der kurzen Zeit gewonnen habe. Leider ist meine Frau absolut gegen Haustiere, besonders Hunde wären laut und brächten nur Schmutz und Ungeziefer ins Haus.»

Göndi senkte traurig seinen Kopf und schnupperte noch einmal intensiv am Hemd des Mannes, von dem er sich so viel erhofft hatte. Auch der Tierarzt sah ungläubig drein.

«Das ist doch nicht dein Ernst», meinte er vorwurfsvoll, «wie kannst du den Kleinen so enttäuschen und mich, wenn ich ehrlich bin auch. Ich hatte gedacht, du nimmst den Hund zu dir. Wie schade!»

«Nun warte doch mal», der Mann lächelte verschmitzt, «lass mich doch erst einmal zu Ende reden. Ich habe meiner Frau unmissverständlich klargemacht, dass allein ich über den Hund entscheide. Ich habe ihm das Leben gerettet und das verpflichtet mich dazu, mich auch weiterhin um ihn zu kümmern. Mag es ihr in den Kram passen oder nicht! Er gehört zu mir, wenn er das will. Nun, willst du mit mir nach Hause gehen, mein Kleiner?»

Da gab es für den Welpen kein Halten mehr. Er sprang auf den Boden, rannte zur Tür und ließ sich ohne Angst in das Auto setzen, das vor der Tierarztpraxis stand. Mit diesem Menschen, das spürte er, würde ihm niemals etwas Böses geschehen.

Der Mann lenkte mit ruhiger Hand sein Auto durch den dichten Straßenverkehr der Stadt. Der junge Hund, der auf dem Beifahrersitz hockte, nahm die Gelegenheit wahr, sich den Menschen, zu dem er jetzt gehörte, genauer anzuschauen. Auf dem Kopf hatte er graue Haare, das bei den Menschen ein Zeichen des Alters war, im Gegensatz zu Hunden, die doch jede Fellfarbe haben konnten. Sogar bei ihm selbst waren einige Stellen im Fell grau und er war ja nun wirklich noch nicht alt. Der Mann war groß und trug einen runden Bauch vor sich her. Das runde Gesicht, in dem kein Fell zu sehen war, machte auch einen freundlichen Eindruck. Die Augen, braun und groß, schauten beinahe immer herzlich und sanft drein. Die Hände, bei Menschen hießen die Pfoten so, wirkten kräftig, so als wäre nicht nur ein kleiner Hund in ihnen sicher und geborgen.

Während das Auto vor sich hin brummte, drehte der Mann sich zu dem Hund hin.

«Weißt du, was mir gerade einfällt?», lachte er, «du hast noch gar keinen Namen, mein Kleiner. Das geht nicht, denn ich muss dich ja irgendwie rufen können.»

Ein Name, was war das? Der kleine Hund wartete gespannt darauf, was der Mensch sagen würde. Der schaute geradeaus und überlegte dabei laut.

«Hm, das erscheint mir gar nicht so einfach. Was würde zu dir passen, mein Kleiner? Du bist ein wenig struppig, da steckt sicher ein Terrier dahinter. Struppig, ja, genau, wie wäre es mit Göndi? Das bedeutet auf Ungarisch so viel wie krauses oder struppiges Haar. Nun, wie gefällt dir das? Möchtest du Göndi heißen?»

Der kleine Hund lauschte dem Klang des Wortes nach. Göndi? Das hörte sich liebenswert an. Würde man ihn jetzt so rufen? Göndi, komm her? Das schien richtig zu sein. Er stupste vorsichtig mit der Nase die Hand des Menschen an, und der verstand.

«Also bleibt es dabei, mein Kleiner, du bist jetzt mein Göndi und ich bin sicher, wir beide werden eine ganz wunderschöne Zeit miteinander haben.»

«Oh ja», dachte Göndi in seiner Erinnerung wehmütig, «es war eine wunderbare Zeit mit meinem Menschen, der auch einen Namen hatte, er hieß Zoltan, wie ich schnell merkte. Als das Auto anhielt, durfte ich herausspringen. Mit großen Augen sah ich mich um. Um mich herum gab es grünes Gras und viele Bäume, es duftete nach Blumen und dunkler Erde, in der ich am liebsten gleich gebuddelt hätte. Doch dann vernahm ich eine schrille Stimme, die schon von weitem zu hören war.»

«Zoltan, was ist das da? Wie kannst du nur so ein Tier hierher bringen. Du weißt doch genau, dass ich das nicht ertrage.»

Mehr hörte Göndi nicht. Er sprang schnell zurück in das Auto und duckte sich unter den Sitz, so gut es eben ging. Das schrille Geschrei hörte irgendwann auf, der Mensch Zoltan rief nach ihm, suchte ihn. Mit weit aufgerissenen Augen und am ganzen kleinen Körper zitternd saß Göndi auf dem Boden des Autos, als Zoltan ihn fand.

«Hab keine Angst», flüsterte er sanft, «du bleibst bei mir. Wenn wir uns an die Regeln halten, du also immer bei mir in meiner Nähe bleibst und ganz ruhig bist, dann gibt es keinen Ärger mit meiner Frau. Was meinst du, kleiner Göndi, schaffen wir beide das?»

Das hatten sie gemeinsam geschafft, Mensch und Hund, damals... vor viel zu langer Zeit....

3. Kapitel

Im Winter 2015, irgendwo an der Ostsee...

Auch wenn mich mein Weg jeden Tag zu der Stelle im Garten führte, an der mein Leo in seinem ewigen Schlummer lag, ging mein Leben doch weiter, irgendwie.

Manchmal, wenn die Wohnung allzu leer und mein Leben ohne Hund viel zu sinnlos erschien, dachte ich daran, all das zu unternehmen, was ich mit Leo gemeinsam nicht hatte tun können. Konzerte, Theater, Museumsbesuche sollten mir den langen Winter versüßen, so hoffte ich jedenfalls. Doch nichts davon setzte ich in die Tat um. Traurig saß ich vor meinem Computer, ohne ein Wort zu schreiben, starrte durchs Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen, und vermisste meinen Leo täglich mehr. Nichts machte mir Freude, Weihnachten kam und ging, ich brachte nicht einmal genug Energie auf, meine Wohnung weihnachtlich zu schmücken.

«Für wen und warum», dachte ich und verkroch mich immer mehr in mich selbst. Den Menschen ging ich aus dem Weg, wurde unduldsam und eigenbrötlerisch, ohne es zu merken. Je mehr ich mich zurückzog, desto mehr mieden die Menschen mich auch. Im Februar wurde ich krank, eine heftige Erkältung überfiel mich von einer Stunde zur anderen. Drei Tage kam ich nicht aus dem Bett, lebte von Tee und Zwieback und tat mir gründlich leid.

Manchmal glaubte ich in meinen wirren Fieberträumen, Leos warmen kleinen Hundekörper an meiner Seite zu spüren, und schon flossen meine Tränen wieder.

Als ich wieder auf die Beine kam, etwas zittrig, aber gesund, schwor ich mir, dass ich aus diesem Sumpf der Trauer unbedingt heraus musste. Also war das Naheliegendste, mich mit dem Verlust von Leo auseinanderzusetzen. Dass ich einen neuen Hund brauchte, wurde mir jetzt bewusst. Doch zuerst musste ich endlich damit aufhören, Leo nachzutrauern. Das tat ich auf meine Weise, mit dem, was ich am besten konnte, mit dem Schreiben. Ich schrieb auf, wie Leo damals in mein Leben kam, vor vielen Jahren.

Dabei stand mir noch ganz deutlich vor Augen, wie ich mich damals fühlte, an diesem letzten Urlaubstag vor beinahe zwölf Jahren.

Genüsslich wollte ich mich noch mal im Bett herumdrehen, denn aufstehen mochte ich noch nicht, schließlich war heute mein letzter Urlaubstag. Am kommenden Montag ginge es wieder los, immer dasselbe, immer die gleiche Tretmühle, eine Arbeit, um Geld zu verdienen, mehr nicht.