"Dark Was The Night" - Edgar Keiser - E-Book

"Dark Was The Night" E-Book

Edgar Keiser

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Beschreibung

Zwei Jahre Pandemie aus der Sicht eines Offenbacher Musikers in der Geisterwelt und eine AC/DC-Coverband, die in einer merkwürdigen Zwischenwelt im Schatten Frankfurts gelandet ist. Musikinstrumente werden hier nicht mehr gebraucht, und es gibt nichts, was angetan wäre, Freude zu bereiten. Die Geisterband, in der auch der Zeichner zu finden ist, hat meistens die Hände in den Taschen, da es für sie nichts mehr zu tun gibt. Die karge Landschaft ist immer die gleiche: Ein toter Baum ist die einzig nennenswerte Erhebung neben einem aus rohen Brettern gezimmerten Klohäuschen. Dieses dient mal als Rednerpult, mal als Rumpelkammer für ausgediente Artefakte aus einer vergangenen Zeit und öfter auch mal als Gefängnis für die Ausgangsgesperrten. Es ist immer derselbe Ort, von dem man freien Blick auf die ständig präsente Skyline der Mainmetropole hat. Diese bleibt allerdings stets als kleines Beiwerk im Hintergrund und steht im übertragenen Sinne für unsere Gesellschaft, deren Teil die Geister trotz allem ja immer noch sind. Es ist ein Bilderbuch, dessen Cartoons mit kurz gefassten Erklärungen, Eindrücken und Anekdoten unterlegt sind.

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Seitenzahl: 101

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Geburtstagskarte für Vera

Thank You For The Music (Abba, 1977)

Sehr gerne, keine Ursache. Es war mir ein Vergnügen.

Inhaltsverzeichnis

PROLOG - Von Cowboys, Geistern und Offenbachern

Botschaften aus der Hölle

Neues am Horizont

Der Geburtstag der Pandemie

Die Welt auf dem Kopf

Der böse Traum

Handshakes

Rock’n’Roll

Abstand

Ausgangsgesperrt

Die epidemische Lage von nationaler Tragweite

Geisterball

Die Einen und die Anderen

Was bin ich?

Farben

Gegen den Strich

Auf Linie

Gegenfarbe

Ungeist

Die „Neue Normalität“

Ansehen

Zeit

Rückblick

Live aus dem Lager

Die Zukunft

Forschergeist

For Sale

Trügerisch

Der moderne Geist

Wellen

Verschworen

Hirngespinste

Krude

Aufgepasst

Sportsgeist

The Games Must Go On

Soforthilfe

Systemrelevant …

… oder irrelevant?

Narrenunfreiheit

Hamster …

… Prepper …

… und neue Währungen

Einträchtige Einheit

Trauer um EVH

School’s Out

Insignien der Macht

Punkt.

Si tacuisses et cetera … und die Hand Gottes

Das Missverständnis

Backstagegeplauder

Greta

Stille Nacht, sehr stille Nacht

In froher Erwartung

Dunkelheit

Es war einmal

Verweilverbot

Kontaktgestört

Valentinstag

Wer zuerst kommt …

Druck

Selbstversorger

Die von drüben

Überraschung, Überraschung

Die Mutanten

Proost Boost!

Blickwinkel

G

Wahrheit oder Pflicht?

Ouch!

Dunkelheit

Encore

2 Encore plus

EPILOG - Vom Ende vorwärts zum Anfang

PROLOG

Von Cowboys, Geistern und Offenbachern

Als im Herbst 1970 zum ersten Mal die US-Westernserie Die Leute von der Shiloh-Ranch über die deutschen Mattscheiben flimmerte, saß ich als Achtjähriger natürlich in der ersten Reihe. Das war ein Fernsehvergnügen nach meinem Geschmack, und ich fürchte, dass es das heute immer noch wäre. Als Westernfan verehre ich nach wie vor Gary Cooper, John Wayne und Clint Eastwood, doch am meisten hat mich seinerzeit der schweigsame, schwarzgekleidete Virginian beeindruckt, Vorarbeiter besagter Ranch, Hauptdarsteller der Serie und dargestellt von James Drury (dessen Sohn Timothy für einige Jahre als Keyboarder in der Band Whitesnake tätig war, nebenbei bemerkt).

The Virginian – Ehrfurcht gebietender Name einer für mich damals mystischen Figur, von einem fernen, geheimnisvollen Ort namens Virginia stammend, wo auch immer der zu finden gewesen sein mochte.

Es wäre vermessen, meine Heimatstadt Offenbach in irgendeiner Weise mit dem US-Bundesstaat Virginia vergleichen zu wollen, da dürfen wir uns nichts vormachen. Die in direkter Nachbarschaft zur hessischen Metropole Frankfurt am Main liegende Stadt ist keineswegs geheimnisvoll, und so manchen Leuten – ich denke da vor allem an unsere Frankfurter Nachbarn – könnte sie nicht fern genug sein. Aber man hat seine Wurzeln dort, wo sie nun einmal liegen, und Offenbach hat schon seit Menschengedenken aus mehreren Gründen einen derartig schlechten Ruf, dass es mir schon immer Spaß bereitete, mich offen zu eben diesen Wurzeln zu bekennen. So hat The Virginian dann doch um einige Ecken herum zu meinem Selbstverständnis als Musiker beigetragen: The Offenbacher – vielleicht ein etwas fragwürdiger Nimbus, aber sicherlich keine Allerweltsbezeichnung innerhalb der lokalen Rockszene, geschweige denn darüber hinaus.

Die geografische Nähe meiner Wohnung in Offenbachs Stadtmitte zum Frankfurter Kneipenviertel Alt Sachsenhausen, wo in einigen Lokalen an sieben Tagen der Woche Livemusik angeboten wurde, ermöglichte mir als Bassist mehrerer Blues- und Rockbands immer ein kleines, aber konstantes Salär, welches die laufenden Kosten während und nach meinem Grafikstudium deckte.

Den Anfang vom Ende dieser schönen Welt leitete in den Neunziger Jahren der Weggang der in und um Frankfurt herum stationierten US-Soldaten ein, die bis dahin einen großen Teil des Publikums ausgemacht hatten. Manche Wirte, nun wirtschaftlich in den Seilen hängend, gaben auf, Pächter wechselten, Konzepte änderten sich, und am Ende schrumpfte mein monatliches Einkommen zu einem Betrag zusammen, der mich daran denken ließ, von der Branche Abschied zu nehmen.

Genau zu dieser Zeit – es war im Frühjahr 1999 – klingelte mein Telefon. Das tat es oft, und genauso oft entschied allein mein Bauchgefühl darüber, ob ich den Hörer abnahm. Es war ein schöner, farngrüner Wählscheibenapparat, durch ein Spiralkabel mit dem Hörer verbunden. Ich besitze ihn noch immer und würde ihn wohl auch weiterhin benutzen, wenn er noch funktionieren würde.

Das Klingeln hörte sich unverdächtig an, also nahm ich ab.

Der Anrufer war Ollie, zeitweise Bassist des Musicals Tommy, welches damals in Offenbach unter persönlicher Segnung des großen Pete Townsend, Gitarrist von The Who, aufgeführt worden war. Ob ich Interesse daran hätte, seine Nachfolge bei einer AC/DC-Coverband anzutreten, wollte Ollie wissen. Er habe da für einige Zeit Bass gespielt, wolle nun aber seinen Lebensmittelpunkt in die USA verlegen, weswegen ein weiterer Verbleib in der Band nicht mehr möglich sei. Von jener Band hatte ich bereits gehört, sie aber trotz ihrer regelmäßigen Auftritte in Frankfurt noch nie gesehen. Das lag vor allem daran, dass ich Bands, die dieses (aus meiner damaligen Sicht) infantile AC/DC-Zeug nachspielten, schlichtweg zum Kotzen fand.

Ich bedankte mich bei Ollie für den Anruf, setzte ihm aber sinngemäß auseinander, dass das Letzte, was ich auf diesem Planeten anstreben würde, die Mitgliedschaft in einer AC/DC-Coverband sei. Auf gar keinen Fall würde ich mich da zu irgendeiner Audition begeben. Ollie riet mir daraufhin, diese Haltung noch einmal zu überdenken. Es wären „super Jungs“, ließ er mich wissen, und sie hätten „viele tolle Gigs“, auch im Ausland. Und vor allem: gut bezahlt.

Ich zögerte keine Sekunde.

„Viele tolle Gigs? Gut bezahlt? Ich bin dabei. Wen muss ich anrufen?“

Seitdem sind mehr als zwei Jahrzehnte vergangen.

Die Musik von AC/DC habe ich während meiner Zeit bei Hole Full Of Love sehr zu schätzen gelernt, auch wenn ich mich nicht unbedingt als „Hardcore-Fan“ bezeichnen würde, wie man so sagt. Aber ich erkenne die Leistung der Australier an, eine in der Rockmusik bis dahin neue musikalische Sprache entwickelt und damit die halbe Welt begeistert zu haben. Tatsächlich konnte selbst ich mich irgendwann dieser Begeisterung nicht mehr völlig entziehen, und je mehr Jahre ins Land gingen und ich mich regelmäßig von meinen eigenen Achtelnoten bombardieren ließ, desto besser gelang mir die Identifikation mit der Rolle, welche eine professionelle Darbietung dieser Musik einem Bassisten abverlangt.

Mein Arbeitsfeld in der Band umfasst aber auch schon seit Langem die gesamte Grafik (irgendwann erinnerte ich mich dunkel daran, dass ich ja auch Grafiker bin) sowie die Betreuung des Internetauftritts und einen Teil der verschiedenen Social-Media-Plattformen. Im Zuge dieser gestalterischen Arbeit kam mir Anfang der 2000er Jahre der Gedanke, die ausgesprochen unterschiedlichen Charaktere der Band in einer Comic-Serie darzustellen, und so entwarf ich THE HOLEFULLIES, die erstaunlichste Rockband des Universums.

Einmal monatlich entstanden in meinem Arbeitszimmer kurze Geschichten, die sich ständig hart an der Grenze zu tatsächlichen Geschehnissen bewegten. Manchmal bildete ich einfach nur die schiere Realität ab, versteckt in grotesken Storyboards, die eigentlich nur jemand ersinnen können sollte, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.

Im Februar 2008 zeichnete ich, etwas ermüdet von allem, die letzte Folge.

Zwölf Jahre später, am 20. März 2020, als schon die ersten Fußballspiele ohne Fans abgehalten und als „Geisterspiele“ bezeichnet worden waren, gleichzeitig aber die Welt der Livemusik sich zu drehen aufgehört hatte, fertigte ich die erste Zeichnung für eine neue Cartoonserie an. Für mich waren die für herkömmliche Konzerte alternativ initiierten Livestreams – über das Internet in Echtzeit übertragene Auftritte ohne Publikum – das perfekte Pendant zu diesen Geisterspielen und verdienten somit aus meiner Sicht keine andere Bezeichnung als Ghost Concerts.

Mit diesem Begriff im Hinterkopf versuchte ich mich mit neuem Schwung an einer gezeichneten Geisterwelt, und in Anlehnung an meine frühere Comicserie entstanden unter dem Künstlernamen Edo Nebuloso die Cartoons über Die Band, die nicht totzukriegen ist.

Oder: Eine AC/DC-Coverband, die in einer merkwürdigen Zwischenwelt im Schatten Frankfurts gelandet ist, wo Musikinstrumente und ähnliche Dinge nicht nur nicht mehr gebraucht werden, sondern auch nicht mehr erwünscht sind. Hier gibt es nichts, was angetan wäre, Freude zu bereiten oder Hoffnung aufkeimen zu lassen.

Die Geisterband hat meistens die Hände in den Taschen, da es für sie nichts mehr zu tun gibt. Die karge Landschaft ist immer die gleiche: Ein toter Baum ist die einzig nennenswerte Erhebung neben einem aus rohen Brettern gezimmerten Klohäuschen. Dieses dient mal als Rednerpult, mal als Rumpelkammer für ausgediente Artefakte aus einer vergangenen Zeit und öfter auch mal als Gefängnis für die Ausgangsgesperrten. Gerne wird es auch seiner herkömmlichen Bestimmung gemäß genutzt.

Es ist immer derselbe Ort, von dem man freien Blick auf die ständig präsente Skyline der Mainmetropole hat. Diese bleibt allerdings stets als kleines Beiwerk im Hintergrund und steht im übertragenen Sinne für unsere Gesellschaft, deren Teil die Geister trotz allem ja immer noch sind.

Neben den Hauptdarstellern gibt es aber auch noch weitere Charaktere, die das Gesamtbild mitprägen. Ein undurchsichtiges Fledermausehepaar sucht ständig die Nähe der gestrandeten Band und erinnert auf diese Weise permanent an das Narrativ des vermeintlichen Ursprungs der coronigen Tragödie. Ein anderes Paar, nur noch aus Schädeln und einem Knochen bestehend, vermutlich ebenfalls verheiratet und stellvertretend für die in der Geisterwelt nicht mehr vorhandenen Fans, trotzen mit sarkastischen Kommentaren dem Umstand, bereits verstorben zu sein.

Insgesamt ist es ein Ort, an dem man sich allenfalls nur noch vage an bessere Zeiten erinnert.

Dieser Bildband enthält eine Auswahl der seit dem 20. März 2020 wöchentlich entstandenen Cartoons, von denen sich die meisten in irgendeiner Weise mit den Auswirkungen der Pandemie auseinandersetzen. Es ist kein Geheimnis, dass meine Kollegen von Hole Full Of Love für die Darstellung der Geisterband Pate gestanden hatten (einschließlich mir selbst als schwarzgewandete Nebuloso-Figur). Bei sieben Personen gehen die Meinungen aber naturgemäß oft auseinander, und so fand sich nicht jeder in den Zeichnungen, die teilweise politische Positionen vermitteln, angemessen vertreten. Daher muss hier festgehalten werden, dass es sich bei den Aussagen der Cartoons ausschließlich um meine eigene Sichtweise handelt, während die Inhalte in keinerlei Zusammenhang mit der (realen) Band stehen.

Ursprünglich hatte ich für dieses Buch ein etwas anderes Konzept vorgesehen: kritischer, mehr ins Detail gehend, die Coronamaßnahmen, die gesellschaftlichen Verwerfungen sowie die Thematik der neuartigen mRNA-Impfstoffe deutlicher beleuchtend. Die Cartoons sollten dabei eher eine begleitende Rolle spielen.

Schon bald stellte ich fest, dass bereits allein das erforderliche Zeitvolumen für ein solches Unterfangen meine Möglichkeiten überstieg, von einer seriösen inhaltlichen Bewältigung dieses komplexen Themengebildes ganz zu schweigen. Gleichzeitig entwickelte das Geschehen um die Pandemie eine Dynamik, mit der beim Schreiben einfach nicht mehr Schritt zu halten war.

Somit kam es hauptsächlich zu einem Bilderbuch, dessen Cartoons mit kurz gefassten Erklärungen, Eindrücken und Anekdoten unterlegt sind. Hier wird kein Anspruch auf Vollständigkeit in der Behandlung aller relevanten Themenbereiche erhoben, denn das wäre nicht zu leisten gewesen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den Künstlern bedanken, die mit ihren kleinen Gastbeiträgen das Projekt unterstützt haben. Und ich danke meiner Ehegattin Vera, die in den letzten Jahren meine musikalischen Aktivitäten sehr erfolgreich gemanagt hat und mir bei diesem Buch beratend zur Seite stand.

Damit der Bezug zur Musik auch durchgehend erhalten bleibt, setzen sich die Bildunterschriften aus Song- oder LP-Titeln diverser Bands und Solokünstler zusammen, von denen die meisten bereits der Vergangenheit angehören oder zumindest ihre besten Tage schon lange hinter sich gelassen haben.

Wie das bei Geistern eben so ist.

Ring My Bell (Anita Ward, 1979)

„Ring My Bell“ von Anita Ward ist ein Titel, der zu Beginn meines Livemusikerlebens aktuell war und daher auch von mir mit dieser Zeit in sehr angenehmer Weise verbunden wird.

Botschaften aus der Hölle