Darkwood Academy - Delia Golz - E-Book
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Darkwood Academy E-Book

Delia Golz

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Beschreibung

Willkommen an der Darkwood Academy – hier hütet jeder Schlüssel ein Geheimnis
Die spannende Urban Fantasy für Fans von Wednesday

Nach einem verhängnisvollen Zwischenfall wird Sharon auf die Darkwood Academy geschickt. Schnell erkennt sie, dass mit dem Internat irgendetwas nicht stimmt: Unerklärliche Todesfälle, verschwiegene Mitschüler und eine geheime Organisation wecken Sharons Misstrauen. Hat das alles etwas mit den seltsamen magischen Fähigkeiten zu tun, die sie plötzlich an sich entdeckt? Der mysteriöse Schattenbeschwörer Elay hilft ihr, ihre Begabung zu verstehen und sie zu trainieren. Doch noch steht ein Geheimnis zwischen ihnen, das er vor ihr verbirgt. Kann Sharon ihn rechtzeitig auf ihre Seite ziehen, damit sie die bösen Mächte im Schatten der Darkwood Academy endgültig stoppen können?

 

 

Erste Leser:innenstimmen
„Die Mischung aus magischen Elementen und mysteriösen Intrigen macht diesen Fantasy Roman zu einem echten Pageturner.
„Sharon und Jules sind tolle Protagonisten, und die Geheimnisse, die sie an der Academy aufdecken, sind wirklich packend.“
„Die zauberhafte Welt, die die Autorin geschaffen hat, ist so lebendig und mitreißend – ich konnte gar nicht genug davon bekommen.“
„Diese Romantasy hat alles, was ich von einem guten Enemies-to-Lovers Roman erwarte: Spannung, Magie, Geheimnisse und eine Prise Romantik.“

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Seitenzahl: 493

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Über dieses E-Book

Nach einem verhängnisvollen Zwischenfall wird Sharon auf die Darkwood Academy geschickt. Schnell erkennt sie, dass mit dem Internat irgendetwas nicht stimmt: Unerklärliche Todesfälle, verschwiegene Mitschüler und eine geheime Organisation wecken Sharons Misstrauen. Hat das alles etwas mit den seltsamen magischen Fähigkeiten zu tun, die sie plötzlich an sich entdeckt? Der mysteriöse Schattenbeschwörer Elay hilft ihr, ihre Begabung zu verstehen und sie zu trainieren. Doch noch steht ein Geheimnis zwischen ihnen, das er vor ihr verbirgt. Kann Sharon ihn rechtzeitig auf ihre Seite ziehen, damit sie die bösen Mächte im Schatten der Darkwood Academy endgültig stoppen können?

Impressum

Erstausgabe Dezember 2023

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-802-4 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-916-8

Covergestaltung: Nadine Most unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Summit Art Creations, © azure, © Rozaliya, ©gomixer Lektorat: Mona Dertinger

E-Book-Version 22.12.2023, 13:17:54.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Darkwood Academy

Prolog

Nervös laufe ich in meinem Zimmer auf und ab und werfe immer wieder einen prüfenden Blick in den Spiegel. Heute gehe ich auf die erste richtige Party meines sechzehnjährigen Lebens – wenn man von den langweiligen Monopoly-Abenden mit dem Literatur-Club absieht, bei denen stets eine Flasche billiger Whisky rumgereicht wurde.

Ich streiche den karierten Faltenrock sowie die schwarze Bluse glatt und frage mich zum wiederholten Mal, ob ich zu prüde angezogen bin für ein Lagerfeuer am See, zu dem meine halbe Schule erscheinen wird.

Doch noch ehe ich mich für ein anderes Outfit entscheiden kann, ertönt die Stimme meines Zwillingsbruders Jules, dessen Überredungskünste der einzige Grund sind, weshalb ich überhaupt auf diese Party gehe.

„Sharon, wir fahren jetzt los! Kommst du endlich?“

Resigniert seufzend wende ich mich von meinem Spiegelbild ab und gehe mir noch mal mit der Bürste durch mein kinnlanges schwarzes Haar, das wie immer etwas widerspenstig wirkt. Ich poltere die geschwungene Holztreppe hinunter und fahre dabei wie jedes Mal mit der Hand über die kunstvollen Schnitzereien im Geländer.

„Da bist du ja endlich“, murrt Jules, der bereits an der Haustür wartet und in seiner figurbetonten dunklen Kleidung mal wieder umwerfend aussieht.

Wie so oft lässt sein Anblick ein leichtes Gefühl von Eifersucht in mir aufkochen und ich frage mich, wie wir beide Zwillinge sein können. Während er zu den Beliebten unserer Schule zählt und als Frauenschwarm gilt, gehöre ich zu den Außenseitern, die am liebsten unsichtbar bleiben. Obwohl wir uns die grünen Augen, das schwarze Haar und die blasse Haut teilen, könnten wir darüber hinaus kaum unterschiedlicher sein. Vermutlich hat Jules im Bauch unserer Mutter die gute Genetik für sich allein beansprucht, während ich mich mit dem Rest begnügen musste.

„Dad wartet schon im Auto“, drängt mein Bruder und schlüpft in seine Sneaker, ehe er die schwere Eichentür aufreißt und in die laue Luft eines verheißungsvollen Augustabends tritt.

Ich schlüpfe in meine neuen Dr. Martens und möchte ihm gerade folgen, als meine Mutter wie aus dem Nichts hinter mir erscheint und mir beinahe schon anklagend meine Tablettendose hinhält.

„Du hast deine Medikamente nicht genommen. Denkst du, mir fällt das nicht auf?“

Mein Herz wird schwer, als ich die Dose an mich nehme. Laut meinem Arzt werden mir die Tabletten wegen einer angeborenen Stoffwechselerkrankung verschrieben. Auch Jules musste sie nehmen, bis er vor vier Jahren plötzlich damit aufhören durfte, ohne dass mir jemals der Grund dafür genannt wurde.

Mit einem gespielten Lächeln nehme ich eine Tablette, stecke sie mir in den Mund und tue so, als würde ich sie schlucken. Allerdings behalte ich sie in meiner Wange versteckt. Seit Jules die Tabletten absetzen durfte und nichts passiert ist, habe ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, es selbst heimlich auszuprobieren. Meine Mutter nickt zufrieden und gibt mir einen Abschiedskuss auf die Wange.

„Viel Spaß, Schatz. Und vergiss nicht: kein Alkohol! Der verträgt sich nicht mit deinem Medikament.“

Ich kann nur schwer ein Augenverdrehen unterdrücken. Stattdessen winke ich zum Abschied und verschwinde dann so schnell ich kann durch die Tür. Erst als ich sie hinter mir ins Schloss fallen höre, spucke ich die Tablette, durch die sich mittlerweile ein furchtbar bitterer Geschmack in meinem Mund ausgebreitet hat, unauffällig in meine Hand. Ich weiß nicht, ob mein Vater mich vom Auto aus beobachtet, also gebe ich vor, mit der Hand über die sorgfältig gestutzten Büsche zu streichen, um das mittlerweile klebrig gewordene Dragee zwischen die Zweige fallen zu lassen. Dann laufe ich zu dem protzigen tiefschwarzen Rolls Royce meines Vaters und lasse mich auf den Rücksitz aus hellem Leder fallen. Jules neben mir schenkt mir keine Beachtung, sondern tippt auf seinem iPhone herum.

Während das Auto langsam über den knirschenden Kies fährt, werfe ich einen Blick zurück auf unser riesiges Anwesen. Als Kind fand ich es wunderbar, gemeinsam mit Jules in den unzähligen verwinkelten Gängen und Zimmern Fangen oder Verstecken zu spielen. Doch mittlerweile ist es mir eher unangenehm, wenn ich mal wieder gefragt werde, ob ich wirklich im Wingrave-Anwesen lebe und ob es dort tatsächlich spukt. Der einzige Geist, den ich je dort gesehen habe, war Jules, als er sich mit acht Jahren ein Laken übergeworfen hat und mich damit erschrecken wollte. Schade eigentlich, denn ich bin schon seit ich denken kann von allem fasziniert, was mit Horror zu tun hat – vielleicht wäre es genau mein Ding, in einem Spukhaus zu leben.

Mein Vater fängt an, über seine Jugendzeit zu reden, wobei aus dem Radio ein alter Song der Beatles schallt. Ich spiele Interesse vor, während sich meine Finger in meinen Rock krallen und ich die Bäume in der Dämmerung vorbeiziehen sehe.

Dann erscheint der See in meinem Sichtfeld und kurz darauf erkenne ich auch schon das Flackern des Lagerfeuers in der Ferne. Unwillkürlich halte ich die Luft an und versuche, mein wild pochendes Herz zu beruhigen. Vielleicht war es doch ein Fehler, die Tablette nicht zu nehmen, und das sind nun die ersten Entzugserscheinungen. Zumindest wäre mir das lieber, als mir einzugestehen, dass ich blanke Panik davor verspüre, mich auf dieser Party vor meiner halben Schule lächerlich zu machen.

Schau mal, da ist diese seltsame Sharon. Was hat sie da eigentlich an? Sie sieht aus wie eine alte Frau!

Die Stimme meines Vaters reißt mich aus meinen düsteren Gedanken: „So, hier lasse ich euch raus. Viel Spaß euch beiden.“

„Danke, Dad“, erwidert Jules, ehe er die Wagentür öffnet. „Ich rufe dich an, wenn du uns abholen kannst.“

Ich bringe bloß ein heiseres „Bis dann“ zustande, ehe ich aus dem Auto stolpere und froh bin, dass wir uns noch nicht in Sichtweite der Partygäste befinden. Jules seufzt und tritt neben mich, während der Rolls Royce langsam in der Dunkelheit verschwindet.

„Entspann dich, okay? Du kannst nicht viel falsch machen. Und ein paar deiner Freunde aus dem Literatur-Club sind auch da.“ Er schafft es tatsächlich, dass seine Worte ermutigend klingen. Also nicke ich mit einem gezwungenen Lächeln und gehe neben ihm her durch ein kleines Waldstück, das uns vom Strand trennt. Schon jetzt dringen dröhnende Bässe und das übermütige Lachen der Jugendlichen zu uns – ohne Zweifel ist bereits eine große Menge Alkohol geflossen.

Meine Nervosität steigert sich mit jedem Schritt, und als wir schließlich aus dem Waldstück heraustreten, würde ich am liebsten auf dem Absatz kehrtmachen. Doch da haben uns bereits die ersten Partygäste entdeckt.

„Da ist Jules!“, ruft ein breitschultriger und hochgewachsener Junge, den ich vom Sehen kenne. Er stürmt auf uns zu und nimmt meinen Bruder überschwänglich in den Arm. Ich kann seinen Alkoholatem bis zu mir riechen.

„Und du bist …?“, wendet er sich an mich und betrachtet mich von oben bis unten. Fassungslos starre ich ihn an, denn er scheint nicht mal zu wissen, dass ich Jules’ Zwillingsschwester bin. Sein Blick bleibt an meiner Bluse kleben und er prustet los. „Hast du deine Oma dabei, Jules?“

Das reicht mir und so stapfe ich allein zum Strand. Ich halte nach vertrauten Gesichtern Ausschau und habe dabei das Gefühl, von allen angestarrt zu werden. Mit einem unwohlen Kribbeln in der Magengrube registriere ich, dass die meisten Mädchen luftige Tops und Jeansshorts tragen.

Dann endlich entdecke ich Miles, Liza und Mara aus dem Literatur-Club. Sie sitzen an dem riesigen Lagerfeuer. Erleichtert schließe ich mich ihnen an. Sie wirken, als würden sie sich beinahe so unwohl fühlen wie ich.

„Hey Sharon“, begrüßt Miles mich und reicht mir eine Bierflasche. „Damit lässt es sich besser ertragen, dass wir für unsere Mitschüler unsichtbar sind.“

Ich nehme den Alkohol entgegen und leere die Flasche mit wenigen Schlucken beinahe vollständig.

„Was machen wir hier eigentlich?“, seufze ich, als ein Paar neben uns anfängt wild herumzuknutschen.

„Spaß haben?“, schlägt Liza mit einem gequälten Lächeln vor und greift nach einer halb leeren Rumflasche.

Schweigend reichen wir sie von einem zum anderen und nach einer Weile macht sich endlich eine angenehme Wärme in mir breit. Das Wummern der Bässe kommt mir sanfter vor und das laute Knistern des Feuers vermischt sich mit dem ausgelassenen Lachen und Kreischen der Partygäste. Verträumt blicke ich in die Flammen und strecke unwillkürlich die Hand danach aus.

„Pass auf!“, ruft Miles und packt mein Handgelenk.

Ruckartig erwache ich aus meiner Trance und werfe ihm einen bösen Blick zu. „Kein Sorge, ich habe nicht vor, mich zu verbrennen.“

Miles rückt seine Hornbrille zurecht und errötet leicht, als sein Blick zu meinen Beinen wandert. Erst jetzt merke ich, dass mein eigentlich knielanger Rock bis zur Mitte meiner Oberschenkel hochgerutscht ist. Schnell ziehe ich ihn wieder runter und erhebe mich ruckartig.

„Ich gehe ein bisschen spazieren“, nuschele ich.

Meine Freunde zucken mit den Schultern und so entferne ich mich leicht schwankend vom Feuer. Mir ist heiß, meine Wangen glühen regelrecht. Ich gehe an den tanzenden Teenagern vorbei, bis meine Beine mich zum Seeufer tragen.

Als ich jedoch ein eng umschlungenes Paar entdecke, das auf einem umgekippten Baumstamm direkt am Wasser sitzt, halte ich inne. Mehrmals blinzle ich, bis ich mir sicher bin, dass meine Augen mich nicht täuschen. Es sind Jules und Jenny – das wohl furchtbarste Mädchen unseres Jahrgangs. Sie wechselt beinahe wöchentlich ihren Freund und lässt keine Gelegenheit aus, mich runterzumachen. Dabei ist sie sogar schon handgreiflich geworden – am liebsten würde ich dieses demütigende Erlebnis aus meinem Gedächtnis streichen. Und nun hat mein Bruder nichts Besseres zu tun, als mit ihr rumzumachen. Meine Kehle wird eng und ich möchte gerade herumwirbeln, als sich Jennys Kopf zu mir dreht. Sie streicht sich eine Strähne ihres blonden Haares hinters Ohr und ihre vollen Lippen verziehen sich zu einem triumphierenden Lächeln. Sie zieht Jules, der mich noch immer nicht bemerkt hat, auf die Beine, deutet in Richtung des Waldes und flüstert ihm etwas ins Ohr. Er nickt und geht auf die Bäume zu.

Nachdem Jenny ihm kurz hinterhergeschaut hat, kommt sie mit schwingenden Hüften in meine Richtung. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie bloß knappe Hotpants und ein Bikinioberteil trägt. Ich möchte weglaufen, doch meine Füße sind wie festgewachsen.

„Hallo, kleine Sharon“, säuselt Jenny und betrachtet mich mit schiefgelegtem Kopf und geschürzten Lippen. „Hast du dich etwa am Kleiderschrank deiner Mutter bedient?“

„Lass mich in Ruhe“, presse ich hervor, schaffe es aber noch immer nicht, mich von der Stelle zu rühren.

Jenny lächelt herablassend und beugt sich vor, bis ich ihren Atem an meinem Ohr spüren kann. „Dein Bruder kann gut küssen. Mal sehen, was er noch so draufhat.“ Mit diesen Worten dreht sie sich um und folgt Jules, der mittlerweile zwischen den Bäumen verschwunden ist.

Fassungslos blicke ich ihr hinterher.

Dann steigt blanke Wut in mir hoch – eine Wut, die ich nicht von mir kenne und die das Blut in meinen Ohren rauschen lässt. Mein Gesicht wird heiß und ich schließe die Augen, um mich zu beruhigen. Ich atme mehrmals tief durch, während meine Finger unkontrolliert zucken und sich dann zu einer Faust ballen. Erst als sich mein Herzschlag ein wenig beruhigt hat, schlage ich meine Lider wieder auf. Ich blicke mich benommen um, atme einmal tief durch und versuche mir einzureden, dass das eben eine völlig harmlose Situation war. Mein Bruder gibt sich ständig mit irgendwelchen Mädchen ab und verliert dann das Interesse. Schon morgen wird Jenny wieder Geschichte sein, was ist schon dabei?

Nachdem ich ein weiteres Mal tief durchgeatmet habe, zwinge ich mich zu einem Lächeln und mache mich dann auf den Weg zurück zum Lagerfeuer. Doch als ich an den ersten Partygästen vorbeigehe, werde ich plötzlich hart von der Seite angerempelt. Ich stolpere und falle mit einem Ächzen der Länge nach hin. Ich schmecke Erde und meine Finger haben sich in den Schmutz gegraben. Mein Knie schmerzt, ich muss es mir auf dem dreckigen Boden aufgeschürft haben. Als ich mich keuchend wieder aufzurappeln versuche, ist da niemand, der sich entschuldigt und mir auf die Beine hilft. Stattdessen etwa ein Dutzend Teenager, die sich um mich geschart haben und lachend auf mich zeigen. Ich blicke von einem hämischen Gesicht zum nächsten, ehe sich ein Schluchzen meine Kehle hochkämpft.

Und dann ist da mit einem Mal wieder dieser tiefe, alles andere verdrängende Zorn. Mein Atem wird schneller und unkontrollierter, das schallende Gelächter um mich herum immer lauter. Oder bin ich es, die es nur immer deutlicher wahrnimmt?

„Hört auf!“, schreie ich und presse mir die Hände auf die Ohren.

Doch die Geräusche werden immer lauter, dringen erbarmungslos in meinen Kopf. Ich springe auf die Füße, öffne meinen Mund zu einem Schrei … und dann löst sich die Welt plötzlich in ein einziges, glühendes Chaos auf. Meine Stimme wird immer lauter. Schriller. Bis sie mir selbst in den Ohren wehtut. Bis mir bewusst wird, dass es nicht nur mein eigener Schrei ist, der die laue Nacht durchschneidet. Ich reiße die Augen auf und blicke mich wie ein gehetztes Tier um, doch das Einzige, was ich sehe, ist ein Flammenmeer.

Das Letzte, was ich wahrnehme, ist eine überwältigende Kälte, die mich in eine tiefe Dunkelheit zieht.

Kapitel 1

Ich lehne meine Stirn an die Scheibe des Rolls Royce, während die Landschaft der schottischen Highlands an mir vorbeizieht. Ich fühle mich völlig leer – nicht einmal Nervosität aufgrund des neuen Lebens, das vor mir liegt, regt sich in mir.

Irgendwann werden die Bäume lichter, bis sich die Straße schließlich am Meer entlangschlängelt. Ich setze mich das erste Mal seit Beginn der zweistündigen Fahrt auf und erlaube mir, diesen Anblick zu genießen. Ich war in meinem Leben selten am Meer und der Gedanke, für eine lange Zeit in unmittelbarer Nähe zu wohnen, kommt mir nun doch verlockend vor.

Seit der verhängnisvollen Nacht habe ich mich die meiste Zeit mit meinen Büchern in mein Zimmer zurückgezogen und keinen Gedanken an mein bevorstehendes neues Leben verschwendet. Ich habe die vielen Berichte über den verheerenden Brand und die unzähligen Toten ignoriert und auch die Fragen der Polizisten bloß wie in Trance beantwortet. Zum Glück konnten mir meine Eltern die meiste Zeit den Rücken freihalten. Außerdem war da noch Jules, der außer mir der einzige Überlebende war.

Ein Frösteln durchfährt meinen Körper und ich beschließe, meine Gedanken auf das zu richten, was vor mir liegt: die Darkwood Academy. Schon eine Woche nach jener Nacht habe ich diesen Namen zum ersten Mal gehört, dem Ganzen jedoch zunächst nicht viel Bedeutung beigemessen. Bis mir meine Eltern vor einem Monat mitgeteilt haben, was längst feststand: Ich soll gemeinsam mit Jules mein bekanntes Leben verlassen und auf diese Schule gehen, von der ich noch nie zuvor etwas gehört habe. Selbst im Internet konnte ich kaum Informationen über sie finden. Angeblich sind schon meine Eltern auf die Darkwood Academy gegangen und haben sich dort kennengelernt. Es schockiert mich noch immer, wie wenig ich über ihr Leben weiß. Jules hingegen hat kein bisschen überrascht gewirkt. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er zufrieden gelächelt hat, als unsere Eltern uns alles erzählt haben: wie gut der Unterricht ist, wie komfortabel die Schlafräume sind und so weiter. Kein Wort darüber, weshalb wir plötzlich auf diese Schule wechseln sollen und was das alles mit dieser furchtbaren Nacht zu tun hat.

„Wir sind gleich da“, sagt meine Mutter freudig lächelnd und streicht sich durch ihr blondes Haar.

Wie immer sieht sie makellos aus in ihrem maßgeschneiderten Etuikleid und mit dem dezent geschminkten Gesicht. Ebenso wie mein Vater in seinem Nadelstreifenanzug strahlt sie puren Reichtum aus, was mir schon jetzt Unbehagen bereitet. Ohne Zweifel werden mir unsere Mitschüler direkt bei unserer Ankunft einen Stempel aufdrücken, obwohl ich selbst kein bisschen wie ein Rich Kid aussehe.

Doch noch ehe ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen kann, biegen wir um eine Kurve und die Darkwood Academy erscheint in unserem Sichtfeld. Trotz meiner schlechten Laune bin ich sofort fasziniert von dem Anblick. Anders als das protzige Herrenhaus meiner Familie sieht dieses Anwesen völlig unsymmetrisch aus und irgendwie, als wäre es aus vielen unterschiedlichen Teilen, die nicht so recht zueinanderpassen, zusammengesetzt. Da gibt es Türmchen mit Spitzdächern, Erkern und Giebeln. Bei der mit Efeu bewachsene Fassade wechseln sich Stein, Fachwerk und dunkles Holz ab. Ohne Zweifel ist das Haus riesig, doch es wirkt trotzdem einladend, lebendig und auch ein bisschen chaotisch.

„Ich liebe es“, platzt es aus mir heraus, woraufhin meine Eltern befreit auflachen.

„Du wirst es noch mehr mögen, wenn du es erst mal von innen siehst“, sagt meine Mutter und verliert sich ihrer Miene nach zu urteilen in Erinnerungen.

Ich werfe einen Blick zu Jules. Er betrachtet das Anwesen mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Während wir über die lange Kieseinfahrt rollen und ein verschnörkeltes schmiedeeisernes Tor passieren, sagt er kein Wort.

Schließlich bleiben wir direkt vor dem Gebäude stehen, sodass ich es in seiner gesamten Pracht bewundern kann. Von Nahem sieht es sogar noch schöner aus. Überall gibt es wundervolle Details: Einige Balken sind mit kunstvollen Schnitzereien verziert und das Geländer der Veranda ist in einem satten Grün gestrichen.

Als ich das Auto verlasse und mich um die eigene Achse drehe, fällt mir allerdings auf, dass überhaupt keine Schüler draußen unterwegs sind oder es sich zum Lernen auf der Wiese neben dem kleinen See gemütlich gemacht haben. Genaugenommen wirkt das gesamte Gelände wie ausgestorben.

„Im Moment müsste noch Unterricht sein“, erklärt mein Vater, als er mein verwirrtes Gesicht bemerkt. „Auf die Darkwood Academy gehen nur etwa fünfzig Schüler, dadurch wirkt sie nicht so belebt wie die Schulen, die du kennst.“

„Nur fünfzig Schüler?“, frage ich verwundert.

Wieder wird mir bewusst, wie wenig ich über diesen Ort weiß. Meine Mutter nickt bekräftigend, während sie etwas unbeholfen über den Kies auf mich zu stöckelt.

„Hier gibt es nur drei Jahrgänge. Hatten wir dir das nicht erzählt?“

Ich seufze und halte einen bissigen Kommentar zurück. Stattdessen wende ich mich wieder dem Haus zu und blicke daran hoch. Ich bewundere die Bleiverglasungen, die teilweise aus Buntglas bestehen, und bin mir sicher, dass es herrlich aussieht, wenn die Sonne hindurchfällt. Schade, dass heute so ein bedeckter Oktobertag ist.

Meine Aufmerksamkeit wird abgelenkt, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme. Überrascht wende ich mich um: Eine grau getigerte Katze blinzelt mich träge an.

„Die Rektorin, Mrs McArren, hat eine Schwäche für Katzen“, erklärt meine Mutter, als auch sie das Tier entdeckt. „Hier auf dem Gelände laufen sicherlich um die zwanzig von ihnen herum.“

Ich kann nur schwer ein begeistertes Quietschen unterdrücken und gehe vorsichtig auf die Katze zu, um sie zu streicheln. Als ich mich hinhocke und meine Hand nach ihr ausstrecke, schnuppert sie mit halb geschlossenen Augen daran. Dann wendet sie sich jedoch um und verschwindet hinter dem Gebäude. Neugierig, was sich dort befinden könnte, folge ich ihr.

Als ich um eine Ecke biege, bleibe ich jedoch ruckartig stehen. Dort, an die Hauswand gelehnt, steht ein großer blonder Junge, der nur wenig älter als ich zu sein scheint, und raucht eine Zigarette. Sicherlich tut er das heimlich, und da ich mich nicht einmischen möchte, wende ich mich schnell wieder ab.

Noch ehe ich aus seiner Sichtweite verschwinden kann, ertönt jedoch seine Stimme: „Hey, kenne ich dich?“

Ich schließe für einen Moment die Augen, ehe ich mich wieder zu ihm umdrehe und ihn angespannt anlächle.

„Ich bin neu hier, mein Zwillingsbruder Jules und ich sind eben erst angekommen.“

Der Junge nickt langsam und ich beiße mir nervös auf die Lippe. Erst jetzt bemerke ich wieder die getigerte Katze, die sich schnurrend an den Beinen des Fremden reibt. Seine graue Wollhose ist ein kleines Stück zu kurz und betont dadurch seinen leicht schlaksigen Körperbau. Da ich nicht beim Starren erwischt werden will, wende ich mich schnell wieder ab.

„Ich muss zurück“, sage ich unbeholfen. „Meine Eltern warten bestimmt schon auf mich.“

Der Junge nickt abermals wortlos und nimmt unbeeindruckt einen Zug von seiner Zigarette.

„Ich nehme an, man sieht sich“, erwidert er dann und bückt sich, um die Katze zu streicheln.

Ein wenig zu hastig eile ich um das Gebäude herum, bis ich meine Eltern und Jules wieder sehen kann. Neben ihnen steht eine Frau, die ich auf um die sechzig schätze und bei der es sich vermutlich um die Rektorin handelt. Sie ist dürr und hochgewachsen und ihr graues Haar ist zu einem strengen Dutt zurückgebunden. Schon auf den ersten Blick bin ich mir sicher, dass mit ihr nicht zu spaßen ist.

„Ah, und da ist auch unsere Tochter Sharon“, dröhnt die Stimme meines Vaters zu mir und er winkt mich ungeduldig zu sich.

Widerwillig laufe ich zu ihnen und reiche der Frau höflich die Hand.

„Ich bin Mrs McArren, die Rektorin der Darkwood Academy“, stellt sie sich in herablassendem Ton vor.

Sie mustert mich von oben durch ihre kleine runde Brille, die ihr die Hakennase ein Stück heruntergerutscht ist. Sie wirkt wie das absolute Klischee einer strengen Rektorin – das macht auch ihre Liebe zu Katzen nicht wieder wett.

„Ich bringe euch nun zu euren Zimmern, und während ihr euch einrichtet, bespreche ich alles Wichtige mit euren Eltern“, teilt sie uns mit und schenkt Jules dabei tatsächlich ein Lächeln. Also hat er es schon jetzt geschafft, der Liebling zu werden.

Unbeholfen ziehe ich meinen Lederkoffer über den Kies, als Mrs McArren uns bedeutet, ihr zu folgen.

Sobald ich in der Eingangshalle stehe, verfalle ich wieder in begeistertes Staunen. Der Boden besteht aus knarzenden Dielen und das Geländer der doppelten Holztreppe wirkt sogar noch aufwendiger als das in meinem Zuhause. Die Decke ragt weit über uns empor und wird von einem gigantischen Kronleuchter aus Kristallglas geschmückt.

„Die meisten Klassenzimmer befinden sich hier im Erdgeschoss, ebenso der Speisesaal“, erklärt Mrs McArren und deutet auf die schweren doppelflügeligen Türen, die von der Eingangshalle wegführen.

„Oben befinden sich die Schlaf- und Aufenthaltsräume. Folgt mir.“

Als ich ächzend meinen Koffer die Treppe hochhieve, kommt diese mir plötzlich nicht mehr ganz so prächtig vor wie gerade noch. Innerlich verfluche ich jede einzelne Stufe, während meine Eltern fröhlich plaudernd vor mir hergehen und gar nicht daran denken, mir zu helfen. Jules ist bereits mühelos oben angekommen. Als auch ich schnaufend die letzte Stufe bewältige, lächelt er mir neckisch zu.

„Vielleicht solltest du dich hier in einem Sport-Club anmelden.“

„Haha“, erwidere ich trocken und verpasse ihm einen spielerischen Fausthieb gegen den Oberarm.

„Zuerst führe ich euch zu dem Flügel mit den Mädchenschlafräumen“, verkündet Mrs McArren und biegt nach rechts ab.

Allmählich breitet sich Nervosität in mir aus, denn mir wird zunehmend bewusst, dass ich mir mein Zimmer wohl mit einer oder mehreren Mitschülerinnen teilen muss. Je länger wir dem langen dunklen Gang folgen, desto mehr sehne ich mich in mein eigenes Zimmer zurück. Dort konnte ich mich jederzeit verkriechen, wenn ich wieder einmal genug von der Welt hatte.

An einer Tür am Ende des Ganges bleibt Mrs McArren schließlich stehen. Sie öffnet sie und bedeutet mir dann mit einer ungeduldigen Handbewegung einzutreten.

„Das ist von nun an dein Zimmer. Richte dich gerne so ein, wie du es magst.“

Zögerlich gehe ich an meinen Eltern vorbei, die mich aufmunternd anlächeln, und betrete dann das Zimmer, das von nun an mein Zuhause sein wird.

„Wir sehen uns nach dem Abendessen noch mal, um uns richtig zu verabschieden“, sagt meine Mutter fröhlich.

„Bis dahin“, murmle ich abwesend und blicke mich dann neugierig um.

Innerhalb weniger Sekunden habe ich den ganzen Raum erfasst und seufze erleichtert, da ich zumindest im Moment noch allein bin. Allerdings gibt es drei Betten. Zum Glück handelt es sich um einen recht großen Raum, dessen Wand mit einer Holzvertäfelung verkleidet ist. Die Decke wird von schweren Holzbalken gestützt und auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein Erker mit drei bleiverglasten Fenstern. Doch das Beste sind die breiten gepolsterten Fensterbänke, auf denen man sicherlich wunderbar lesen kann. Trotz der vielen Veränderungen, die mir tiefes Unbehagen bereiten, breitet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus.

Ich ziehe meinen Koffer zu dem einzigen Bett, das noch frei zu sein scheint, und lasse mich darauf sinken. Nach kurzem Kramen finde ich meine abgegriffene Ausgabe von Stephen Kings Es, die ich sicherlich schon fünfmal verschlungen habe. Viele finden dieses Buch langatmig, doch ich liebe es. Kurz muss ich darüber schmunzeln, dass das Erste, was ich an diesem völlig neuen Ort mache, das Lesen dieses Buches ist. Doch vielleicht ist es genau das, was ich brauche: etwas Vertrautes, in das ich mich flüchten kann, um mich hier heimisch zu fühlen.

Es dauert nicht lange, bis ich völlig in der Welt des Horrors versunken bin und ich dabei die Zeit vergesse. Die Sonne wandert und allmählich bricht die Dämmerung an. Ich blinzle, als mir klar wird, dass ich mindestens zwei Stunden gelesen haben muss und es mittlerweile später Nachmittag ist.

Ich beschließe, nach Jules zu suchen, um mit ihm zusammen die Schule zu erkunden. Doch gerade, als ich meine Beine von der Bettkante schwinge, wird die Tür mit Wucht aufgestoßen. Sofort versteift sich mein ganzer Körper und ich wage es nicht, mich zu bewegen, fühle mich wie ein Kaninchen in der Falle. Ein komplett in Schwarz gekleidetes Mädchen betritt mit energischen Schritten den Raum und dreht sich dann mit verschränkten Armen zu mir um.

„Du bist also Sharon, die Neue“, sagt sie finster und bestätigt damit meinen ersten Eindruck.

Sie hat lange, lila gefärbte Haare und ihre vollen Lippen sind mit einem dunkelroten Lippenstift geschminkt, was einen starken Kontrast zu ihrer blassen Haut bildet. Sie trägt eine derbe Lederjacke mit Nieten, eine schwarze Röhrenjeans und klobige Boots mit dicker Sohle. Alles in allem wirkt sie wie eine typische Schlägerbraut und es graut mir schon jetzt vor der Zeit, die wir zusammen verbringen müssen.

„Du scheinst nicht sehr gesprächig zu sein“, murrt sie und kommt dann bedrohlich auf mich zu.

Meine Kehle wird eng und ich schlucke schwer. Gerade als ich über Flucht nachdenke, verzieht sich ihr Mund jedoch zu einem Lächeln und sie kichert überraschend mädchenhaft. Dann reicht sie mir ihre Hand, die ich zögerlich ergreife, und zieht mich auf die Beine.

„Ich bin Aideen“, stellt sie sich vor und schließt mich dann überschwänglich in die Arme. Mein Körper ist noch immer völlig steif und ich begreife nicht, was hier gerade geschieht.

„Mach dir nichts draus, diesen Scherz erlaube ich mir mit allen, die ich neu kennenlerne“, erklärt sie. „Die meisten reagieren so wie du. Aber ich bin mir sicher, dass wir gute Freundinnen werden.“

Ich nicke schwach und sehe zu, wie sie sich lässig auf ihr Bett setzt. Erst jetzt wird mir klar, weshalb mir ihr Bett nicht sonderlich aufgefallen ist: Statt mit düsterer Deko und Death-Metal-Postern ist ihre Ecke mit Pflanzen und niedlichen Stofftieren geschmückt. Schon mal eine Sache, für die wir uns beide zu interessieren scheinen, denn ich habe eine Schwäche für Kakteen und Sukkulenten.

„Der Unterricht war heute so öde“, plappert Aideen drauf los. „Sei froh, dass du noch nicht teilnehmen musstest. Aber morgen bleibst du sicherlich nicht mehr verschont.“

Sie schält sich aus ihren Boots und zum Vorschein kommen zwei verschiedenfarbige, bunt geblümte Socken. Ich muss mir ein Lachen verkneifen und allmählich löst sich der Knoten in meiner Brust.

„Wer wohnt noch hier im Zimmer?“, frage ich und blicke zu dem Bett, das noch viel nichtssagender aussieht als Aideens.

Es ist völlig makellos gemacht und nur an dem sauber gefalteten Schlafanzug sowie dem schlichten schwarzen Koffer kann man überhaupt erkennen, dass sich dort jemand niedergelassen hat.

„Oh, bloß Sabrina“, antwortet Aideen und verdreht die Augen. „Bei ihr trügt der Schein im Gegensatz zu mir nicht: Sie ist genauso langweilig, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Ich bin so froh, dass ich mir nicht mehr allein mit ihr das Zimmer teilen muss.“

„Vielleicht bin ich ja auch nerviger, als du denkst“, sage ich und grinse sie an.

Seltsamerweise fällt es mir auf einmal total leicht, ein Gespräch mit ihr zu führen, obwohl ich sie doch gar nicht kenne.

Aideen lacht auf und mustert meine Kleidung. Sofort erröte ich und weiche ihrem Blick aus.

„Manche Menschen würden deine Klamotten wohl als altmodisch bezeichnen“, stellt sie fest. „Aber ich finde sie unglaublich cool. Irgendwie Vintage mit einer Prise Grunge. Du hast eindeutig Stil und das ist schon mal der erste Grund, weshalb ich dich nicht langweilig finde.“

Ich blicke sie sprachlos und überwältigt an. So etwas Nettes hat noch nie jemand über meine Kleidung gesagt.

„Oh … danke“, stammle ich und überlege, ob ich ihr auch ein Kompliment machen sollte.

Da öffnet sich jedoch erneut die Tür und Mrs McArren steht im Rahmen.

„Wie ich sehe, habt ihr euch schon angefreundet“, sagt sie und presst die Lippen seltsam zusammen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie damit ein Lächeln andeuten möchte.

„Sharon, ich informiere dich nun über die ersten Regeln, die an dieser Schule gelten. Den Rest wirst du ein anderes Mal erfahren.“

Aideen seufzt kaum hörbar und setzt sich demonstrativ Kopfhörer auf, die an einen alten Discman gestöpselt sind. Ich blicke Mrs McArren erwartungsvoll an und gebe mir Mühe, interessiert auszusehen.

„Zunächst: Wir tragen hier keine Uniformen und haben auch keine allzu strenge Kleiderordnung. Allerdings sind grelle Farben untersagt, denn die stören das Auge.“

Von Aideens Bettseite ertönt ein Prusten, das sie schnell durch ein Husten zu übertönen versucht.

„Wie ich sehe, ist deine Musik nicht laut genug“, stellt Mrs McArren trocken fest, ehe sie sich wieder an mich wendet. „Die zweite Regel lautet: keine Handys. Wenn du jemanden kontaktieren möchtest, kannst du die Telefone auf den Fluren benutzen.“

Ich sehe sie verdutzt an, denn damit habe ich nicht gerechnet. Die Darkwood Academy kommt mir zwar ein wenig vor wie aus einer anderen Zeit, doch ein Handy-Verbot finde ich übertrieben. Dennoch verkneife ich mir jeden Protest und ziehe mein Smartphone hervor, um es auszuschalten.

„Nein, ich muss dich bitten, es mir zu geben“, unterbricht die Rektorin mich kühl und streckt die Hand aus.

Nun kann ich mich doch nicht mehr zurückhalten. „Aber ich …“

„Nein!“ Ihre schneidende Stimme lässt mich zusammenzucken und schnell lege ich ihr das Handy in die ausgestreckte Hand. Sehnsuchtsvoll schaue ich dabei zu, wie sie es sich in die Tasche ihres Blazers steckt.

„Abendessen gibt es um 18 Uhr“, sagt sie, als sei nichts passiert. „Aideen wird dich in den Speisesaal führen. Seid pünktlich.“ Mit diesen Worten rauscht sie davon.

Ich reibe mir mit der Hand übers Gesicht. „Ist sie immer so schrecklich?“

„Du hast ja keine Ahnung“, antwortet Aideen trocken und nimmt die Kopfhörer ab. „Aber ich hab schon eine Idee, wie ich dich aufmuntern kann“, fügt sie hinzu und ihre dunklen Augen glitzern freudig auf.

Sie zieht sich flauschige rosa Hausschuhe an, während ich noch immer meine schwarz-weißen Oxfordschuhe trage.

Neugierig folge ich ihr dann aus unserem Zimmer und lasse mich durch mehrere verwinkelte Gänge führen. Innerhalb kürzester Zeit habe ich bereits die Orientierung verloren. Ständig bücke ich mich voller Entzückung, denn immer häufiger läuft uns eine Katze über den Weg.

„Stimmt es, dass Mrs McArren um die zwanzig Katzen besitzt?“, frage ich begeistert.

Aideen lacht auf, als hätte ich einen Witz gemacht, den ich selbst nicht verstehe.

„Die Zahl hat vielleicht vor vielen Jahren gestimmt. Mittlerweile sind es bestimmt mindestens dreißig. Mrs McArren rettet sie aus Tierheimen, was ich eigentlich gut finde, aber mittlerweile übertreibt sie wirklich.“

Mein Herz beginnt vor Glück zu hüpfen.

„Natürlich müssen wir Schüler die Katzen versorgen“, fährt Aideen fort und wirkt dabei alles andere als glücklich. „Du hast keine Ahnung, wie viele Klos täglich gesäubert werden müssen. Ich bin für jede Katze dankbar, die ihr Geschäft draußen verrichtet.“

Schließlich bleibt sie vor einer Tür stehen, in die zu meiner Verwunderung eine Katzenklappe eingelassen ist. Aideen stößt die Tür auf und deutet mit einer präsentierenden Handbewegung in den Gang dahinter.

„Das“, sagt sie mit dramatischer Stimme, „ist der Katzenflügel.“

Ich spüre, wie meine Augen sich weiten und trete ehrfurchtsvoll ein. Die Türen zu den Zimmern sind alle offen, und was ich erblicke, gleicht für mich einem Paradies auf Erden.

„Das ist … traumhaft“, hauche ich und betrete einen Raum, dessen Wände mit unzähligen Klettermöglichkeiten bedeckt sind.

Ich streichle eine schwarze Katze, die träge gähnt und dann schnurrend die Augen schließt. Mir treten Tränen in die Augen, so überwältigt bin ich. So habe ich mir den ersten Tag auf der Darkwood Academy definitiv nicht vorgestellt. Geduldig begleitet mich Aideen bei meinem Rundgang, was ich ihr hoch anrechne. Ich sehe ihr an, dass sie meine Liebe zu Katzen nicht gerade teilt.

„Es wird Zeit, zum Abendessen zu gehen“, sagt sie jedoch irgendwann bei einem Blick auf ihre schwarze Armbanduhr. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich mein Handy nicht mehr habe, das mir normalerweise die Uhrzeit anzeigt.

„Wird die gesamte Schule dort sein?“, frage ich nervös, obwohl die Antwort auf der Hand liegt.

„Mach dir keine Sorgen“, sagt Aideen fröhlich und hakt sich bei mir ein. „Die Schüler hier sind wirklich nett. Die meisten jedenfalls.“

„Na wunderbar“, murmle ich und lasse mich widerstrebend mitziehen.

Wenigstens werde ich Jules wieder treffen und mich mit ihm austauschen können. Er hat vermutlich bereits das gesamte Gelände erkundet, was ich von mir nicht gerade behaupten kann.

Auf dem Weg in den Speisesaal begegnen wir vielen Mitschülern, die mich freundlich grüßen. Ich schenke allen ein Lächeln und entspanne mich allmählich wieder. Wir scheinen eine bunt gemischte Gruppe zu sein, was mich unendlich erleichtert. Ich entdecke ein Pärchen mit türkis gefärbten Haaren, das sicherlich regelmäßig Ärger wegen der Kleiderordnung bekommt, drei Freundinnen im Gothic-Stil und einen Jungen mit kunstvoll geschminkten Augen. Allerdings begegne ich auch ein paar Jugendlichen, die eher der Norm meiner alten Schule entsprechen: Markenkleidung, überheblicher Blick und perfekt gestylt. Immerhin schenken die mir keine Aufmerksamkeit. Vermutlich bin ich hier nicht mehr so auffällig wie in meinem alten Leben. Unsichtbar zu sein ist mir eindeutig lieber, als verspottet zu werden.

Als wir den Speisesaal betreten, merke ich sofort, dass das Wort „Saal“ übertrieben ist. Vielmehr handelt es sich um mehrere zusammenhängende, aber verwinkelte Räume mit vertäfelten Wänden und dicken roten Teppichböden. Überall verteilt stehen Vierertische, die ebenso antik wirken wie die meisten Möbel in diesem Gebäude. Es gibt sogar einen großen Kamin mit einem knisternden Feuer.

„Jeder hat hier seinen zugewiesenen Platz“, erklärt Aideen und führt mich zu einem Tisch, der zu meiner Freude in der Nähe des Kamins steht. „Da Mrs McArren mir schon vor deiner Ankunft aufgetragen hat, mich um dich zu kümmern, sitzt du natürlich neben mir. Oh, und Sabrina wirst du auch gleich kennenlernen.“ Den letzten Satz sagt sie mit deutlich weniger Begeisterung.

Ich betrachte neugierig die beiden anderen Mädchen, die an unserem Tisch sitzen, und weiß sofort, wer von ihnen Sabrina sein muss. Während die eine tiefschwarze Haare mit schneeweißen Strähnen hat und unzählige Piercings trägt, scheint die andere das genaue Gegenteil von ihr zu sein. Sie hat gelocktes braunes Haar und ihr pausbäckiges Gesicht wirkt so brav, dass wohl selbst ich neben ihr wie eine Rebellin aussehe. Ein hochgeschlossenes graues Wollkleid und graue Schnürschuhe vervollständigen ihr Gesamtbild. Ich weiß am besten, dass man Menschen nicht nach ihrem Äußeren beurteilen sollte, und beschließe darum zu versuchen, mich mit ihr anzufreunden.

„Hallo, ich bin Sharon“, stelle ich mich vor, während ich mich zu den beiden setze.

„Hi“, erwidert das schwarz-weiß-haarige Mädchen freudig und reicht mir die Hand. „Mein Name ist Madeline. Ich bin Aideens Freundin. Feste Freundin.“

Um ihre Worte zu unterstreichen, beugt sie sich über den Tisch und gibt meiner Zimmergenossin einen zärtlichen Kuss. „Freut mich, dich kennenzulernen“, sage ich. „Und du musst Sabrina sein.“

Das Mädchen nickt knapp und lächelt verkniffen. „So ist es. Wir teilen uns ein Zimmer.“

Ich lächle ebenfalls, weil ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll. Madeline beginnt ein Gespräch über den Kunstunterricht, in dem wohl gerade die Zeit des Barock durchgenommen wird.

„Diese Epoche ist so aufregend“, sagt sie und ihre klaren blauen Augen leuchten aufgeregt. „Ich wünschte, ich hätte in dieser Zeit gelebt.“

Aideen rümpft die Nase und tätschelt ihrer Freundin die Hand. „Wusstest du, dass die Menschen im Barock unheimlich gestunken haben und immer Döschen mit Blut bei sich trugen, damit die Flöhe da rein krabbeln?“

„Iiiih!“, ruft Madeline entsetzt und schüttelt sich.

Ich kann ein Lachen nicht zurückhalten und ernte dafür tatsächlich einen bösen Blick von Sabrina. Als Aideen es bemerkt, zieht sie vielsagend die Augenbrauen hoch, doch verkneift sich einen weiteren Kommentar.

Plötzlich verspüre ich ein Kribbeln im Nacken, und als ich mich instinktiv umdrehe, kann ich es nicht fassen. Dort, im Eingang zum Speisesaal, steht Jules. Und er ist nicht allein. Er wird von vier Jungs flankiert – und einer von ihnen ist der Blonde, dem ich bei unserer Ankunft begegnet bin.

Kapitel 2

Der Blick des Jungen scheint instinktiv meinen zu finden und seine Lippen verziehen sich zu einem schiefen Lächeln, von dem ich nicht weiß, ob es eher erfreut oder spöttisch aussieht.

Noch ehe ich weiter darüber nachdenken kann, stößt mir Aideen den Ellenbogen in die Rippen. „Ist das dein Bruder? Er ist echt heiß.“

„Hey!“, protestiert Madeline empört, doch Aideen zuckt bloß mit den Schultern.

„Ja, das ist mein Bruder Jules“, murmle ich und registriere schlecht gelaunt, dass er die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zieht. Natürlich.

„Er scheint schon jetzt der Anführer zu sein“, bemerkt Sabrina mit gerunzelter Stirn. Sie sieht mich misstrauisch, vielleicht sogar ängstlich an.

„Hey Sharon“, sagt Jules beiläufig, als er und seine Gruppe an uns vorbeigehen.

Ich blicke ihm verdutzt hinterher – er behandelt mich, als würden wir uns bloß flüchtig kennen. Als wäre ich nicht seine Schwester, mit der er schon zusammen im Bauch unserer Mutter herangewachsen ist. Ich schüttle den Kopf und versuche, mich wieder auf das Gespräch der anderen zu konzentrieren, in dem es darum geht, wer heute Katzenklodienst hat.

Nach einer Weile kommen mehrere Frauen in Dienstbotenuniformen in den Speisesaal, die Servierwagen vor sich herschieben.

„Wir bekommen das Essen an die Tische gebracht?“, frage ich überrascht. „Was für eine Schule ist das hier?“

Ich muss an die grell beleuchtete Mensa meiner alten Schule denken, wo man mit Tabletts in langen Schlangen darauf warten musste, dass einem eine widerliche Pampe auf den Teller geklatscht wurde.

„Ein guter Service, nicht wahr?“, fragt Aideen grinsend. „Ich bin auch erst seit zwei Monaten hier, aber daran hab ich mich gern gewöhnt.“

Schließlich kommt eine junge Frau an unseren Tisch und stellt jeder von uns einen Teller hin.

„Für Sie haben wir leider noch keinen Essensplan“, wendet sie sich mit einem starken osteuropäischen Akzent an mich. „Darum haben wir Ihnen einfach von allem etwas gegeben.“

Es dauert einen Moment, bis ich meine Sprache wiedergefunden habe. „Danke“, stammle ich, völlig überrumpelt von dieser höflichen Anrede.

Als die Frau wieder weg ist, stibitzt Aideen mir eine Kartoffelecke vom Teller.

„Ich hätte mich doch nicht für das Cordon Bleu entscheiden sollen“, sagt sie mit vollem Mund, ehe wir alle in ein genussvolles Schweigen fallen.

Ich probiere ein Stück gebratenen Lachs und schließe die Augen. Dieses Essen ist nicht einmal ansatzweise mit dem aus der Mensa meiner alten Schule vergleichbar. Ich möchte gar nicht erst darüber nachdenken, wie viel Schulgeld meine Eltern für Jules und mich bezahlen.

Nachdenklich wandert mein Blick zu den anderen Tischen, die ich von meinem Platz aus sehen kann. Durch den verwinkelten Grundriss befinden sich nur schätzungsweise ein Drittel meiner Mitschüler in meinem Blickfeld. Ich versuche, mir jedes Gesicht einzuprägen, was leider nicht gerade zu meinen Stärken zählt.

Meine Augen bleiben an einem stämmigen Jungen hängen. Er hat lockiges braunes Haar und trägt eine große runde Brille – was mir an ihm besonders auffällt, ist seine abweisende Ausstrahlung. Er sitzt als Einziger an einem Einzeltisch ganz am Rand des Geschehens und scheint sich nicht im Entferntesten für seine Mitschüler zu interessieren. Er wirkt aber auch nicht wie ein Teenager, der gemobbt wird und sich deshalb in sich zurückzieht, sondern vielmehr, als wären wir es seiner Meinung nach nicht wert, von ihm beachtet zu werden. Auch wenn es natürlich ein Trugschluss und er ein netter Kerl sein könnte, stört mich das.

„Wer ist das?“, flüstere ich Aideen zu und deute mit einer knappen Kopfbewegung auf den Einzelgänger.

Sie wirft ihm einen abschätzigen Blick zu, der meinen ersten Eindruck zu bestätigen scheint. „Das ist Finn Graham. Er will mit niemandem was zu tun haben, also versuch gar nicht erst, ihn näher kennenzulernen.“

Ich betrachte Finn noch einen Moment, ehe ich zustimmend nicke. „Vermutlich hast du recht.“

Bisher war ich eigentlich ein Mensch, der sich stets an die anderen Außenseiter gehalten hat, ganz egal, welche Eigenheiten sie hatten. Doch auch ohne je ein Wort mit Finn gewechselt zu haben, weiß ich, dass ich mir mit ihm keine Mühe zu geben brauche.

***

Die erste Nacht in meinem neuen Leben schlafe ich unruhig und verworrene Alpträumen suchen mich heim. Immer wieder schrecke ich hoch und schnappe nach Luft. Ich bilde mir ein, dass die Schatten meiner Träume mir bis in die Wachwelt gefolgt sind.

Erst bei Anbruch der Morgendämmerung falle ich endlich in einen tiefen Schlaf, aus dem ich jedoch viel zu früh von einem Gong gerissen werde. Völlig gerädert setze ich mich auf und reibe mir die Augen. Voller Grauen wird mir bewusst, dass heute mein erster Schultag ansteht. Aideen dreht sich murrend auf die Seite und zieht sich die Bettdecke über den Kopf, während Sabrina folgsam aufsteht und ihr Bett macht.

Ich starre noch eine Weile teilnahmslos an die Wand, ehe ich mich dazu aufraffen kann, das einladend warme Bett zu verlassen.

„Du kannst die Dusche benutzen, ich erledige das immer abends“, erklärt Sabrina, während sie noch immer damit beschäftigt ist, ihre Decke zu glätten. „Bis Aideen so weit ist, kann es noch etwas dauern. Der Unterricht beginnt in einer Stunde, bis dahin wird uns zwischenzeitlich das Frühstück gebracht.“

Ich kann kaum fassen, was sie gesagt hat. „Das Frühstück wird uns aufs Zimmer gebracht?“

Sabrina nickt bloß und widmet sich dann ihrem Kleiderschrank. Ich erhasche einen Blick auf erdfarbene und graue Kleider sowie graue Strumpfhosen – es scheint nicht so, als würde sie je etwas anderes tragen. Aideen beginnt währenddessen wieder zu schnarchen und macht nicht gerade den Eindruck, als würde sie in der nächsten Zeit wach werden.

Ich betrete unser Badezimmer, das mich abermals beeindruckt. Die Decke wird von Stuck und einem kleinen Kronleuchter geschmückt, dessen geschliffener Kristall die Morgensonne einfängt und Regenbogen an die getäfelten Wände wirft. Der Boden besteht aus weißem Marmor und ist so makellos, dass ich keinen Zweifel daran habe, dass er jeden Tag von einer Putzkraft gepflegt wird. Zudem verfügt der Raum über eine moderne Dusche sowie eine Badewanne mit goldenen Löwenfüßen. Zwar bin ich Luxus von zu Hause gewöhnt, aber gerade in einer Schule sehe ich ihn nicht als selbstverständlich an.

Nachdem ich geduscht, meine kinnlangen Haare glattgeföhnt und mich dezent geschminkt habe, fühle ich mich gleich viel wacher und bereit für den Unterricht. Bei einem Blick auf meine Armbanduhr, die ich am Vorabend bei der Verabschiedung von meinen Eltern geschenkt bekommen habe, stelle ich fest, dass ich nur noch eine Viertelstunde habe, um zu frühstücken und mich anzuziehen.

Plötzlich kommt Aideen ins Badezimmer gestolpert und bei ihrem Anblick kann ich ein Lachen schwer zurückhalten. Ihre lilafarbenen Haare stehen in alle Richtungen ab und unter ihren Augen haben sich vom Kajal des Vortages schwarze Ringe gebildet.

„Raus hier, ich muss mich beeilen“, nuschelt sie und schiebt mich etwas unsanft durch die Tür.

„Ein Morgenmuffel, was?“, sage ich belustigt zu Sabrina, die bloß mit den Schultern zuckt.

Erst jetzt bemerke ich den Servierwagen in der Mitte des Zimmers und meine Laune steigt sofort. Für jeden von uns steht ein Teller mit dampfendem Rührei, Toast und einer kleinen Schüssel mit Müsli bereit. Außerdem drei kunstvoll bemalte Porzellantassen mit Schwarztee. Ich setze mich an meinen Eichenholzschreibtisch und mache mich hungrig über das Frühstück her. Dabei behalte ich stets die Uhr im Blick.

Erst als ich auch die letzten Krümel vom Teller gepickt habe, eile ich zum Kleiderschrank. Ich entscheide mich für eine karierte Stoffhose, einen braunen Strickcardigan und eine schwarze ärmellose Bluse. Als der Gong ertönt, zucke ich zusammen.

„Wir haben nun zehn Minuten Zeit, um zu unserem Unterricht zu erscheinen“, erklärt Sabrina und verzieht dann das Gesicht. „Zuerst ist Sport an der Reihe.“

Ich stöhne gequält auf und verabschiede mich gedanklich von einem entspannten Morgen.

„Ich warte noch auf Aideen“, sage ich, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das eine gute Idee ist.

„Wie du willst“, antwortet Sabrina bloß knapp und verlässt dann das Zimmer. Nervös gehe ich zur Badtür und klopfe. „Bist du gleich fertig?“, frage ich vorsichtig.

„Mach mir keinen Stress!“, bekomme ich sogleich als Antwort.

Ich seufze und beschließe, doch schon vorzugehen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie ich zum Sportunterricht komme. So schwer sollte die Turnhalle jedoch nicht zu finden sein – zumindest hoffe ich das. Ich habe keine Ahnung, wie weitläufig das Schulgelände ist.

Schnell muss ich feststellen, dass allein der Weg nach draußen eine Herausforderung darstellt. Einmal lande ich sogar in einem Raum, der mit abgedeckten Möbeln vollgestellt ist, und wundere mich, wie viele Zimmer in diesem Anwesen wohl nicht genutzt werden. Schließlich finde ich endlich die Eingangshalle und laufe nach draußen, denn ich bin mir sicher, dass ich es sonst nicht mehr rechtzeitig zum Unterricht schaffe. Ich bleibe auf der Kieseinfahrt stehen, um mich zu orientieren, und zucke zusammen, als erneut ein Gong ertönt, der wohl den Unterrichtsbeginn ankündigt.

„Nein, nein, nein …“, hauche ich.

Das kann doch nicht wahr sein. Was für einen Eindruck wird es machen, wenn ich direkt am ersten Tag zu spät komme?

Nachdem ich mich hektisch umgeblickt habe, entdecke ich einen Weg, der in Richtung des Waldes führt, der ebenfalls zum Schulgelände gehört. Vielleicht liegt die Turnhalle irgendwo zwischen den Bäumen versteckt.

Entschlossen folge ich dem Weg, bis ich vollständig in den Wald eintauche. Je weiter ich komme, desto mehr zweifle ich daran, dass ich hier richtig bin. Hier sind nirgendwo andere Schüler. Als sich eine Elster laut zeternd aus dem Gebüsch neben mir stürzt und auf einem Ast über mir landet, schrecke ich zusammen. Ich lege mir die Hand aufs Herz und beschließe, kurz durchzuatmen und erst mal wieder einen klaren Kopf zu kriegen.

Dann horche ich jedoch auf, denn ich glaube plötzlich Stimmen zu hören. Ich spitze die Ohren, habe das Gefühl, dass sie eher aus der Richtung kamen, von wo zuvor die Elster weggeflogen ist.

Und dann höre ich es wieder: zwei Stimmen, die aufgebracht klingen. Erst bei genauerem Hinschauen entdecke ich einen schmalen Trampelpfad, der das Unterholz teilt. Obwohl ich bezweifle, dass er zur Turnhalle führt, schlucke ich meine Bedenken hinunter. Meine Neugierde hat eindeutig die Oberhand gewonnen.

Je weiter ich ins Unterholz vorstoße, desto schwieriger komme ich vorwärts. Dornen krallen sich an meiner Wollhose und dem Strickcardigan fest und schnell werden meine Oxford-Schuhe vom Schlamm besudelt. Doch gerade, als ich es in Erwägung ziehe, aufzugeben, gelange ich an eine kleine Lichtung, auf der ein Schuppen steht. Mittlerweile höre ich keine Stimmen mehr, doch ich bin mir sicher, dass sich in der kleinen Hütte Menschen aufhalten. Während ich heranschleiche, wird mir bewusst, wie unangebracht mein Verhalten ist. Was ist, wenn sich dort ein Pärchen trifft, um sonst was zu tun? Trotzdem sagt mir mein Gefühl, dass ich nachschauen sollte. Also gebe ich dem nach und ducke mich neben der Tür, die nur angelehnt ist.

Und dann vernehme ich tatsächlich aus dem Inneren der Hütte die Stimmen. Diesmal sind sie deutlich leiser und eindringlicher, als würde es um etwas streng Geheimes gehen.

„Ich kann das nicht mehr“, höre ich einen Jungen flüstern. „Das wird mir alles zu viel. Was ist, wenn es jemand herausfindet?“

„Du musst es für dich behalten“, antwortet eine dunklere männliche Stimme. „Wenn jemand herausfindet, was du getan hast, wird es schlecht für dich enden.“

Der Junge stößt verzweifelt die Luft aus. „Es war keine Absicht. Vielleicht wird man mir ja glauben. Ich wollte ihn nicht umbringen.“

Ich schlage mir die Hand vor den Mund, um kein Geräusch von mir zu geben. Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich muss mich darauf konzentrieren, meinen Atem zu beruhigen.

„Und was willst du der Polizei sagen?“, fragt der Mann etwas lauter, beinahe schon herausfordernd. „Wie willst du ihnen erklären, was passiert ist?“

Daraufhin schweigt der Junge. In der Stille wächst meine Panik, ein Geräusch zu machen. Wenn ich das, was ich höre, richtig verstehe, ist tatsächlich ein Mord geschehen. Ich sollte auf der Stelle abhauen, doch meine Füße sind wie festgewachsen. Und zudem ist da noch die Gewissheit, dass ich herausfinden muss, wem die Stimmen gehören. Die des Jungen wäre durch das Flüstern schwer zu identifizieren, selbst wenn ich sie kennen würde. Bei dem Mann bin ich mir sicherer, dass ich sie wiedererkennen würde, wenn ich ihm je begegnen sollte.

Trotzdem sollte ich einen Blick auf die beiden werfen. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und überlege, ob ich es wagen kann, durch das kleine Fenster über mir zu schauen. Doch gerade, als ich meinen ganzen Mut zusammennehmen will, ertönt wieder die Flüsterstimme des Jungen.

„Dann bitte ich Sie darum, sich darum zu kümmern, dass ihn niemand findet.“

Der Mann schnaubt zynisch. „Nichts leichter als das. Und nun geh, ehe dich jemand vermisst.“

Das ist mein Stichwort, so schnell wie möglich zu verschwinden. Panisch sprinte ich zum Wald, der sich zum Glück nicht allzu weit entfernt befindet. Ich wage es nicht, mich umzudrehen. Das Unterholz reißt unbarmherzig an meiner Kleidung, als ich mich den Pfad entlangkämpfe.

Erst als ich auf dem Hauptweg angelangt bin, erlaube ich mir, stehen zu bleiben und die Lage zu überblicken. Meine Augen huschen über das Gestrüpp, doch auch in der Ferne kann ich niemanden ausmachen.

„Sharon, wie siehst du den aus?“, ertönt dann jedoch eine Stimme hinter mir.

Erschrocken drehe ich mich um und rechne schon damit, doch entdeckt worden zu sein. Doch vor mir steht bloß Aideen und mustert mich mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Hast du dich verirrt? Wie kommst du auf die Idee, in dem Gestrüpp da nach dem Sportplatz zu suchen?“

Ich muss mehrmals durchatmen, ehe ich ihr antworten kann. „Ich … bin einem Kaninchen gefolgt.“

Aideen grinst und schüttelt bedauernd den Kopf. „Tja, Alice, leider scheint es so, als hättest du das Wunderland nicht gefunden.“

Ich bringe ein Lachen zustande und wechsle dann das Thema. „Also ist die Turnhalle wirklich mitten im Wald?“

Aideen nickt und hakt sich bei mir ein. „Keine Turnhalle im eigentlichen Sinn. Eigentlich ist es bloß eine große Wiese, auf der wir bei beinahe jedem Wetter den Sportunterricht durchziehen müssen. Selbst bei Regen, wenn er nicht gerade zum Monsun wird.“

Sie verzieht angewidert das Gesicht bei dem Gedanken.

„Letzten Monat hatten wir einmal das Glück, dass ein starkes Gewitter aufgezogen ist. Aber das wars auch schon mit Ausfällen. Vielleicht haben wir im Winter mehr Glück.“

Ich genieße es, ihrer Stimme zu lauschen und so in die Normalität zurückzufinden. Es kommt mir mittlerweile beinahe so vor, als wäre alles, was gerade geschehen ist, meiner Fantasie entsprungen. Ich überlege verbissen, ob es sein könnte, dass ich etwas falsch verstanden habe – doch egal, wie ich es drehe und wende, ich komme immer wieder zum gleichen Schluss: Auf dem Gelände der Darkwood Academy scheint ein Mord stattgefunden zu haben.

Als sich der Wald nach einer Weile lichtet, taucht eine gigantische Wiese in unserem Sichtfeld auf. Daneben steht ein modernes kastenförmiges Gebäude, in dem sich vermutlich die Umkleidekabinen befinden.

„Ich habe keine Sportsachen dabei“, fällt mir in diesem Moment ein und ich seufze resigniert. Noch schlimmer kann der Tag nicht werden. „Mach dir keine Sorgen“, winkt Aideen jedoch ab. „Wir müssen alle Einheitskleidung tragen, also liegt deine wahrscheinlich schon in deinem Spind.“

Ich atme erleichtert auf und die Tatsache, dass auf dem Platz, wo sich etwa fünfzehn Schüler versammelt haben, noch kein Lehrer zu sehen ist, hebt meine Laune noch weiter.

„Glück gehabt“, sagt Aideen mit leuchtenden Augen. „Mr Glenn ist zu spät. So bekomme ich ausnahmsweise keinen Eintrag.“

„Kommst du jeden Tag zu spät?“, frage ich grinsend und muss an ihren chaotischen Morgen denken.

„Nicht immer“, antwortet sie mit einem unschuldigen Blick. „Aber oft. Sehr oft.“

Lachend gesellen wir uns zu den anderen und ich entdecke Madeline, die uns einen misstrauischen Blick zuwirft. Wahrscheinlich sind Aideen und ich für ihren Geschmack zu vertraut miteinander. Sie kommt hastig zu uns und drückt ihrer Freundin einen Kuss auf die Lippen.

„Ich begleite euch zur Umkleide. Es gibt so viel zu quatschen.“

Ich bezweifle, dass seit dem Abendessen viel passiert ist, aber verkneife mir einen Kommentar. Während ich mir die strahlend weiße Sportkleidung anziehe, plappert Madeline bloß über ihre Zimmergenossin, die sich nachts wieder einmal zu ihrem Freund geschlichen hat.

„Ist hier auf der Schule schon mal etwas Schlimmes passiert?“, platzt es irgendwann aus mir heraus. „So was wie ein Mord? Oder das mysteriöse Verschwinden von Schülern?“

Irgendetwas in der Stimme des Mannes hat mich befürchten lassen, dass er nicht zum ersten Mal eine Leiche verschwinden lässt.

Aideen und Madeline sehen mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragt Madeline, doch ihre Stimme hat einen nervösen Unterton angenommen.

„Nur so“, lüge ich. „Also? Ist schon mal etwas passiert?“

Die beiden tauschen einen Blick, der mich noch weiter in meinem Verdacht bestärkt, dass ich richtig liege.

„Nun ja“, beginnt Aideen zögerlich. „Hin und wieder reisen Schüler ohne Ankündigung ab, ohne dass jemand den Grund dafür kennt. Das kommt uns schon etwas seltsam vor. Aber wie zur Hölle kommst du auf Mord?“

„War nur so ein Gedanke“, sage ich eine Spur zu schnell und wieder schauen mich die beiden an, als wäre ich verrückt geworden.

„Schnell, Mrs McArren kommt“, zischt Madeline dann jedoch bei einem Blick nach draußen und beendet damit das Thema.

„Was will sie hier? Vertritt sie Mr Glenn?“, fragt Aideen, doch ihre Freundin hebt bloß ratlos die Schultern.

Schnell traben wir in die Mitte des Rasens, wo unsere Mitschüler ebenso verwirrt zu sein scheinen wie wir.

Mrs McArren hat sichtlich Probleme damit, mit ihren hohen Schuhen über den leicht durchweichten Rasen zu uns zu gelangen, was uns einen Moment Zeit lässt, um den anderen bei ihren Spekulationen zuzuhören.

„Bestimmt ist Mr Glenn krank.“

„Vielleicht hat er auch verschlafen – das wäre mir heute auch beinahe passiert.“

„Wahrscheinlich macht ihm seine Katzenhaarallergie wieder zu schaffen.“

Die Schüler verstummen, als die Rektorin uns schließlich erreicht.

„Ihr habt eine freie Doppelstunde“, erklärt sie ohne Umschweife und blickt uns der Reihe nach streng an. „Ich hoffe, ihr nutzt die Zeit zum Lernen.“

Als Jubel ausbricht, seufzt sie jedoch nachsichtig und wendet sich dann ab, als könnte sie es kaum erwarten, von hier wegzukommen.

„Wir nutzen die Zeit, um dir das Schulgelände endlich richtig zu zeigen“, sagt Aideen mit einer Stimme, die keine Widerworte zulässt. Madeline ist davon augenscheinlich wenig begeistert.

„Ich kann das auch mit meinem Bruder machen“, werfe ich ein und recke mich, um einen Blick auf ihn zu erhaschen.

Jules steht auf der anderen Seite der Gruppe bei zwei Jungs, die ich nicht kenne. Der Blonde ist jedenfalls nicht dabei.

„Es macht uns wirklich nichts aus“, winkt Aideen ab und wirft Madeline einen finsteren Blick zu. Die presst als Antwort nur die schwarz geschminkten Lippen zusammen.

„Also gut, danke“, gebe ich nach, denn Jules hat sich mittlerweile wieder aus dem Staub gemacht – ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.

Ich muss bei Gelegenheit unbedingt mit ihm sprechen und mir sein abweisendes Verhalten erklären lassen. Unser Verhältnis war zwar schon in den letzten paar Jahren nicht mehr so innig wie früher, doch er hat mich nie so behandelt wie jetzt.

Sehnsüchtig blicke ich ihm hinterher und mit einem Mal habe ich Heimweh. Ich bin erst den zweiten Tag hier und doch ist schon so viel passiert, dass ich kaum darüber nachgedacht habe, wie weit entfernt mein altes Leben nun ist. Ohne dass ich es verhindern kann, bildet sich ein Kloß in meinem Hals und ich blicke schnell zu Boden, damit Aideen und Madeline meinen gequälten Gesichtsausdruck nicht bemerken. Sie führen mich in die entgegengesetzte Richtung zu der, aus der ich zuvor gekommen bin.

„Wir zeigen dir zuerst unseren Lieblingsplatz“, verkündet Aideen fröhlich. „Da wird man nur selten von anderen Schülern oder Lehrern gestört. Man kann da wirklich alles machen, ohne erwischt zu werden.“

Sie grinst mich vielsagend an und wirft ihrer Freundin dann einen anzüglichen Blick zu. Es kommt mir so vor, als ob Madeline leicht errötet.

Sie führen mich in den immer dichter werdenden Wald hinein, bis der Weg schließlich an einem plätschernden Bach entlangläuft.

„Wie riesig ist das Schulgelände denn bitte?“, frage ich erstaunt. „Oder haben wir die Grenze schon überschritten, ohne dass es eine Markierung gab?“

Madeline schüttelt den Kopf. „Nein, das Gelände ist wirklich gigantisch. Aber dafür dürfen wir es unter der Woche nicht verlassen, nicht einmal in unserer Freizeit. Nur am Wochenende dürfen wir kleine Ausflüge unternehmen, aber hier gibt es in einem Umkreis von zehn Meilen ohnehin keine Ortschaft, die wir besuchen könnten.“

Sie zuckt bedauernd mit den Schultern. „Nur an besonderen Tagen machen wir Ausflüge in die Zivilisation, aber das kommt nur selten vor.“

„Und das Meer?“, frage ich enttäuscht. „Es ist so nah und trotzdem dürfen wir nur am Wochenende hin?“

„Es gibt auf der Darkwood Academy den Natur-Club, der regelmäßig Zeit mit Paddeln, Angeln und dem Säubern des Strandes verbringt“, antwortet Madeline wenig begeistert. „Aber damit kann ich nichts anfangen. Aideen und ich sind im Kunst- und Handarbeits-Club.“ Sie zeigt mir ihr Handgelenk, um das sie ein schwarz-weißes geknüpftes Freundschaftsarmband trägt. „Die haben wir beim letzten Mal gemacht.“

„Was gibt es noch für Clubs?“, frage ich und reiße gedankenverloren das Blatt eines Strauches am Wegesrand ab.

„So viel Auswahl gibt es nicht“, erklärt Aideen. „Schließlich sind wir weniger als fünfzig Schüler auf der Darkwood Academy. Es gibt noch den Sport-Club“, sie macht ein würgendes Geräusch, „den Musik- und Theater-Club und den Literatur-Club.“

Ich horche auf. Auch wenn ich gerne Zeit am Strand verbringen würde, werde ich mich definitiv für mein Hobby entscheiden: das Lesen.

„Ich habe schon am Inhalt deines Koffers gesehen, welchem du wohl beitreten wirst“, sagt Aideen grinsend. „Du scheinst mehr Bücher als Kleidung mitgenommen zu haben. Welches Genre liest du am liebsten?“

Ich kicke verlegen ein Steinchen weg und hoffe, dass sie mich nicht direkt als Freak abstempeln.

„Am liebsten lese ich richtig blutige Horrorgeschichten“, gebe ich zu. „Je brutaler, desto besser.“