Das Alfred-Delp-Quartier - Günter Schäfer - E-Book

Das Alfred-Delp-Quartier E-Book

Günter Schäfer

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Beschreibung

Beim Spatenstich eines neuen Wohnprojekts im Donauwörther Alfred-Delp-Quartier stößt ein Bagger auf ein menschliches Skelett. Was zunächst wie ein archäologischer Fund wirkt, entpuppt sich als verborgener Mord aus der Zeit des kalten Krieges, mit Verbindungen bis in die Gegenwart. Ein dementer Ex-Offizier aus der ehemaligen Alfred-Delp Kaserne, der in Schweigen verfällt. Ein gewissenloser Journalist, ein toter Altenpfleger und eine Vergangenheit, die mächtiger ist als jedes Gesetz.

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Seitenzahl: 98

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Der neue Roman von Autor Günter Schäfer, aus der Reihe der Donau-Ries-Krimis, wie immer eine rein fiktive Story, gespickt mit reellen Bezügen zu Örtlichkeiten aus der Region. Ich möchte hiermit ausdrücklich darauf hinweisen, dass die gesamte Handlung dieser Geschichte mit allen darin vorkommenden Personen ausnahmslos meiner Fantasie entsprungen und somit frei erfunden ist. Jede Übereinstimmung mit Abhandlungen bzw. lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

1. Kapitel

Der Spatenstich

Wohnungsmangel, ein Wort, das seit Jahren durch sämtliche Medien geistert, nicht erst seit der großen Flüchtlingskrise vor einigen Jahren. Aktuell auch im Zusammenhang mit den Kriegsgeschehen in Europa und dem Rest der Welt. Ebenso ist es ein Wahlkampfthema, das immer gerne von allen Seiten aufgegriffen wird. Wohnraum: zu alt, zu teuer, seit dem letzten Regierungswechsel auch häufig klimaschädlich und überhaupt und sowieso zu wenig vorhanden.

Auch in der großen Kreisstadt Donauwörth sind bezahlbare Wohnungen schon seit mehreren Jahren ein Thema für die Verantwortlichen. Eine Wohnungsbaugenossenschaft sorgt für günstigen Wohnraum im sozialen Bereich.

Trotzdem stehen zumeist zweihundert Suchende auf der Warteliste. Um neuen Wohnraum zu schaffen, wie andernorts auch, muss zunächst einmal ein entsprechendes Grundstück gefunden und erworben werden, welches im Anschluss daran als Baugrund ausgewiesen werden kann.

Diese Sachlage änderte sich im Jahre 2011 in Donauwörth, als dort im Rahmen der Bundeswehrreform bekannt wurde, dass die Alfred-Delp-Kaserne im Laufe des Jahres 2013 geschlossen wird. Man machte sich also im Stadtrat Gedanken zur weiteren Nutzung des circa 30 ha großen Areals. Noch im darauffolgenden Jahr entschloss man sich dazu, an einem Wettbewerb zur Umnutzung des ehemaligen Militärgeländes teilzunehmen.

Wenn auch durch den Freistaat Bayern in den Jahren 2014 bis 2019 ein Teil dieses Geländes als Erstaufnahmeeinrichtung, auch Ankerzentrum genannt, für bis zu einhundertdreißig Asylbewerber und Flüchtlinge genutzt wurde, so konnte die Stadt letztendlich auch noch dieses Teilstück Anfang 2020 erwerben, um somit die städtebaulichen Planungen weiter voranzubringen. Nachdem auch im zweiten Bereich die meisten der auf dem Gelände befindlichen Gebäude zurückgebaut und die darauffolgenden behördlichen Ausschreibungen und Verfahren abgeschlossen waren, konnte schließlich mit der Umsetzung begonnen werden.

Aktuell sind die meisten Grundstücke im ersten Bauabschnitt bereits verkauft und Bauarbeiten haben begonnen. Straßennamen sind festgelegt, ebenso wurde ein Auftrag für die Gestaltung der Grünflächen vergeben. Die Arbeiten für einen Komplex im sozialen Wohnungsbau laufen, worüber auch das Lokalfernsehen bereits berichtet hat. Staatliche Förderungen sind genehmigt, was alles in allem eine zufriedenstellende Situation für die verantwortlichen Stellen der Stadt Donauwörth ergibt.

Das Ehepaar Fabian und Monika Krohnhauer hat vor längerer Zeit schon beschlossen, sich um ein Baugrundstück auf dem neu entstehenden Wohngebiet des ehemaligen Bundeswehrstandortes zu bewerben. Die schon seit einigen Jahren andauernde Suche nach einem geeigneten Wohnobjekt in Donauwörth oder der näheren Umgebung, hatte bis dato noch kein zufriedenstellendes Ergebnis gebracht. Groß war aber die Freude, als sie schließlich die Zusage dafür bekamen. Auch beruflich konnten Fabian Krohnhauer und seine Frau rasch Fuß fassen, indem er sich für eine Stelle beim deutschen Hauptsitz von Airbus Helicopters in Donauwörth beworben hatte, während Monika als selbstständige Webdesignerin meist im Homeoffice arbeiten konnte. Beide Ehepartner liebten ihre Arbeit und ihre Unabhängigkeit, was auch zu ihrem frühen Entschluss geführt hatte, noch keine Kinder zu bekommen.

Der Hauptgrund für ihre Entscheidung aber war, dass Fabian Krohnhauers Vater, der in seiner aktiven Zeit als Offizier des Fernmeldebataillons in Donauwörth stationiert war, seit seiner Pensionierung in einer Wohnung am Ende der Parkstadt lebte. Er kam Ende der sechziger Jahre zu seiner Einheit und stieg dort in die Offizierslaufbahn ein. Die dadurch entstehenden Aufgaben im Bereich der elektronischen Kampfführung, welche fortan seinen Alltag bestimmten, füllten ihn zu seiner Zufriedenheit aus. Das Familienleben jedoch kam dabei oft zu kurz und endete nach immer wiederkehrenden Streitsituationen mit seiner Frau Paula in der Trennung. Sein ganzes Leben drehte sich ab diesem Zeitpunkt ausschließlich um den Dienst bei der Bundeswehr. Er versuchte dabei als Ausbilder stets ein Vorbild für die ihm anvertrauten Kameraden zu sein. Man konnte ihm zwar keine väterlichen Charakterzüge nachsagen, doch hatte er immer ein offenes Ohr für die Anliegen der anderen. Dabei war es ihm ganz egal, ob man sich nun aus dienstlichen oder aus privaten Gründen an ihn wandte.

So konnte er bis zum Ende seiner Dienstzeit zu mancher Problemlösung beitragen. Er hatte dabei keinerlei Gedanken daran verschwendet, was er nach seiner Tätigkeit als Berufssoldat mit seiner freien Zeit anfangen würde. Zunächst hatte er sich noch in gewissen Abständen mit ehemaligen Kameraden im Offiziersheim getroffen, um über gewisse Dinge auf dem Laufenden zu bleiben.

Irgendwann waren diese Kontakte jedoch immer weniger geworden. Woran das letztendlich gelegen hatte, konnte er gar nicht mehr sagen. Möglicherweise an seiner Art, immer nur Geschichten aus seiner vergangenen Laufbahn zu erzählen.

So wurde es nach und nach immer ruhiger um Otto Krohnhauer, für den die Auflösung der Alfred-Delp Kaserne als Bundeswehrstandort nie richtig zu überwinden war. Er reagierte gereizt, als ihm die Familie seines Sohnes einige Male den Vorschlag unterbreitete, seinen Ruhestand bei ihnen in Norddeutschland zu verbringen.

Bei einem der letzten Besuche bemerkten sein Sohn und dessen Frau, dass sich Otto fast nur noch mit seinem früheren Leben als Soldat beschäftigte. Vorschläge, die in eine alternative Richtung gingen, stießen bei ihm allesamt auf taube Ohren. Auch eine Mitgliedschaft bei den Reservisten lag ihm fern.

Nachdem er sich öfter bei seinem Sohn telefonisch darüber beschwert hatte, dass ihm seit dessen letzten Besuch einige Erinnerungsstücke fehlten, die sich jedoch kurz darauf irgendwo in der Wohnung versteckt wiederfanden, ließ sich Otto Krohnhauer auf Nachdruck zu einer ärztlichen Untersuchung überreden.

Schließlich wollte er für den Fall fit bleiben, dass seine Erfahrungen irgendwann wieder gefragt sein sollten. Die Familie wunderte sich zuletzt nicht darüber, dass, wie insgeheim befürchtet, eine schleichende Altersdemenz als Diagnose gestellt wurde, die man in diesem Stadium, wenn auch nicht aufhalten, aber dennoch medikamentös behandeln konnte.

Als Fabian Krohnhauer allerdings Ende März 2013 von einer Nachbarin seines Vaters informiert wurde, dass dieser beim Abzug der letzten Soldaten aus der Donauwörther Kaserne mit militärischem Gruß vor dem Tor der Hauptwache Spalier stand, war für ihn ganz klar, dass in absehbarer Zeit etwas geschehen musste.

Seine Mutter Paula konnte er nicht um Rat fragen, beziehungsweise um Hilfe bitten. Nachdem Fabian sein Studium zum Elektroingenieur abgeschlossen hatte und aus dem Haus war, zog sie mit ihrem neuen Partner in dessen Heimat auf die Kanarischen Inseln und wollte dort mit ihm den Rest ihres Lebens verbringen. Eine Versöhnung mit ihrem Exmann war für sie niemals eine Option. Er war ja laut ihrer Aussage bereits verheiratet, nämlich mit seinem Beruf.

Da es für Fabian und Monika keinesfalls infrage kam, seinen Vater gegen dessen Willen in einem Pflegeheim unterzubringen, beschlossen sie gemeinsam, sich nach einem neuen, gemeinsamen Zuhause umzusehen.

Dass Fabians Vater mit ihnen gemeinsam nun in einem Haus auf dem ehemaligen Kasernengelände seinen weiteren Lebensabend verbringen könnte, sollte eine Überraschung für ihn werden. Bis diese Vorhaben jedoch umgesetzt werden konnten, wollten sie für ihn einen häuslichen Pflegedienst engagieren, womit sich Otto Krohnhauer dann auch überraschenderweise einverstanden zeigte. Damit wäre endlich wieder jemand da, der auf ihn hören würde.

Dies alles waren Gedanken, die sich das Ehepaar durch den Kopf gehen ließ, während man auf Otto Krohnhauer wartete. Fabian wollte, dass sein Vater dabei ist, wenn der obligatorische Spatenstich für das neue Eigenheim durchgeführt wird. Er würde eine speziell ausgestattete, seniorengerechte Wohnung im Erdgeschoss erhalten.

Aber auch nach dieser Zeit würde sich durch den geplanten Neubau des Donauwörther Bürgerspitals in unmittelbarer Umgebung auf dem Gelände die Möglichkeit ergeben, den Vater in der Nähe zu haben. Bis zur Fertigstellung des neuen Eigenheims konnten Fabian und Monika eine Werkswohnung nutzen, die ihnen von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurde.

Es war bereits kurz vor neun und auch die Bauarbeiter wurden langsam, aber sicher ungeduldig. Ein kalter Herbstwind pfiff über das Gelände und vertrieb die letzten Nebelschwaden, die sich an diesem Morgen als Vorboten der dritten Jahreszeit gezeigt hatten. Fabian schlug seinen Mantelkragen hoch und blickte etwas nervös auf seine Uhr.

Erleichtert sah er schließlich seinen Vater in Begleitung seines Pflegers mit langsamen Schritten herankommen. Den Rollator, den der Senior seit einigen Monaten verwendete, hatten sie auf seinen Wunsch im Auto belassen. Ebenso trug Otto Krohnhauer seine alte Ausgehuniform, natürlich ohne die entsprechenden Hoheitsabzeichen, sowie den passenden Mantel dazu.

Fabian schien es beinahe, als würde der alte Mann einen übernervösen Eindruck machen. Andauernd sah er sich um, blickte von links nach rechts. Man konnte den Eindruck gewinnen, als würde er versuchen, sich auf dem Gelände zurechtzufinden.

„Man kann kaum glauben, wie die Zeit einen Menschen verändern kann“, sagte ein Besucher des Alfred-Delp-Quartiers zu seinem Begleiter und zeigte auf eine bestimmte Stelle abseits des Baugrundstücks.

„Wenn ich mir vorstelle, dass der alte Major Krohnhauer vielleicht schon bald in meiner Nachbarschaft wohnt. Den habe ich noch persönlich erlebt, als ich die ersten sechs Monate von meinem Wehrdienst dort drüben im Gebäude der Fernmeldeausbildungskompanie absitzen durfte.“

Otto Krohnhauer und sein Pfleger erreichten schließlich den Platz, an welchem der Vorarbeiter des Bauunternehmens und Fabian Krohnhauer gleich mit je einem Spaten den Beginn des neuen Eigenheims einleiten würden. Nach einer kurzen Begrüßung führte Fabian seinen Vater langsam an die Stelle, an welcher heute der erste Stich in den Boden erfolgen sollte. Das Zittern in den Armen des ehemaligen Berufssoldaten führte er einerseits auf das Wetter, andererseits auf dessen Krankheit zurück.

„Ich freue mich sehr darüber, dass Du mit mir gemeinsam den ersten Spatenstich setzen kannst, Papa“, sprach er ruhig, „denn das hier soll einmal unser gemeinsames Zuhause werden.“

Erneut sah sich der betagte Herr um, drehte sich einmal langsam im Kreis, wobei ihm einige Tränen über die Wangen liefen. Er sah seinem Sohn einen Moment lang in die Augen und nahm ihm darauf mit einer ungewöhnlichen Entschlossenheit den Spaten aus der Hand, holte plötzlich aus und rammte diesen mit Wucht in den Boden. Die umherstehenden Personen waren von der Kraft des alten Mannes sichtlich überrascht.

Nachdem auch Fabian Krohnhauer und der Vorarbeiter mit ihren Spaten etwas Erde ausgestochen hatten, gab dieser Augenblicke später das Okay, damit die bereits auf ein Zeichen wartenden Kollegen mit den anstehenden Arbeiten beginnen konnten.

Laut röhrte der Motor der Baumaschine auf, als sich diese langsam in Bewegung setzte. Es waren nur wenige Meter Abstand bis zu der Stelle, an der die Aushubarbeiten für den Keller des Wohnhauses beginnen sollten. Der ebenfalls hinzugekommene Lkw wartete darauf, mit der ersten Schicht der abgetragenen Erde beladen zu werden. Die Arbeiter der Baufirma gingen ihren Tätigkeiten nach und auch Fabian Krohnhauer und seine Frau waren schon im Begriff, sich mit seinem Vater auf den Weg nach Hause zu machen.

Otto Krohnhauer war der erste, der schon nach wenigen Metern stehenblieb. Sein Begleiter vom Pflegedienst wollte ihn gerade fragen, ob er nicht doch die Gehhilfe aus dem Fahrzeug holen sollte, als der Senior sich umdrehte und zurücksah. Das laute Motorengeräusch und das Scheppern der grabenden Baggerschaufel waren plötzlich verstummt.

Nur noch das gleichmäßige Tuckern im Leerlauf der Baumaschine durchbrach die Stille, welche sich innerhalb weniger Augenblicke über dem Gelände ausbreitete. Zunächst war kein Grund für die Unterbrechung der Arbeiten erkennbar. Erst als man die Handbewegung des Baggerfahrers wahrnahm, erkannte man den Grund dafür. Es handelte sich um eine verrostete Stahlplatte, die man an dieser Stelle nicht vermutet hatte.

Werner Gollberg, ging in den Bauwagen und inspizierte kurz seine Pläne. Anschließend rief er von der offenstehenden Türe dem Kollegen auf dem Bagger zu, dass es sich um einen ehemaligen, aus Sicherheitsgründen stillgelegten Schacht handelte.

„Los, weitermachen“, rief er, wobei er seine Worte mit einer energischen Handbewegung unterstrich.