Der Rain-Fall - Günter Schäfer - E-Book

Der Rain-Fall E-Book

Günter Schäfer

0,0

Beschreibung

Nur die Ruhe und die frische Herbstluft am Ufer des Lechs genießen. Auf dieses seit längerem erste, wieder einmal freie Wochenende hatte sich der Chef der Augsburger Kripo schon gefreut. Der leitende Kriminalhauptkommissar wird aber plötzlich dazu gezwungen, die Leiche von Erna Gebinger aus dem Wasser zu fischen. Die Ermittlungen der Umstände, die zum bizarren Tod der alten Dame aus Rain führten, entwickeln sich letztendlich zu einem echten Rain-Fall.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 171

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorwort des Autors

Der neue Fall des Augsburger Ermittlerteams. Wie immer eine rein fiktive Story, diesmal gespickt mit reellen Bezügen zu Örtlichkeiten aus der Stadt am Lech.

Ich möchte hiermit ausdrücklich darauf hinweisen, dass die gesamte Handlung dieser Geschichte mit allen darin vorkommenden Personen ausnahmslos meiner Fantasie entsprungen und somit frei erfunden ist.

Jede Übereinstimmung mit Abhandlungen bzw. lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

1. Kapitel

Er konnte es immer noch kaum glauben. Hauptkommissar Robert Markowitsch sollte endlich einmal ein freies Wochenende vor sich haben.

Nachdem er am Vorabend gemeinsam mit Peter Neumann den langwierigen Papierkram über den letzten Fall durchgegangen war nahm er sich vor, diesen vor ihm liegenden Samstag mit einem ausgiebigen Spaziergang zu genießen.

Der Kriminalbeamte schüttelte nachdenklich den Kopf, als sich ganz aus Gewohnheit noch einmal die wichtigsten Einzelheiten der vergangenen Tage vor seinem geistigen Auge präsentierten.

Gemeinsam mit seinem Team hatte er einen Nördlinger Stadtrat des mehrfachen Mordes überführt. Dass es dabei diesmal leider auch einen Jugendlichen erwischt hatte, lag Markowitsch besonders im Magen.

Letztendlich jedoch siegte wieder einmal die Gerechtigkeit, auch wenn wie so oft Unschuldige dabei auf der Strecke blieben.

Mit einem leisen Seufzer schloss der Leiter der Augsburger Kriminalpolizei die Akte Endstation Alte Bastei.

Er erhob sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch und sein Blick ging zur Uhr. Kurz nach acht.

Irgendwann kriegen wir sie doch alle dachte sich Markowitsch. Jetzt aber raus hier, bevor noch irgendetwas Unerwartetes dazwischen kommt.

Er hatte sich extra am frühen Morgen ins Büro begeben, um den letzten Schreibkram zu erledigen.

Nur wenige Minuten später befand sich der Chef des K1 der Augsburger Kriminalpolizeiinspektion auf dem Weg zu seinem Wagen.

Entgegen seiner Gewohnheit hatte er sich diesmal dazu entschlossen, den Vormittag nicht in seinem Stamm-Café in der Augsburger Innenstadt zu verbringen.

Stattdessen wollte er lieber wieder einmal die Morgensonne in der freien Natur genießen. Er erinnerte sich daran, dass er schon früher manches Mal am Ufer des Lechs ein paar entspannende Stunden verbracht hatte.

So setzte er sich also in seinen Wagen, fuhr diesen zielstrebig aus der Tiefgarage und machte sich auf den Weg in die knapp 50 Kilometer entfernte Tilly-Stadt Rain am Lech.

Robert Markowitsch wusste, dass man zu früher Stunde dort draußen am Lechkraftwerk nahezu ungestört war und die frische Luft in Ruhe genießen konnte.

Als er nach ca. einer halben Stunde von der Bundesstraße 2 in Höhe Donauwörth auf die B 16 abbog, konnte er in der Ferne schon bald die hohen Silos der Südzucker AG entdecken. Wenig später überquerte er die Brücke über den Lech, um kurz darauf die Ausfahrt nach Rain zu nehmen.

Während er sich langsam dem Bahnübergang am Ortseingang näherte, stach dem Beamten auf dem Fabrikgelände zu seiner Linken ein riesiger Schriftzug ins Auge.

Südzucker, Werk Rain las Markowitsch auf dem scheinbar erst vor kurzer Zeit erbauten neuen Silo, dessen Größe dem Hauptkommissar mächtig imponierte.

Würde mich interessieren, wie viele Zuckerwürfel da wohl reinpassen dachte er sich, als er langsam den beschrankten Bahnübergang passierte.

Er fuhr anschließend am Sportgelände des TSV Rain vorbei, um gleich darauf hinter dem zur rechten Seite liegenden Schulkomplex in die Kraftwerkstraße einzubiegen. Von hier aus war es nur noch ein Katzensprung bis hinaus zum Lechkraftwerk.

Die Straße führte ihn an Wohnhäusern vorbei durch ein kurzes Waldstück, an dessen linker Seite er auch das Gebäude des Wasserwerkes erkennen konnte.

Langsam lenkte der Hauptkommissar seinen Wagen die knapp fünfhundert Meter bis hin zu dem kleinen Seitenweg, an dem er das Fahrzeug parken konnte.

Anhand der herumliegenden Zweige, auch einige größere Äste waren dabei, erkannte Markowitsch, dass sich das Gewitter der vergangenen Nacht hier in Rain am Lech wohl etwas heftiger ausgetobt hatte als in der Augsburger Gegend.

Markowitsch stieg aus, verschloss die Autotür und zog den Reißverschluss seiner Jacke nach oben.

Hier draußen wehte um diese Zeit noch ein frischer Wind, der allerdings auch die letzten Wolken des Gewitters aus der vergangenen Nacht vertrieb.

Der Augsburger Hauptkommissar atmete ein paar Mal kräftig durch, um sich seine Lungen mit der noch relativ kühlen Waldluft zu füllen. Als er sich von seinem Fahrzeug entfernte, breitete sich langsam ein Gefühl der Entspannung in ihm aus.

Es waren nur einige wenige Schritte, bis er das Gebäude des Kraftwerks erreichte. Kurz davor betrachtete er zu seiner linken Seite die in einem abgesperrten Areal stehenden Stahltürme und Verteilergehäuse der Kraftwerkanlage, die zur Stromverteilung dienen.

Robert Markowitsch wandte sich vor dem Turbinenhaus nach links, von wo ihn eine Treppe hinauf an das Ufer des Lechs führte.

In Gedanken zählte er die siebzehn Stufen mit und freute sich auf den vor ihm liegenden Spaziergang, nach welchem er anschließend in der Rainer Innenstadt gemütlich seinen Cappuccino zu sich nehmen wollte.

Als er oben an der Mauer angekommen war und seinen Blick über das Wasser schweifen ließ bemerkte er, dass sich die Sonne am Morgenhimmel nach und nach mehr Platz verschaffte.

Die gleißenden Strahlen glitzerten dermaßen auf der Wasseroberfläche, dass Markowitsch die Augen zusammen kneifen musste.

Bilderbuchwetter dachte er zufrieden bei sich. Das scheint ausnahmsweise mal ein angenehmes Wochenende zu werden.

Als er sich auf den Weg machen wollte, vernahm er aus der Ferne aufgeregtes Geschrei.

Da er zunächst nicht eindeutig erkennen konnte woher die Stimmen kamen, drehte er sich einmal um seine eigene Achse, konnte jedoch niemanden entdecken, dem er die Rufe hätte zuordnen können.

Der Kripobeamte versuchte sich zu konzentrieren, lauschte noch einmal. Wieder vernahm er das scheinbar aufgeregte Rufen und erkannte schließlich, dass es von der anderen Seite des Flusses kam.

Erneut kniff er die Augen zusammen und konnte nun drei Jugendliche ausmachen, von denen zwei aufgeregt in seine Richtung winkten.

Scheinbar hatten diese ihn ebenfalls gesehen und wollten sich wohl durch ihr Rufen bei ihm bemerkbar machen.

Da sich Markowitsch, wie er feststellte, momentan alleine auf dieser Seite des Lechs befand ging er davon aus, dass ihn die jungen Leute vielleicht nur grüßen wollten.

Er wunderte sich zwar etwas darüber, dass sich zu dieser Zeit schon einige Halbwüchsige hier draußen aufhielten, dachte dabei jedoch an seine eigene Jugendzeit zurück.

Auch er hatte sich mit seinen Schulkameraden stets irgendwo im Wald oder auch am Wasser herumgetrieben. Sie hatten Räuber und Gendarm gespielt, ein geheimes Lager gebaut, oder einfach nur die Gegend erkundet.

In der freien Natur gab es für junge Leute immer irgendetwas Neues zu entdecken.

Freundlich winkte er zu ihnen hinüber und wollte sich nun auch endlich auf seinen Spaziergang begeben. Doch das erneute Rufen von der anderen Seite, das nun eher schon einem Schreien glich, hielt ihn noch davon ab.

Er strengte sich an, die Wortfetzen genauer zu vernehmen, glaubte schließlich so etwas wie einen Hilferuf heraus zu hören.

Jetzt wurde es ihm doch ein wenig komisch zumute. Sollte vielleicht jemand ins Wasser gefallen sein? Robert Markowitsch fühlte, dass sein Puls zunehmend schneller wurde. Er konnte seinen Blick nicht von der Stelle nehmen, an der sich die Personen befanden. Eine von ihnen schien auf einen ganz bestimmten Punkt im Wasser zu zeigen.

Also doch fuhr es dem Kriminalbeamten erschreckend durch den Kopf. Mist. Wie komme ich jetzt am schnellsten da rüber?

Nervosität kannte Robert Markowitsch durch seine langjährige Arbeit als Hauptkommissar der Augsburger Kriminalpolizei kaum mehr.

Wenn es jedoch um eine akute Situation ging an der Kinder oder Jugendliche beteiligt waren, musste er sich immer zusammen reißen, um einen klaren Kopf zu bewahren.

Er versuchte sich verzweifelt daran zu erinnern, auf welchem Weg er früher über die Kraftwerkanlage auf die andere Seite des Lechs gelangt war.

Jetzt bloß keine Panik alter Junge, versuchte er sich selbst zu beruhigen.

Nur wenige Sekunden dauerte es, bis er seine Gedanken sortiert und sogleich wie von einer Tarantel gestochen auf dem Absatz kehrt gemacht hatte.

Mit ausholenden Schritten eilte er auf die Treppe zu, die er vor wenigen Minuten hinaufgestiegen war.

Immer zwei Stufen gleichzeitig nehmend dauerte es nur wenige Augenblicke, bis er sich auf dem Weg befand, der ihn um das Turbinenhaus herum führte.

Markowitsch rannte wie von Sinnen auf eine Stahltüre zu und hoffte inständig, dass diese nicht abgesperrt war.

Erleichtert keuchte er auf, als er sie unverschlossen fand und hastete sogleich die Betonstufen nach oben. Sekunden später befand er sich bereits auf dem stählernen Laufsteg, welchen er nun im Eiltempo überquerte.

Sein Blick auf die andere Seite des Flusses zeigte ihm noch immer die aufgeregt winkenden Gestalten. Markowitsch konnte die an seine Ohren dringenden Wortfetzen jedoch nicht genau verstehen. Zu groß war der Lärm um ihn herum.

Man hatte auf Grund des hohen Wasserpegels die Schleusen des Lechs geöffnet. Das beeindruckende Schauspiel der hinabstürzenden Wassermassen ließ der Hauptkommissar jedoch in seiner momentanen Situation unbeachtet.

Als er endlich die andere Seite erreicht und mit einem Sprung die letzte Stufe des Steges hinter sich gebracht hatte, knickte er fast mit seinem rechten Fuß um.

Etwas außer Atem konnte er sich gerade noch abfangen und dadurch einen Sturz verhindern.

Nachdem er sich wieder gefangen hatte, kamen ihm bereits die aufgeregten Jungen entgegen. Markowitsch schätzte sie alle im ersten Moment auf etwa dreizehn oder vierzehn Jahre.

„Schnell, kommen sie“, wurde ihm aufgeregt zugerufen.

Einer der drei Burschen deutete mit der Hand in Richtung des Ufers.

„Da, im Wasser.“

Markowitsch folgte dem Fingerzeig des Jungen, konnte im ersten Augenblick aber keine Gefahrensituation erkennen.

„Ist einer von euch ins Wasser gefallen?“, fragte er, während er zu den anderen beiden ans Ufer eilte.

„Nein“, kam die Antwort von einem zurück. „Aber da liegt jemand drin.“

„Ja“, meinte ein zweiter. „Eine Frau. Die ist bestimmt tot.“

Die Burschen drehten sich um und wollten Markowitsch zu der besagten Stelle führen.

„Halt“, rief der Beamte, indem er einen der Jungen an dessen Arm festhielt. „Ihr bleibt besser hier stehen. Nicht, dass mir einer von euch noch unbeabsichtigt baden geht.“

Augenblicke später hatte Markowitsch die Stelle erreicht, von der aus die Jungen auf sich aufmerksam gemacht hatten.

Zunächst konnte er nichts außer einigen Ästen erkennen, welche sich scheinbar im Ufergestrüpp verfangen hatten. Erst als er direkt ans Ufer trat, entdeckte er den offenbar leblosen Körper einer Frau, der sich zwischen den Ästen befand.

Oh ja, dachte er etwas resigniert bei sich, hier kann wohl niemand mehr helfen.

Der Hauptkommissar blickte sich um, suchte nach irgendetwas, mit dem er den im Wasser liegenden Körper ans Ufer hätte ziehen können.

Sein Blick traf die Jugendlichen, die nun ihre Köpfe zusammengesteckt beieinander standen und aufgeregt miteinander tuschelten.

Markowitsch zog sein Handy aus der Tasche während er sich erhob. Er drückte eine der Kurzwahltasten und hoffte dabei inständig, dass der Angerufene auch sofort ans Telefon gehen würde.

Dreimal vernahm er den Klingelton, dann ein viertes Mal, ein fünftes Mal …

Verdammt, nun geh schon ran, schimpfte er in Gedanken vor sich hin, biss sich dabei auf die Unterlippe.

Mit einer raschen Handbewegung winkte er die Jungen zu sich heran. Schnellen Schrittes kamen diese ihm entgegen, sahen ihn mit großen Augen fragend an.

„Eine Stange brauche ich“, sprach er die Jungs an, „oder einen langen Ast.“

Markowitsch machte dabei eine ausholende Handbewegung.

„Neumann, hallo? Sind sie schon dran?“, rief er ins Handy.

„Und deshalb schmeißen sie mich am Samstagmorgen aus dem Bett, Chef? Nur weil sie eine Stange oder einen langen Ast brauchen?

Haben sie schlecht geträumt?“, vernahm Hauptkommissar Markowitsch die etwas verwundert klingende Stimme Peter Neumanns aus seinem Mobiltelefon.

„Guten Morgen, mein lieber Herr Neumann. Nachdem sie scheinbar noch geschlafen haben gehe ich davon aus, dass sie heute nichts Bestimmtes vorhaben.

Also darf ich sie bitten zu mir nach Rain am Lech zu kommen.

Verständigen sie aber als erstes die Kollegen der dortigen Polizeiwache. Sie sollen auf dem schnellsten Weg zum Kraftwerk kommen, es gibt Arbeit. Die Spurensicherung bringen sie bitte auch gleich mit.“

„Kein Wochenende?“, fragte Peter Neumann seufzend.

„Kein Wochenende“, bestätigte Markowitsch rasch die überflüssige Frage seines Kollegen.

„Hüpfen sie in ihre Klamotten, Neumann.“

Mit einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr fügte er noch hinzu: „Ich erwarte sie spätestens um elf Uhr hier am Lechkraftwerk.“

„Bin schon so gut wie unterwegs“, gab Neumann seufzend zurück.

„Aber was um Himmels Willen treiben sie am Samstagmorgen dort draußen?“

„Tote Frauen suchen“, gab der Kommissar sarkastisch zurück.

„Und sie werden es nicht glauben, Neumann, ich bin fündig geworden. Und jetzt machen sie sich endlich auf die Socken, es ist keine Zeit für Plänkeleien.“

„Bin schon so gut wie weg“, antwortete sein Kollege und beendete das Telefonat.

Robert Markowitsch blickte sich kurz um und sah dabei die drei Jungen mit einer langen Astgabel aus dem angrenzenden Waldstück kommen. Keuchend schleppten sie diese der kleinen Böschung entgegen.

Der Hauptkommissar blickte auf den im Wasser liegenden Leichnam und bemerkte dabei etwas sorgenvoll, dass das Wasser unaufhaltsam zu den geöffneten Schleusen des Kraftwerks strömte.

Es wäre wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Tote durch den Sog mitsamt dem Gestrüpp dorthin gezogen würde.

„Beeilt euch Jungs“, rief er, während er den dreien entgegen lief.

Als wären die Worte des Mannes ein Ansporn für sie, begannen die drei Freunde zu laufen, während sie sich gegenseitig immer wieder anfeuerten.

Wenige Augenblicke später nahm der Beamte das lange Gehölz aus ihren Händen entgegen. Keuchend kletterten die Buben die Böschung hinauf.

Robert Markowitsch eilte ans Ufer, schob die Astgabel ins Wasser und versuchte sogleich, die Tote damit ans Ufer zu ziehen.

Die mit Wasser vollgesogene Kleidung stellte dieses Vorhaben allerdings schwieriger dar als er es sich gedacht hatte.

Die Jungs bemerkten den verzweifelten Versuch des Mannes, die tote Frau ans Ufer zu holen.

„Warten sie“, rief einer. „Wir helfen ihnen.“

Markowitsch sah die drei voller Tatendrang auf sich zueilen.

„Ich glaube nicht, dass dies hier jetzt der richtige Platz für euch ist“, meinte er, hob dabei seinen rechten Arm und deutete ihnen an, ruhig zu sein.

Aus der Ferne waren die Signale des Martinshorns zu vernehmen. Innerhalb weniger Augenblicke schienen sie an Lautstärke zuzunehmen. Der Kommissar deutete auf die andere Seite des Lechs.

„Einer von euch sollte hinübergehen, um meinen Kollegen den Weg zu zeigen“, sprach er.

Wie vom Donner gerührt blieben die Jungen plötzlich stehen.

„Sie sind von der Polizei?“, fragte einer erstaunt.

„Ja“, meinte Markowitsch, „bin ich.“

„Aber nicht aus Rain“, rief ein anderer von den dreien. „Die kenne ich nämlich alle.“

„Ach ja?“, gab Robert Markowitsch mit hochgezogenen Augenbrauen fragend zurück. „Wie denn das?“

„Weil mein Vater auch Polizist ist. Sogar Kommissar“, gab der Bursche stolz zur Antwort.

„Na, dann solltest du wohl am besten jetzt da rüber flitzen und gucken, dass dein Vater uns auch möglichst schnell findet, falls er heute Dienst haben sollte. Ich werde versuchen die Frau solange festzuhalten.“

Der Hauptkommissar deutete mit seiner Hand in Richtung der anderen Seite, während er zu dem Jungen sprach.

„Ja, hat er. Bin schon unterwegs“, rief dieser aufgeregt und machte auf dem Absatz kehrt. Kurz vor dem Laufsteg hielt er aber nochmals an und drehte sich zu Markowitsch und seinen Kameraden um.

„Warum tragen sie denn keine Uniform, wenn sie von der Polizei sind?“, rief er Markowitsch großspurig entgegen.

Trotz der angespannten Situation musste der Robert Markowitsch nun etwas lächeln.

„Weil ich erstens heute dienstfrei habe, so dachte ich jedenfalls und zweitens als Hauptkommissar keine Uniform tragen muss.“

Erstaunt und mit offenem Mund sahen sich die drei Jungen an.

„Wow“, meinte einer. „Ein echter Hauptkommissar. Wenn ich das zu Hause erzähle glaubt mir das kein Mensch.“

Wieder lauschte Markowitsch in die Ferne. Der Lautstärke nach zu urteilen, mussten die Fahrzeuge der Kollegen schon bald an der gegenüber liegenden Seite angekommen sein.

„Nun aber los“, mahnte er etwas gequält. „Beeil dich.“

Zu den beiden anderen meinte er: „Ihr bleibt besser etwas zurück. Dies ist wohl nicht der richtige Platz um Pfadfinder zu spielen.“

Im ersten Moment schienen die Jungen enttäuscht darüber zu sein, dass ihre Hilfe abgelehnt wurde.

Als Markowitsch dies bemerkte, meinte er nur: „Vielleicht könnt ihr eurem Kameraden auf der anderen Seite helfen.“

Mit den Köpfen nickend eilten die zwei sogleich ihrem Freund hinterher.

Markowitsch versuchte indessen mit der Astgabel ein Abtreiben der Toten zu verhindern. Er hoffte inständig, dass die Rainer Kollegen nicht allzu lange auf sich warten ließen.

2. Kapitel

Drah di net um, oh oh oh, schau schau der Kommissar geht um, oh oh oh …

Als Peter Neumann durch den penetranten Klingelton seines Diensthandys aus dem Schlaf gerissen wurde war er sich sofort darüber im Klaren, dass es sich nur um einen Anruf seines Chefs handeln konnte.

Er hatte lange überlegt, welchen Song er den eingehenden Anrufen von Markowitsch‘s Handynummer zuordnen sollte und letztendlich beschlossen, dass es keinen treffenderen als den des verstorbenen Österreicher Schlagerstars Falco gab.

Mit einem langgezogenen Gähnen griff er sich das Mobiltelefon und drückte die Rufannahme. Er wollte sich gerade melden, als er auch schon die Stimme seines Vorgesetzten vernahm.

Eine Stange brauche ich, oder einen langen Ast.

Im ersten Augenblick überlegte Peter Neumann ob er sich verhört hatte, oder einfach nur von einem komischen Traum verfolgt wurde.

Nachdem er Markowitsch allerdings fragen hörte ob er am Apparat wäre wusste er sogleich, dass er keineswegs träumte.

Scheinbar befand sich sein Chef in einer akuten Stresssituation, denn seine nun folgende Schilderung klang alles andere als entspannt.

Trotz des schon inzwischen üblich gewordenen ironischen Wortgeplänkels zwischen ihm und seinem Chef vernahm der Kriminalbeamte die Dringlichkeit aus Markowitsch‘s Worten.

Dessen Anweisungen folgend verständigte Peter Neumann unverzüglich nach dem Beenden des kurzen Telefonates die Kollegen von der Polizeidienststelle in Rain und beorderte diese umgehend, wie von Markowitsch gewünscht, zum Lechkraftwerk.

Mit seinem nächsten Telefonat holte er den Bereitschaftsdienst der Kriminaltechnik vom Frühstückstisch weg, um sich wenige Augenblicke später nach einem kurzen Griff in den Brotkasten selbst auf den Weg zu seinem Dienstwagen zu begeben.

Peter Neumann, von den Kollegen nur kurz „Pit“ genannt, klemmte sich die Scheibe trockenes Brot zwischen die Zähne und legte den Sicherheitsgurt an, bevor er den Schlüssel im Zündschloss herumdrehte.

Fenster runter, Blaulicht aufs Dach, Blinker raus, kurzer Blick über die Schulter nach hinten … und ab.

Routinemäßig spulten sich nun die Handlungsschritte in Peter Neumann ab. Fünfzehn Minuten später, als er bereits das Augsburger Stadtgebiet hinter sich gelassen hatte, beschleunigte er sein Fahrzeug auf der B2 in Richtung Donauwörth.

Langsam kauend versuchte er den Rest seines trockenen Frühstücks hinunter zu würgen.

Ein Schluck heißer Kaffee zum Nachspülen wäre jetzt auch nicht schlecht dachte er bei sich.

„Tote am Morgen bringen Kummer und Sorgen“, murmelte er seufzend vor sich hin, als er auf die linke Spur ausscherte um einen vor ihm fahrenden Lkw zu überholen.

Es dauerte bei diesem Tempo keine Viertelstunde, bis er von der B2 abbog, um die Ausfahrt in Richtung Rain am Lech zu nehmen.

Für einen kurzen Moment schaltete er das Martinshorn ein, um die sich vor ihm befindlichen Fahrzeuge auf sein Überholen aufmerksam zu machen.

Ein schneller Blick auf sein Navigationsgerät zeigte ihm, dass er noch sechs Minuten bis zur Ankunft hatte.

Das schaffen wir aber schneller sprach Neumann in Gedanken zu sich, indem er seinem Wagen die Sporen gab.

3. Kapitel

Harry Zeller kurbelte die Fensterscheibe seines alten Geländewagens nach unten, um seine bereits herunter gebrannte Zigarettenkippe nach draußen zu schnippen.

Nervös kaute er auf seiner Unterlippe. Noch während er das Fenster wieder nach oben drehte griff er in seine Jackentasche, um sich aus der darin befindlichen Schachtel einen weiteren Glimmstängel heraus zu holen. Er schob sich das Stäbchen zwischen die Lippen, zündete es an und blies den Rauch gegen die Scheibe.

Hier, vom ehemaligen Volksfestplatz aus, auf welchem er schon seit vergangener Nacht stand, konnte er beobachten, wie sich langsam die Nebelschwaden über dem Wald erhoben.

Trotz des Gewitters in der vergangenen Nacht würde es wohl nicht mehr lange dauern, bis sich die Herbstsonne ihren Weg gebahnt hatte. Goldfarben glitzernd reckten sich bereits einige der Baumwipfel dem Himmel entgegen.

Harry dachte einen Moment lang darüber nach, wann er wohl das letzte Mal so bewusst einen Sonnenaufgang beobachtet hatte.

Er fand es einfach nur schön, sich dieses Naturschauspiel anzusehen. Seufzend stellte er fest, dass ihm das Leben anscheinend wieder einmal seine schönsten Seiten vorenthalten würde. Er ließ die vergangenen Tage vor seinem geistigen Auge Revue passieren.