Die Nördlinger Krimi-Trilogie - Günter Schäfer - E-Book

Die Nördlinger Krimi-Trilogie E-Book

Günter Schäfer

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Beschreibung

Tod auf dem Daniel, Endstation Alte Bastei und Der Henker von Nördlingen. Der Augsburger Kriminalhauptkommissar Robert Markowitsch und sein Team ermitteln in drei spannenden Lokalkrimis in der Riesmetropole Nördlingen.

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Tod auf dem Daniel

Das Geheimnis um den Tod des Nördlinger Türmers

Endstation Alte Bastei

Ein Jugendlicher, erschossen mitten in der Nördlinger Altstadt, und ein toter Obdachloser in einer Schrebergartenanlage. Wer steckt hinter den beiden Morden?

Der Henker von Nördlingen

Der grausame Mord an zwei Nördlinger Frauen versetzt die Stadt in Angst und Schrecken

Inhaltsverzeichnis

Tod auf dem Daniel

Anmerkungen des Autors

KAPITEL

KAPITEL

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KAPITEL

KAPITEL

KAPITEL

KAPITEL

KAPITEL

KAPITEL

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Endstation Alte Bastei

Prolog

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Der Henker von Nördlingen

Vorwort des Autors

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Tod auf dem Daniel

Anmerkungen des Autors

Woher meine Informationen stammen

Das Meiste an Begriffen und Erklärungen stammt aus dem Internet, in dem man beispielsweise in der ergiebigen Wissensbörse Wikipedia und den dort unzählig weiterführenden Seiten über Voodoo recherchiert. Meist gleichen sich die Erklärungen, teilweise gehen sie aber auch auseinander. Unumstritten ist, dass es sich beim eigentlichen Begriff Voodoo um eine Religion handelt die bis heute ebenso gelebt wird, wie beispielsweise das Christentum oder der Islam, der Hinduismus oder der Buddhismus, um hier nur einige der vielen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen unserer Zeit zu nennen. Sie alle hier aufzulisten erscheint mir unmöglich, dies würde wohl den Rahmen des Buches sprengen und steht außerdem in keiner Beziehung zu seinem Thema.

Weitere Anmerkungen?

Die gibt es auch. Hiermit möchte ich darauf hinweisen, dass alle in diesem Buch dargestellten Personen und Handlungen rein fiktiv und ausschließlich meiner Fantasie entsprungen sind. Eine eventuelle Übereinstimmung oder Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen sowie tatsächlichen Ereignissen wäre in jeder Hinsicht rein zufällig und nicht beabsichtigt.

1. KAPITEL

Nachdenklich stand Michael Akebe am Fenster seiner Praxis und sah hinaus auf die nächtlichen Straßen Nördlingens.

Er ließ die Vergangenheit vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Seit einigen Jahren schon hatte der inzwischen 36jährige Sohn eines afrikanischen Arztes und einer deutschen Reiseleiterin nun seine Arztpraxis für Naturheilkunde und Allgemeinmedizin im Zentrum der Stadt.

Für die Familie war es nicht gerade einfach gewesen, hier in Deutschland Fuß zu fassen. Das Vertrauen der Menschen zu gewinnen hatte sich als langwierige Prozedur herausgestellt.

Gerade für Michael, der einen afrikanischen Vater hatte. Aber auch seine Mutter Christine war in ihrem Bekanntenkreis häufig auf Unverständnis gestoßen als heraus kam, dass sie mit einem Afrikaner nach Nördlingen zurückkehrte.

Abedi Akebe und Michaels Mutter hatten sich damals auf einer ihrer Studienreisen nach Togo kennen gelernt. Sein Vater hatte in Deutschland das Medizinstudium mit Auszeichnung absolviert, bevor er nach Afrika zurückging, um dort in einem Krankenhaus in Lomé, der Hauptstadt Togos, sein erworbenes Wissen anzuwenden.

Auf ihrer damaligen Reise hatte Michaels Mutter einen kleinen Unfall, bei dem sie sich am rechten Fuß verletzte. Nicht besonders schlimm, jedoch etwas schmerzhaft.

Um eine ambulante Versorgung im Krankenhaus war sie nicht herum gekommen.

Michael erinnert sich daran, dass sie manchmal lächelnd zu seinem Vater sagte: „Natürlich war es notwendig, dass ich damals ins Krankenhaus ging. Sonst hätten wir beide uns womöglich niemals kennen gelernt.“

Christine ahnte schon bei dieser ersten Begegnung, dass sich in ihrem Leben etwas entscheidend verändern würde.

Sie brach ihre Studienreise kurzfristig ab, und mietete sich für die verbleibenden Tage in einem kleinen Hotel in der Nähe des Krankenhauses ein. Sie wollte auf alle Fälle jede Möglichkeit nutzen, um diesen Menschen näher kennen zu lernen.

Immer wieder suchte sie eine Gelegenheit, um Abedi zufällig oder auch geplant über den Weg zu laufen. So ließ sie sich dann auch ihre kleine Verletzung von ihm öfter nachbehandeln als es eigentlich notwendig gewesen wäre.

Und irgendwann verstand auch er, dass ihre Besuche im Krankenhaus eigentlich mehr ihm als ihrem inzwischen fast verheilten Knöchel galten.

Dass auch er von Christines Art, ihrem Auftreten und ihrer Ausstrahlung mehr und mehr gefangen genommen wurde, konnte er nicht allzu lange verheimlichen.

So kam es schließlich, dass die Beiden die letzten Tage von Christines Aufenthalt in Afrika mehr und mehr gemeinsam verbrachten. Kurz vor ihrer Rückreise in die Heimat gestand Abedi ihr, dass er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen könne.

Nachdem Michaels Mutter dann nach Deutschland zurückgekehrt war, gab es einen regen Briefwechsel und jede Menge Telefonate zwischen ihnen. Auch gegenseitige Besuche hatten sie geplant, diese erwiesen sich von Seiten der Angehörigen allerdings eher als schwierig.

Schwarz und Weiß sind nun einmal schon seit jeher ein nicht enden wollender Gegensatz in unserer Gesellschaft. Diesen jedoch haben Christine und Abedi durch die Beständigkeit ihrer Liebe eindrucksvoll widerlegt.

Sie wollten sich durch nichts auf dieser Welt mehr auseinander bringen lassen.

Als die Beiden sich letztendlich sicher waren den restlichen Weg ihres Lebens gemeinsam gehen zu wollen, war eigentlich eine traditionelle Hochzeitsfeier in Afrika vorgesehen.

Christines Eltern allerdings, beide damals schon in fortgeschrittenem Alter, überzeugten sie davon, sich lieber in ihrer Heimatstadt das Jawort zugeben.

Obwohl sie den zukünftigen Ehemann ihrer Tochter als liebevollen und aufrichtigen Menschen kennen gelernt hatten, gab es irgendwo in ihrem Innersten noch diese veralteten Ansichten.

Und da sowohl Abedi als auch Christine wussten, dass man Menschen in diesem Alter nicht mehr umdrehen kann gelang es den Beiden schließlich, auch seine Familie zu überzeugen.

Einerseits fand es Christine schade, denn sie hatte viel gehört und gelesen über die farbenprächtigen Zeremonien auf dem afrikanischen Kontinent.

Nach der Hochzeit kehrte Christine mit Michaels Vater zurück in dessen Heimat. Er wollte unbedingt noch für einige Jahre dort arbeiten, um die in Deutschland erworbenen medizinischen Kenntnisse weiter zu vermitteln.

Er war bereits am Aufbau von zwei Krankenhäusern beteiligt, und man schätzte sein Fachwissen sowie sein soziales Engagement über alles.

Nicht dass es in Afrika keine guten Ärzte gab, allerdings waren die Europäer in der medizinischen Entwicklung, und vor allem in der Ausstattung der Kliniken mit medizinischem Gerät ein ganzes Stück voraus.

Diesen Vorsprung wollte Abedi Akebe soweit es ihm möglich war, in seine Heimat mitnehmen. Und wo könnte er dies besser umsetzen als in einem Krankenhaus? Er wurde ein angesehener Arzt, auch wenn er anfangs mit Vorurteilen zu kämpfen hatte.

Abedi, der aus einem kleinen Dorf im Landesinneren von Togo stammte, hatte es mit sehr viel Fleiß, aber auch dem Glück des Tüchtigen zu einem Stipendium der medizinischen Hochschule in Hannover geschafft.

Diese Früchte seiner mühsamen Arbeit konnte er nun ernten. Mit jedem Patienten der als geheilt entlassen werden konnte, sah er sich in seiner Arbeit bestätigt.

Um ab und zu etwas Ruhe und Erholung zu finden, fuhren er und Christine zu den Verwandten in sein Heimatdorf. Dieses lag nahe der Grenze zu Ghana, und die Einwohner bewahren sich bis heute viele ihrer Traditionen.

So gibt es verschiedene Rituale für den Menschen bei dessen Geburt, bei seiner Volljährigkeit, bei Eheschließungen und auch beim Tod.

Auch Michael, der ein Jahr nach Christines und Abedis Rückkehr nach Afrika zur Welt kam, wuchs hier zum Großteil auf. Lebten er und seine Eltern zwar hauptsächlich in der Stadt, waren sie jedoch an vielen Wochenenden oder während der Urlaubstage hier draußen, wo das Leben teilweise noch sehr ursprünglich ablief.

Am liebsten ging Michael mit seinem Großvater durch den Busch. Hier gab es soviel Faszinierendes und Geheimnisvolles zu entdecken, und Michael konnte zusammen mit Gleichaltrigen wertvolle Erfahrungen über die Natur und ihre Wunder sammeln.

Wenn sein Großvater sich jedoch mit anderen Männern in den Busch begab, durfte Michael ihn nicht begleiten.

Auf sein Nachfragen erfuhr er immer nur den gleichen Grund, dass sich sein Großvater mit Medizinmännern auf den Weg machte, um Pflanzen und andere Zutaten zu sammeln.

Diese wurden gebraucht, um die alten, seit Urzeiten überlieferten Rituale afrikanischer Heilkunst durchzuführen.

Eines Tages wird der Zeitpunkt da sein, an dem ich dich in die Geheimnisse des Heilens einweihen werde, sagte er zu Michael. Da dein Vater sich mehr der ärztlichen Kunst der Neuzeit verschrieben hat wirst du es sein, der die alten Traditionen fortführen soll. Ich glaube, dass du dafür vorbestimmt bist.

Die meisten Bewohner der kleinen Dörfer in Afrika hielten nicht viel von der modernen Medizin. Sie ließen sich lieber von den erfahrenen Alten helfen. Sie waren Naturmenschen, lebten in, mit und von der Natur.

Was die Natur schwächt, kann durch sie auch wieder gestärkt werden. Und der alte Akebe war sich seiner Aufgabe bewusst, diese Traditionen weiterzugeben.

In seinen Augen war sein Enkel der Richtige, nur den Zeitpunkt dafür sah er noch nicht als gekommen.

Um das Ganze in seiner Wichtigkeit und Tragweite zu begreifen, war er in den Augen des alten Akebe noch einige Jahre zu jung.

Aber der Moment würde kommen, an dem er ihn in seine Bestimmungen einweihen konnte. Und wenn er die notwendige Reife besitzt, wird er all das erfahren, was man über die Götter der Natur wissen muss, um sich ihrer Kraft und Geheimnisse zum Wohle der Menschen zu bedienen.

Die Götter der Natur stehen für viele der afrikanischen Einwohner im Mittelpunkt ihres Lebens.

Voodoo!

Diese uralte Religion ist auch heute noch für viele Menschen verschiedener Kulturen der Mittelpunkt ihres Glaubens. Er wird von den Ältesten der Familien an ihre Nachkommen vererbt.

Michaels Großvater gar war ein echter Priester des Voodoo!

Er war ein Eingeweihter der alten Traditionen. Er besaß das medizinische Wissen und kannte die uralten Gesetze, Tänze und Lieder durch die er es verstand, Mensch und Natur in Einklang zu bringen.

Wenn Michael manchmal etwas vorlaut oder zu unbedacht war und damit die Missachtung anderer auf sich zog, wies ihn der alte Akebe oft zurecht.

Deine Worte sind zerbrechlich wie Glas. Wenn dieses erst einmal zerbrochen ist, kann man es nicht wieder richtig zusammen fügen. Denke also mehr als nur einmal nach, bevor du sprichst.

Michaels Vater hielt als praktischer Arzt nicht sehr viel von diesen uralten Weisheiten. Durch seinen jahrelangen Aufenthalt in Europa hatte er gelernt anders zu denken.

Für ihn musste alles einen logischen Sinn ergeben. Rationales und modernes Denken war mehr und mehr in den Vordergrund seines nicht nur beruflichen Alltags getreten.

Da er zwar des Öfteren die Heilkunst seines Vaters erleben konnte, zweifelte er nicht an deren Kraft und Wirkung.

Allerdings erschien es ihm oft zu langwierig, zu langatmig und zu umständlich, bis diese Wirkung zum Tragen kam.

Die überlieferten Rituale waren einem stets genauen Ablauf unterworfen. Mit den Opfergaben und Tänzen, spirituellen Gesängen und Gebeten wurde es sehr genau genommen.

In der modernen Medizin dagegen gilt es meist auf schnellem und direktem Wege zu handeln. Nicht nur um die schnellere Genesung, sondern auch einen entsprechenden Profit zu erreichen. Denn die moderne Medizin ist eben auch teuer. Sowohl die Erforschung, als auch die Bereitstellung und Ausübung durch entsprechendes Fachpersonal verschlingt nach wie vor Unsummen.

Michael selbst hingegen war seit jeher fasziniert vom Wirken seines Großvaters.

Immer wieder staunte er nur darüber, wie man mit den einfachsten Dingen aus der Natur die verschiedensten Krankheiten heilen konnte, indem man deren Ursachen beseitigte.

Schon damals entschloss er sich dazu, auch einmal Medizin zu studieren. Allerdings wollte er nicht nur die modernen Methoden verwenden, sondern sie vielmehr mit den alten, aus der Natur wirkenden Möglichkeiten kombinieren.

Er hatte bereits in jungen Jahren erkannt, dass es vorteilhafter sein könnte, die uralten und schier unerschöpflichen Erfahrungen mit modernem Wissen zu vereinen.

Sein Großvater empfand dies zumindest vom Ansatz her als einen guten Gedanken. Denn genau wie in der modernen Schulmedizin, so gibt es auch bei allen traditionellen Heilungsmethoden immer wieder unheilbare Krankheiten, und somit stellen sich auch unlösbare Probleme dar.

Ein durch die Natur zum Sterben verurteiltes Wesen, egal ob Mensch, Tier oder Pflanze, kann man seinem Schicksal nicht entreißen. Man kann diesen Weg natürlich verlängern, kann ihn lindern oder auch verkürzen, aber man vermag ihn nicht zu verhindern.

Und nachdem alles auf dieser Welt in einer magischen Beziehung zueinander steht, entstehen Krankheiten immer durch ein Ungleichgewicht der Gemeinschaft.

Kann die Ursache dieser Störung nicht beseitigt werden, können kein Arzt, kein Heiler, keine Medizin und kein Ritual auf dieser Welt den Untergang abwenden.

An diese Sätze erinnerte sich Michael Akebe, als er in Gedanken versunken am Fenster stand.

Er spürte die kälter werdende Nachtluft. Er war zwar nun schon viele Jahre in Deutschland, sein körperliches Temperaturempfinden hatte sich diesem Klima allerdings noch immer nicht vollständig anpassen können.

Es waren eben die Gene seiner afrikanischen Vorfahren, die sich hier in den Vordergrund drängten. Manchmal vermisste er sie schon, die wärmende Sonne Afrikas.

Selbst im Sommer, wenn es in Deutschland heiß und trocken war, gab es keinen Vergleich mit dem Klima in seiner Heimat.

Die Ausgewogenheit der Natur war es, die er hier vermisste, auch wenn es der Mensch inzwischen selbst in Afrika schaffte, diese Ausgewogenheit aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Wälder werden gerodet, und dadurch ureigenste Existenzen vernichtet. Es gab in seinen Augen keinen nachvollziehbaren und vernünftigen Grund für diesen Raubbau an der Natur, außer dem des finanziellen Profits.

Immer mehr, immer weiter, immer höher, immer tiefer.

Die Natur beginnt schon seit einiger Zeit, sich dagegen zu wehren. Noch werden diese Zeichen der Gegenwehr als bloße Naturkatastrophen abgetan.

Einerseits ja zu recht. Aber ein Teil der Menschheit scheint noch immer nicht verstanden zu haben, dass es sich hierbei um eine Warnung der natürlichen Kräfte handelt.

Werden diese Warnungen nicht ernst genommen und dieses Aufbäumen weiterhin permanent unterdrückt, wird sich die Natur eines Tages Stück für Stück aufgeben.

Sie wird sich selbst und somit auch all das was in ihr existiert vernichten, um dadurch einen Neubeginn zu erzwingen.

Michael fröstelte es bei diesen Gedanken.

Ja, der Mensch scheint immer mehr seine Skrupel und sein Gewissen zu verdrängen. Die Verantwortung der Natur und somit irgendwie auch sich selbst gegenüber scheint immer weniger zu gelten.

Ursprünglich wollte er ja wie schon sein Vater sein ärztliches Wissen in der Heimat seiner Vorfahren anwenden. Doch er verwarf diesen Gedanken nach Afrika zu gehen, denn auch hier in Deutschland, in der Stadt in der seine Mutter geboren war, sah er ja im Grunde genommen seine Heimat.

Und nach dem Tode seines Vaters wollte Christine nicht wieder zurück. Zuviel würde sie dort an ihre glückliche Zeit erinnern, zu viele der schmerzlichen Gedanken würden sie dort gefangen nehmen.

Also entschloss er sich dazu hier zu bleiben.

2. KAPITEL

Michael Akebes Vater starb vor nunmehr 14 Jahren bei einem Verkehrsunfall, dessen Verlauf aber niemals richtig aufgeklärt werden konnte.

Michael steckte zu dieser Zeit mitten in seinem Medizinstudium. Die Nachricht vom Tode seines Vaters hätte ihn damals beinahe aus der Bahn geworfen.

Lange hatten er und seine Mutter versucht die zweifelhaften Umstände aufzudecken, sie stießen dabei jedoch immer wieder auf die unterschiedlichsten Widerstände und Ungereimtheiten.

Als Christine Akebe ihre zuletzt verzweifelten Versuche, sich gegen die Anwälte, Gesetze und Widersprüche durchzusetzen schließlich aufgab, sich mit einer finanziellen Abfindung der Versicherungen zufrieden stellen ließ, schien langsam wieder Ruhe im Hause Akebe einzukehren.

Das Leben ihres Mannes war mit keiner Summe auf dieser Welt zu bezahlen.

Allerdings wollte Christine ihrem Sohn eine sichere Zukunft bieten, und dazu war nun einmal auch eine solide finanzielle Grundlage notwendig.

Michael sollte sein Medizinstudium in aller Ruhe beenden können, dafür hatte sie sich stets mit aller Kraft eingesetzt.

Glücklicherweise, so mag mancher denken, hatte Michael nicht die Hautfarbe seines Vaters geerbt, was sich einerseits in der heutigen Gesellschaft als hilfreich erwies, allerdings konnte er seine Herkunft auf Grund seines Namens auch nicht verleugnen.

Er musste trotz der so oft angepriesenen Toleranz gegenüber Ausländern mehrere Male erleben, dass es in gewissen Kreisen nicht weit her war mit dieser Tugend.

Mehrmals wurde er mit absolut zweideutigen Bemerkungen konfrontiert.

Ob er denn von seinen Vorfahren im Dschungel auch einen Regentanz gelernt hätte, oder er nicht vielleicht einmal in traditioneller Bemalung als afrikanischer Medizinmann auftreten würde?

Michael tat diese Anspielungen auf seine Herkunft meist nur mit einem milden Lächeln ab.

Als er sich jedoch einmal nach der Mittagspause zu seiner nächsten Vorlesung begab, eskalierte beinahe eine dieser Situationen.

Im damals anstehenden Thema des Professors ging es um die Kombination alternativer Heilmethoden mit der klassischen Schulmedizin. Ein Thema, an dem Michael natürlich sehr viel Interesse zeigte.

Er hatte sich auch schon im Vorfeld dieser Vorlesung mit dem Professor darüber unterhalten und dieser erkannte, dass in diesem jungen Mann einiges an Potenzial steckte.

Die persönlichen Erfahrungen auf Grund seiner Herkunft und des Wirkens seines Großvaters sollte auch den anderen Studenten zuteilwerden.

Als Michael schließlich nach vorn gebeten wurde um etwas über die Behandlungsweisen der afrikanischen Ureinwohner zu berichten, kam es im Vorlesungssaal zu einer unschönen Szene.

Zwei von Michaels unliebsamen Studienkollegen steckten kurz ihre Köpfe zusammen und als er auf seinem Weg zum Rednerpult an ihnen vorbei gehen wollte, stellten sie sich ihm in den Weg.

Einer der Beiden drückte ihm einen Gegenstand in den Arm mit der Bemerkung, dass man zu jeder Behandlungsmethode auch das entsprechend passende medizinische Besteck benötigen würde.

Im ersten Moment war Michael etwas perplex über das, was ihm da zugesteckt wurde.

Ein kurzer Blick darauf zeigte ihm, dass es sich hierbei um eine recht billige Kopie einer Voodoopuppe handelte, die man in so manchen Souvenirläden für wenig Geld erwerben konnte.

Der Blick in die Gesichter ihm gegenüber zeigte ihm nur das zunächst hämische Grinsen zweier junger Männer die da glaubten, einen gelungenen Scherz gelandet zu haben.

Michael dachte nur wenige Augenblicke nach bevor er sich dazu entschloss, die Flucht nach vorn zu ergreifen. Er entsann sich noch genau der Worte, die er dem oberschlauen Burschen mit auf den Weg gab.

Medizinisches Besteck ist kein Spielzeug für dumme Jungs. Wenn man das Falsche wählt oder nicht sorgfältig damit umgeht, könnte man sich leicht daran verletzen.

Nachdem er diese Worte mit einem seltsamen Unterton gesprochen hatte, sah er die vor ihm stehenden Männer an.

Seine Augen verengten sich dabei zu zwei schmalen Schlitzen, und sein Blick schien bis in die hintersten Zellen ihres Gehirns zu dringen. Dann streckte Michael demjenigen die Puppe entgegen, der sie ihm kurz zuvor zugesteckt hatte.

Er hielt sie ihm direkt vors Gesicht und drückte ihr dabei mit zwei Fingern den Hals zu.

Pass auf, dass sie dir nicht weh tut zischte er ihm dabei leise entgegen, griff mit der anderen Hand nach dem Kragen seines Pullovers und schob ihm die Puppe von oben hinein.

Ob der junge Mann nur auf Grund von Michaels Reaktion so überrascht wurde, dass er einen plötzlich heftigen Hustenanfall erlitt, wusste anschließend keiner von den Anwesenden im Saal mehr zu sagen.

Fast eine Minute lang kämpfte er mit hochrotem Gesicht gegen seinen Hustenreiz an, den Michael schlussendlich stoppte, indem er ihm die eine Hand auf die Brust und die Andere auf den Rücken legte.

Er erzeugte mit sanft kreisenden Bewegungen einen leichten Gegendruck auf dem Oberkörper der dazu führte, dass sich sein Kollege augenblicklich beruhigte.

Dessen erstaunten Blick quittierte er nur mit einem wissenden Lächeln.

Die Kunst des Heilens besteht nicht nur in der richtigen Wahl der medizinischen Mittel, man sollte auch verstehen sie richtig anzuwenden, sprach er mit leiser Stimme zu den Beiden, bevor er seinen Weg durch die Sitzreihen fortsetzte.

Michael war während seiner Studienzeit schon mehrmals der Versuchung nahe gewesen, den Mädchennamen seiner Mutter anzunehmen.

Seine Familienehre und die Erinnerung an seinen Vater hatten ihn schließlich davon abgehalten. Er wollte den Namen seines Vaters und dessen Ahnen mit Stolz tragen.

So nahm er sich trotz aller widrigen Umstände vor, sein Leben so zu gestalten wie er allein es für richtig hielt.

Und im Gegensatz zu seiner Mutter schwor er sich damals schon die mysteriösen Umstände aufzuklären, die den Tod seines Vaters noch immer umgaben.

Immer wieder studierte er die Unterlagen, Protokolle und Skizzen, die er nach dem offiziellen, behördlichen Abschluss der Sache als Kopien ausgehändigt bekam. Für ihn war es noch lange nicht klar, dass es sich hierbei um einen tragischen Unfall gehandelt hatte.

Im Laufe der Jahre recherchierte er mehrmals auf eigene Faust, versuchte immer wieder Unfallzeugen aufzutreiben, um so neues Licht in die Angelegenheit zu bringen.

Doch warf man ihm stets den bildlich gesprochenen Knüppel zwischen die Beine.

Die Aussagen die er zu hören bekam, lauteten immer gleich: Es sei alles zu schnell gegangen, man hätte auch keine genaue Erinnerung mehr, alles sei schon so oft gesagt worden und man wolle nichts mehr damit zu tun haben.

Letztendlich gelte die deutsche Rechtssprechung nun auch einmal für einen hier lebenden Afrikaner.

Jedoch gab sich Michael damit nicht wirklich zufrieden. Er suchte weiter nach Augenzeugen, und hatte irgendwann auch Erfolg.

Kürzlich, es war an einem späten Nachmittag, kam ein älterer Herr in seine Praxis.

Michael kannte ihn schon lange als einen seiner Patienten. Er bemerkte beim Durchlesen dessen Akte, dass der Mann zwar an einer Herzschwäche litt, sich jedoch seit seiner Pensionierung und der dadurch geänderten Lebensweise keine allzu gravierenden Verschlechterungen bei ihm eingestellt hatten.

So konnte er nur selten bei den Behandlungsterminen ein rein körperliches Leiden feststellen. Meist wurden von ihm psychosomatische Ursachen diagnostiziert, hin und wieder auch einmal leichte Beschwerden an der Wirbelsäule oder an den Bandscheiben.

Diese wurden sicherlich durch seine früher überwiegend sitzende Tätigkeit hervorgerufen, denn als Fahrer eines bekannten Politikers aus der Region verbrachte er die meiste Zeit im Dienstwagen, um seinen Chef von einem Termin zum nächsten zu befördern.

Als man damals jedoch die Herzschwäche entdeckte, reichte Gerd Stetter frühzeitig seine Pensionierung ein.

Er klagte diesmal über leichten Schwindel und Übelkeit, aber auch jetzt konnte Michael nach eingehender Untersuchung keine eindeutige Diagnose stellen, und doch merkte er dem Mann an, dass etwas nicht in Ordnung war.

Er hatte ein seltsames Gefühl dabei, als er seinen Patienten während der Untersuchung berührte.

Es schien fast so, als würden seine Hände auf dem Körper des Mannes Angstgefühle bei ihm hervorrufen. Michael konnte sich diese Reaktion zu diesem Zeitpunkt noch nicht erklären.

Er bat seinen Patienten anschließend sich wieder anzukleiden, und an seinem Schreibtisch Platz zu nehmen.

„Ich kann leider keine körperlichen Merkmale finden die mir irgendeinen Hinweis auf Ihr Unwohlsein geben würden, Herr Stetter.

Könnten Sie mir den Verlauf der letzten Zeit bitte etwas genauer schildern?

So kann ich mir eher ein Bild von Ihrer Gesamtsituation machen. Erzählen Sie mir bitte auch falls irgendwelche Probleme Sie belasten, denn seelischer Stress kann sich früher oder später ebenfalls körperlich bemerkbar machen.

Möglicherweise finden wir ja so eine Ursache für Ihre immer wiederkehrenden Beschwerden.“

Als sich der Arzt in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch niederließ und für einen Moment in das besorgte Gesicht seines Patienten blickte, vernahm er dessen fast hörbares Schlucken.

Seine bis dahin schon etwas fahle Gesichtsfarbe schien nochmals an Intensität zu verlieren.

„Also gut“, begann Gerd Stetter langsam und mit zittriger Stimme.

„Anscheinend ist nun die Zeit gekommen um endlich reinen Tisch zu machen.“

Michael Akebe wurde hellhörig, als der Mann zu erzählen begann.

„Damals, im Sommer 1994, fuhr ich meinen ehemaligen Arbeitgeber, den Staatssekretär Albert Urban, zur Eröffnung einer Kunstausstellung in den Räumen der Nördlinger Stadtsparkasse.

Es war wie immer bei solchen Veranstaltungen. Es wurde viel geredet, gegessen und auch getrunken.

Ich bemerkte, dass sich mein Chef im Laufe der Veranstaltung sehr intensiv mit einer ihm wohl näher bekannten Dame unterhielt.

Dies führte am Ende dazu, dass ich kurzfristig für den Rest des besagten Abends frei bekommen sollte.

Herr Urban wollte den Dienstwagen selbst nach Hause fahren und unterwegs seine Bekannte absetzen, da diese anscheinend etwas zuviel Alkohol getrunken hatte.

Nun gut, lange Rede, kurzer Sinn.

Ich nahm das Angebot meines Chefs an, hielt mich noch eine Weile am Buffet auf um mich zu stärken, und machte mich anschließend zu Fuß auf den Heimweg.

Da am bevorstehenden Wochenende keine dienstlichen Termine anstanden, konnte ich mich auf zwei ruhige Tage zu Hause freuen.

Dass mein Chef auch schon einige Gläser getrunken hatte blieb mir zwar nicht verborgen, ihn darauf anzusprechen unterließ ich allerdings.

Er verbat sich diese Hinweise stets mit der Begründung, dass er selbst am Besten einschätzen könne ob er noch fahrtüchtig war oder nicht.“

Michael Akebe hörte den Erzählungen seines Patienten aufmerksam zu, obwohl seine innere Anspannung in den letzten Minuten immer mehr zugenommen hatte.

Er dachte sich anfangs, dass sich sein Gegenüber wohl nur seinen Kummer von der Seele reden wollte.

Er war zwar kein Psychotherapeut, und das Budget der Krankenkassen sprach auch immer seltener dafür, doch sah er auch gerade das Zuhören bei seinen Patienten als eine seiner ärztlichen Aufgaben.

Oftmals konnte man auf Grund solcher Gespräche besser auf ein Krankheitsbild schließen.

An diesem Spätnachmittag jedoch hatte er das untrügliche Gefühl, dass endlich Licht in eine Angelegenheit kommen sollte, die auch ihn persönlich betraf.

Dass nun endlich das was scheinbar seit Jahren im Verborgenen gehalten wurde, ans Tageslicht kam. Und so ermunterte er also den Mann mit ruhigen Worten dazu, weiter zu erzählen.

„Nun denn“, fuhr Gerd Stetter mit seinen Ausführungen fort.

„Ich verabschiedete mich also von meinem Chef und seiner Bekannten, und machte mich dann zu Fuß auf den Heimweg.

Ich wollte die Gelegenheit nutzen, wieder einmal ohne jeglichen Alltagsstress durch die Nördlinger Altstadt zu gehen. Wenn man wie ich damals die meiste Zeit des Tages im Auto verbringt, geht man gerne zwischendurch ein paar Schritte zu Fuß.

Ich rief vorher nur kurz zu Hause an und gab Bescheid, dass ich nach einem kleinen Spaziergang früher als geplant daheim sein würde.

So ging ich dann etwa eine Stunde durch die bereits leeren Gassen und genoss die Ruhe des Abends.

Als ich schließlich stadtauswärts in Richtung des Reimlinger Tores kam, fuhr der Dienstwagen meines Chefs an mir vorbei.

Ich weiß noch, dass ich kurz die Hand zum Gruß hob und Herr Urban und seine Begleiterin lachend zurückwinkten.

Als sich der Wagen dann nach dem Stadttor der Ampelanlage näherte dachte ich mir: Das ist typisch für ihn, wie immer zu schnell.

Der fährt ohne abzubremsen, als ob ihm die Straße alleine gehören würde, obwohl die Ampel schon auf Höhe des davor liegenden Parkplatzes gelbes Licht zeigte.

Es musste ihm in diesem Moment doch bewusst gewesen sein, dass er es nicht mehr ohne Risiko über die Kreuzung schaffen würde.

Die Lichtanlage stand längst auf Rot, als er so unvorsichtig in die Kreuzung einfuhr.

Dann gab es plötzlich diesen Knall. Jeder aufmerksame Beobachter hätte darauf gewartet, dass so etwas passieren muss.

Ein stadteinwärts fahrendes Auto konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen und erwischte zwar etwas abgebremst, aber dennoch frontal die Beifahrerseite von Herrn Urbans Limousine.

Der Fahrer des Wagens war sich anscheinend über die Situation völlig im Klaren, denn er reagierte sofort.

Ich konnte erkennen, dass er sich irgendwie seitlich drehte und auch ziemlich schnell und, wie es im ersten Moment schien ohne größere Verletzungen seinen Wagen verließ.

Als er sich sogleich zum Fahrzeug meines Chefs begab, passierte das eigentlich Unvorhergesehene.

Zwei weitere Fahrzeuge näherten sich der Unfallstelle. Der erste Wagen bremste direkt an der Ampel ab.

Der Fahrer des zweiten Autos erkannte die Situation vor sich anscheinend viel zu spät, war meiner Meinung nach auch noch etwas zu schnell.

Er konnte trotz einer Vollbremsung nicht mehr verhindern, dass sich sein Wagen in das Heck des plötzlich vor ihm zum stehenden gekommenen Autos bohrte, und dieses wie in einer Kettenreaktion auf die anderen vor ihm aufschob.

Die hässlichen Geräusche von splitterndem Glas und kreischendem Blech habe ich noch heute in den Ohren.

Schlimmer jedoch war der Schrei des Mannes der aus dem ersten Fahrzeug ausgestiegen war um anscheinend erste Hilfe zu leisten.

Er wurde durch den nachfolgenden Zusammenstoß der hinteren Autos regelrecht zwischen seinem eigenen Wagen und dem meines Chefs eingeklemmt. Es war ein furchtbarer Anblick.

Wenn ich im Nachhinein überlegte, dauerte das ganze Geschehen nicht viel mehr als etwa ein bis zwei Minuten.“

Michael Akebe starrte ins Leere. Er ahnte schon länger, dass ihm Gerd Stetter vom Unfallabend seines Vaters erzählte.

Er hatte es immer geahnt, dass damals nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein musste. Würde Stetter derjenige sein, der nun endlich Licht in die ganze Geschichte brachte?

Michael hatte die Finger ineinander verschlungen, rieb sich immer wieder nervös seine Hände.

Würde er heute endlich all das in Erfahrung bringen können, wonach er seit Jahren gesucht hatte?

Ein untrügliches Gefühl in ihm sagte, dass die Zeit gekommen schien, die Schuldigen am Tode seines Vaters nun zur Rechenschaft zu ziehen.

Ungeduldig drängte er seinen Patienten dazu weiter zu erzählen, sich so seinen Kummer von der Seele zu reden.

Nicht ohne den Gedanken daran, dass dies schließlich auch in seinem eigenen Interesse war.

Michael Akebe bemerkte, dass dem Mann vor ihm das Sprechen sichtlich schwer fiel.

Er blickte kurz auf die gegenüber hängende Wanduhr. Die Sprechstunde war schon vorüber.

Der Arzt sah Gerd Stetters leeren Blick, stand kurz entschlossen auf und öffnete die Türe des angrenzenden Wartezimmers.

Da sich dort niemanden mehr aufhielt, verabschiedete er noch wie jeden Abend seine Sprechstundenhilfe mit einigen Hinweisen für den nächsten Tag und einem freundlichen Dankeschön in den Feierabend.

Um Gerd Stetters Unterlagen wollte er sich selbst kümmern.

Er schloss darauf die Türe wieder hinter sich, nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, schenkte zwei Gläser ein, und stellte eines davon vor Gerd Stetter auf dem Schreibtisch ab.

Dankend wie ein Verdurstender griff dieser nach dem Glas und nahm einen tiefen Schluck daraus, bevor er schließlich mit seiner Erzählung fort fuhr.

„Ich stand wie erstarrt am Fußweg, wollte zuerst loslaufen um zu helfen.

Überall sah ich Scherben und Blechteile auf der Straße liegen, hörte Hilfeschreie und war doch gleichzeitig unfähig, mich zu bewegen.

Inzwischen hatten weitere Fahrzeuge angehalten. Ich sah Menschen laufen, hektisch an den Unfallfahrzeugen hantieren.

Man versuchte, die Verletzten zu befreien. Jemand rief nach einem Notarzt.

Mein Chef stieg etwas unbeholfen, aber anscheinend nur leicht verletzt aus seinem demolierten Wagen.

Seine Begleiterin, die zu ihrem Glück auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, konnte von den anwesenden Helfern durch beruhigendes Zusprechen davon abgehalten werden, in Panik zu verfallen.

In meinem Kopf schwirrten die Gedanken. Mein Chef hatte in seiner Unachtsamkeit, wohl auch im Zusammenhang mit seiner Begleiterin und wahrscheinlich unter Alkoholeinfluss diesen Unfall verursacht.

Wie durch einen Nebel vernahm ich die heulenden Sirenen der herannahenden Rettungsfahrzeuge.

Glücklicherweise liegt ja das Krankenhaus nicht weit von der Unfallstelle entfernt.

Ein Polizeiauto kam mit Blaulicht und Martinshorn durch das Stadttor.

Ich befand mich auf dem Gehweg zwischen Tor und Stadtmauer, sodass ich für die Polizisten Gott sei Dank nicht sichtbar war. Sicherlich hätte man mich unmittelbar als Zeugen gesucht.

Oder sollte ich vielleicht von mir aus dorthin? Mich in das Geschehen mit einmischen?

Mich den Fragen der nun eingetroffenen Polizeibeamten stellen?

Sollte ich mich mit meinen wahrheitsgemäßen Beobachtungen möglicher Weise selbst in Schwierigkeiten bringen?

Mein Arbeitsplatz, meine Familie, mein anstehender Ruhestand kamen mir plötzlich in den Sinn. Sollte ich dies alles riskieren?

Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Fahrer des ersten Wagens durch den Aufprall so schwer verletzt worden war, dass er noch an der Unfallstelle verstarb.

Auch dass es sich um ihren Vater handelte, erfuhr ich erst am nächsten Tag, denn ich war angesichts meiner eigenen Situation und meiner Selbstzweifel an diesem Abend zu feige, um mich der Wahrheit zu stellen.“

Michaels Blick haftete an den Lippen der nun scheinbar seelisch gebrochenen Gestalt, die ihm gegenüber saß.

Ja, seelisch gebrochen, so kam ihm der Mann vor, der ihm seit nun fast einer Stunde in seinem Sprechzimmer gegenüber saß und sich ihm offenbarte. Es schien ihm, als sei Gerd Stetter in dieser Zeit noch um weitere Jahre gealtert.

Anfangs stieg Wut in ihm auf als er hörte, dass sich dieser Mensch seiner Verantwortung entzogen und somit das Leid anderer Menschen in Kauf genommen hatte.

Inzwischen jedoch wollte er nur noch die ganze Wahrheit erfahren. Er zwang sich also dazu, seine aufkommenden Rachegedanken zu verdrängen.

Er wollte den Mann nicht verunsichern und sich somit selbst die Möglichkeit nehmen, auch noch den Rest des damaligen Geschehens in Erfahrung zu bringen.

Etwas angespannt lehnte er sich in seinem Sessel zurück und blickte ermutigend auf Gerd Stetter.

„Sprechen Sie ruhig weiter. Es tut gut, wenn man seinen Kummer loswerden kann. Ihr Körper und Ihre Seele werden es Ihnen danken.“

Mit traurigem und schuldbewusstem Blick sah ihn Gerd Stetter an. So, als wüsste er genau, was seine Schilderungen nach sich ziehen würden.

Aber er wusste auch, dass er dies alles nicht länger für sich behalten konnte und durfte. Die letzten Jahre waren kein Leben mehr für ihn gewesen.

Auch nicht für seine Frau und seinen Sohn. Er wurde seit jenem Tag immer verschlossener, mürrischer und seinem eigenen Empfinden nach zur Belastung für sich und andere.

Es war Zeit, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Und so sprach er also weiter:

„Aus Angst, mich den Fragen der Polizei stellen und meinen Chef ans Messer liefern zu müssen, ging ich so schnell ich konnte die Stufen zur Stadtmauer hinauf.

Somit hatte ich die Möglichkeit den Unfallort zu umgehen, und musste mich nicht auf unangenehme Fragen einlassen.

Aber sie können mir glauben, es fiel mir in diesem Moment alles andere als leicht, mich so einfach aus meiner Verantwortung zu stehlen.

Doch angesichts meiner persönlichen, aber auch familiären Situation sah ich keinen anderen Ausweg.

Es tut mir unendlich leid, dass sie und ihre Mutter durch mich so lange Zeit im Ungewissen blieben, was die tatsächlichen Umstände zum Tode ihres Vaters angehen.

Ich wünschte mir, dass ich damals mehr Rückrat und Selbstachtung aufgebracht hätte, um den wahren Schuldigen seiner gerechten Strafe zuzuführen.“

Michael Akebe schwieg einige Sekunden, nachdem der alte Mann seinen Redefluss beendet hatte.

Er sah ihn schweigend, aber mit durchdringendem Blick an.

Der Arzt besaß eine sehr gute Menschenkenntnis und konnte daher am Gesichtsausdruck des Mannes feststellen, dass dieser noch nicht alles gesagt hatte was ihn belastete.

Der ehemalige Chauffeur konnte dem Blick seines Hausarztes nicht lange standhalten und senkte seinen Kopf zu Boden.

Er schien die Forderungen aus Akebes Augen fast körperlich zu spüren.

Als sich die beiden Männer wieder in die Augen sahen, war eine traurige Entschlossenheit in Gerd Stetters Blick zu erkennen.

„Aber dies ist noch nicht die ganze Wahrheit“, begann er weiter zu sprechen.

Michael Akebe nickte zustimmend.

Er hatte doch geahnt, dass da noch mehr war, als der Mann bisher preisgegeben hatte.

Aufmunternd nickte er ihm zu, ganz so als wollte er ihm damit sagen: Gut so, nur die ganze Wahrheit bringt dir deinen Frieden zurück.

„Ich selbst habe mich auch mitschuldig gemacht. Nicht nur allein, dass sich durch mein feiges Davonlaufen an diesem Abend ein Schuldiger seiner Verantwortung gegenüber dem Gesetz entziehen konnte.

Ich habe aus der heutigen Sicht keinerlei logische Erklärung für mein damaliges Handeln.

Weiß Gott warum ich mich darauf eingelassen habe, mit meinem Wissen auch noch eigene Vorteile aus dieser Situation herauszuschlagen.

Als ich meinen Chef während seines Krankenhausaufenthaltes besuchte gab ich ihm dabei deutlich zu verstehen, dass ich den ganzen Unfall aus nächster Nähe beobachten konnte.

Oder wohl eher beobachten musste. Denn ich wünschte mir in den letzten Jahren so manches Mal, ich wäre an diesem besagten Abend ohne Umwege nach Hause gegangen.

So hätte ich meiner Familie und mir eine ganze Menge Kummer erspart.

Ich sagte ihm auch, dass ich mit meiner Frau und meinem Sohn darüber gesprochen hätte warum ich jetzt zu ihm kam und diese mich letztendlich sogar noch dazu ermuntert hätten, diesen Schritt zu gehen.

Vielleicht kann durch mein, wenn jetzt auch viel zu spätes Geständnis Ihnen gegenüber, Herr Akebe, nun doch noch ein Stück Gerechtigkeit zurückgegeben werden.“

Gerechtigkeit, dachte sich der Arzt in diesem Augenblick, wie kann dieser Mann sich erdreisten von Gerechtigkeit zu sprechen, wenn er und seine Familie über all die Jahre darüber geschwiegen haben, wer der Schuldige am Tode meines Vaters ist?

Für einen Moment ergriff unmäßiger Zorn Besitz von Michael Akebe.

Er ballte die Fäuste so stark, dass dabei die Knöchel hervortraten. Er wollte am liebsten aufstehen, den Mann am Kragen packen und ihn zum nur ein paar Straßen entfernten Polizeirevier bringen, um ihn dort zur Wiederholung seiner Aussage zu bewegen.

Doch schnell verwarf er diesen Gedanken wieder. Zunächst wollte er noch den Rest der Geschichte hören, die ihm Gerd Stetter zu beichten hatte. Langsam entspannte sich der Arzt wieder und hörte weiter zu.

„Ich schilderte Herrn Urban meine persönliche Situation, dass unser Haus noch nicht vollständig abbezahlt war.

Auch, dass meine bevorstehende Pensionierung dies für uns nicht einfacher machte. Ich wusste nicht, ob das Geld auch weiterhin reichen würde um aus den verbleibenden Schulden herauszukommen.

Von unserem Sohn, der als Türmer auf dem Daniel arbeitet, waren damals auch keine großen finanziellen Zuwendungen zu erwarten. Herr Urban schien sofort zu ahnen auf was ich hinaus wollte.

Er gestand mir angesichts seiner Lage ohne große Umschweife seine finanzielle Hilfe zu, natürlich nur unter der Voraussetzung, dass ich das von mir Gesehene an jenem Abend dadurch vergessen würde.

Normalerweise hatte ich eine empörende Ablehnung und meine sofortige Entlassung erwartet, insgeheim jedoch auf seine Reaktion gehofft.

Ich wusste ja durch meine täglichen Gespräche mit den damaligen Kollegen, wie sehr die Politiker alle an ihrem Posten kleben.

Manche sogar um jeden Preis.

Und anscheinend die Folgen des Unfalls in der Öffentlichkeit vor Augen, reagierte mein Chef genauso.

Das Bekanntwerden seines Vergehens hätte wohl mehr als nur Unannehmlichkeiten für ihn gebracht.

Bitte verstehen Sie mich, Herr Doktor.

Ich habe in diesem Moment nur noch diese eine Möglichkeit gesehen, den Lebensabend von meiner Frau und mir einigermaßen ruhig und sorgenfrei begehen zu können.

Mich meinem Hobby, alten afrikanischen Kulturen, zu widmen. Wieder einmal in dieses Land reisen zu können, ohne sich Sorgen darüber zu machen, wovon wir dies Alles bezahlen sollten.

Sie selbst wissen am Besten wie faszinierend dieser Kontinent ist.

Aber trotz allem hätte es doch niemals geschehen dürfen, dass ich mich auf diesen Weg begebe.

Mein Lebensweg war bis zu diesem Abend immer frei von Schuld, zumindest was meinen Charakter angeht. Niemals hätte ich mir vorstellen können, eines Tages zum Erpresser zu werden.

Ich gäbe weiß Gott was dafür her, wenn ich diese Sache ungeschehen machen könnte.“

Wieder hielt Gerd Stetter für einige Augenblicke mit seinen Erzählungen inne.

Äußerst nervös, ja sogar schon fast ängstlich schwankte er auf seinem Stuhl vor und zurück, knetete dabei immer wieder seine Hände und sah schuldbewusst zu Boden.

Seine Stimme wurde immer leiser, fast unhörbar. Der Arzt musste sich regelrecht anstrengen, damit er den Mann verstand.

„So, nun wissen Sie, warum ich heute zu Ihnen in die Praxis gekommen bin. Ich hatte mir schon lange vorgenommen, Ihnen die ganze Wahrheit zu erzählen.

Immer wieder, wenn ich in den letzten Jahren allein oder mit meiner Frau bei Ihnen war, ging es mir hinterher meist schlechter als vor meinem Besuch.“

Er versuchte seinen letzten Satz etwas komisch klingen zu lassen, bemerkte aber dann im selben Augenblick, dass ihm dies angesichts seiner Situation wohl ziemlich misslungen war.

Als er das Gesicht von Michael Akebe betrachtete, konnte er im ersten Moment keinerlei Regung darin erkennen.

Der Arzt erhob sich plötzlich und Gerd Stetter dachte schon, dass dieser ihm nun wohl mächtig auf die Füße treten, oder sich gar auf ihn stürzen würde.

Aber Nichts davon geschah.

Michael Akebe trat hinter seinem Schreibtisch hervor und kam mit ruhigen Schritten auf den Mann zu.

Er ergriff dessen rechte Hand und nahm diese in seine eigenen Hände. Dabei sah er dem ehemaligen Chauffeur lange in die Augen ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.

Dem war in diesem Augenblick alles andere als wohl in seiner Haut. Er wusste den Gesichtsausdruck seines Arztes nicht zu deuten. Er erkannte darin weder Wut, noch Traurigkeit.

„Soll ich mit Ihnen zur Polizei gehen? Ich bin gerne bereit dort meine Aussage zu Protokoll zu geben, damit Albert Urban zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Ich bin auch dazu bereit, die wohl auf mich wartende Strafe anzunehmen.

Bitte sagen Sie mir doch, was ich nun tun soll. Wie kann ich das Geschehene wieder gut machen?“

In Michael Akebes Augen kehrte ein Ausdruck der Zufriedenheit ein.

Er war sich schon länger darüber im Klaren, was er nun tun wollte. Nein! Tun musste!

„Um eines möchte ich Sie bitten, obwohl ich es sowieso verlangen müsste.

Ich möchte, dass Sie das mir eben Erzählte in allen Einzelheiten niederschreiben.

Ich werde mit meiner Mutter besprechen ob, und wenn ja, was wir nun unternehmen werden.

Ich kann Ihnen noch nicht sagen, was dabei herauskommen wird. Dies hängt auch von der Entscheidung meiner Mutter ab.

Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen“, sagte er dann in einem für seinen Patienten überraschend ruhigem Ton.

„Ich bin Ihnen trotz der langen Jahre dankbar dafür, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben, um meine bestehenden Zweifel am damaligen Ablauf der Geschichte zu bestätigen.

Ich habe auch nicht vor, Sie rechtlich zur Rechenschaft zu ziehen.“

Wobei er das rechtlich etwas merkwürdig betonte, was Gerd Stetter in seiner momentanen psychischen Verfassung allerdings in diesem Moment nicht weiter auffiel.

Der alte Mann glaubte im ersten Moment nicht, was er da von Michaels Akebes Lippen zu hören bekam.

Sollte ihm dieser tatsächlich sein schändliches Tun, oder besser gesagt sein Nicht - Tun vergeben?

Sollte nun wirklich die lange Zeit der Schuldgefühle und Selbstzweifel vorüber sein?

„Natürlich werde ich Ihnen meine Aussage auch schriftlich geben“, sagte er zu seinem Arzt, der inzwischen Papier und Stift bereitgelegt hatte.

Gerd Stetter schrieb nun im Beisein des Arztes sein Geständnis nieder.

Nachdem fast eine weitere Stunde vergangen war hatte er letztendlich mit etwas zittriger Hand, doch relativ leserlich all das vorher zwischen ihnen Gesprochene zu Papier gebracht.

Etwas erschöpft ließ er den Stift aus seiner Hand fallen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, dann erhob er sich und trat seinem Arzt gegenüber.

„Ich bin froh, diesen Schritt gegangen zu sein“, sprach er mit anscheinend unendlich erleichtertem Gewissen zu Michael Akebe, während dieser ihm die Hand reichte.

„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich all die Jahre unter dieser Situation gelitten habe.

Mit dieser Schuld, Sie und Ihre Mutter im Ungewissen darüber zu lassen, was damals wirklich geschah.“

„Es wird alles gut werden“, erwiderte der Arzt, ließ Stetters Hand los und blickte ihm tief in die Augen.

„Es wird jetzt alles seinen gerechten Weg gehen, alles!“

Michael Akebe nahm die Papiere und legte sie zufrieden in eine Schublade seines Schreibtisches.

Er hatte, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise vor, seine Mutter über den Besuch und das Geständnis Gerd Stetters zu unterrichten.

In den letzten Worten seines Hausarztes glaubte dieser eine Entschlossenheit zu spüren, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Gegenwärtig wusste er dies jedoch noch nicht genauer zu deuten. Er brachte die nun scheinbaren Vergeltungsgedanken in Zusammenhang mit seinem ehemaligen Arbeitgeber und dessen Begleiterin.

Michael Akebe brachte seinen Patienten dann zur Praxistüre, ließ ihn hinaus und schloss diese wortlos.

Als er die sich entfernenden Schritte vernahm, lehnte er sich erschöpft an die geschlossene Türe.

Nach einigen Augenblicken vernahm er nur noch Stille. Er trat ans nächstliegende Fenster, öffnete es, und atmete tief die kühle Abendluft ein.

Er sah hinauf zu den langsam erkennbaren Sternen, und für ein paar Minuten schien sein Blick ins Unendliche zu wandern und versuchte wieder, sich an seine Jugendzeit in Afrika zu erinnern.

An die Zeit, als er sich mit seinen Eltern oft in dem kleinen Dorf in Togo aufhielt, in dem sein Großvater lebte.

Es war schon ein komisches Gefühl gewesen damals. Gerade für ihn, einen Jungen mit heller Hautfarbe unter all den dunkelhäutigen Altersgenossen.

Er war zwar als Weißer geboren, wurde aber durch den Status seines Vaters von allen als einer der ihren akzeptiert.

Sowohl sein Großvater als auch sein Vater hatten viel Gutes getan für die Dorfbewohner und die ganze Umgebung.

Die ärztliche Kunst seines Vaters war anerkannt und geschätzt, selbst unter den Alten. Obwohl viele von ihnen immer wieder auch Rat bei den Medizinmännern in der Gegend suchten, war Abedi Akebe auf Grund seines Wissens und seiner Heilkunst ein angesehener Mann.

Nur wenn es darum ging das uralte Wissen anzuwenden, blockte er immer ab.

Michael wusste ja, dass sein Vater nicht allzu viel davon hielt. Er wollte immer im Bereich der medizinischen Versorgung sein erlerntes Wissen verbreiten.

Er hatte damit auch immer wieder gerade bei den jüngeren Patienten überraschende Heilerfolge erzielt und wurde dafür auch von den Alten geehrt. So fühlte er sich in seiner Arbeit bestens bestätigt.

Auch Michael war beeindruckt vom Wissen seines Vaters.

Was ihn aber noch viel mehr beeindruckte, waren die alten Rituale seines Großvaters.

Manchmal bekam er eine Gänsehaut, wenn er ihn hin und wieder heimlich dabei belauschte, wie er sich auf eine Behandlung vorbereitete.

Ja, er musste es heimlich tun, denn der alte Akebe verbat sich jegliche Störung beim Zubereiten dieser uralten Medizin.

Viele Jugendliche im Dorf taten dies als Spinnerei ab. Michael jedoch glaubte den Erzählungen seines Großvaters.

Denn diesem ging sein Glaube über alles.

Er wusste aus seinen vielen Erzählungen, dass dieser so manchmal geheimnisvolle Glaube Voodoo die Religion der Alten war.

Man erzählte sich von phantastischen Heilungen kranker Menschen die man schon aufgegeben hatte, die aber dann doch wieder genesen unter ihnen weilten.

Allerdings gab es auch noch andere Geschichten, die Michael faszinierten.

Wie in jedem Glauben gibt es auch im Voodoo so manche Schattenseiten.

Die Alten und Ratsuchenden, die früher einen Houngan, einen weißen Priester des Voodoo aufgesucht haben, lebten immer in der Hoffnung an die Genesung.

Sie glaubten an die Kräfte der Natur, und sie wussten von der Macht der Eingeweihten, diese Kräfte zu nutzen zum Wohle der Menschen.

Doch wie alle anderen Wesen in der Natur auch, ist ein Heiler des Voodoo nicht allmächtig.

Es gibt und gab schon immer Dinge, die durch die Natur vorbestimmt sind.

Und so versuchte ein Houngan oder eine Mambo, die weibliche Voodoo-Priesterin, auch manchmal vergeblich, Unabwendbares abzuhalten.

Was in der Natur zum Sterben vorgesehen ist, das wird auch sterben. Wer dies nicht einsehen will, wird nie im Einklang mit dem Ganzen sein.

Einen geliebten Menschen zu verlieren ist und war von jeher schon immer eine schmerzliche Angelegenheit, und der Traum vom ewigen Leben ist eben nur ein Traum.

Und das ist auch gut so, dachte Michael Akebe, als er vom Fenster zurücktrat, da es ihn langsam anfing zu frösteln.

Sonst hätten Ärzte keine Daseinsberechtigung, und ich hätte nie die Möglichkeit gehabt das zu erlernen was ich gelernt habe. Ich hätte nie den Schwachen und Kranken die Hoffnung auf eine Zukunft geben können.

Irgendwo ist es doch der Sinn im Leben eines Arztes, Gutes zu tun.

Den letzten Satz stellte er sich mehr als Frage denn als Feststellung, denn er war sich seit dem Geständnis seines Patienten darüber im Klaren, dass er dem uralten Wissen der Voodoopriester nun seine eigentliche Bestimmung absprechen und es missbrauchen würde.

Er wollte und konnte das ungeheure Vorgehen der am Tode seines Vaters Beteiligten nicht so einfach hinnehmen und vergeben.

Er dachte wieder zurück an das Leid, das an diesem unsäglichen Abend über ihn und seine Familie gebracht wurde.

Er dachte auch an seine Mutter und die Verwandten in Afrika, die am Tode seines Vaters fast verzweifelt waren.

Die lächerlichen Beschuldigungen, sein Vater wäre unachtsam in die Kreuzung hinein gefahren, hatte er noch nie gut geheißen.

Aber einem angesehenen Politiker hatte man schon damals mehr geglaubt als einem schwarzen, afrikanischen Medizinmann.

Diese für ihn beleidigende Bezeichnung wurde in diesem Zusammenhang des Öfteren gebraucht, und schon damals hatte er sich geschworen, dass er diese Menschen irgendwann eines Besseren belehren würde.

Weder sein Vater noch seine Mutter wussten, dass Michael einmal unwissentlich seinem Großvater gefolgt war.

Aber auch für ihn galt das, was für viele andere Jugendliche in diesem Alter gilt: Verbotenes macht neugierig.

Und so konnte er miterleben wie sich sein Großvater mit drei anderen Alten traf und sie über verschiedene Dinge redeten, die in Michael sowohl Unglauben, als auch Schauder und Entsetzen verursachten, ihn jedoch gleichzeitig faszinierten.

Da war die Rede von einem Bokor.

Michael konnte im Laufe des Gesprächs mitbekommen, dass es sich dabei um einen Schwarzen Priester des Voodoo handelte.

Um einen Heiler, der von den Eingeweihten ausgestoßenen wurde, da er sich der schwarzen Magie verschworen hatte.

Es wurden Beispiele dieser schwarzen Magie erzählt. Dies ging über die negative Verwendung von Fetischen, über geheime Rituale um anderen Schaden zuzufügen.

Auch über Praktiken des Totenkults wurde gesprochen, dass man sogar versucht hatte, Tote durch uralte, verbotene Opferzeremonien wieder zum Leben zu erwecken.

Am meisten jedoch faszinierten Michael die Erzählungen über die Voodoo-Puppen-Rituale.

Normalerweise wurden diese nur zu Heilungszwecken aus der Ferne eingesetzt, denn sie sind aus der Not der Sklaven heraus entstanden, denen einst die freie Ausübung ihrer Religion untersagt wurde.

In die angefertigten Puppen wurde mit Nadeln hinein gestochen, um Krankheit und Schaden von der betroffenen Person abzuwenden.

Allerdings nutzten die Priester der schwarzen Magie dieses Ritual dazu, um die Puppen an bestimmten Stellen mit ihren Nadeln zu durchbohren und dem Betroffenen so körperlichen Schaden zuzufügen, oder ihn im schlimmsten Falle sogar zu töten.

Als Michael zurückgekehrt war und sich schlafen gelegt hatte, fand er in dieser Nacht keine Ruhe mehr.

Er wusste, dass er das was er eben gehört hatte, gar nicht hätte erfahren dürfen.

Sein Großvater hatte ihm stets von den guten Seiten des Voodoo berichtet, ihm die heilenden Möglichkeiten der uralten Überlieferungen geschildert und auch gezeigt.

Ihn teilhaben lassen an der religiösen Einstellung der Gläubigen und ihm stets erklärt wie wichtig es ist, sich mit der Natur im Einklang zu befinden.

Michael hatte ihm versprochen, sich niemals gegen die Grundsätze der Natur zu stellen, und auch später einmal die Weisheiten seines Großvaters in all seiner Erinnerung mit zu leben.

Er wollte das Alte mit dem Neuen verbinden, die Kräfte der Natur mit den Errungenschaften der modernen Medizin zum Wohle der Menschen.

Doch jetzt, Jahre später, war mit einem Schlag plötzlich alles anders.

Das Schicksal hatte erbarmungslos in der Familie Akebe zugeschlagen und dabei seine bösen Narben hinterlassen.

Michael hatte lange ausgeharrt, lange geschwiegen. Zu lange schon, wie er glaubte. Eines jedoch hatte er dabei niemals verloren: Den Glauben an die Gerechtigkeit der Natur.

Die Natur, dachte sich Michael, wenn sie geschlagen wird, dann rächt sie sich irgendwann.

Auch er fühlte sich seit damals in seiner Familie geschlagen, und auch er wollte jetzt nur noch dieses Eine:

Gerechtigkeit und Rache!

Michael Akebe glaubte zu wissen, was er seinem Vater schuldig war. Alles soll mit dem Ganzen im Einklang sein, nichts Böses darf ungeahnt bleiben.

Die Natur löscht irgendwann das aus, was ihr Schaden zufügt.

Seiner Familie wurde Schaden zugefügt und er würde jetzt dafür sorgen, dass die Ursachen dafür beseitigt würden und er würde es so tun, dass die ganze Stadt es miterleben konnte.

Hier in Nördlingen gab es seiner Meinung nach keinen besseren Ort dafür als den Turm der St. Georgskirche, den Daniel.

Er stand im Mittelpunkt dieser historischen Stadt und war in den Augen des Arztes somit ein würdiger Platz, um alles wieder in seine natürliche Ordnung zu bringen.

3. KAPITEL

Michael Akebe öffnete das Fenster seiner Arztpraxis, durch welches er freien Blick auf den Kirchturm hatte.

Seine inzwischen wieder hellwachen Augen richteten sich hinauf zur Spitze des Daniel, dem Turm der Nördlinger St. Georgskirche. Er sah die erleuchteten Fenster unter der Turmspitze und erkannte einen beweglichen Schatten.

Michael sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor 22:00 Uhr, und somit würde es nicht mehr lange dauern, bis sich dieser Schatten in Gestalt des Türmers nach draußen bewegen und so wie jeden Abend seiner Aufgabe nachkommen würde.

Nur dieses Mal würde es anders sein. An diesem Abend sollte sich den Touristen und Einwohnern ein schauriges Erlebnis bieten, welches ihnen noch lange im Gedächtnis bleiben würde. Michael sah den Mann nach draußen treten.

Erst vor einigen Tagen war er selbst auf den Daniel gestiegen, um sich auf diesen Moment vorzubereiten.

Er hatte den Türmer Markus Stetter darum gebeten, ihm doch verschiedene Einzelheiten über seine Arbeit hier oben zu erklären.

Michael zeigte sich sehr interessiert an den Erzählungen. Er durfte auch in die Stube des Türmers hinein.

Diese war nicht sonderlich groß, jedoch für die Verhältnisse zweckmäßig und schon relativ modern ausgestattet.

Im hinteren Teil des Raumes war unterhalb der Decke ein großer Flachbildschirmfernseher mit einer Wandhalterung angebracht, und die Türmerstube verfügte auch über einen Internetanschluss.

Michael sah ein Netbook auf dem kleinen Tisch stehen.

An der rechten Seite befand sich ein alter Kachelofen, der an kalten Tagen eine wohlige Wärme verbreitete.

Oberhalb dieses Ofens an der Wand hingen in einem Halbkreis Bilder von den Turmwächtern vergangener Generationen.

Seit der Fertigstellung des Daniel im Jahre 1492 waren diese Männer hier oben in ihrer Eigenschaft als Türmer tätig, und wachten so über die Stadt.

In der heutigen Zeit beschränken sich die Tätigkeiten von Markus Stetter jedoch in erster Linie auf den Tourismus.

Aus aller Herren Länder kommen die Menschen nach Nördlingen und besuchen dabei auch das Wahrzeichen der Stadt.

Neben den Erklärungen und den Geschichten für die Touristen sorgt Markus auch für Ordnung in gewissen Bereichen des Daniel.

Unterstützung hat er dabei durch einige Kameras, die innerhalb des gesamten Turmes verteilt sind. Die beiden Überwachungsmonitore hatte Michael Akebe bereits vor dem Betreten der Türmerstube hinter dem Tresen von Markus Stetter entdeckt.

Als er dann an diesem vorbei durch die Türe trat, fuhr er dem Mann wie zufällig über seine Kleidung und steckte sich unbemerkt einige darauf befindliche Haare in eine kleine Tüte in seiner Tasche.

Als der Türmer das helle Läuten der kleinen Glocke am Ende der Treppe vernahm ging er kurz nach draußen, um den auf dem Turm angekommenen Besuchern die Eintrittskarten und eventuell einige Souvenirs zu verkaufen.

Diesen Moment nutzte Michael Akebe, um vom Tisch ein Trinkglas an sich zu nehmen.

Er steckte es ebenfalls rasch in eine der mitgebrachten Plastiktüten, und ließ diese dann kurzerhand in der Tasche seiner Jacke verschwinden.

Damit war alles erledigt, was er sich vorgenommen hatte.

Michael verließ das Zimmer wieder, bedankte sich bei Markus Stetter für dessen interessante Ausführungen, und stieg anschließend die letzten Stufen der Treppe hinauf.

Als er dann hinaus auf die Brüstung des Daniel trat, vernahm er ein seltsames Kribbeln in sich. Er beugte sich über die halbhohe Mauer und sah in die Tiefe.

Wer immer auch den Arzt in diesem Moment beobachtet hätte, dem wäre sicherlich das seltsame Lächeln auf dessen Lippen aufgefallen.

Der Nachthimmel war sternenklar, und so konnte man selbst aus einiger Entfernung wie auch vom Fuße des Daniel erkennen, als der Türmer auf die Brüstung trat.

Michael Akebe spürte, wie sich feine Schweißtröpfchen auf seiner Stirn bildeten und ging nun zu einem Tresor, der sich in der Ecke seiner Praxis befand.

Er drehte das Zahlenschloss bis sich die kleine Stahltüre öffnen ließ, und holte aus dem untersten Fach eine schwarze Figur hervor.

Der Arzt betrachtete die Puppe, die er nach langem Entschluss und mit äußerster Sorgfalt an einem der letzten Abende angefertigt hatte. Sie war unscheinbar, geformt aus Wachs.

Jedoch bei genauerem Betrachten würde jeder richtige Nördlinger erkennen, dass es sich bei den Stoffresten, in welche die Figur gehüllt war, um eine verblüffende Ähnlichkeit mit der historischen Bekleidung des Nördlinger Turmwächters handelte.

Seit Michael Akebe vor etwas mehr als einer Woche erfahren hatte, dass die wahren Umstände die zum Tod seines Vaters geführt hatten, vorsätzlich und aus Eigennutz vertuscht wurden hatte er sich dazu entschlossen, alle daran Beteiligten ihrer gerechten Strafe zuzuführen.

Sie hatten den Kummer und das Leid von anderen zu ihrem eigenen Vorteil in Kauf genommen, und dafür würden sie nun ihrerseits Kummer und Leid erfahren müssen.

Denn Michael war tief in seiner vor Trauer vernarbten Seele davon überzeugt, dass nur durch seine Vergeltung das natürliche Gleichgewicht in den Familien wieder hergestellt werden konnte.

Um sein Vorhaben durchzuführen, wollte der Arzt einen bestimmten Voodoo-Zauber anwenden.

Mit Hilfe eines Wedo-Ouanga wollte er die Schuldigen bestrafen, um so seine selbst erlittenen Qualen loszuwerden.

Dieses ganz spezielle Ritual wird angewandt um einem anderen Lebewesen körperlichen Schaden zuzufügen. Neben diesem Ritual gibt es weitere, die sowohl zu negativen aber auch positiven Ergebnissen führen können.

Noch einmal fiel Michael Akebes prüfender Blick auf die Puppe.

Die einzelnen Haare, die er bei seinem Besuch auf dem Daniel unauffällig von der Kleidung des Türmers gestreift hatte, waren am Kopf angebracht.

Mit den Getränkeresten des Trinkglases aus der Stube des Turmwächters hatte er den Stoff der Puppe benetzt.

Er betrachtete die beiden Nadeln die nur mit ihrer Spitze in Brust und Kopf gestochen waren, und stellte dann die Figur auf den inneren Sims des Fensters.

Auf diesen hatte Michael Akebe mit einem Pulver, welches er aus dem Nachlass seines Großvaters hervorgeholt hatte, ein seltsames Gebilde geformt.

Dieses sah aus wie ein schmiedeeisernes Gitter. Diese Form, ein so genanntes Vèvè, war das Emblem eines Loa, einer Gottheit aus dem Voodoo.

Diese Embleme stellen oft die Eigenschaften der Loas graphisch dar.

Die Loa-Petro bezeichnen die negativen Gottheiten des Voodoo. Im Gegensatz dazu kennt man die Rada-Loa, welche für die positiven Seiten des Lebens stehen.

Der wichtigste der Loas ist wohl Papa Legba, der im Christentum am ehesten mit Petrus zu vergleichen ist.

Erzulie, eine Göttin der Schönheit, vergleichbar mit der griechischen Göttin Aphrodite, oder Ogoun, der oberste Krieger unter den Loas.

Oft haben Loas verschiedene Aspekte, die sich in Auftreten und Funktion unterscheiden.

Ein erwähnenswerter Aspekt von Ougun ist Ougun Deux Manières. Er wird sowohl im Petro-, als auch im Rada-Voodoo verehrt.

Eine Parallele zu anderen Religionen ist die Ähnlichkeit mit dem römischen Kriegsgott Mars.

Je nach Absicht des Anrufers eines Loa kann sowohl die positive als auch die negative Eigenschaft erbeten werden.

Dass Michael Akebe mit seinem Vorhaben sowohl in rechtlicher als auch in moralischer Hinsicht keineswegs positiv handelte, war ihm durchaus bewusst. Gerechtigkeit wollte er auch nur im Sinne seiner eigenen Vorstellung.

Und Ougun wollte er dabei um dessen Hilfe bitten.

Als Opfergaben für das Ritual hatte der Arzt verschiedene Dinge bereitgelegt, welche nach einem genau vorgeschriebenen Zeremoniell vorbereitet wurden.

So G’sell So, waren die Worte des historischen Rufes hoch oben vom Turm vernehmen.

Der kühle Nachtwind trug die Worte wie ein Startsignal an Michael Akebes Ohren. Seine Augen hatten einen seltsamen Glanz angenommen.

Tiefschwarz erschienen die Pupillen in der gelblich verfärbten Iris.

Als er nach der Puppe griff, sprach er mit monotoner Stimmlage uralte Worte in der Sprache seiner Vorfahren. Dabei stellte er die Puppe in die Mitte des Vèvè.

Nachdem die Worte des Türmers aus der Ferne verklungen waren hob er die Figur auf den äußeren Fenstersims, hielt sie noch kurz in seiner Hand, bevor er ihr die beiden Nadeln mit einem tiefen Seufzer durch den Wachskörper jagte, dann ließ er sie vom Sims aus dem zweiten Stockwerk nach unten auf das Pflaster fallen.

4. KAPITEL

D er Daniel. Turm der Nördlinger St. Georgskirche. Mit seinen 89,9 Metern Höhe ragt er stolz in den Himmel der Stadt, die jährlich von Touristen aus aller Herren Länder besucht wird.

350 Stufen sind hinauf zu steigen, um am Westportal der spätgotischen Hallenkirche bis unter die Spitze des Turmes zu gelangen.

Im Jahre 1454 wurde für ihn der Grundstein gelegt, und es dauerte 38 weitere Jahre bis zu seiner Fertigstellung.

Bei entsprechender Wetterlage erhält man von der Brüstung einen überwältigenden Ausblick über die gesamte Stadt mit ihrem historischen Altstadtkern, sowie über das fast gesamte Donau-Ries.

Dieses war vor mehr als 14 Millionen Jahren entstanden, nachdem ein Asteroid mit ca. 100.000 km/h in die Erde einschlug, und dabei einen Krater von 25 km Durchmesser und 1000 m Tiefe hinterließ.

Seinen Namen erhielt der Turm aus dem Volksmund wohl nach einem Bibelvers (Daniel 2,48): "Und der König erhöhte Daniel und ... machte ihn zum Fürsten über das ganze Land".

In der Turmstube wohnt seit jeher der Türmer, der über die Stadt zu wachen hatte. Traditionsgemäß ruft er auch heute noch sein So G ’sell So halbstündlich zwischen 22:00 Uhr und Mitternacht.