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Gönnen Sie sich eine Auszeit der besonderen Art mit dem Reisebuch zu Hamburgs 55 kuriosen Orten. Entdecken Sie geheimnisvolle Überbleibsel, Skurriles, ausgefallene Plätze oder an bekannten, was niemand ahnt. Wo hängt ein sich bewegendes-singendes Bild, wo steht ein Walkiefertor, wo liegt ein gelbes Hörnchenradio, an welchem U-Bahnhof gibt's ein Ohr für Probleme und wer ist »Karnickelköttelkarnickel«? Mit nochmal 55 Tipps können Sie 110 spannende Erfahrungen machen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2025
Annett Rensing
Erstaunlich, skurril und absolut sehenswert
Unser Nachhaltigkeitskodex
Vorwort
Prachtvolle Gebäude und faszinierende Orte
1
Verblüffendes Foyer
2
Handgefertigtes im Automaten
3
Sorgen teilen im U-Bahn-Schacht
4
Jagd nach Meeressäugern
5
Obststauden in der Finanzbehörde
6
Turkmenisches Einzelstück
7
Per Druckluft durch die Unterwelt
8
Ein Ausrutscher im Arbeiterviertel
9
Es lebe die Anarchie
10
Überraschende Fresken
11
Heiße Ware
12
Zum Umkleiden in den Untergrund
Beeindruckende Naturphänomene
13
Tal der Rentierjäger
14
Mystische Zeugen
15
Magische Wanderdünen
16
Wildes, kleines Juwel
17
Waldidylle mit Pulverfabrik
18
Gipfel, Skilift, Kohle & ein Rekord-Bär
Spannende Erlebnisse und interessante Wanderwege
19
Wo bist du, Prinzessin Sansibar?
20
Launenhafte Nordsee
21
Das Tor zur Musikgeschichte
22
Das etwas andere Wahrzeichen
23
Für den Satan eine Seele
24
Tote Würdenträger
25
La Dolce Vita
26
Seelische Balance
27
Die Emaille-Organe
Spektakuläre Erlebniswelten
28
Eine schwimmende Bühne
29
Eine Welt ohne Licht oder Geräusche
30
Dorfkirche wie aus dem Märchen
31
Pflanzenpyramide in den Wolken
32
Kino immer woanders
33
Hokuspokus mit Tiefgang
34
Mit Kometen auf einer Wellenlänge
Außergewöhnliche Museen
35
Ein Universum des Verfalls
36
Hörnchen-Radios und Kuba-Truhen
37
Elbgeruch umweht Avantgarde
38
Die Kautschuk-Madonna
39
Designikonen für eine Million
40
Tide-Leuchte & Ganzkörpermasken
Gänsehaut garantiert!
41
Ein Beinhaus
42
In Anwesenheit des Todes
43
Befehlszentrale mit Gasschleuse
44
Schaurige Nacht
45
Zwischen Sumpf und dunklem See
Lost Places
46
Gnadenlose Einöde
47
Katastrophe am Rüschkanal
48
Ein Weltmeister der Verbreitung
49
Ein Star von gestern
50
Eine vergessene Höhle
Ausgefallene Übernachtungsmöglichkeiten
51
Grandhotel mit Autofahrstuhl
52
Eine kurvig, »kleine Elphi«
53
Verliebt in die »Lydios«
54
Schlafkorb im offenen Hochsitz
55
Schlafend Gutes tun
Register
Impressum
Die Welt birgt viele Wunder, Abenteuer und spektakuläre Aussichten, die wir gerne erkunden möchten. Doch sie ist auch leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Hier ein paar Tipps, wie wir unsere Welt nachhaltig entdecken können:
Die Hauptsaison meiden: Wenn wir nicht gerade auf die Ferienzeiten angewiesen sind, können wir der Umwelt einen großen Gefallen tun, indem wir in der Nebensaison verreisen. Damit tragen wir zu einer gleichmäßigeren Auslastung der Umwelt und der Infrastruktur bei und der Urlaub wird dazu auch noch wesentlich entspannter.
Die Aufenthaltsdauer dem Reiseziel anpassen: Je weiter das Reiseziel ist, desto länger sollte der Aufenthalt sein. Dadurch lernen wir die Region nicht nur intensiver kennen, sondern stärken sie ganz nebenbei noch durch unsere Ausgaben vor Ort. Anfahrtsintensive Tagesausflüge sollten besser vermieden werden, das bedeutet nur Stress, sowohl für die Umwelt als auch für uns selbst.
Auf umweltschonende Verkehrsmittel setzen: Wo es möglich ist, reisen wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Das reduziert nicht nur die Luftverschmutzung, sondern schont auch unsere Nerven. Falls das nicht geht, helfen verschiedenste Plattformen dabei, den CO²-Austoß auszugleichen, vor allem, wenn das gewünschte Reiseziel nur mit dem Flugzeug zu erreichen ist.
Nur dort parken und campen, wo es erlaubt ist: Selbst wenn wir uns noch so vorbildlich verhalten und unseren Aufenthaltsort so hinterlassen, wie wir ihn vorgefunden haben, stören wir den Lebensraum von Wildtieren und hinterlassen Spuren und Gerüche. Auch Lagerfeuer entzünden wir ausschließlich an den dafür vorgesehenen Stellen und achten dabei auf Waldbrandstufen und Naturschutzgebiete.
Ressourcen gewissenhaft nutzen: Manche Umweltressourcen sind bereits knapp, endlich sind auf jeden Fall alle. Um sie zu schonen, sollten wir sparsam mit ihnen umgehen, gerade in Gegenden, in denen zum Beispiel Wasser oder Strom nicht im Überfluss vorhanden sind.
Ein guter Gast sein: Nachhaltig unsere Umgebung zu erkunden bedeutet auch, der hiesigen Flora und Fauna mit Respekt zu begegnen. Pflanzen sollten auf keinen Fall gepflückt werden, aber sie stehen uns bestimmt gerne Modell für das eine oder andere Foto. Das gleiche gilt für wilde Tiere: Wir füttern sie nicht, halten Abstand und beobachten sie aus der Ferne.
Auf den Wegen bleiben: Wer die vorgegebenen Wege verlässt, dringt nicht nur in die Rückzugsräume heimischer Arten ein, sondern trägt auch dazu bei, dass sich neue Wege bilden, was zur Erosion des Bodens führt.
Abfall wieder mitnehmen: Plastikverpackungen jeglicher Art, Dosen, Flaschen und Papiertaschentücher (es dauert Jahre, bis sich ein einzelnes Taschentuch vollständig abgebaut hat!) gehören nicht in die Natur, sondern artgerecht entsorgt. Am besten gleich eine wiederverwendbare Brotdose oder Trinkflasche mitnehmen. Dazu zählen natürlich auch Toilettenpapier und der Inhalt von (Chemie-) Toiletten. Entsprechende Entsorgungsstationen finden sich überall.
Lokal kaufen: Dadurch lernen wir Land und Leute besser kennen und unterstützen die regionale Wirtschaft, außerdem sind regionale Produkte meist auch preisgünstiger und qualitativ hochwertiger.
Nachhaltig draußen unterwegs zu sein bedeutet auch ein respektvolles Miteinander – das sollte stets ein Motto in der Natur sein. Es tut nicht weh, sich gegenseitig zu grüßen und sich entgegenkommend zu verhalten.
So haben Wanderer auf schmalen Wegen stets Vorrang, bei Gegenverkehr gilt in steilem Gelände immer: Wer absteigt, hält an. So lässt sich die Schönheit und Vielfalt der Natur gemeinsam genießen.
Ausgerollt liegt der rote Teppich vor der Elbphilharmonie, dem neuen Wahrzeichen Hamburgs. Allerdings ist er aus Stein und 27 m lang.
Hamburg wird gern als die herbe und spröde Schöne im Norden bezeichnet. An vielen Stellen ist sie jedoch überraschend extravagant und romantisch. Vor allem ist sie aber sehr maritim geprägt. Es gibt das historische Zentrum mit seinen Kaufmannshäusern und der Speicherstadt, eingemauerte Fleete, befestigte Kanäle und gewaltige Hafenanlagen. Der Hafen ist das Tor zur Welt und verbindet die Elbmetropole mit 950 Häfen in 178 Ländern.
Die Hansestadt ist mit Wasser reichlich gesegnet: Die Alster, die ausgedehnte Elbe und noch weitere rund 85 Flüsse und Nebenflüsschen. Deshalb wird sie auch eine »amphibische« Stadt genannt.
Auch wer manchmal davon träumt, die Großstadt hinter sich zu lassen und die Natur zu entdecken, muss nicht lange suchen: Nur wenige Kilometer von Rathaus und City entfernt rauscht das Laub in den Baumwipfeln, blühen Orchideen, quaken Kröten, faszinieren geheimnisvolle Moor- und Auenwälder, weite Marschlandschaften und märchenhafte Teiche oder Tunneltäler – über 30 Naturschutzgebiete weist die Stadt auf. In diesem Buch wurden fünf ganz herausragende Naturwunder ausgewählt: Im Süden z. B. erheben sich 90 Meter hohe Berge – was untypisch für das norddeutsche Flachland ist. Kaum jemandem ist bewusst, dass genau hier am Rande der hohen Kiefern die größten hölzernen Tierskulpturen der Welt stehen. Im Südosten, im Elbtal, ragen faszinierende Wanderdünen wie an einem Meeresstrand empor und südwestlich, tief im Wald, versteckt sich ein mystischer Kultort.
Die vielen Facetten der Hansestadt machen einen Hamburgbesuch so einzigartig: Von spannenden Gebäuden, prachtvollen Plätzen über herrliche Naturerlebnisse, faszinierende Museen bis hin zu Orten zum Gruseln oder Lost Places. Selbst viele Hamburger wissen noch nichts von der Pilgerroute durch den Stadtpark, der außergewöhnlichen KomponistenMeile oder kennen den »Gefesselten Prometheus« des Bremer-Stadtmusikanten-Schöpfers Gerhard Marcks auf dem idyllischen Friedhof in Nienstedten nicht. Nur wenige ahnen, dass man nordöstlich des Sachsenwalds einen offenen Hochsitz hinaufklettert und dort unter freiem Himmel in einem großen Korb oder im Harburger Hafen auf dem Wasser schlafen kann.
Wer sich von verborgenen, ganz speziellen Gebäuden und Flecken überraschen lassen möchte, die auf ihre Erkundung nur warten, an denen wir täglich nichtsahnend vorbeigehen, ohne sie zu würdigen, wird in diesem Buch ebenfalls fündig. Manch einer hat bis jetzt weder von dem »Bananensaal« am Gänsemarkt gehört noch vermutet, dass im malerischen Pöseldorf im Garten des »Budge-Palais« eine düstere Vergangenheit lauert oder zwischen Containerterminals und Windrädern nur noch die Kirche vom verschwunden Dorf Altenwerder steht.
Die Stadt hält in altbekannter Umgebung, abseits der ausgetretenen Pfade, immer noch gut gehütete Kuriosa für ihre Einwohner und neugierigen Reisenden bereit. Anhand von 55 Hamburger Besonderheiten und weiteren 55 Erlebnistipps werden Sie spannende Erfahrungen machen, die Ihre Wahrnehmung sensibilisieren, Ihren Horizont erweitern, Sie aus dem Alltag entführen – das tut einfach gut. Lassen Sie sich überraschen!
In diesem Sinne viel Spaß beim Entdecken wünscht Ihnen
Annett Rensing
Prachtvolle Gebäude und Faszinierende Orte
Der Alexanderfries Beim Jungfernstieg
Im reich ausgestatteten Entrée des 1907/08 erbauten Hildebrand-Hauses plätschert ein Brunnen, verziert mit Wikingerschiffen in goldenem Kleinmosaik, das auch am Boden und an der Decke blitzt. Majolika-Fliesen und Marmorverkleidungen fehlen genauso wenig wie eine unterhalb der Kassettendecke verlaufende Kopie des berühmten Frieses »Triumphzug Alexanders des Großen in Babylon« von 1812. Das Architekten-Duo Frejtag & Wurzbach hat dieses Gebäude errichtet. Die Art-nouveau-Sandsteinfassade mit Füllungen in Bronze gestalteten George Radel und Richard Jacobssen. Bereits in der prächtigen Eingangstür befinden sich Fensterkreuze, in denen Intarsien aus unterschiedlichen Materialien, wie Perlmutt und schwarzem Marmor eingearbeitet sind. Die Decke und der Boden bestehen aus eleganten Mosaiken.
Erlebnistipp
Gleich gegenüber kann man in der Mellin-Passage Glasmalereien und Deckengemälde im Jugendstil bewundern. Sie ähneln den Malereien des Tschechen Alfons Maria Mucha (1860–1939). Und weiter am blau gekachelten Haus Pinçon, Neuer Wall 26–28, ist in etwa 15 m Höhe ein Konfirmationsspruch der heute verstorbenen Eigentümerin eingearbeitet: »Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!« (Jesaja 43,1).
Das Original des Frieses stammt von Bertel Thorvaldsen (1770–1840), der es im Auftrag von Kaiser Napoleon für den Quirinalspalast in Rom entwarf. Napoleon wollte sich wegen seines Ägyptenfeldzugs mit dem nach der Eroberung des Orients schon zu Lebzeiten vergöttlichten Alexander gleichgestellt sehen. Thorvaldsen nahm für den 35 Meter langen Alexanderfries als Textquelle das Geschichtswerk des Quintus Curtius Rufus (De rebus gestis Alexandri magni). Er ließ sich von bildlichen Vorlagen wie Stichen und Szenen vom Parthenonfries der Akropolis in Athen oder auf römischen Sarkophagen inspirieren. Der Bildhauer entwickelte dann künstlerisch sein Werk im Geiste der Griechen, aber auf eine ihm eigene, ästhetisch und funktional bedingte, teils fantasievolle Weise weiter.
Der Fries ist als Treffen zweier Prozessionen konzipiert, die zum Zentrum hin (Alexander) zusammenlaufen. Die Verlierer bringen dem Gewinner Geschenke wie Pferde und Löwen.
Obwohl Napoleon seinen Besuch am Ende absagte, wurde der Relieffries schlagartig berühmt. Die Tagespresse ernannte Thorvaldsen damals zum »neuen Phidias« (Bildhauer der Antike, der den Parthenonfries erschuf). Er musste mehrfach Kopien anfertigen, die er noch einmal variierte. Auf eben diesen späteren Kopien beruht auch der Fries im Hildebrandt-Haus.
Im Zentrum des hier aus Stuck gestalteten Frieses stehen der auf einem Streitwagen (auch Biga genannt) anstürmende Makedonier mit flatternder Chlamys und der ihm ehrerbietig zu Fuß und mit seinen Kindern entgegeneilende Verlierer Mazäus, Stadthalter von Babylonien. Weit vorgebeugt im Chiton lenkt die geflügelte Siegesgöttin Viktoria das dahinbrausende Gespann. Übergroß tritt Friedensgöttin Pax ihnen entgegen und stoppt den wilden Ansturm mit erhobenem Ölzweig. Als Kriegsbeute sind ein mit Trophäen beladener Elefant, ein persischer Gefangener und die Nachhut dargestellt.
Der ehemalige Eigner »Hildebrand & Sohn«, seit Generationen Konditor mit Ladengeschäften in Berlin, Bremen, Stettin, München und Köln sowie Warenlager in New York, Kapstadt und Johannisburg, gehörte noch dem guten alten Bildungsbürgertum an. Für seinen Erfolg stand Alexander der Große als Leitfigur.
INFOHildebrand-Haus, Neuer Wall 18, 20354 Hamburg, U2, U4, S1, S3, Haltestelle Jungfernstieg
prachtvolle gebäude und Faszinierende Orte
Der Fliesomat Im Karoviertel
Alles fing damit an, dass der Keramiker Henning Schuldt einen ausgedienten Kondom-Automaten fand. Er dachte sich, warum diesen nicht mit kleinen Fliesen befüllen, die den Maßen der ziehbaren Fächer angepasst sind? Ihn faszinierten diese mechanisch funktionierenden Automaten. So wie die damaligen Registrierkassen mit der seitlichen Handkurbel oder die Kaugummiautomaten. Tatsächlich fand sich nach weiterer Recherche noch ein Apparat in Bayern mit passenden Pappschachteln dazu. Die Fliesen haben das Format von 6,5 x 5 Zentimetern. Man kann zwischen verschiedenen Motiven wählen, z. B. einem Anker oder der Hammaburg – oder man lässt sich überraschen. Mittlerweile gibt es sieben Fliesomaten in ganz Hamburg.
Hierbei war überhaupt nicht der Plan, dem Hype der »To-Go-Kultur«, also dem schnelllebigen Menschen, der ohne Zeitaufwand versorgt werden möchte, entgegenzukommen. Es geht bei dieser originellen Aktion um handgemachte, mit viel Zeit und Liebe gefertigte Souvenirs, die im Karolinenviertel auch außerhalb der Geschäftszeiten gezogen werden können.
Gleich vor dem Eingang des Geschäfts im Souterrain befindet sich schon der erste Fliesomat. Betritt man den Laden mit Keramikwerkstatt, riecht es nach Erde und gebranntem Ton. Wider Erwarten durchdringt die Luft kein ununterbrochenes, halblautes Summen einer elektrischen Drehscheibe. An diesem Ort wird eher baukeramisch gearbeitet, werden größere Tonplatten ausgebreitet und akkurat in gleich große Formate geschnitten. Ab und an wird auch gedreht. Auf natürlichen Holzplanken sind Schalen, Töpfe und viele farbige Fliesen in allen Größen im Regal ausgebreitet. Sie sind mit goldenen Sinnsprüchen oder zarten Motiven versehen. Hier ist die Welt noch in Ordnung und das Gefühl lässt einen nicht los, auf irgendeiner Urlaubsinsel wie z. B. Ibiza zu sein; weit entfernt von all dem Digitalen, Lauten und künstlich Seelenlosen – das findet man im Karoviertel schließlich überall.
Türkis schimmern sie. Feine Risse durchziehen die glänzende, transparente Glasurschicht. Das heißt in der Fachsprache »Craquelé«. Diese Glasur hat der Keramiker Mathias Stein entwickelt. Sie erinnert an Fayence, die sich schon im alten Ägypten großer Beliebtheit erfreute. Damals wurden Vasen, Götterfiguren, Skarabäen und sogar Spielzeug auf die Art und Weise glasiert. Ein berühmtes blaues Nilpferd, das »Blue Hippopotamus«, aus der zwölften Dynastie, Mittleres Reich (2137 bis 1781 v. Chr.), elf Zentimeter hoch und 20 Zentimeter breit, befindet sich im Metropolitan Museum of Art.
Aus dem großen rechteckigen Tonklumpen in der Werkstatt entstehen die vielen unterschiedlichen Tonteile, die durch die Glasur nach dem Brennen wunderschön glänzen.
Eine Affinität zur Archäologie hat auch Henning Schuldt. In seinem Setzkasten sammelt er angespülte Tonscherben vom Elbstrand. Dort fand er den vorderen Teil eines weiblichen Tonköpfchens und kurioserweise ein halbes Jahr später den Hinterkopf dazu; oder ein von der Typologie einfach zuzuordnendes Bodenstück eines Siegburger Steinzeug-Kruges. Gut datierbar, weil das Ende der Produktion historisch belegt ist: Die letzte Töpferei wurde um 1637 von den Schweden zerstört.
Wie viel Kraft, Geschick und Zeit nötig sind, um ein schönes Endprodukt einer Fliese zu bekommen, wird erst bei der Betrachtung der ganzen Arbeitsschritte deutlich: Ton braucht viel Aufmerksamkeit! Bekommt er diese nicht, fordert der unliebsame Umgang spätestens im Brand seinen Tribut. Sein Gedächtnis ist gnadenlos. Verziehen der Formen, Risse, verlaufene, abgeplatzte oder blasige Glasuren sind das Ergebnis. Henning Schuldt weiß, warum er diese Arbeit mit Idealismus betreibt. In einer Welt, die sich wieder nach dem Einzigartigen, Sensiblen, Bodenständigen sehnt, ist Ton das perfekte Material, um daran erinnert zu werden, dass auch mal entschleunigt werden kann. Wer keine Lust mehr hat auf Industriefliesen oder -keramiktöpfe ist hier auf alle Fälle bestens aufgehoben.
Für die noch luftgetrockneten Scherben gibt es viele Stempelmotive. Sogar eines mit Caspar David Friedrichs berühmtestem Gemälde: Wanderer über dem Nebelmeer (Hamburger Kunsthalle).
INFOEs gibt den Fliesomaten an sieben Orten in Hamburg: Bergedorfer Schloss, Riekhaus Curslack, Woods Art Institute in Wentorf, Lüttliv in Barmbek, Café Entenwerder 1, Lichtmesskino in der Gaußstraße und vor der Keramikwerkstatt in der Glashüttenstraße.
Eine Fliese kostet 4 Euro. Henning Schuldt, Glashüttenstraße 27, 20357 Hamburg, auf instagram @hamburgpotter, Mi–Sa: 12–18 Uhr, www.hamburgpotter.de
Erlebnistipp
Bei einem Spaziergang Richtung Innenstadt sollte man unbedingt in die Holstenglacis 6 einbiegen und in der Abendschule vor dem Holstentor den Lichthof bestaunen, den Carl Johann Christian Zimmermann (1831–1911) um 1875 entwarf. Von ihm ist auch das Amtsgericht/Ziviljustizgebäude rechter Hand am Sievekingplatz. In der weiter hinten gelegenen Halle mit Glasoberlicht und rundum laufenden Brüstungen aus Keramik fällt der 5 m hohe Brunnen ins Auge. Er wurde von Richard Kuöhl gestaltet.
prachtvolle gebäude Und Faszinierende Orte
Das Ohr Oder Der ZuhöR-Kiosk
Richtig Zuhören tut fast niemand mehr, eher starrt man auf sein Handy, folgt dort Geschichten und hört sie sich an. Im Herbst 2017 entdeckte der Drehbuchautor Christoph Busch den zu vermietenden Kiosk zwischen den Gleisen der U-Bahn-Station Emilienstraße. Ihn reizte die Idee, an dieser Stelle sein Schreibbüro einzurichten. Nach Verhandlungen mit der Hochbahn mietete er wenige Wochen später den Glaskasten unter der Erde. Auf acht Quadratmetern stehen nun zwei Stühle, Regale mit Büchern, ein Durcheinander von allerlei liebevoll Gesammeltem und ein Buddelschiff.
Für die Geschichten, die er schreiben wollte, konnte er Input gebrauchen, deshalb hing er anfangs ein Schild ans Fenster: »Ich höre zu. Jetzt oder ein andermal«. Damit es seinen Gästen leichter fällt, den Schritt durch die Tür zu wagen, stand auf einem anderen Schild, dass auch Gegenstände mitgebracht werden können, um mit deren Hilfe etwas zu erzählen. Das Gern-mal-zuhören funktionierte. Nach nur vier Tagen rannten ihm die Leute die Bude ein. Es fühlte sich für ihn an wie im Rausch:
»Wenn jemand reinkommt und erzählt etwas, was er vorher niemandem anvertraut hat, etwas, das sehr persönlich ist, dann kommt da plötzlich so eine Nähe auf, die man nur mit besten Freunden hat«. Die Unvorhersehbarkeit, wer als nächstes hereinkommt, was dieser Mensch will, und stets ein neuer Blick auf ein neues Leben waren für Busch magisch. Den ursprünglichen Anspruch, die vielen Geschichten für sein Buch zu sammeln und aufzuschreiben, konnte er nicht erfüllen. Ein Verlag lehnte sein Konzept sowieso aufgrund der bedrückenden Erzählungen ab. »Die herzzerreißenden bis hin zu katastrophalen Geschichten überwiegen schon!«, sagt Busch, »Ich bin kein Therapeut. Ich gebe Ratschläge, was ein Therapeut niemals dürfte«. Die meisten Gespräche mit den Erwachsenen führen auf Kindheitstraumata zurück. Eltern, die ihren Kindern vermitteln, »Du schaffst das sowieso nicht«, bauen damit eine Erwartungshaltung auf, die bei Kindern dazu führt, keine selbstbestimmten Gefühle mehr entwickeln zu können. Die Tendenz, eher die Erwartungen anderer zu erfüllen ist dann das Ergebnis.
Die Ohr-Mitarbeiter helfen einem gratis, mal in sich zu gehen, zu entschleunigen und sich auch bewusster zu werden, eventuell etwas in seinem Leben zu ändern.
Erlebnistipp
Ein Spaziergang zum nahegelegenen schönen Park »Am Weiher« mit einem Café lohnt sich (Ottersbekallee). Dort steht auch eine »gesellige Bank«, die »Das Ohr« gespendet hat. In großen Buchstaben prangt an der moosgrün lackierten Lehne: »Setzen Sie sich gern dazu«. Wenn sich jemand auf dieser Bank niederlässt, signalisiert er eine Einladung zu einem Gespräch. Wer Lust und Zeit hat, gesellt sich dann einfach dazu.
Natürlich beeinflussen auch wirtschaftliche und soziale Aspekte die Entwicklung eines Menschen. Wie der hohe Druck, immer perfekt aussehen zu müssen, im Beruf den Konkurrenzkampf auszuhalten oder einfach nur die Tatsache, dass das Geld nicht reicht, um einmal ins Kino zu gehen. Für das Glück des Einzelnen ist es enorm wichtig, dass soziale und finanzielle Gerechtigkeit herrschen. Busch verweist auf Victor Hugo, der das so schon 1862 in »Les Misérables« formulierte.
Es ist verblüffend, dass Menschen einen Kiosk betreten, um ihr Herz auszuschütten. Warum die Menschen reden wollen, hat oft damit etwas zu tun, dass sie im Bekanntenkreis für ihren Liebeskummer oder Erbstreitigkeiten kein Gehör mehr finden. Die Bereitschaft, so offen zu sprechen und so intime Dinge loszuwerden, wird durch die Anonymität gefördert, die hier gegeben ist. Keiner muss seinen Namen nennen, niemand muss wiederkommen; ein neutraler Ort, an dem es keinerlei Vorgaben gibt. Nichts kann gegen einen verwendet werden. Das Besondere ist, dann auch auf diese Nähe zu reagieren, die Gefühle des Anderen wahrhaft zu teilen, ohne gleich auf jemanden einzureden, eher wie ein Freund und nicht wie ein Psychologe zu agieren. Die »Ohr-Mitarbeiter« zeigen Empathie, sie sind für den Anderen da und wollen das, was an Leid erzählt wird, wirklich verstehen oder mit ihren eigenen Lebenserfahrungen abgleichen.
Der kleine Glaskasten auf dem Bahnsteig ist seit 2020 ein gemeinnütziger Verein. An fünf Tagen in der Woche stehen insgesamt 25 »ehrenamtliche Ohren« bereit, sich mit Menschen auszutauschen, die einfach nur reden wollen. Die »Ohren« müssen physisch wie psychisch stabil genug sein. Auch der Reiz, seine eigene Stärke zu testen, spielt eine Rolle. Das Wichtigste ist, dass man den Menschen Mut macht, dass es sich gerade nur um einen vorübergehenden oder selbstgewählten Zustand handelt. Bei diesem Projekt geht es nicht um weiter, schneller und mehr – es handelt sich hier vielmehr um einen gesegneten Ort, ein Geschenk, das die Gruppe der Helfenden in der Intensität und Einzigartigkeit auch wahren möchte.
INFOZuhör-Kiosk, U2, Haltestelle Emilienstraße, 20259 Hamburg, Tel.: 0151 529 100 79, täglich zwischen 9.30 und 14.30 Uhr, [email protected], www.zuhoer-kiosk.de oder www.zuhoer-kiosk-bramfeld.de
Mittlerweile gibt es auch eine Zweigstelle in Bramfeld im Bezirk Wandsbek. Der Zuhör-Kiosk befindet sich im Untergeschoss der Marktplatz Galerie.
Prachtvolle Gebäude Und Faszinierende Orte
Das Walkiefer-Tor Im Yachthafen Wedel
Das blutigste Massensterben findet an einem Ort am anderen Ende der Welt statt: auf Südgeorgien, rund 4000 Kilometer vom Südpol entfernt – Hamburg ist genauso weit vom Nordpol entfernt. Auf der Insel, die etwa 1400 Kilometer vor der südamerikanischen Küste (Argentinien) liegt, verarbeitete man ab 1904 noch bis 1965 insgesamt über 175 000 Wale. Wie bereits seit 2001, lehnte die Internationale Walfangkommission auch 2024 hier die Einrichtung eines neuen Walschutzgebietes ab.
Der Walfang begann in Hamburg und Emden schon 1643. Es waren die ersten deutschen Städte, die Walfangschiffe ins Eismeer und in den Südatlantik schickten, nachdem sich zuvor nur die Franzosen und Niederländer an der Waljagd bereichert hatten. 1675 gingen bereits 75 Hamburger Schiffe auf »Grönlandfahrt«. Dabei ist diese Bezeichnung streng genommen falsch. Denn die Wale wurden in den Gewässern im Nordwesten Spitzbergens gejagt, noch heute eine »Hamburger Bucht«. Die Walfischfänger waren damals monatelang von Frühjahr bis Spätsommer mit Harpunen in der Arktis unterwegs. Man erhoffte sich davon natürlich großen Reichtum, doch diese Abenteuerreisen waren voller Gefahren. Wer es als Walfänger schaffte, friedlich zu Hause im Bett zu sterben, erhielt auf seinem Grab als »Jagd-Trophäe« einen Walkiefer-Torbogen.
Wen die Sehnsucht nach Wasser packt, der kann Am Wedeler »Willkomm Höfft« um die Ecke mit einem Speed-Katamaran in drei Stunden nach Helgoland düsen (
www.helgoline.de
).