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Das Buch der Schweigenden schweift von der Zeit vor der Entstehung Gottes bis zum letzten Schicksal der Menschen. Es spricht unmissverständlich und es bleibt unbegreiflich. Es ist dunkel und doch strahlt es hell, denn es entzündet im Suchenden eine verborgene Laterne. In ihm offenbart sich der Quell aller Religionen, der verborgen wurde von der Unfähigkeit der Menschen, das Licht Gottes zu sehen. Diese Offenbarung weist den Dreistufenweg zur Erleuchtung. Das Buch der Schweigenden entstammt der Familie der Lesemysterien wie auch das Dao De Jing, die Weisheit Salomos, das Thomasevangelium. Der letzte Teil dieses Buches enthält die Ordensregel für den Orden der Schweigenden.
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Seitenzahl: 100
Veröffentlichungsjahr: 2020
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»Suche nicht die Erleuchtung. Suche das Warten auf die Erleuchtung.«
Der erste Kristall – Gelb
I – Vom Anfang
II – Von der Entstehung Gottes
III – Von der Entstehung unserer Welt
IV – Von der Entstehung der Menschen
V – Von den verborgenen Laternen
VI – Von den Schweigenden
Der zweite Kristall – Violett
VII – Von den Leblosen
VIII – Von der Liebe zu den Leblosen
IX – Vom Lichtreich
X – Vom tiefen Wasser
XI – Von der Sophia
XII – Von der weißen Magie
Der dritte Kristall – Rot
XIII – Von der Dreifaltigkeit
XIV – Vom Dreistufenweg
0 – Symmetria
1 – Via purgativa
2 – Via illuminativa
3 – Via unitiva
XV – Von den heiligen Siegeln
0 – Circulus
1 – Sol
2 – Dimidia
3 – Trias
4 – Crux quadrata
5 – Pentalpha
6 – Sigillum Salomonis
7 – Crux ansata
XVI – Vom Symbol des Lebens
XVII – Von der mystischen Ordnung
XVIII – Von guten Gebeten
0 – Das schweigende Gebet
1 – Das ritterliche Gebet
2 – Das weise Gebet
3 – Das demütige Gebet
4 – Das verzweifelte Gebet
5 – Das kriegerische Gebet
6 – Das dankbare Gebet
Der vierte Kristall – Grün
XIX – Von der Gerechtigkeit
XX – Von der Ehre
XXI – Von rechter Lebensart
XXII – Vom Grauen der weltlichen Religionen
XXIII – Vom Pandämonium
XXIV – Von den Gesetzen dieser Welt
Der fünfte Kristall – Orange
XXV – Von Männern und Frauen
XXVI – Von den Kindern
XXVII – Von der Wissenschaft
XXVIII – Von der Musik
XXIX – Von der Wirklichkeit
XXX – Von der Endzeit
Der sechste Kristall – Blau
XXXI – Vom Orden der Schweigenden
XXXII – Vom Codex Virtutis
XXXIII – Vom Codex Mysticus
XXXIV – Vom Codex Ordini
XXXV – Vom Codex Ritum
0 – Taciturisches Credo
1 – Taciturische Initiation
2 – Taciturischer Gruß
3 – Taciturische Laudes
4 – Taciturisches Completorium
5 – Taciturischer Ritterschlag
6 – Taciturische Priesterweihe
7 – Taciturische Gewandung
8 – Taciturische Kommenden
XXXVI – Vom Codex Insignium
0 – Der Name Gottes
1 – Die Choralfuge des Sanctus
2 – Die großen Siegel
3 – Die Schrift des Kuhmenschen
4 – Die Ordensschilde
5 – Die Ordensbanner
Mein Vater ist der Himmel und meine Mutter ist die Erde. Frieden schließen werden sie in Ewigkeit nicht. Aber Frieden suche ich, denn ich, ich bin müde gekämpft. Und lange Zeit wusste ich nur diese wenigen Dinge.
Und seit Ewigkeit suche ich schon, meinem Vater zu ergründen, aber ich gestand mir eines Tages ein:
Von meinem Vater kann ich nur das Wenige wissen, was ich selbst erlebt habe:
Es gibt ihn und er kann herrliche Wunder wirken, denn dieses habe ich oftmals erlebt und mein Blut bezeugt es.
Aber wir Menschen leben hier auf Erden, als ob es ihn nicht gäbe, denn auf irdische Weise lässt er sich weder greifen noch erkennen. Darum gibt es auch keine Religion unter den Menschen, die mehr von Gott wüsste, als die anderen. Ich wurde in keine Religion hinein geboren und habe in allen gesucht, mehr von Gott zu erfahren. Und ich blieb viele Jahre lang völlig ratlos.
Es ist die Furcht, die uns am Erkennen hindert. Wir Menschen fürchten den Tod, und darum denken wir nicht gerne an unsere Zukunft, und eigentlich denken wir an gar nichts auf Erden vollkommen gerne. Wir Menschen fürchten das Böse, aber je mehr wir dagegen ankämpfen, desto böser macht es uns. Und wir fürchten Gott, doch die meisten Menschen auf eine solche Weise, die sie von Gott entfernt bleiben lässt.
Ich habe beständig nach Gott gesucht, liebend und ohne Eitelkeit; und als ich ihn fand, verschwand auch jede Furcht. Erst da konnte ich klar sehen. Ich trat ein in ein Mysterium, das überall bekannt ist und nirgendwo. Indem ich alles verworfen habe, was in Widersprüche verstrickt war, kam ich ihm näher. Es braucht nicht viele Worte, sein Geheimnis zu enthüllen. Aber es braucht viel Licht, es zu sehen.
Es beginnt mit dem Namen Gottes. Es gibt so viele verschiedene davon. Aber eigentlich bedeutet er immer: »ein Windhauch«. In welchen Sprachen auch immer – der Name Gottes ist sein eigener Atem, und das ist unsere Seele. Die Juden und Christen sagen Jahwe, die Muslime Allah, die Inder Atman, die alten Germanen sagten Odin, die alten Ägypter Amun, die alten Babylonier Anu. Es ist immer der Atem Gottes. Wenn du also seinen wahren Namen wissen willst – und auf deine eigene Seele hören willst – höre auf das Flüstern des Windes und auf die Fülle deines Atems. Das ist der Ursprung aller Gebete.
Vor unzähligen Äonen, in einer unendlich weit entfernten Urzeit, als es noch keine Anzeichen für die Welt der Menschen gab, noch Pläne oder Vorstellungen für eine solche, gab es eine Urwelt, in der alles noch sinnlos und ungeordnet war. Diese Welt war vollkommen anders als unsere Welt von Sternen und Planeten, von Kontinenten, Wäldern und Ozeanen. Sie war formlos und wir wissen nicht, ob es überhaupt Zeit oder Licht oder Raum gab. In dieser primordialen Welt gab es aber dennoch Hitze oder Kräfte oder Materie. Und davon gab es reichlich und unbegrenzt.
All jene primordialen Gewalten beeinflussten sich gegenseitig und drängten sich so in eine unwillkürliche Ordnung. Kleine Mengen sammelten sich zu großen Mengen. Es entstanden Ansammlungen und es entstand Leere. Es entstand Gewicht und Leichtigkeit. Die Elemente formten sich zu Kugeln, zu Flüssigem und zu Festem, und schließlich sogar zu Wirbeln, Kristallen und noch weitaus wundersameren Blüten. So geriet alles im Laufe der Ewigkeit in eine immer stabilere aber auch feinere Ordnung, ohne dass es das Zutun eines Gottes oder eines Menschen brauchte.
Die primordiale Welt wurde erfüllt von Formen, Farben, Lichtern und Tönen, die sich kein Mensch in seinem Geiste ausmalen kann. Und je weiter sich alles ordnete, desto größer und komplexer wurden alle Strukturen und Dinge. Es begannen Kreisläufe im Großen und Kleinen, die sich wiederum zu immer größeren und wundersameren Kreisläufen entwickelten. Und am Ende sah diese primordiale Welt ganz so aus wie ein endloser Palast aus dem silbernen Zeitalter, voller Ornamente, Symmetrien und harmonischer Bögen, all das in jenem Maß der goldenen Mitte, das eine vollkommene Harmonie erkennen lässt.
Diese primordiale Fülle kannte aber keinen Stillstand, sondern alles bewegte sich gegenseitig, als wäre es von einem Geist beseelt, der gleichsam in eine immer höhere Ordnung verfiel und dabei fortwährend alles vereinnahmte und durchdrang. Die Bewegungen wurden raffinierter, immer höhere Prinzipien ordneten die Vorgänge, und am Ende folgte alles einer vollendeten Vernunft, so dass es so wirken musste, als würde ein mächtiger Herrscher alle Dinge ordnen und lenken.
Das war die Geburt Gottes. Aber dieser Gott hatte noch keine Weisheit. Es ist unvorstellbar, wie dieser Gott allmächtig und allgegenwärtig gewesen sein muss, aber ohne jegliche Erfahrung mit Gutem und Bösem, mit Streit und Versöhnung, mit Vergehen und erneut Entstehen. Und doch wird dieser Gott irgendwann angefangen haben, noch das tiefste Geheimnis der primordialen Urwelt zu erfassen – sich selbst.
Alles, was Gott an sich selbst betrachtete, wurde ihm sogleich fremd – anders konnte er nichts betrachten. So trat die Erfahrung des Verlustes in seine Welt. Aber er erkannte auch, dass er durch den Gebrauch seiner eigenen Substanz Neues erkennen und erschaffen konnte. Er opferte jene Teile seiner selbst für seine Werke, auf die sein Geist verzichten konnte, ohne die Macht über das All zu verlieren. Über Äonen hinweg zog er sich so allmählich aus der Materie zurück. Spuren seines Wesens blieben allerdings erhalten. Das war die Geburt seines ersten Kindes: der Weisheit.
Je mehr er von seiner Substanz verwendete, desto mehr konnte er erschaffen, aber desto mehr schwand auch er selbst. Und so reifte in ihm – in den letzten Jahren oder auch nur Stunden der primordialen Welt – der Entschluss, sich selbst völlig zu entäußern und der Geburt einer völlig neuen Welt zu opfern. Denn mittlerweile hungerte er nach Neuerungen und Erkenntnissen. Sein Kind, die Weisheit, war schon groß geworden und er liebte es mehr als die Welt.
Es begann als ein Gedanke: Es werde Licht!
So gab Gott alles auf, was er zuvor sein eigen nennen konnte, um nun als ewiger Geist die Entstehung einer ganz neuen Welt zu bewundern. Er entzündete das Sonnenfeuer, doch sobald es brannte, wartete er ein wenig, um den Lauf der Dinge zu betrachten.
Und so entstand unsere Welt.
Die Zeit begann zu fließen, der Raum erstreckte sich, das Feuer brannte und der Sternenstaub verteilte sich. Und alles ordnete sich erneut. Gott aber bewunderte dieses Treiben, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Und er wusste, dass auch er selbst auf diese Weise einst entstanden sein muss.
So entstand die Masse der Sterne, die Unmenge der Planeten, es entstanden wunderschöne Formen und Farben im Raum zwischen den Sternen. Und der Geist Gottes schwelgte eine sehr lange Zeit in der Betrachtung dieses unglaublichen Kunstwerkes. Doch irgendwann hatte er alle Dinge erfasst und verstanden und er hatte sich satt gesehen.
Darum ließ er das Leben beginnen. Es entstanden Lebewesen – nach unseren Maßstäben klein und einfach – die aber das Drama des Lebens aufführten. Es entstand ein Ringen und Streiten um das Leben selbst. Und während sich unsere Welt weiter entwickelte, entwickelte sich auch Gottes Geist. Er bekam Mitgefühl mit den Lebewesen. Wer kann schon sagen, ob er nicht auch ein paar Mal in den Gang der Dinge eingriff, um ein Lebewesen zu retten, das er lieb gewonnen hatte.
Es entstanden größere und wundersamere Wesen. Einige Arten starben aus, neue entstanden, und so wurde unsere Welt von immer neuen – aber auch klügeren Lebewesen bevölkert. Aber während sie sich zusammen taten, Familien bildeten und in Herden lebten, wurde Gott bewusst, dass er vollkommen einsam war. Er hatte niemanden, mit dem er eine Familie bilden konnte. Zwar konnte er den Lebewesen Gutes tun, doch weder konnten sie ihm danken, noch konnten sie ihm Gutes erwidern.
Und so erwachte ein noch edlerer Gedanke in ihm, als je zuvor: Er musste auch von seinem Geist etwas opfern, damit es andere Wesen gäbe, die ebenfalls Geist besitzen und mit denen Gott gemeinsam sehen könnte, gemeinsam reden, gemeinsam lieben. Und so begann er, die Seelen der Menschen zu schaffen.
Es gab einige Wesen auf der Erde, die waren klug und geschickt, aber umgeben von stärkeren und schnelleren Tieren. Sie bewohnten Höhlen wie die Schlangen, sie erhoben ihre Stimme wie die Vögel, und sie aßen alles, was die Welt bot. Diese Wesen hatte Gott lieb gewonnen, denn sie waren edel, aber in großer Gefahr.
Und als diese Wesen zu vergehen drohten, schenkte Gott ihnen von seinem Geist. Er schenkte ihnen ein neues Leben. Sein Atem war ihr Atem geworden und fortan erlangten sie seine Weisheit, je nach dem Maß, wie sie sich ihrer besonderen Gabe bewusst wurden. So entstanden die Menschen.
Diese Menschen wurden eine wundersame Rasse, denn sie taten von nun an viele Dinge, die nutzlos schienen. Sie bauten Häuser, ohne darin zu wohnen. Sie sprachen, obwohl niemand bei ihnen war. Sie schlossen ihre Augen, obwohl sie nicht schliefen. Sie betteten ihre Verstorbenen, obwohl die Toten keine Betten benötigen.