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Nur wer loslassen kann, hat Raum für einen Neuanfang Marens Mann will die Scheidung. Sie fühlt sich gelähmt, denn eigentlich möchte sie weder die Trennung noch ein anderes Leben. Doch Lennard bittet sie, das gemeinsame Ferienhaus in den Schären von Göteborg zu entrümpeln, damit sie es verkaufen können. Alles, was einmal gut und richtig war, soll plötzlich gehen … Maren verzweifelt beinahe daran. Das Haus ist vollgestellt mit Gegenständen, an denen Erinnerungen haften. Wo soll sie anfangen? Mitten im Chaos lernt Maren den einfühlsamen Ole kennen. Mit seiner Lebensweisheit wird er ihr zu einem Mentor, der ihr zeigt, wie wichtig das Loslassen ist, um wirklich neu anfangen zu können. Maren erkennt, wie viel Energie sie das krampfhafte Festhalten gekostet hat. Und ohne Angst im Kopf wird für sie plötzlich ein ganz anderes Leben denkbar. Ein Buch, das Mut macht, das eigene Leben zu gestalten Mit leichtem Gepäck bricht Maren auf zu einer spannenden Entdeckungsreise zu sich selbst. Sie fühlt wieder, was sie eigentlich möchte und was ihr Freude bereitet. Die Krise wird zu einem Zurückkommen zu sich selbst nach langer Zeit und schenkt ihr unverhofft Momente wahren Glücks. Liv Bergstrand erzählt in dieser inspirierenden Geschichte gefühlvoll und eindringlich über Trennungsschmerz und die Kunst des Loslassens. Ein Muss für alle Frauen, die mit Trennung und Verlust konfrontiert sind und sich und ihren Freundinnen etwas Gutes tun möchten.
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Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2025
Liv Bergstrand
Wie ich endlich zu mir selbst fand
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Nur wer loslassen kann, hat Raum für einen Neuanfang
Marens Mann will die Scheidung. Sie fühlt sich gelähmt, denn eigentlich möchte sie weder die Trennung noch ein anderes Leben. Doch Lennard bittet sie, das gemeinsame Ferienhaus in den Schären von Göteborg zu entrümpeln, damit sie es verkaufen können. Alles, was einmal gut und richtig war, soll plötzlich gehen … Maren verzweifelt beinahe daran. Das Haus ist vollgestellt mit Gegenständen, an denen Erinnerungen haften. Wo soll sie anfangen?
Mitten im Chaos lernt Maren den einfühlsamen Ole kennen. Mit seiner Lebensweisheit wird er ihr zu einem Mentor, der ihr zeigt, wie wichtig das Loslassen ist, um wirklich neu anfangen zu können. Maren erkennt, wie viel Energie sie das krampfhafte Festhalten gekostet hat. Und ohne Angst im Kopf wird für sie plötzlich ein ganz anderes Leben denkbar.
Ein Buch, das Mut macht, das eigene Leben zu gestalten
Mit leichtem Gepäck bricht Maren auf zu einer spannenden Entdeckungsreise zu sich selbst. Sie fühlt wieder, was sie eigentlich möchte und was ihr Freude bereitet. Die Krise wird zu einem Zurückkommen zu sich selbst nach langer Zeit und schenkt ihr unverhofft Momente wahren Glücks.
Ein Muss für alle Frauen, die mit Trennung und Verlust konfrontiert sind und sich und ihren Freundinnen etwas Gutes tun möchten.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Motto
In jedem Ende liegt ein neuer Anfang
Fang einfach an, der Rest wird folgen
Lass gehen, was dir das Herz schwer macht
Stolpere nicht über die Dinge, die hinter dir liegen
Was du im Außen loslässt, lässt du auch im Innen los
Wenn Raum frei wird, können die Gedanken neue Wege gehen
Neue Türen gehen nur dann auf, wenn sich alte schließen
Es ist leichter, etwas loszulassen, als an etwas festzuhalten, was man längst verloren hat
Wenn du den Ballast abwirfst, kannst du so hoch fliegen, wie du willst
Loslassen ist das Festhalten an dir selbst
Du kannst keine Hand halten, die dich loslässt
Wenn dich nichts mehr beschwert, kannst du das Leben wahrhaftig umarmen
Danksagung
Erkennst du klar, dass sich alle Dinge verändern, dann wirst du an nichts festhalten wollen.
Laotse
Mehr als fünf Jahre lang war Maren der Meinung gewesen, ihr Mann könne nichts wegschmeißen. Egal ob es um alte Dokumente, aus der Mode gekommene Kleidungsstücke oder ausrangierte Möbel ging, jeder Gegenstand blieb beständiger und hartnäckiger in Lennards und damit auch in Marens Besitz, als ihr persönlich lieb gewesen war. Allein bis sie ihn dazu überredet hatte, das Sofa auszutauschen, das sie sich noch in der Studentenzeit zugelegt hatten. Monatelang hatte sie auf Lennard eingeredet und ihn nur mühsam vom Kauf eines neuen überzeugen können. Und selbst dann war das alte, abgewetzte Teil nicht einfach in die Müllpresse gewandert, sondern hatte für weitere Wochen ein trauriges Dasein im Gästezimmer gefristet, bis Maren es kurzerhand mit dem Nachbarn auf die Straße gebracht hatte, weil der Sperrmüll kam.
Nun aber stellte sie fest, dass Lennard durchaus in der Lage war, sich zu trennen. Nur dass es sich dieses Mal nicht um ein altes Sofa, sondern um seine eigene Ehefrau handelte.
Sie stand auf den Stufen, die zu ihrem Haus hinaufführten, und blickte auf die Straße. Der Umzugswagen war bereits gut gefüllt, die Helfer schleppten die letzten Kisten aus dem Haus.
»Darf ich da mal durch?«
Maren machte einen Ausfallschritt zur Seite und ging dem Mann aus dem Weg, der gerade einen weiteren Karton an ihr vorbei die Treppe hinuntertrug.
Sie fühlte sich genauso ausrangiert wie die Couch, die sie vorletztes Jahr auf die Straße gestellt hatte. Den halben Abend hatte Lennard am Küchenfenster verbracht und beobachtet, ob sich noch irgendjemand für das alte Ding interessierte. Aber nicht mal die Studenten, die in den späten Stunden vorbeiflaniert waren, hatten dem Möbel ihre Aufmerksamkeit geschenkt.
»Das ist doch noch gut in Schuss«, hatte Lennard immer wieder gemurmelt. »Ich verstehe nicht, wieso du die Couch nicht mehr haben wolltest.«
Immerhin dieses Gefühl konnte Maren mittlerweile sehr gut nachvollziehen. Auch sie verstand nicht, warum Lennard sie nicht mehr haben wollte. Warum er ihr vor einem halben Jahr gesagt hatte, dass er für ihre Ehe keine Zukunft mehr sehe.
»Ich mag dich sehr gern, Maren. Aber ich glaube, ich liebe dich nicht mehr.« Das waren seine Worte gewesen, und die Erinnerung daran schnitt immer noch in Maren wie eine Rasierklinge.
»’tschuldigung«, nuschelte eine Stimme hinter ihr, und sie ging noch ein Stück zur Seite. Sie stand nur im Weg herum, auch deshalb, weil sie es einfach nicht über sich brachte, beim Auszug ihres Mannes – nein, zukünftigen Ex-Mannes – mitanzupacken.
»Warum fährst du nicht weg, wenn Papa auszieht?«, hatte Valentina gefragt, die ältere der beiden Zwillingstöchter, von Natur aus pragmatisch wie ihr Vater, aber sehr viel besser als er, wenn es ums Ausmisten ging.
Doch Maren hatte die Vorstellung gruselig gefunden, nach Monaten, die Lennard und sie nun schon wie in einer WG zusammengelebt hatten, in beängstigender Stille und Sprachlosigkeit, in das Haus zurückzukehren, das sie gemeinsam gekauft und eingerichtet hatten, und es halb leer vorzufinden. Deshalb war sie heute hier, auch wenn sie das Gefühl hatte, mit jedem Gegenstand und jedem Möbelstück, das nach draußen gebracht wurde, auch ein Stück von sich selbst zu verlieren.
Wenn sie wenigstens miteinander gestritten hätten. Sich angebrüllt, mit Tellern nach dem anderen geworfen hätten. Wenn es die Hölle auf Erden gewesen wäre, dann, dachte sie, hätte sie es vielleicht irgendwie in ihren Kopf hineinbekommen, dass Lennard nicht mehr ihr Mann sein wollte. Aber zwischen ihnen war es leise – nicht erst seit dem Tag, an dem Lennard sich mit grauem Gesicht zu ihr an den Tisch gesetzt, schwer geseufzt und dann angefangen hatte zu reden. Es war das längste Gespräch seit Jahren gewesen.
Und das traurigste. Maren erinnerte sich daran, wie sie aus allen Wolken gefallen war, als Lennard die Worte aussprach, die sie seitdem nicht mehr vergessen konnte.
»Wir hatten es gut, aber jetzt sollten wir weitergehen. Loslassen, Maren. Solange es nicht wehtut.«
Dass es nicht wehtat, stimmte nicht. Maren hatte immer noch das Gefühl, eine eiskalte Hand grabe sich in ihre Gedärme ein und packe erbarmungslos zu, wenn sie sich wieder vergegenwärtigte, dass Lennard die Scheidung wollte. Nur leider war sie seit dem Tag im vergangenen November, seit dem Moment, als Lennard sich zu ihr an den Tisch gesetzt hatte, nicht in der Lage gewesen, auch nur eine Träne zu vergießen. Stumm und fassungslos hatte sie dagesessen und ihm zugehört, und auch in den Tagen und Wochen danach, als die Gewissheit langsam in sie einsickerte, war sie zwar unendlich traurig gewesen, doch geweint hatte sie nicht. Möglicherweise weil sie tief in sich drinnen ahnte, dass sie Lennard verstehen konnte, zumindest ein bisschen.
Ein gutes Team waren sie, das hatten immer alle gesagt. Auch wenn sie eigentlich nicht viel miteinander verband. Hobbys teilten sie keine, und auch ihre Freundeskreise waren unterschiedlich. Lennard blieb gern für sich, ging auch allein zum Sport, er trainierte seit einiger Zeit für einen Halbmarathon, den er sich vorgenommen hatte zu laufen, bevor die Gelenke eines Tages nicht mehr mitmachten. Maren verstand bis heute nicht, wie man seine Erfüllung im Joggen finden konnte, hatte ihren Mann aber immer machen lassen und sich die Zeit anders vertrieben. Mit Alexa und Ingrid, ihren beiden besten Freundinnen, besuchte sie so ziemlich jede Kunstausstellung, die es im Umkreis von dreihundert Kilometern um Karlsruhe herum gab, auch zur Art Basel waren sie schon mal gefahren. Als Grafikerin interessierte sie sich für alles, was mit Kunst und Design zu tun hatte, wohingegen Lennard ihre Schmierereien auf dem Notizblock neben dem Telefon nicht von einem Matisse unterscheiden konnte.
Sie waren so unterschiedlich, immer schon. Doch genau diese Unterschiedlichkeit war doch ihre große Stärke. Gewesen, dachte Maren und riss sich nun doch vom Anblick des Umzugswagens los. Sie wandte sich ab und ging ins Haus, in dem der Auszug Spuren hinterlassen hatte. Bilder und Fotografien, die Lennard eingepackt hatte, an die nur noch der staubige Abdruck und die Nägel in der Wand erinnerten. Staubflusen und Wollmäuse, die unter den Möbelstücken lagen, welche sie ihrem Mann überließ.
Maren ging in die Küche, um sich einen Kaffee zuzubereiten, den vierten. Vermutlich würde sie heute Abend sowieso nicht einschlafen können, da machte das Koffein auch keinen Unterschied mehr. Früher hatte sie zum Dinner eigentlich immer einen Espresso bestellt, aber die Zeiten waren vorbei. Mit Ende vierzig war der Körper empfindlicher. Vor allem an Tagen wie diesem, wo ihre Hände ohnehin schon zitterten und sich das flaue Gefühl im Magen häuslich eingerichtet zu haben schien.
»Ach, gut! Machst du mir auch einen?«
Vicky, die Jüngere, rauschte in die Küche und öffnete einen der Oberschränke. Sie sah ihrer Schwester zum Verwechseln ähnlich und war doch so anders, wilder und manchmal ein wenig ungestüm, aber immer voller Energie und mit einem Lächeln auf den Lippen.
Maren machte sich geistesabwesend an der Kaffeemaschine zu schaffen und ließ zwei Tassen volllaufen. Vicky lehnte sich an die Küchenzeile und beobachtete sie.
Als Maren ihr den Kaffee in die Hand drückte, legte die Tochter den Kopf schief.
»Es ist nicht das Ende der Welt, Mama. Viele Paare trennen sich. Und heißt es nicht immer, dass in jedem Ende auch ein neuer Anfang liegt?«
Maren rang sich zu einem schiefen und falschen Lächeln durch. »Hm«, machte sie unbestimmt und trank einen Schluck von ihrem Kaffee. Zu heiß.
»Du bist noch jung! Siebenundvierzig, das ist doch kein Alter«, fuhr Vicky fort.
»Das sagt sich leicht mit einundzwanzig.«
Die Tochter nickte bestimmt. »Du kannst immer noch glücklich werden.«
Maren schnaubte. Was wussten Zwanzigjährige schon vom Glück? Wo sollte Maren hin? Was konnte sie tun? Sie wollte nicht, dass die Beziehung mit Lennard vorbei war, und fühlte sich, obwohl sie so viel Zeit gehabt hatte, sich an seine Entscheidung zu gewöhnen, wie gelähmt. Sie wünschte sich kein anderes Leben. Ihr gemeinsames war doch gut gewesen. Warum, verdammt noch mal, wollte Lennard, der sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht mal von seiner Frisur hatte trennen wollen, plötzlich alles neu haben?
Vielleicht, durchzuckte sie der Gedanke, hat er sich all den Veränderungswillen für diesen einen Moment aufgespart. Um mich endlich loszuwerden.
Diese Vorstellung traf sie wie ein Faustschlag.
»Mama?« Vicky hatte den Kaffee ausgetrunken und stellte die Tasse auf die Spüle. Immerhin eines würde sich niemals ändern: Geschirr räumte sich im Elternhaus auf wundersame Weise von allein in die Maschine. »Ich muss gleich los. Lerngruppe. Kommst du klar?«
Maren blinzelte. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Kam sie klar? Sie wusste, dass Alexa und Ingrid in den Startlöchern standen. Ein Anruf genügte, und die beiden würden sofort vorbeikommen, mit Putzsachen oder drei Flaschen Wein und Taschentüchern, je nachdem, was Maren brauchte. Wenn man sie in diesem Moment aber gefragt hätte, was das war, was sie brauchte – sie hätte keine Antwort gewusst. Ihr Inneres fühlte sich genauso leer an wie das Ehebett seit Monaten, seit dem Tag, an dem Lennard ins Gästezimmer gezogen war.
Vicky wartete noch einen Augenblick ab, dann hauchte sie Maren einen Kuss auf die Wange und ging. Maren blieb in der Küche stehen, sie griff nach der Kaffeetasse, die Vicky auf der Spüle abgestellt hatte, und ihr Blick fiel auf den verblichenen Druck darauf. »Du bist meine bessere Hälfte«, stand da, und Maren musste schlucken. Die bessere Hälfte. Über so eine lange Zeit war das der Ausdruck gewesen, mit dem Lennard sie beschrieben hatte. Nun aber fragte sie sich, ob das überhaupt ein Kompliment war. Denn wenn sie nur ein Teil eines Ganzen war, eine Hälfte, und ihr Mann beschlossen hatte, lieber ohne sie zu sein, dann war sie ab heute nur noch etwas Halbes, nichts Ganzes mehr.
Valentina rauschte in den Raum und riss Maren aus den düsteren Gedanken. »Alles verpackt. Der Umzugswagen fährt gleich los, Papa nimmt seinen Wagen. Ich fahre mit ihm in die neue Wohnung und helfe beim Ausräumen.« Sie seufzte. »Ich weiß wirklich nicht, wie er das ohne dich auf die Reihe kriegen will. Was hat er sich nur dabei gedacht?«
Maren sah, dass die Augen ihrer Ältesten feucht geworden waren. Sofort fühlte sie sich schuldig – auch wenn sie wusste, dass die Trennung nicht ihre Entscheidung gewesen war.
Sie verkniff den Mund. »Papa wird es sich gut überlegt haben«, sagte sie bitter. »Er hatte ja lange genug Zeit.«
Valentina hob die Arme, legte sie auf die Schultern ihrer Mutter. »Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für dich ist, Mama. Mir fällt es auch nicht leicht. Ihr wart doch immer so glücklich.«
Ja, antwortete Maren stumm. Das dachte ich auch.
Valentina seufzte, machte sich von ihrer Mutter los und tupfte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Aber vielleicht ist das auch eine Chance. Für einen Neuanfang.«
Noch so eine Lebensweisheit einer Zwanzigjährigen. Maren hatte eigentlich gedacht, dass nur Großmütter Abreißkalender mit klugen Sprüchen auf dem Klo hängen hatten, aus denen sie zitierten.
Valentina wandte sich zum Gehen, blieb im letzten Augenblick aber in der Tür stehen. »Was ich dich die ganze Zeit fragen wollte … nee. Geht mich nichts an.«
»Frag ruhig.«
»Habt ihr eigentlich mal eine Paartherapie oder so was gemacht? Papa und du?«
Maren hob eine Augenbraue, verschränkte die Arme vor der Brust. »Das wollte dein Vater nicht. Er war sehr entschieden, als er mich über seinen Entschluss in Kenntnis gesetzt hat. Eine Therapie hätte ihn bestimmt nicht umgestimmt.«
Valentina zögerte. »Ich meinte auch nicht, dass ihr die Therapie macht, um wieder zueinanderzufinden. Sondern um euch gemeinsam zu trennen.«
Maren meinte, sich verhört zu haben. »Zur Therapie gehen, um sich zu trennen? Was ist denn das für ein Quatsch? Soll die Therapie einen nicht wieder zusammenbringen?«
Ihre Tochter zuckte mit der Schulter. »Ich hab davon gelesen. Es nennt sich ›conscious uncoupling‹, bewusstes Trennen. Haben Gwyneth Paltrow und der Sänger von Coldplay auch gemacht. Soll helfen, damit man Freunde bleiben kann.« Sie wartete noch eine Sekunde, aber als Maren nicht reagierte, hob sie die Hand zum Abschied. »Melde dich. Ich bin immer für dich da.« Sie zögerte. »Kannst du dich wenigstens mit Arbeit ablenken?«
Maren schlug die Augen nieder. »Ich hab ein bisschen was zu tun, aber in den letzten Monaten nicht viele Projekte angenommen. Das war alles ganz schön viel.«
Früher hatte Maren ihre Arbeit geliebt, vor allem, wenn sie sich richtig austoben durfte, zum Beispiel bei Buchillustrationen oder Covern, die sie gestaltete. Seit vergangenem November war an kreative Arbeit aber nicht zu denken gewesen. Maren hatte sich leer gefühlt, wie innerlich abgestorben, deswegen hatte sie nur das Nötigste getan, die Bestandskunden weiter betreut, ein paar Plakate und Broschüren gemacht, sich aber ansonsten in ihre Höhle zurückgezogen und getrauert.
Valentina nickte. »Mit dem Geld kommst du aber klar?«
Beinahe hätte Maren zu lachen angefangen. Das war doch eigentlich ihre Aufgabe als Mutter, darauf zu achten, dass ihre Töchter finanziell klarkamen. Wie merkwürdig, wenn sich die Rollen plötzlich vertauschten.
»Papa und ich haben immer noch das Konto zusammen«, erklärte sie Valentina. »Wir haben ja immer alles gemeinsam einbezahlt, und das soll auch erst mal so bleiben. Bis zur …« Sie schluckte. »Scheidung.«
»Okay. Du solltest trotzdem ein bisschen arbeiten. Nicht nur wegen der Kohle, auch weil du dann auf andere Gedanken kommst.«
Valentina wollte sich abwenden, dann hielt sie noch einmal inne. »Das hätte ich beinahe vergessen.« Sie lief in den Flur und kam mit einem kleinen Notizbuch in der Hand zurück. »Das habe ich neulich in so einem schnuckeligen Laden gefunden. Eigentlich wollte ich es selbst benutzen, aber ich glaube, es ist für dich.«
Sie drückte ihrer Mutter das Büchlein in die Hand. Auf dem Cover war ein hübsches Aquarell, das eine Schwalbe zeigte, die hoch in den Himmel flog. Darunter, nur mit wenigen schwungvollen Pinselstrichen gezeichnet, wogte das Meer.
»Was soll ich damit?«, fragte Maren verblüfft.
Valentina zuckte mit den Schultern. »Als Matti mit mir Schluss gemacht hat vor einem Jahr, hat es mir echt geholfen, meine Gedanken aufzuschreiben. Probier das doch mal. Und jetzt muss ich los. Bis bald, Mama!«
Maren blieb allein in der Küche, drehte das Notizbuch in den Händen und wusste nicht, was sie damit anfangen sollte. Als ob es irgendeinen Unterschied machen würde, ob sie die Gedanken zu Papier brachte, die unentwegt in ihrem Kopf herumkreisten. Was hatte sie falsch gemacht? Wann hatte sie die Abzweigung verpasst? Und wie, zum Teufel, sollte es jetzt weitergehen für sie? Für ihr Leben? Was war eigentlich dieses Leben, wenn Lennard kein Teil mehr davon sein wollte? Und vielleicht viel wichtiger: Wer war sie, Maren? Ein neuer Anfang … eine zweite Chance. Das war doch alles Unsinn! Sie hatte keinen Neuanfang gewollt, wollte ihn immer noch nicht. Das Einzige, was sie wollte, war, dass alles wieder so wurde, wie es einmal gewesen war. Und daran würde auch dieses blöde Büchlein nichts ändern.
Seufzend wandte sie sich zur Arbeitsfläche um und starrte aus dem Fenster. Sie sah, wie Lennard mit in die Seiten gestemmten Armen dastand und dem abfahrenden Umzugswagen hinterherblickte. Als der um die Ecke gebogen war, drehte sich ihr Mann um und lief über die Steinplatten aufs Haus zu. Er wirkte … beschwingt, beinahe. Als ob eine große Last von seinen Schultern gefallen wäre.
»Maren?« Seine Stimme erklang im Flur. »Da bist du ja.« Er blieb vor ihr stehen, sah mit einem Mal unsicher aus, ein wenig linkisch. »Wir sind fertig.«
Sie suchte in ihrem Inneren nach einer Empfindung, tastete in jedem verborgenen Winkel nach einem Gefühl. Alles wäre ihr recht gewesen, selbst Wut oder Zorn, sogar Trauer. Doch sie spürte nichts. Nichts als diese große, allumfassende Leere.
»Ich …« Lennard kam auf sie zu, breitete die Arme aus. »Danke, Maren. Dass du es uns nicht so schwer gemacht hast.«
Uns?, wollte sie rufen, doch das Wort blieb ihr im Hals stecken. Sie ließ zu, dass Lennard sie in eine Umarmung zog. Ohne die Geste zu erwidern, stand sie da, legte ihr Kinn auf seiner Schulter ab, nahm seinen Geruch wahr. Die Faust in ihrem Magen krampfte sich ein weiteres Mal zusammen.
»Lass uns telefonieren, ja? Nächste Woche, wenn ich mich eingerichtet habe«, schlug Lennard vor. »Und ich melde mich wegen der Scheidungsanwältin. Ich habe eine gefunden, die uns beide vertreten kann.« Er lächelte verlegen, nickte ein paarmal mit dem Kopf, zog die Augenbrauen hoch, seufzte. »Also dann.«
Lennard wandte sich ab, verließ die Küche. Maren, die sich immer noch fühlte, als wäre sie zur Salzsäule erstarrt, blickte ihm durch das Fenster hinterher, sah, wie ihr zukünftiger Ex-Mann die Stufe hinabstieg, noch einmal stehen blieb, innehielt.
Ihr Herz fing unkontrolliert zu schlagen an. Das kam nicht vom Koffein. Sondern von der Hoffnung, dass Lennard jetzt, endlich, im letzten Moment, begriff, dass er einen entsetzlichen Fehler beging. Die Faust in ihrem Magen lockerte sich, Maren musste sich an der Küchenarbeitsplatte festhalten, weil ihr die Knie weich wurden. Würde er sich noch umentscheiden? Würden sie es doch wieder auf die Reihe kriegen? Sie wollte es, und wenn er nur einen winzigen Funken Liebe und Zuneigung in sich wiederfand, dann hätten sie eine Chance!
Lennard drehte sich um und stieg die Stufen wieder hinauf. Marens Herz klopfte so laut in der Brust, dass sie meinte, man müsse es hören.
»Maren?« Er stand wieder in der Küche. »Wir hatten doch gesagt, dass wir zusammen nach Lycke fahren, um das Ferienhaus auszuräumen.«
Sie nickte benommen und verschränkte die Finger ineinander, damit er nicht sah, wie sehr sie zitterten. Lycke, ihr Sommerparadies, ihr Zufluchtsort jedes Jahr, das kleine Haus auf den Felsen mit Blick aufs Meer. Die gemeinsame Reise nach Schweden war Marens letzte Hoffnung auf eine Versöhnung. Wenn sie nur noch ein Mal an diesen Ort fuhren, an dem sie so viele Jahre glücklich gewesen waren, würde Lennard schon zur Vernunft kommen. So eine langjährige Ehe warf man doch nicht einfach weg wie einen alten Regenschirm. Die war doch mehr wert.
Lennard legte den Kopf schief. »Ich habe darüber nachgedacht. Ich kann das nicht machen.«
Maren schnappte nach Luft. »Wie meinst du das?«
»Ich kann nicht nach Lycke fahren und das Haus leer räumen. Das … schaffe ich nicht. Emotional, meine ich.«
Sie meinte, sich verhört zu haben. »Und wie stellst du dir das vor? Wir können unser Haus ja schlecht mit den Sachen darin verkaufen!«
Er seufzte wieder, es war ihm anzusehen, dass er mit sich rang. »Ich dachte, du könntest vielleicht allein hochfahren und alles erledigen.«
Maren beugte sich nach vorn. »Das ist nicht dein Ernst.«
Mit einem Mal wirkte Lennard eingeschüchtert, beinahe verzweifelt. »Bitte, Maren. Du weißt, wie schwer es mir fällt, mich von Dingen zu trennen.«
»Ich finde, du kannst dich in letzter Zeit erstaunlich gut von allem lösen, was dir einmal lieb und teuer war«, erwiderte sie trocken.
»Ja, aber nicht von Lycke«, sagte er, was Maren noch einmal mehr nach Luft schnappen ließ. Sie konnte er also einfach aussortieren, aber ein blödes Ferienhaus aufzulösen, das fiel ihm schwer? Zum ersten Mal spürte sie, wie ein Gefühl in ihr aufwallte. Da war ein leises Aufflackern von Wut.
Sie hatte sofort zugestimmt, als Lennard überraschenderweise vorgeschlagen hatte, das Ferienhaus zu verkaufen. Eben weil sie sich nicht vorstellen konnte, dort zukünftig allein Urlaub zu machen. Und auch, weil sie hoffte, ihm damit eins reinzuwürgen, da sie wusste, wie sehr er eigentlich an Schweden und dem roten Häuschen hing.
Er verstand ihr Schweigen als Zustimmung. Drückte sie noch einmal an sich, murmelte »Danke«, und sagte dann: »Mach dir doch ein bisschen Musik an. Dann ist es nicht so still in dem großen Haus.« Lennard lief zum Radio, das auf der Fensterbank stand, und drückte auf einen Knopf. Gerade wurden die Verkehrsmeldungen durchgesagt.
»Bis dann, Maren.« Er wandte sich um und ging, verließ das Haus, verließ sie und ihr gemeinsames Leben.