Das Ende ist immer nahe 2 - Urs Herzog - E-Book

Das Ende ist immer nahe 2 E-Book

Urs Herzog

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Beschreibung

Und wieder sterben unschuldige Menschen, wahllos. Wie lange noch? Wer kann es aufhalten? Wann ist es endlich vorbei? Noch ist der Mörder frei. Und wenn sich das Ganze dreht? Recht und Ordnung gelten für Alle, ausnahmslos, ohne Unterschied. Doch das lässt sich nur schwer durchsetzen. Zu verschlungen sind die Wege und Pfade, zu verworren die Situation, zu undurchsichtig die Lage. Und doch, es muss ein Ende geben. Die Gerechtigkeit wird siegen, muss siegen.

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EPUB
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Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Der Dank gehört meiner Familie,die so unendlich viel Geduld hatte

Der Zweck heiligt die Mittel. Bei der Suche nach Wahrheit und bei Vergeltung.

Das ende ist immer nahe 2

Urs Herzog

© 2020 Urs Herzog

Umschlaggestaltung, Illustration: Urs Herzog

Verlag & Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

978-3-347-06747-9

Paperback

 

978-3-347-06748-6

Hardcover

 

978-3-347-06749-3

e-Book

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Die Klinik

„Wie geht es Herr Walther heute?“

Er blickte durch das hohe Fenster hinaus in den Garten. Unter einer grossen, alten Eiche sass ein dunkel gekleideter Mann einsam auf einer Parkbank.

„Heute hat er einen guten Tag. Er hat nach dem Frühstück eine Zeitung genommen und begonnen zu lesen, das erste Mal seit er hier ist. Wir halten das für den ersten Schritt aus seiner Isolation und hoffen, dass er sich nicht wieder in seine Welt zurückzieht. Wenn sie also mit ihm sprechen, dann bitte sehr behutsam, Herr Roth, ohne ihn an seine Vergangenheit zu erinnern.“

Die Krankenschwester in ihrer blendend weissen Uniform schaute zu dem Besucher hoch und hoffte er würde noch eine Weile bleiben.

Dieser lächelte ihr freundlich zu und sagte: „danke, Schwester Susanne, das ist eine gute Nachricht. Die Patienten hier haben Glück, dass sie hier sind und sich um sie kümmern. Ich geh dann mal nach draussen.“

Er wandte sich um, ging hinaus auf den grünen Rasen und schritt auf die Eiche zu.

Schwester Susanne sah im nach. „Was für ein wundervoller Mann. Wie er sich um seinen Freund kümmert ist schon aussergewöhnlich – und dann sieht er noch so unglaublich gut aus. Und dann ist er auch noch Professor.“ Sie konnte nicht die Augen von ihm wenden, sah ihm lange nach und seufze dann tief als sie die Glocke eines Patienten vernahm.

Er setzte sich neben den Mann auf die Parkbank. Der Patient beachtete den Besucher nicht.

Seine grauen Augen blicken weiter in die Ferne ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren.

So sassen die Beiden schweigend auf der Bank während die Zeit verrann.

Leise spielte der laue Frühlingswind mit den Blättern der alten Eichen und Kastanien. Das Singen der Amseln und das Zwitschern der Spatzen erfüllte die Luft. Bienen und Hummeln summten umher und suchten Nektar in den vielen bunten Blumen auf der grünen Wiese. Über den blauen Himmel zogen kleine, weisse Wolken und hoch oben am Firmament kreisten zwei Bussarde.

„Bist du jetzt zu meinem Therapeuten geworden oder bist du mein neuer Aufpasser?“

„Weder das Eine noch das Andere, ich will nur wissen wie es dir geht.“

„Und, wie geht es mir heute?“ fragte der Patient.

„Sag du es mir“, antwortete der Besucher.

Die nächste Stunde sassen sie schweigend auf der Parkbank. In der Ferne schlug eine Turmuhr vier Mal.

„Es ist wohl langsam Zeit dass ich hier heraus komme und mein Leben wieder in die Hand nehme. Es wird am Anfang wahrscheinlich nicht einfach sein und ich weiss nicht wohin und weiss nicht was kommen wird. Aber ich sollte es trotzdem versuchen.“

„Wenn du dazu bereit bist. Du kannst bei mir wohnen. Das alte Haus ist gross genug für uns beide und manchmal fehlt mir Gesellschaft.“

„Gib mir noch ein paar Wochen Zeit, so schnell geht es dann doch nicht. Ich muss das hier erst zu Ende bringen.“

„Wann immer du bereit bist, mein Freund“.

Noch lange sassen sie zusammen im Park.

Südamerika

Heiss brannte die Sonne auf die ausgedorrten Felder und der heisse Wind aus den Bergen verstärkte die Gluthitze noch. Es war wie in einem Hochofen.

Weit und breit war nichts das ihm hätte Schatten spenden können. Er blieb stehen und wischte sich den Schweiss aus dem Gesicht. Warum nur tat er sich das an, er hätte auch später fahren können, gegen Abend, wenn die Hitze nicht mehr so mörderisch war.

Doch nun stand er hier in dieser Einöde. Als er nach vorne blickte nahm er in der Ferne einen dunklen Fleck war.

Die Qual würde bald ein Ende haben. In einer halben Stunde konnte er das Dorf erreichen, würde dann bei Pepe an der Bar ein paar kühle Biere kippen und die Welt wäre wieder in Ordnung. Dann nach Hause und lange schlafen.

Seine Stimmung hatte sich merklich gebessert, seine Schritte wurden länger und sein Gang federnder.

Eine Staubwolke tauchte vor ihm auf und er trat an den Rand der Strasse. Nicht zu früh, denn der Land Rover fuhr mit unvermindertem Tempo an ihm vorbei und hüllte ihn ein in eine Staubwolke die ihm den Atem nahm. Den grauen Wagen hatte er schon früher bemerkt. Er gehörte einer Gruppe von Neuankömmlingen die am Fusse der nahen Berge ihr Lager errichtet hatten. Es seien Prospektoren, wurde erzählt.

Es war nicht das erste Mal, dass solche Leute in seinem Dorf auftauchten. Meist waren sie nach ein paar Tagen wieder verschwunden.

Sie würden nie lernen die Berge und Ebenen richtig zu deuten, nie lernen, wo man schürfen musste um die begehrten Rohdiamanten zu finden.

Natürlich hätten die Lagerstätten im grossen Stil ausgebeutet werden können, aber hier legte niemand Wert darauf. Die Einheimischen hatten lieber ihre Ruhe und ihr Auskommen genügte ihnen.

Niemand würde sie als reich bezeichnen, aber mehr als wohlhabend waren sie allemal, auch wenn sie es nicht zur Schau stellten.

Die Häuser wirkten von aussen eher armselig, der Luxus im Innern blieb den Fremden verborgen, ging auch niemanden etwas an. Es war ein besonderer Menschenschlag der hier lebte, mitten in dieser Einöde.

Er hätte sich doch einen neueren Wagen anschaffen sollen. Wieder war eine Aufhängung an seinem uralten Pickup gebrochen. Schon zum zweiten Mal in diesem Monat musste er zu Fuss nach Hause.

Es wurde Zeit, dass er sich nach einem anderen Kleinlaster umsah. „Hoffentlich kann Aldo die Aufhängung noch einmal reparieren“, dachte er, denn um einen neuen Pickup zu kaufen, musste er in die Provinzhauptstadt fahren und bis dorthin sollte die Aufhängung die Belastung der Schotterpisten aushalten.

 

****

Der Staub senkte sich und er sah in der Ferne schon die Konturen der Häuser.

Plötzlich griff er sich in den Nacken. Es war als hätte ihn ein Insekt gestochen. Er blieb stehen und rieb die Stelle an seinem Haaransatz bis der Schmerz verging. Trotz der Hitze fühlte es sich kalt an.

Erstaunt schüttelte er den Kopf und ging dann weiter auf das Dorf zu. Mit einem Mal wurde ihm schwarz vor Augen. Er stolperte, dann gaben seine Beine nach und er fiel aufs Gesicht. Noch einmal zuckten seine Gliedmassen, dann war er tot, lag am Rand der staubigen Strasse, lag in der heissen Sonne die den kühlen, nassen Fleck in seinem Nacken abtrocknete.

Der erste Tote von San Sebastian, einem kleinen, einsamen Dorf in einem Landstrich in dem mehrheitlich Kakteen und Dornenbüsche wuchsen. Ein einsames Leben in dieser Einöde.

Als die Frau des Opfers am folgenden Morgen ihre Nachbarn bat bei der Suche nach ihrem Mann zu helfen, war bald das ganze Dorf unterwegs. Als er am Strassenrand liegend gefunden wurde, rief Pepe der Wirt nach dem Arzt. Nach dem Gesetz musste dieser offiziell den Tod feststellen und den Totenschein ausfüllen.

Als der Arzt aus der Provinzhauptstadt Stunden später erschien und den Toten untersuchte, sagte er, dass die Todesursache ein Herzinfarkt gewesen sei und das schrieb er auch auf den Totenschein. Er vermutete, dass die Hitze den Infarkt ausgelöst hatte. Die Menschen wunderten sich. Der Mann lebte ruhig und bescheiden, ohne Stress, wie alle hier. Und sie alle waren sich die Hitze gewohnt. Wie konnte man da an einem Herzinfarkt sterben? Wegen der Hitze!

Aber wenn der Doktor das sagte. Der musste es doch wissen.

Am nächsten Tag wurde das Opfer in der harten, staubigen Erde begraben und das Dorf traf sich anschliessend bei dessen Familie zur Totenfeier, bei der Kaffee und Kuchen, Mezcal und Tortillas gereicht wurden.

Zwei Tage später fiel einer der Bauern tot um. Er hatte am Rand des Dorfes auf seinem kargen Feld gearbeitet, hatte seine Melonen mit Wasser versorgt. Herzversagen, so das Verdikt des Arztes.

Und wieder schüttelten die Menschen den Kopf, konnten sich den Tod nicht erklären.

****

Es folgten weitere Opfer und alle starben sie eines natürlichen Todes. Erst traf es Aldo den Schmid, dann den Barbier und die Frau des Bürgermeisters.

Früher starb in San Sebastian niemand so jung, die Menschen wurden alle Alt und Krankheiten waren hier eine Seltenheit. Die Meisten starben an Altersschwäche.

Und nun diese Todesfälle. Wie konnte das sein? Am Wasser konnte es nicht liegen, denn dieses war ausgezeichnet. Die Luft war sauber, der Mezcal hervorragend und Stress hatten sie alle nicht gehabt, nicht so wie die Menschen in der Stadt.

Der Arzt kam, blieb nur kurz, stellte einen Totenschein aus und verschwand wieder so schnell wie er gekommen war. Und immer lautete das Verdikt Herzversagen oder Herzinfarkt. Eine andere Ursache konnte er nicht finden.

Und dann traf es den Pfarrer.

Er war auf dem Weg von der Kirche zum Friedhof als er auf offener Strasse plötzlich umfiel als hätte ihn eine Axt gefällt.

Nun griff die Angst um sich.

Das Dorf versuchte ein gewisses Mass an Normalität zu bewahren, aber als ein Junge von zehn Jahren starb und dann auch noch das Trinkwasser immer schlechter wurde, glaubten sie der Teufel hätte seine Hand im Spiel, hätte ihr Dorf verflucht.

Einige versuchten ihr Land zu verkauften aber niemand wollte auf den Handel eingehen. Und so packten die Ersten ihre Sachen und zogen weg.

Als dann in einer stürmischen Nacht eines der Häuser zu brennen begann und der heisse Wüstenwind Glut und Flammen auf das nächste Haus trieb, dann auf ein Weiteres und auf noch Eines, konnten die Menschen nur noch versuchen ihre Habe vor den Flammen zu retten. Und dann standen sie vor dem Nichts, hatten ihren ganzen Besitz verloren.

Die Überlebenden verliessen das Dorf und zerstreuten sich in alle Winde.

Und niemand interessierte sich dafür. Für die Polizei waren die vielen Todesfälle eine zufällige Anhäufung von Schicksalsschlägen und der Brand ein normales Unglück. Das Ganze wurde zu den Akten gelegt und San Sebastian von der Landkarte getilgt.

Herbi

Herbi steckte in der Klemme. Und es war allein seine Schuld. Die Vorbereitungen hatten schon Wochen in Anspruch genommen und als er losziehen wollte stellte er fest, dass sein Pass demnächst ablaufen würde.

„Das darf doch nicht wahr sein“, rief er laut aus und knallte das rote Büchlein auf den Boden.

Ohne gültigen Pass würde man nicht einfach umgehend ausgewiesen, sondern landete erst einmal im Gefängnis. Und dann liessen sich die Behörden Zeit, und es konnten Wochen ins Land gehen bis sich jemand um ihn kümmern würde.

„Dann eben zurück in die „Heimat“, das würde auch eine Weile dauern, würde ihn viel Geld kosten, war aber der einfachste Weg zu einem gültigen Pass zu kommen. Er wollte nicht in der Botschaft nachfragen ob sie seinen Pass verlängern könnten. Wenn niemand wusste, wo er sich aufhielt, ging er damit auch Ärger aus dem Weg. Es gab genug Leute die sich gerne mit ihm unterhalten hätten.

Er würde zuerst ins Nachbarland reisen und von da in die Schweiz fliegen. Die Rückreise würde dann über ein weiteres Nachbarland erfolgen. Möglichst wenig Spuren hinterlassen, damit war er immer gut gefahren.

Er hob das Büchlein auf und begann zu packen.

Viel hatte er nicht zu verstauen und zwei Tage später sass er im Flugzeug, zurück in seine „Heimat“, zurück in die Schweiz.

****

Um sich die Wartezeit zu verkürzen sass Herbi in seinem Lieblingslokal und dachte über seine nächsten Schritte nach. Warten war nicht seine Stärke.

„Hallo Herbi, lange nicht gesehen.“

Sie setzte sich zu ihm an den Tisch unter den Platanen.

„Zwei Bier, grosse“ rief sie dem Kellner zu der sich daraufhin umdrehte und im Haus verschwand.

„Ich habe lange nach dir gesucht, du bist nicht einfach zu finden.“

Überrascht starrte der Mann die Besucherin an, dann leuchteten seine Augen auf.

Andrea!

Er fühlte sich um Jahre zurückversetzt.

„Ich glaube es nicht, du hier! Schön dich wieder zu sehen, es muss eine Ewigkeit her sein.“

„Fast zehn Jahre, beim letzten Klassentreffen, auch hier im Platanenhof. Immer noch dein Stammlokal?“

„Ja, immer noch, wenn ich wieder mal hier bin. Bin viel unterwegs.“

„Das habe ich gehört, du bist überall auf der Welt unterwegs. Aus welcher Ecke kommst du diesmal?“

„Du hast Glück mich hier zu finden, wenn mein Pass nicht abgelaufen wäre, hättest du mich in Südamerika suchen müssen“.

„Ich weiss, und ich wusste auch, dass dein Pass abläuft“.

Erstaunt und fragend schaute er sie an.

Lächelnd sagte sie, „frag nicht, ich wusste es eben.“

„Immer noch dieselben Seilschaften wie früher?“

„Nicht dieselben, besser“.

Einen Moment sassen sie sich schweigend gegenüber.

„Herbi du siehst aus wie ein Abenteurer.“

„Und du bist immer noch so schön wie vor zwanzig Jahren.“ Sein Blick sprach Bände.

„Immer noch der gleiche Charmeur, du hast dich nicht verändert.“

Beide lachten und als der Kellner die beiden Biere brachte tranken sie auf ihr Wiedersehen, das Leben und die Liebe.

Herbi war der Prototyp des Abenteurers. Braun gebrannt, dunkle Haare, blaue Augen, kleine Furchen im Gesicht und Lachfältchen um die Augen. Beinahe zwei Meter gross und von kräftiger Statur. Jeans und ein offenes Leinenhemd. Ein Kerl wie aus einem Survival-Magazin.

„Ich habe dich gesucht, Herbi. Ich brauche deinen Rat und deine Erfahrung. Und nur du kannst mir helfen. Ich muss dir aber schon zu Beginn sagen, dass es kompliziert werden kann und es wohl auch wird.“

Herbi schaute sie an. Ihre dunklen Locken zeigten ein paar kleine, graue Strähnen und ihre braunen Augen blickten nicht mehr so strahlend wie er es in Erinnerung hatte. Ihr schmales Gesicht wirkte blass und hart. Wo war das fröhliche und lustige junge Mädchen geblieben?

„Wenn ich kann, helfe ich dir gerne. Es kann aber noch etwas dauern, denn ich muss erst ein paar Dinge erledigen die keinen Aufschub dulden.“

„Aber sag mir erst, wie ist es dir ergangen? Verheiratet?“

Herbi wartete gespannt auf die Antwort.

„Verheirate, ich heisse jetzt Walther.“

Er spürte einen kleinen Stich ins Herz, konnte nichts dagegen tun.

„Kenne ich ihn?“

„Ich glaube nicht, oder hast du manchmal mit der Polizei zu tun?

„Nein, nicht hier in der Schweiz, hier bin ich ein braver Bürger, ein unbeschriebenes Blatt.“

Herbi lachte leise und gab dem Kellner ein Zeichen.

„Ich habe Lust auf einen kühlen Weisswein, trinkst du ein Glas mit?“

„Wenn es ein Grauburgunder ist?“

Herbi bestellte den Wein und wandte sich dann wieder Andrea zu.

„Hast du Kinder“?

„Kinder? Nein. Und ich führe ein ganz normales Leben.“

Forschend schaute er in ihr Gesicht, dann schüttelte er seinen Kopf.

„Wenn du ein normales Leben führen würdest, dann wärst du nicht hier und würdest mich nicht um Hilfe bitten.

Was also ist passiert?“

Lange schaute sie ihn an.

„Hast du denn Zeit? Es wird eine längere Geschichte.“

„Für dich habe ich alle Zeit der Welt“.

****

Als er endlich den neuen Pass erhalten hatte, kehrte mit dem ersten Flieger nach Südamerika zurück. Nun hätte es losgehen sollen. Doch seit Tagen wartete er auf eine Entscheidung. Er wollte los, doch noch immer hinderte ihn eine träge und korrupte Bürokratie. Und ohne eine amtlich beglaubigte Bewilligung, würde es ihm nicht möglich sein, weiter zu reisen.

Vor einem Jahr war das noch anders gewesen, doch es hatte sich in dieser Gegend viel verändert. Seit hier Rohdiamanten gefunden wurden, waren zahlreiche Abenteurer und Schatzsucher aufgetaucht die in das Gebiet reisen wollten.

Und sie alle brauchten dafür eine Genehmigung. Eine Genehmigung die sich die örtlichen Behörden teuer bezahlen liessen.

Doch was sollte er sich auch aufregen, es brauchte nur Geduld zu haben. Auch wenn das einer seiner Schwächen war.

„Schieb mir noch ein Bier herüber“. Er lümmelte seit zwei Tagen in der Bar herum und hatte nichts anderes zu tun als zu warten.

Der Wirt stellte ein neues Glas unter den Zapfhahn und drückte den Hebel nach oben.

„He, nicht wieder so viel Schaum, ich bezahle für Bier und nicht für Luft“.

Der Wirt brummte etwas vor sich hin, zog langsam den Hebel nach unten und kippte das Glas dem Zapfhahn entgegen.

„Wenn ich schon der einzige Gast in dieser Bude bin, dann…….“.

Weiter kam er nicht, denn in seinem Rücken hörte er die niedrige Pendeltüre in den Scharnieren quietschen. Er drehte den Kopf und blickte zur Tür.

Es war dunkel in der heruntergekommenen Kaschemme und seine Augen mussten sich erst an die Helligkeit gewöhnen. Doch er sah nur einen Schatten gegen das grelle Sonnenlicht.

Er blinzelte. Es brachte nichts.

Dann nicht, dachte er und wandte sich wieder der Theke zu. Gerade rechtzeitig denn der Wirt schickte das Bier über den Tresen. Wenn er es nicht aufgefangen hätte, es wäre über die Theke hinaus geschossen und am Boden zerschellt.

„Ein Bier“ hörte er eine tiefe Stimme neben sich und erneut drehte er den Kopf.

Der breitkrempige Hut liess das Gesicht des neuen Gastes nur Erahnen und sein schwarzes Hemd tat ein Übriges um den Eindruck eines Mannes zu vermitteln der nur in Ruhe sein Bier trinken wollte.

„Schick mir noch einen Mezcal herüber, oder besser zwei, für ihn auch einen.“ Er zeigte mit dem Daumen zur Seite, auf den neuen Gast ohne den Blick von den Flaschen zu nehmen die vor dem grossen Wandspiegel in Reih und Glied aufgestellt waren.

Den Inhalt der Meisten kannte er, hatte er in den letzten zwei Tagen kennen gelernt. Das Meiste war Fusel der im Hals kratzte und brannte. Er vermutete dass der Wirt die guten Tropfen selber trank.

Nach den zwei Tagen kannte er auch jeden Mückenschiss an den Wänden und der altersschwachen Musikbox konnte er nur noch kratzende und jaulende Töne entlocken.

Warten war anstrengend und ermüdend.

Der Wirt kann herüber und stellte die Schnäpse vor die beiden Männer. Sein rundes, bleiches Gesicht mit den dunklen Augen passte nicht so recht zu dem langen, schlaksigen Körper.

Wortlos drehte er sich um und ging wieder ans andere Ende der Bar. Auch er wollte seine Ruhe haben.

Die Männer hoben die kleinen Gläser und stürzten den Schnaps in einem Zug hinunter.

Hart stellten sie die Gläser auf die Theke zurück dass es knallte.

Wieder Schweigen. Nur der altersschwache Deckenventilator gab bei jeder Umdrehung ein Geräusch von sich, das durch Mark und Bein ging und kalte Schauer über den Rücken jagte. Es hörte sich an als würde mit einer Kreide über eine Schiefertafel gekratzt.

Schweigend tranken die Männer ihr Bier.

****

Vielleicht morgen, wenn die Papiere endlich bereit lagen. Er würde, wie so oft, das Büro des Bürgermeisters aufsuchen, sich nach den Bewilligungen erkundigen und wie immer, diskret ein paar Scheine über den blank polierten Schreibtisch schieben. Und wie immer würde der Beamte das Geld sehr schnell verschwinden lassen und ihm anschliessend höflich mitteilen, dass seine Bewilligung beim Bürgermeister zur Unterschrift bereit liege, sein Chef dringende Geschäfte in der Hauptstadt erledigen müsse und wahrscheinlich erst in der kommenden Woche wieder hier sein werde. Dann aber würde er das Gesuch umgehend bearbeiten.

So erging es ihm schon zum wiederholten Male.

Er hatte zwischendurch den Gedanken ohne die Papiere loszuziehen. Doch ohne Unterstützung durch eine zweite Person würde er wohl nicht weit kommen.

Er hatte keinen zweiten Mann. So liess er den Gedanken wieder fallen und hing weiter in diesem Kaff, in dieser Bar herum. Und trank.

****

„Ich bin der Partner den du suchst.“

Der Fremde gab dem Wirt ein Zeichen und dieser beeilte sich zwei weitere Biere und zwei Mezcal zu bringen.

„Und ich brauche keine Genehmigung um durch die Pampa zu ziehen.“

Der Fremde zog seinen Hut und legte ihn neben dem Bierglas auf den Tresen.

„Mein Name ist Dugin, Peter I. Dugin. Man nennt mich Peter.“

„Herbert D. Focker, das D steht für Daniel, mich nennt man Herbi. Wofür steht das I.?“

„Steht für Ivan.“

Beide tranken bedächtig ihr Bier.

„Und woher kommst du?“ fragte Herbi.

„Ist das wichtig?“

„Möchte in etwa wissen mit wem ich es zu tun habe.“

„Wenn's denn sein muss.“ Peter nahm erneut einen Schluck.

„Bin im Osten Deutschlands aufgewachsen, hiess damals noch DDR. Meine Familie ist in den Westen ausgewandert, auch wenn man dem damals anders sagte.“ Peter lachte leise.

„Dann bin ich rumgezogen und jetzt bin ich hier. Genügt das“?

„Genügt.“

„Und wie bist du hier gelandet“? fragte Peter.

„Bin in der Schweiz aufgewachsen, ich habe Dieses und jenes gemacht, war für eine internationale Firma unterwegs. Wollte mich zur Ruhe setzen. War aber nichts für mich, zu langweilig.

Habe dann gehört hier soll was los sein.“ Herbi sah sich um.

„War wohl ein Irrtum.“

Er winkte dem Barkeeper. „Noch zwei Bier“

Und an Peter gewandt, „und wohin wolltest du?“

„Wollte nur durchreisen, bis ich dich gesehen habe. Und da ich weiter nichts vorhabe…..“

„Dann kannst du ja mitfahren, quer durch die Pampa. Es wird aber kein Spaziergang werden. Mit der Polizei, den Minengesellschaften und den Grossgrundbesitzern soll nicht gut Kirschen essen sein.“

Peter grinste.

„Das macht es doch gerade interessant, sonst wäre es eine öde Nummer für Warmduscher und Muttersöhnchen.“

„Deine Ausrüstung?“

„Sage mir, wohin die Reise geht und ich besorge das Notwendige.“

„Wie ich sagte, mitten in die Pampa, da soll man reich werden können.“

„Gold?“

„Diamanten.“

„In der Pampa?“

„In der Pampa.“

„Und wann geht es los?“

„Wenn du bereit bist.“

„Morgen.“

„Dann Morgen.“

„Darauf trinken wir.“

Sie kippten weitere Biere und Mezcal.

****

„Hat du genügend Schnaps mit?“ fragte Peter.

„Reichen zwei Liter?“

„Ja, für den Anfang.“

Peter legte seinen Seesack auf die Ladepritsche des Pickup.

„Eine Flasche brauche ich immer um Wunden zu desinfizieren, Feuer oder Fackeln zu entfachen.“

„Was für eine Verschwendung.“ Peter warf seinen Rucksack auf die Pritsche und legte zwei Spaten, einen Vorschlaghammer und vier Holzpfähle dazu.

„Holzpfähle? Wofür denn“, fragte Herbi.

„Man kann nie wissen“, sagte Peter, „sind für vieles zu gebrauchen.“

Dann stampfte er zur Beifahrertüre und riss sie auf.

„Mein Gewehr lege ich in der Kabine unter die Rückbank, soll nicht jeder gleich sehen.“

„Gut, aber lass noch etwas Platz für meine beiden Knarren.“

Herbi schloss die Ladepritsche und kam ebenfalls nach vorne.

Einen kurzen Augenblick hielt er inne.

„Gut, aber nach einer Stunde bist du daran.“

Er schwang sich hinters Lenkrad und wartete bis Peter neben ihm sass und die Tür geschlossen hatte.

Er drehte den Zündschlüssel und der grosse Motor erwachte brüllend zum Leben.

Langsam rollte der Wagen vom Hof des heruntergekommenen Hotels.

Nach einer Stunde holpernder Fahrt über staubtrockene, ausgefahrene Schotterpisten hielt Herbi rechts an und stellte den Motor ab.

Langsam senkte sich der aufgewirbelte Staub. Herbi steckte sich, seine Gelenke knackten.

„Jetzt bist du an der Reihe, ich habe eine Stunde heruntergerissen, kein Schleck bei diesen Strassen, das kann ich dir sagen.“

Sie stiegen beide aus, reckten sich und tauschten dann die Plätze.

Peter rückte den Sitz nach vorne, damit er mit seinen Füssen auch bis an die Pedalen reichte. Auch wenn die Beiden fast gleich gross waren, Herbis Beine waren länger.

„Dann wollen wir mal“ sagte Peter, startete den Wagen und weiter ging die Reise.

„Kannst du mir mal die Flasche rüberschieben?“ fragte Peter nach einer halben Stunde. „Fahren macht Durst und in dieser staubtrockenen Gegend erst recht.“

Herbi packte die Wasserflasche, öffnete sie und reichte sie hinüber.

„Danke“, sagte Peter und nahm einen kräftigen Schluck. „Bier wäre besser“, grinste er dann und gab die Flasche zurück.

„Dann wären wir beide stockbesoffen, noch bevor wir ankommen“, meinte Herbi und trank ebenfalls. „Na ja, schlecht ist es nicht, Wasser eben.“

Nach zwei weiteren Fahrerwechseln näherten sie sich den Bergen, auf die sie die letzten Stunden zugefahren waren.

„Wirst sehen, das Erste was wir zu Gesicht bekommen werden, ist die Polizei.“

Er sollte Recht behalten.

****

Als die ersten, halb verfallenen Hütten auftauchten, versperrte ein Schlagbaum die Strasse und die beiden Polizisten die sich in ihren schäbigen und schlecht sitzenden Uniformen gegen den Wagen gelehnt hatten, kamen nun gemächlich auf sie zu.

Beide hatten sie, wie zufällige, die Hand auf dem Pistolengriff liegen.

Herbi bremste ab und hielt vor dem Schlagbaum an.

Eilig kurbelten sie die Fenster herunter und legten dann die Hände, von aussen gut sichtbar, auf Lenkrad und Abdeckung.

Die beiden Uniformierten stellten sich links und rechts des Wagens auf, so, dass sie aus dem Schwenkbereich der Türen waren und ihnen keine Bewegung der Insassen entgehen konnte. Das Ganze zeugte von langjähriger Erfahrung.

Peter und Herbi wussten was nun kam. Er war immer das Gleiche Prozedere.