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Wie weit kann die Menschheit gehen? Gibt es Grenzen? Wenn ja, wo liegen sie? Wer hat die Vorherrschaft über unsere Galaxie? Eine entscheidende Frage, denn jede Spezies will ihr Überleben sichern, und das hat Folgen für andere. Kein Mensch weiss, was sich auf dem weissen Planeten verbirgt. Dem geht ein Expeditionsteam auf den Grund, mit unerwarteten Folgen.
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Seitenzahl: 253
Veröffentlichungsjahr: 2025
Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.
Albert Einstein
Jede Reise ist ein Weg zu dir selbst.
der Autor
Xerdon
der weisse Planet
Urs Herzog
© 2025 Urs Herzog
Coverdesign von: Urs herzog
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Die Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1
Kapitel 51
Cover
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„Nur zu, wenn du diese Welt zerstören willst. Drücke auf den Knopf. Keiner wird dich daran hindern. Wir können uns in aller Ruhe ansehen, wie die Kugel explodiert, in tausend Stücke zerplatzt.“
„Und warum sollte ich es tun? Erstens ist es nicht mein Job, und zweitens, warum macht das nicht jemand, der die Befehle dazu erteilt hat? Jemand, der sich nicht feige hinter Anderen versteckt? Und warum soll dieser Planet vernichtet werden? Weil niemand weiss, was auf diesem Planeten vor sich geht? Nach dem Motto: was wir nicht kennen und beherrschen, ist eine Gefahr für die Menschheit und muss darum weg?“
Charly Gates, der Expeditionsleiter, nippte an seinem Drink und schaute gelassen auf Kira Thomsen, die Biologin, welche unschlüssig am Schaltpult stand.
„Aber wir könnten dabei auch draufgehen. Mitsamt dem Schiff, denn wir wissen nicht, aus welchem Material der Planet besteht und auch nicht, ob er bewohnt ist. Unsere Scanner hatten keine Chance, das Weiss zu durchdringen.“
Kira schaute weiter auf den weissen Planeten.
„Erst dachten wir, er bestünde aus Eis, doch er strahlt Wärme ab, demzufolge ist es kein Eis. Was auch sonderbar ist, die meisten Planeten auf denen Leben möglich ist, haben eine Atmosphäre, welche mit der Höhe an Dichte verliert und immer dünner wird. Der Übergang in den Raum ist fliessend. Hier nicht, es ist, als wäre eine Hülle da, welche die Atmosphäre begrenzt, woraus sie immer auch bestehen mag. Auch Anzeichen für Leben gibt es nicht, sieht man von den weissen Bäumen ab, welche den ganzen Planeten bedecken. Es könnte doch sein, Charly, dass diese Kugel hochexplosiv ist und uns um die Ohren fliegt.“
„Wir müssten nur unsere Abwehrschilde hochfahren, dann geschieht uns nichts, die Schilder sind stark genug, um alles abzuwehren.
Wir können aber auch darauf verzichten, wenn dir das Risiko es wert ist? Mir ist es egal, ich werde ohnehin eines Tages eines unnatürlichen Todes sterben. Ob früher oder später, ist nicht mehr wichtig. Ich lebe schon so lange, dass ich langsam genug habe.“
„Wie alt bist du denn?“
Charly musste einen Augenblick überlegen.
„Einhundertdreiundfünfzig, glaube ich. Irgendwann vergisst man so was. Auf ein paar Jahre mehr oder weniger kommt es nicht an.“
„Wie viele Male hast du schon den Knopf gedrückt?“ fragte Kira und wartete gespannt auf seine Antwort.
„Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, es waren so viele.“
„Um warum? Waren es alles Feinde? Eine Gefahr für die Menschheit?“
„Es war immer ein Befehl unserer Regierung. Wir haben es nie hinterfragt. Wozu auch.“
„Und die Welten, die so untergingen, hatten die Kontakte untereinander?“
Charly schüttelte den Kopf.
„Das kann ich nicht sagen, warum fragst du?“
„Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass es auch andersherum gewesen sein könnte? Dass ihr in ein friedliches Reich eingebrochen seid und sie sich nur gewehrt haben? Und dass sie dann verloren, weil ihr die besseren Waffen hattet und keine Skrupel?“
Sie schauten auf den kleinen, weissen Planeten, dann sagte Charly:
„So habe ich das noch nie gesehen. Du bist fünfundzwanzig Jahre alt, schon weiter gereist als ich und denkst über das Leben und das Universum nach. Du bist eine erstaunliche, junge Frau. Wie kommt es, dass du dir solche Fragen stellst?“
„Das liegt wohl an meinem Elternhaus. Vater war ein angesehener Chemiker und Mutter eine bekannte Genetikerin. Ich bin deswegen Biologin geworden, weil es Fragen gibt, auf die selbst sie keine Antworten wussten. Und weil ich von Natur aus neugierig bin und alles hinterfrage.“
Nach einer Weile fragte Kira: „Und wenn ich den Knopf nicht drücke und der Planet bewohnt ist, meinst du, die da unten hätten noch eine Chance?“
„Nur, wenn wir uns entscheiden, da hinunterzugehen, um nachzusehen. Und ja, es könnte da unten intelligentes Leben geben. Wir wissen es nicht.“
Kira drehte sich zu Charly um.
„Es könnte aber doch sein, dass da unten intelligente Wesen existieren, von denen wir lernen könnten, oder nicht?“
„Wie kommst du darauf?“ Jetzt wurde Charly neugierig.
„Es könnte doch sein, dass unsere Scanner nicht durch die weisse Hülle dringen können, weil sie es nicht wollen?“
„Wenn dem so wäre? Niemand hat eine Ahnung, was für eine Spezies es da unten gibt und ob wir uns mit ihnen auch verständigen könnten. Und ich glaube nicht, dass sie wert auf Besuch legen, sonst hätten sie doch die Hülle nicht gebaut,“ erklärte Charly.
„Oder es ist eine Vorsichtsmassnahme gegen alles, was aus dem All auf sie zukommen kann, Meteoriten, ausgediente Satelliten, Asteroiden, Kometen oder ungebetene Gäste, so wie wir.“
„Es kann aber auch sein, dass sie gar nicht wissen, dass wir hier sind.“
„Das bezweifle ich,“ sagte Kira, „wer eine solche Hülle bauen kann, welche unseren Geräten widersteht, der wird auch wissen, was ausserhalb vor sich geht.“
„Da magst du recht haben, sie scheinen technisch schon sehr fortgeschritten zu sein. Ob sie es uns erklären würden?“
„Es käme auf einen Versuch an, vielleicht hören sie sich an, was wir zu sagen haben, oder es wird uns ergehen, wie allen anderen vor uns. Bisher ist noch keiner zurückgekommen. Niemand weiss, was mit ihnen geschehen ist. Es geht die Sage, dass es da unten Kannibalen gibt, die ihre Feinde schlachten und verspeisen,“ erklärte Kira.
„Es wird viel erzählt, wenn die Umlaufzeiten lang sind und Langeweile sich ausbreitet.“
„Dann würdest du es wagen, hinunterzugehen?“
Charly dachte einen Moment nach.
„Ja, warum nicht, aber nicht Beamen, sondern mit einem Gleiter. Das ist sicherer.“
Kira schaute wieder auf den kleinen, weissen Planeten.
„Du hast hier das Sagen. Wenn du das wirklich durchziehen willst, dann komme ich mit, ich will endlich wissen, was da unten los ist.“
„Gut, dann sage ich der Crew, sie sollen einen Gleiter bereit machen.“
Die Endever IV, welche den kleinen, weissen Planeten vor sich hatte, gehört zu einer Reihe, interplanetarer Patrouillenschiffe, die seit ewigen Zeiten im Raum herumgeisterten.
Früher hatten sie noch einen Nutzen, bis die ganze Galaxie erforscht war und sie dabei immer wieder auf fremde Lebensformen stiessen. Auch auf solche, die versuchten, sich gegen die Kolonialisierung zu wehren. Meist erfolglos, und so breitete sich die Menschheit in der ganzen Galaxie aus. Nur noch wenige Rätsel waren zu lösen, gab er unerforschte Planeten, vorwiegend am äussersten Rand der Milchstrasse.
Mit allen Spezies, welche noch existierten, lebte die Menschheit in Frieden und kriegerische Auseinandersetzungen gehörten seit bald hundert Jahren der Vergangenheit an.
Ferne Galaxien wurden von viel moderneren Schiffen besucht, solchen, die mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit durch das All reisen konnten.
Dabei nutzten sie die Raumkrümmung oder Wurmlöcher.
Die alte Kiste, auf die es vor zwei Jahren Kira verschlagen hatte, war dagegen eine lahme Ente und wurde mit den Jahren immer langsamer.
„Es reicht gerade noch, die Handelsrouten freizuhalten. Die paar Steinbrocken, welche von ausserhalb der Galaxie kommen, können wir immer noch aus dem Weg räumen. Zu mehr aber taugt die Kiste nicht mehr. Besser langsam, als dass uns das Ding noch um die Ohren fliegt,“ sagte Bordingenieur Harris und der musste doch wissen, wozu die alte Fregatte noch taugte.
So hatte die Endever IV den Auftrag, am Rande der Galaxie die verschiedenen Sonnensysteme zu kontrollieren und die letzten Planeten, die irgendwann einmal kartographisch erfasst worden waren, zu überprüfen und zu klassifizieren.
Und jetzt war dieser kleine, weisse Planet an der Reihe, einer der Letzten, hier am Rande der Milchstrasse, am Rande des Nichts.
„Bist du bereit, ein Abenteuer zu erleben?“ fragte Charly und schaute auf Kira, die neben ihm sass.
„Von mir aus kann es losgehen, gib dem Pferd die Sporen, Charly.“
Er drückte ein paar Knöpfe und endlich erwachte die Maschine zum Leben. Der weisse Gleiter Nummer vier, an dessen Seite vier hellblaue Streifen zu sehen waren, hob vom Boden ab und angetrieben durch die kleinen Steuerdüsen schwebte er aus der offenen Luke ins All. Eine Weile flogen sie langsam dahin, bis sie weit genug vom Schiff entfernt waren, um die Schubtriebwerke zu zünden.
Die Beschleunigung drückte sie in den Sessel und sie flogen auf den weissen Planeten zu. Dann gingen sie in einen nahen Orbit und umkreisten den Planeten in sich verändernden Bahnen, so, dass sie jeden Quadratmeter überflogen, nichts ausliessen.
„Siehst du einen Platz, an dem wir landen können?“ fragte Charly.
„Nein, bisher sehe ich nur Weiss, es scheint, als wäre der ganze Planet mit riesigen Bäumen überwachsen. Flieg ein wenig tiefer, vielleicht ist dann eine Lichtung auszumachen.“
Langsam flogen sie über das dichte Weiss, immer Ausschau haltend nach einem geeigneten Landeplatz.
„Auf zwei Uhr, das sieht vielversprechend aus, da könnten wir es probieren.“ Kira wies auf eine kleine, dunkle Öffnung im Blätterdach der Bäume.
„Bist du dir ganz sicher, dass du das willst?“ fragte Charly.
„Es könnte eine sehr kurze Reise sein, oder eine ohne Wiederkehr, unsere letzte Reise.“
„Das ist mir bewusst. Wenn unsere technischen Möglichkeiten keine Ergebnisse liefern können, müssen wir selbst da hinunter und nachsehen, auch wenn es im Moment nicht sehr einladend aussieht.“
„Gut, dann lass uns mal die Kiste herunterbringen.“
Charly musste sich konzentrieren, denn der Platz zwischen den Bäumen war kaum grösser als ihr Gleiter. Langsam sanken sie nach unten und staunten.
Erst sahen sie eine ganze Weile nur Blätter, deren Farbe sich von Weiss allmählich in Grün wandelte. Nach den Blättern sahen sie die Baumstämme und sanken Minuten lang neben diesen nach unter.
Die Bäume mussten mehrere hundert Meter hoch und uralt sein.
Charly gab den Bremsdüsen mehr Schub und sie setzten sanft in der Lichtung auf. Der Gleiter versank zur Hälfte im hohen, dichten Gras.
„Das habe ich so nicht erwartet,“ sagte Charly und liess die Kamera erst einmal eine Rundumsicht zeigen. Sie sahen nur Gras und Bäume. Auch auf den Anzeigen gab es keinen Hinweis auf anderes Leben, nicht einmal auf Viren oder Mikroben.
Charly stellte die Motoren ab und Kira das Aussenmikrofon an. Ausser einem leisen Windgeräusch war nichts zu hören. Keine Insekten, keine Vögel, keine Tiere oder Humanoide, nichts.
„Was ist das für ein seltsamer Planet, er scheint völlig ungewohnt zu sein. Nur Bäume und Gras, sonst nichts. Und die Bäume, von oben sind sie weiss, von unten sind sie grün, sehr seltsam,“ wunderte sich Kira.
„Es hilft alles nichts, wir gehen raus und sehen uns die Sache genauer an. Vielleicht ist das Mikrofon defekt.“ Charly schnallte sich ab.
„Oder die Geräusche sind alle in einer Tonlage, die unser Mikro nicht erfasst. Ultraschall, ober Infraschall, könnte doch sein.“
„Dann müssen wir uns entsprechend ausrüsten.
Irgendwo in einer der Kisten müssten noch alte Helme mit eingebauten Schalldetektoren herumliegen. Die haben wir auf Tonde 3 gebraucht. Das ist aber schon lange her.“
„Müssen wir eine Waffe mitnehmen? Oder wäre das eine Provokation gegenüber den Bewohnern, wenn es sie denn gibt und sie eine Waffe als solche erkennen können. Vielleicht sind es auch niedere Lebensformen, welche über das Stadium vom Fressen und gefressen werden, nicht hinausgekommen sind? Und ob unsere alten Laserpistolen noch taugen, ist gar nicht mal so sicher. Wann hast du das letzte Mal eine abgefeuert?“ fragte Kira besorgt und schnallte sich ebenfalls ab.
„Das muss Jahre her sein, ich kann mich gar nicht mehr an den Anlass erinnern. Ja, sag jetzt nichts, ich weiss, ich werde alt und vergesslich.“
„Das hast du gesagt,“ lachte Kira, „und ich werde mich hüten, dir zu widersprechen.“
Charly seufzte und schälte sich aus dem Pilotensessel.
„Dann sollten wir ausprobieren, ob sie noch funktionieren. Dafür müssen wir definitiv nach draussen. Hast du geprüft, ob die Aussenluft für uns ausreichend ist? Oder brauchen wir Atemgeräte?“
„Nein, die Aussenluft ist wie bei uns, etwas mehr Sauerstoff ist in ihrer Atmosphäre, wir können ganz normal atmen.“
„Ich ziehe trotzdem einen Helm an. Hier sind so viele Bäume, und wer weiss, vielleicht haben die aggressive Pollen. Mein Immunsystem ist eben auch in die Jahre gekommen.“ seufzte Charly und suchte nach der passenden Ausrüstung.
Nachdem sie alles beisammen hatten, öffneten sie die Schleuse des Gleiters und traten hinaus in das hohe Gras. Es war so hoch, dass sie beinahe nicht darüber hinwegsehen konnten.
„Lass uns erst die Laser ausprobieren.“
Beide schossen mit ihren Pistolen in das nähere Gras, welches sofort verbrannte.
„Gut, dann kann es jetzt losgehen,“ meinte Kira und ging voraus.
Langsam bewegten sie sich in Richtung der mächtigen Bäume und hinterliessen dabei eine breite Spur im hohen Gras.
Als sie am Rande der Lichtung ankamen, sahen sie sich um.
Hier war das Gras nur wenige Zentimeter hoch und zusammen mit gelben Moosen bedeckte es den ganzen Boden.
Dazwischen wuchsen Farne, die bis zu zehn Meter hoch waren.
„Alles wirkt auf mich wie überdimensioniert, viel grösser als auf der Erde,“ sagte Kira.
„Du warst schon einmal auf der Erde?“ Charly staunte.
„Natürlich, mit meinen Eltern, da war ich sechzehn. Wir sind ein ganzes Erdenjahr geblieben und ich habe die vier Jahreszeiten erlebt, es war unglaublich schön.“
„Und ist es tatsächlich so, wie es erzählt wird?“
„Ja, und es gibt verschiedene Zonen, die ganz unterschiedlich sind; am Äquator ist es immer warm, mit grüner Vegetation oder Gebieten, welche nur aus Sand bestehen. An den Polen gibt es ewiges Eis, weil die einzige Sonne, die sie haben, nicht genügend Wärme liefert, um es zu schmelzen. Es ist einfach traumhaft und ich möchte es noch einmal erleben oder für immer dort bleiben.“ Dann sieht sie ihn fragend an.
„Charly, sag bloss, du warst in den einhundertdreiundfünfzig Jahren noch nie auf der Erde?“
„Nein, ich hatte nie die Gelegenheit dazu. Ich bin immer nur am äusseren Rand unserer Galaxie unterwegs gewesen und immer auf der anderen Seite.“
„Und wo wurdest du denn geboren?“ wollte Kira wissen.
„Auf M 23, er soll erdähnlich sein, aber vergleichen kann ich ja nicht.“
„Vielleicht schaffst du es, eines Tages zur Erde zu reisen, nach deinem Abschied von der Flotte.“
„Ja, das könnte dann meine letzte Reise sein. Aber zuerst wollen wir schauen, was hier auf diesem Planeten los ist. Ich habe das Gefühl, wir werden noch Überraschungen erleben.“
„Und was machen wir nun? Wohin sollen wir gehen? Es sieht überall gleich aus. Nur Bäume und ein paar Farne, sonst nichts.“
Kira schaute sich enttäuscht um.
„Ich schlage vor, wir plündern den Essensvorrat des Gleiters und machen uns ein gemütliches Picknick unter Bäumen. Das habe ich seit Urzeiten nicht mehr getan. Wir haben auch keine Eile, denn der Planet läuft uns ja nicht weg.“
„Eine gute Idee, Charly, geniessen wir den Aufenthalt, es könnte sein, dass wir für lange Zeit keine Gelegenheit mehr dazu haben werden.“
Sie sassen unter den Bäumen und genossen die Speisen und Getränke, auch wenn es dieselben waren, welche sie tagein, tagaus auf dem Schiff zu essen und zu trinken bekamen. Eine grosse Auswahl gab es nicht, wenn sie nicht auf ihren Routineflügen einen erdähnlichen Planeten ansteuerten, auf dem sie ihre Vorräte auffüllen konnten. Dann gab es frische Lebensmittel, ansonsten war alles tiefgefroren oder auf die eine oder andere Art haltbar gemacht.
„Kira, wie bist du auf der Endever IV gelandet? Das ist aussergewöhnlich. Normalerweise haben wir keine so jungen Wissenschaftlerinnen an Bord. Alle wollen einen festen Job in der Forschung oder der Industrie, aber niemand will auf so einem alten Schiff anheuern.“
„Wenn du es für dich behalten kannst?“
„Das verspreche ich dir.“
„Meine Eltern haben mich sehr streng erzogen, aber auch extrem stark gefördert. Ich war das, was man allgemein als „Hochbegabt“ bezeichnet. Und so sah auch mein Dasein aus. Für ein Privatleben war kein Platz, während andere in meinem Alter feierten und durch die Galaxie reisten, musste ich lernen.
Und irgendwann hatte ich genug davon und bin abgehauen. Ein Skandal in der Welt der Wissenschaft. Die Tochter des Dekans, Professor Dr. Dr. Emanuel Plommer und der berühmten Professorin Jana Thomsen, war spurlos verschwunden.“
„Was, du bist die Tochter von Emanuel Plommer und Jana Thomsen? Das ist verrückt.“
Kira lächelte, als sie weiter erzählte.
„Ja, ich war die hochbegabte Tochter, von allen bewundert und beneidet.
Aber das wollte ich nicht mehr sein, ich wollte mein eigenes Leben haben. Darum habe ich mich einer berüchtigten Clique angeschlossen, die immer wieder auf verschiedenen Planeten auftauchte, für Wirbel sorgte und wieder verschwand.“
Kira lächelte und erinnerte sich gerne an diese Zeit.
„Wir waren Weltraumnomaden und immer mit dem besten Stoff ausgestattet, den man in der Galaxie erhalten konnte. Wir lebten in den Tag hinein, ohne Verantwortung und ohne in die Zukunft zu schauen, wir lebten nur im Hier und Jetzt. Im Nachhinein: die schönste Zeit meines Lebens.“
„Und was hat sich verändert?“
„Eines Tages, wir haben es wohl übertrieben, wurden wir von der Polizei festgenommen und nach Hause gebracht. Damals lebten wir auf Helios. Meine Eltern stellten mir ein Ultimatum. Entweder Hausarrest, das bedeutete die totale Überwachung, oder Dienst auf einem der Raumschiffe. Und da mein Vater über hervorragende Beziehungen verfügt, landete ich auf der Endever IV, die während vier Jahren mein Verbannungsort sein sollte, solange, bis ich wieder vernünftig wäre.“
„Wieso bist du nicht unter dem Namen Plommer hier? Der Name ist berühmt und hätte dir doch helfen können.“
„Natürlich, aber alle hätten sich gefragt, was hat die Kleine ausgefressen, dass sie hier gelandet ist? Deswegen bin ich froh, dass mich niemand erkannt hat und ich so sein kann, wie ich bin.“
„Wenn das so ist, dann schätze ich mich glücklich, Kira Thomsen dich neben mir zu wissen.“
„Danke, Charly.“
Nachdem sie das Picknick beendet hatten, wandte sich Kira an ihren Begleiter.
„Charly, die Techniker müssen den Gleiter besser warten, die Schleusentüre hat laut gequietscht, als ich sie schliessen wollte.“
-2-
Sie wussten nicht, woher sie gekommen waren, hatten nichts gesehen und nichts gehört. Plötzlich standen sie vor ihnen.
Auf den ersten Blick sahen sie aus wie Homo sapiens, wie Menschen. Nur grösser und kräftiger, mit weissen Haaren und grünen Augen. Die drei Fremden standen da und schauten auf Kira und Charly herunter.
Soweit die beiden sehen konnten, trugen sie keine Waffen.
Dann waren sie so plötzlich weg, wie sie gekommen waren.
„War das ein Spuk? Geister? Ein Hologramm? Oder träume ich?“ fragte sich Kira und schaute auf den Ort, an dem die Besucher gestanden hatten.
Das Gras war tief eingedrückt. Es war kein Traum.
„Kannst du mir sagen, was das war?“ fragte Charly verwundert.
„Ich habe keine Ahnung, ich kann es mir auch nicht erklären.“
Ratlos standen die beiden da.
Dann ergriff Charly wieder die Initiative.
„Lass uns mal schauen, ob wir irgendwelche Signale oder Töne hören. Ich überprüfe zuerst den Ultraschall- und du den Infraschallbereich.“
„Hier ist nichts,“ sagte Kira nach einer Weile und lauschte weiter.
„Ich habe auch nichts, keinen Ton, das alles ist sehr seltsam.“
„Jetzt habe ich was,“ sagte Kira aufgeregt, „etwas kommt auf uns zu.“
Gespannt sahen sie auf den dichten Wald und tatsächlich bewegte sich etwas zwischen den hohen Stämmen.
Wo sie das Tier einordnen sollten, konnten sie nicht sagen.
Es war gedrungen wie ein Wasserbüffel, aber ohne Hörner, gestreift wie ein Zebra, aber nicht schwarz und weiss, sondern grün und braun. So war das Tier nur schwer in dieser üppigen Vegetation auszumachen.
Es hatte vier Hinterbeine und war deswegen gegen die fünf Meter lang.
Auf seinem Rücken sassen zwei Männer.
Sie waren ungefähr vierzig Jahre alt und trugen helle Hemden und Hosen aus Leinen.
Langsam stiegen von dem Tier herunter und kamen auf die Besucher zu.
Erst jetzt sahen Kira und Charly die Embleme auf ihrer Brust. Das Zeichen der Sternenflotte.
Gehörten die beiden zu den Vermissten? Das konnte nicht sein, sie müssten schon über neunzig Jahre zählen. Nein, diese beiden waren zu jung dafür.
„Ich bin Leutnant Frederick Braun, alle nennen mich Fredi, und dies ist der Bordingenieur Stefan Hong. Wir gehörten zur Besatzung der Endever II. Und mit wem haben wir die Ehre?“
Kira und Charly starrten die beiden an.
„Ich bin Charly Gates, Expeditionsleiter und neben mir steht Kira Thomsen, Biologin, wir sind von der Endever IV.“
„Freut uns, euch kennenzulernen, Kira und Charly, wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Gäste sein würdet. Wir wohnen nicht weit von hier. Und wie ich in euren Gesichtern sehe, habt ihr eine Unmenge an Fragen,“ lachte Stefan.
Kira und Charly sahen einander an und nickten.
„Danke für die Einladung,“ sagte Kira, „die nehmen wir sehr gerne an.“
„Dann kommt mit, auf unserem Horiun ist genügend Platz.“
Als alle auf dem Tier sassen, trottete es zwischen den hohen Bäumen hindurch. Kira und Charly sahen sich um. Das Einzige, was sie sahen, waren Bäume, fast alle gleich hoch, ihre Stämme nahezu gleich dick, und sie unterschieden sich kaum.
Dazwischen ein paar Farne, und der Boden war mit grünem Gras und gelbem Moos gedeckt.
„Hier sieht alles gleich aus, ist es auf dem ganzen Planeten so?“ fragte Kira.
„Für Neuankömmlinge sieht wirklich alles gleich aus. Mit der Zeit aber sieht man die Unterschiede, nur erklären kann man sie nicht.“ Fredi lächelte.
„Daran werdet ihr euch schon noch gewöhnen,“ sagte Stefan und lächelte ebenfalls.
„Dazu wird es wohl nicht kommen,“ sagte Charly, „wenn wir wissen, was hier auf eurem Planeten vor sich geht und wir die einheimische Bevölkerung kennengelernt haben, werden wir wieder zu unserm Schiff zurückkehren.“
Er sah die beiden Männer an und sagte dann: „Wenn ihr wollt, könnt ihr mitkommen.“
„Wir werden sehen, zuerst seid ihr unsere Gäste.“
Die Reise ging weiter, langsam, denn das Horiun war kein Rennpferd. Der Wald war wie ausgestorben. Keine Anzeichen, dass hier Tiere lebten, nicht einmal Insekten oder Vögel. Das einzige Tier, das sie sahen, war das Horiun.
„Was ihr jetzt vor euch seht, ist unser Zuhause,“ sagte Fredi.
Ein kleiner See, in dem auch hohe Bäume standen, lag vor ihnen und glitzerte im Sonnenlicht der beiden Sonnen, die den Planeten beschienen und ihm die Wärme spendeten, welche die Vegetation zum Leben brauchte.
Am Ende des Sees standen kleine Holzhäuser mit Veranden, auf denen Menschen standen und ihnen entgegensahen.
Fredi und Stefan winkten ihnen zu. Die meisten winkten zurück und verschwanden wieder in ihren Häusern.
Zwei Frauen kamen näher und umarmten die Männer.
„Das ist meine Frau Adele,“ sagte Fredi und küsste sie zärtlich. „Und das ist meine bessere Hälfte, Linda,“ erklärte Stefan.
Inzwischen waren viele Kinder gekommen, und Kira wurde umringt und bestaunt.
Feuerrote Locken und himmelblaue Augen, das hatten sie noch nie gesehen.
Alle Menschen hier hatten dunkelblonde bis dunkelbraune Haare und braune Augen.
„Sind das alles eure Kinder?“ lachte Kira und musste sich bücken, denn alle wollten ihre roten Haare anfassen.
„Nein, wir sind die einzigen Paare, welche keine dieser Plagegeister haben,“ lachte Stefan.
„Wir sind im Moment sechzig Personen, die hier im Dorf leben und nun kommt mit, heute seid ihr meine Gäste.“
Sie wurden herzlich ausgenommen und mit frischem Wasser und leckeren Speisen verwöhnt. Was sie da assen, wussten sie nicht und sie wollten auch nicht nachfragen, Hauptsache, es war gut, und, das mussten sie eingestehen, besser als auf ihrem Schiff.
Abends sassen sie bei Fredi auf der Terrasse.
„Jetzt könnt ihr eure Fragen stellen.“
„Zuerst möchte ich wissen, wie lange du schon hier bist. Die Endever II ist schon vor Jahren verschrottet worden und auch die Endever III ist längst ausser Dienst gestellt.“
„Diese Frage haben wir erwartet, wir hätten sie genau so gestellt. Es klingt in euren Ohren sehr ungewöhnlich, ja, unglaublich, aber Stefan und ich sind zweihunderfünfundachtzig Jahre alt.“
Kira und Charly staunten, wie war so etwas möglich?
„Wir sind beide mit zwanzig Jahren hier gestrandet, zusammen mit zwanzig Siedlern, welche nach Futura reisen wollten. Die Zeit vergeht hier viel langsamer als im Rest der Galaxie. Wir haben versucht, es zu berechnen und sind darauf gekommen, dass sie hier siebenmal langsamer vergeht. Deswegen sind wir bald dreihundert Jahre alt, aber physiologisch sind wir etwas über Vierzig. Alles geht hier viel langsamer, nur eines nicht und das betrifft die Iongi, die Ureinwohner dieses Planeten.“
„Sind das die Wesen, welche wir zuerst gesehen haben?
Die standen plötzlich da und waren genauso schnell wieder verschwunden.
Zuerst dachte ich an ein Hologramm, aber dann sah ich den Abdruck im Gras, also waren sie wirklich da,“ sagte Kira nachdenklich, „und ich kann es mir nicht erklären.“
„Als wir hier gelandet sind, ist es uns genauso ergangen. Wir dachten erst an Geister. Dann aber lernten wir sie kennen.“
Fredi sah die skeptischen Blicke seiner Gäste.
„Ich könnte versuchen, es euch zu erklären, aber ihr würdet es nicht verstehen, es ist so unglaublich, so aussergewöhnlich, dass es unsere Vorstellungskraft übersteigt. Mein Vorschlag ist, wir warten, bis sie uns morgen besuchen, denn auch sie sind neugierig und möchten wissen, wer ihr seid.“
„Da bin ich gespannt, was wir erleben werden.“
Auch Charly war neugierig.
„Ihr könnt in unserem Gästezimmer schlafen, ob in einem oder in zwei Betten, ist eure Sache. Hier kümmert das niemanden.“
-3-
Sie sind plötzlich da, wie schon bei der ersten Begegnung. Und wieder staunen Kira und Charly. Wieder waren es Drei. Fredi stellt sich vor die Iongi und hob langsam die Hand, die Handflächen nach vorn. Der Mittlere der Drei hob ebenfalls die Hand. Es ging so schnell, dass nur ein Schatten zu sehen war.
„Ich grüsse dich, Ohar, sei willkommen bei uns.
Unsere Gäste kommen von dem Raumschiff, das unseren Planeten umkreist. Sie sind gekommen, weil sie wissen möchten, wer hier lebt und um uns kennenzulernen.“
Kira und Charly verstanden kein Wort; eine solche Sprache war ihnen gänzlich unbekannt; es gab in der ganzen Galaxie nichts Vergleichbares. Nach einer angeregten Unterhaltung schauten die Iongi auf die Gäste und nickten.
Dabei blieb der Gesichtsausdruck der Iongi immer gleich, wie eine Maske, ohne Emotionen, gefühllos.
Dann drehte Fredi sich zu Kira und Charly um.
„Ohar hat sich bereiterklärt, euch zu demonstrieren, warum er so plötzlich kommt und wieder weg ist. Er wird sich jetzt so langsam bewegen, wie eine Schnecke.“
Die Bewegung war kaum zu sehen, so schnell war sie.
„Und das ist langsam?“ fragt Kira staunend.
„Ja, das war sehr langsam.
Die Iongi sind so schnell, wie wir es uns nicht vorstellen können. Es ist, als würden sie sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen.“
Kira und Charly waren überfordert.
„Und nicht nur das, auch ihre Sprache ist so schnell, dass unsere Mikrofone die Töne gar nicht erfassen können.“
„Aber du hast doch mit ihm gesprochen, wie machst du das?“ wollte Charly wissen.
„Ich bin der Einzige, der mit ihm sprechen kann. Ich weiss nicht, warum. Und auf der anderen Seite ist es Ohar, der es kann.“
„Doch unsere Kinder haben das Talent geerbt, auf unserer Seite sind es vor allem die Mädchen und auf Ohars Seite sind es auch die Mädchen, wobei sich bei ihnen jedes Wesen selbst entscheiden kann, welches Geschlecht es annehmen will.
Für uns unverständlich und nicht vorstellbar, wie das biologisch funktionieren soll.“