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Silber war schon immer und ist noch heute ein sehr begehrtes Edelmetall. Im Schatten von Gold und Diamanten wird seit der Antike um das Silber gerungen. Dies ist bis heute so geblieben, und die Mächtigen teilen sich die Welt des Silbers auf. Lehnt sich ein kleines Unternehmen dagegen auf, hat das seine Konsequenzen, und sie müssen alles unternehmen, um sich gegen die Grossen zu behaupten. Auch mit unkonventionellen Mitteln und Hilfe von Freunden.
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Seitenzahl: 258
Veröffentlichungsjahr: 2025
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Albert Einstein
SILBER
Urs Herzog
© 2025 Urs Herzog
Coverdesign von: Urs herzog
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Die Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Cover
Titelblatt
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Kapitel 1
Kapitel 70
Cover
1
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- 1 -
Er liebte und verehrte die Frauen und hasste Männer, die ihnen Gewalt antaten. Er wusste, dass dies eine seiner Schwächen war, die ihn zu unüberlegten Aktionen verleiten konnten. Es war deswegen für ihn nicht immer einfach, seine Emotionen auszuschalten. Doch im Laufe der erfolgreichen Jahre hatte es dies gelernt. Seine Aufträge führte er aus, wie es von ihm erwartet wurde. Präzise und erfolgreich.
Doch dieses Mal war es anders als sonst.
Dieses Mal war es kein Auftrag, diesmal war es persönlich. Das war es bis anhin noch nie. Es war das erste Mal und deswegen war die Aufgabe umso schwerer.
Der Mann hatte schon eine Reihe von Frauen vergewaltigt.
Er wurde immer wieder angeklagt, war aber bisher stets freigekommen, weil jedesmal Aussage gegen Aussage stand. Nie waren Augenzeugen vorhanden und deswegen konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Zudem verkehrte er in den höchsten Kreisen, besass er einen tadellosen Leumund und hatte für alle Tatzeiten immer ein wasserdichtes Alibi.
Den Gerichten blieb nicht anderes übrig, als die Klagen mangels Beweisen abzulehnen oder ihn freizusprechen.
Chris glaubte das nicht. Dann wurde die minderjährige Tochter eines alten Studienfreundes Opfer dieses Gewalttäters. Der Vater des Mädchens war ein bekannter Politiker, und um so grösser waren die Schlagzeilen und die Erwartungen an Polizei und Justiz. Doch auch in diesem Fall besass der Mann wieder ein Alibi, konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Der Verteidiger versteifte sich in der Aussage, dass junge Mädchen hätte nur Aufmerksamkeit gesucht, weil es diese Zuhause nicht bekommen habe.
Chris ging der Sache nach und seine Informationen und Recherchen ergaben ein ganz anderes Bild.
Auch wenn niemand gegen ihn vor Gericht aussagen wollte, weil ihn alle fürchteten, war eines deutlich. Der Mann war ein Psychopath und eine Gefahr für alle Frauen.
Das konnte nicht länger geduldet werden, er musste weg.
Die Planung dauerte zwei Wochen. In dieser Zeit musste er den Tagesablauf der Familie des Opfers kennenlernen und dafür sorgen, dass sie am entscheidenden Tag alle ein lückenloses Alibi hatten. Dabei kam ihm ein Empfang der ganzen Familie anlässlich einer Benefizveranstaltung zu Gunsten von Gewaltopfern entgegen, bei der sein Studienfreund als Mäzen in Erscheinung trat.
Chris erschoss den Vergewaltiger, als der Mann mit seinen Kumpels auf einer Kneipentour war. Er traf ihn, inmitten seiner Saufkumpanen, direkt ins Herz. Wie ein nasser Sack kippte er um und war tot.
Die Zeitungen überschlugen sich mit Mutmassungen und abenteuerlichen Theorien. Mal war es ein Opfer oder ein Angehöriger, mal hatte die Mafia die Hand im Spiel, oder die Konkurrenz hatte ihn erledigt.
Alle seine Opfer atmeten erleichtert auf, endlich war das Schwein weg, hatte seine gerechte Strafe bekommen.
Die Ermittlungen der Polizei verliefen im Sande. Ein Täter konnte nie ermittelt werden und mancher war auch froh darüber.
Chris hatte seine Aufgabe erledigt und nun hiess es für ihn wieder: der nächsten Auftrag wartet.
Seine Reise ging vom kühlen Norden in den sonnigen Süden Frankreichs.
Ruhig und entspannt nahm er das Scharfschützengewehr herunter und schaute durch sein Fernglas hinüber zum Golfplatz. Die Distanz von tausend Metern waren für ihn kein Problem gewesen.
Es hätten auch zweihundert Meter mehr sein können, dazu hätte es nur eine Änderung der Distanzeinstellung und eine andere Munition gebraucht. Eine mit mehr Durchschlagskraft. Doch darauf verzichtete er nach Möglichkeit.
Chris war bestrebt, immer die Standartmunition der Armee des jeweiligen Landes zu verwenden, denn diese wurde millionenfach verbraucht.
Einen präzisen und erfolgreichen Schuss auf die Distanz von tausend Metern konnten nur Profis ausführen und er war einer der Besten.
Die Morgensonne schien flach über die sanften Hügel des Golfplatzes, die Sicht war ungetrübt und optimal. Kein Flimmern der Luft, wie es an einem heissen Nachmittag sein konnte.
Ein schwacher Wind strich über das Gras und die kleinen Fahnen an den Löchern gaben ihm einen Hinweis auf seine Richtung und seine Stärke. Das perfekte Wetter für seine Arbeit.
Der kleine, etwas korpulente Mann in seiner Golfkleidung, stand am Abschlag zum dreizehnten Loch und holte den Driver aus seinem Bag. Er war allein unterwegs, denn ihm gehörte der Platz und dieser war von Mauern und Zäunen umgeben und von Kameras überwacht.
Hin und wieder veranstaltete er ein Turnier mit ausgewählten Gästen aus Politik und Finanz, Film und Fernsehen. Dabei liessen ihn die Gäste immer gewinnen, denn niemand wollte seine Gunst verlieren. Dass er ein Pate der Mafia sei, darüber wurde nur gemunkelt, nachzuweisen war ihm nie etwas. Und es gab viele, die auch kein Interesse daran hatten, denn sie profitierten davon. Korruption gab es überall.
Zu seiner Ehrenrettung sei angemerkt, dass er kein schlechter Spieler war, aber auch nicht mehr als Durchschnitt.
Und nun lag er ausgestreckt neben seinem Caddy, den Driver noch umklammert.
Der Schuss in sein Herz war sofort tödlich gewesen.
Alle seine Sicherheitsvorkehrungen hatten nichts genutzt, denn Chris hatte von ausserhalb der Anlage, von einer leichten Anhöhe aus, geschossen.
Zufrieden zerlegte er das Präzisionsgewehr und verstaute alles in seinem Rucksack, wanderte er den Hügel hinunter und legte ihn in den Kofferraum des Mietwagens.
Diesen würde er am Flughafen wieder abgeben und mit seinem eigenen Auto die Reise fortsetzten. In seinem Wagen hatte er ein verstecktes Fach für die Waffe einbauen lassen. Bei einer Verkehrskontrolle wollte er nicht den Besitz eines Gewehres erklären müssen.
Wieder hatte er einen Job zur Zufriedenheit des Auftraggebers erledigt.
Es wurde Zeit, wieder einmal Bilanz zu ziehen. Seine Aufträge zählte er nicht mehr, es war ihm auch nicht wichtig. Auch seine Opfer interessierten ihn nicht, die wollte er auch nicht kennenlernen, einzig ihre Gewohnheiten und ihre Vorlieben.
Nur Angaben und Informationen, die er für seine Arbeit brauchte, denn eine präzise Vorbereitung, das mögliche Ausschliessen aller unvorhersehbaren Ereignisse, waren das Mass aller Dinge und der Garant, erfolgreich zu sein..
Und bisher war er erfolgreich, sehr erfolgreich und das wollte er auch weiterhin bleiben.
Doch bis er den nächsten Auftrag annehmen konnte, musste er sich um seine offiziellen Geschäfte kümmern und dann wollte er sich noch ein paar Tage in der Karibik erholen.
Dieses Mal auf St. Lucia.
- 2 -
Schon Anfang Dezember herrschte tiefster Winter, so, wie seit Jahren nicht mehr. Die Kälte und die Schneefälle dauerten nun schon eine ganze Woche an und ein Ende war nicht abzusehen.
Die ganzen Alpen verschwanden unter einer dicken, weissen Schneedecke und die Bewohner kamen kaum nach, die winterliche Pracht zur Seite zu räumen. Überall türmten sich die Haufen und immer wieder verschüttete eine Dachlawine den zuvor geräumten Zugang zum Haus.
Die Autos waren alle zugeschneit und die Besitzer hatten Mühe, ihr Fahrzeuge auszugraben, wenn sie sich denn noch erinnern konnten, wo sie es abgestellt hatten, unter welchem Schneegebirge sich ihr Wagen befinden könnte.
Wenn sie denn ihr Auto nutzen konnten. Die Schneepflüge und Schneefräsen waren im Dauereinsatz und nur mit Mühe gelang es, die Hauptverkehrsstrassen offen zu halten. Zeitweise mussten die Alpenpässe geschlossen werden, weil Lawinenabgänge befürchtet wurden.
Auf den Nebenstrassen blieb der Schnee liegen und manche Orte waren kaum mehr zu erreichen. Glück hatte, wer über Schneeketten verfügte.
Am Ende blieb nur die Bahn, und das Räumen der Schienen ein Vierundzwanzigstundenjob. Aber dank langjähriger Erfahrung und ausgezeichnetem Personal, verkehrten die meisten Züge planmässig und pünktlich.
Niemand wusste, wohin mit dem Schnee, so viel war in so kurzer Zeit seit Jahren nicht mehr gefallen.
Und es sollte noch mehr werden. Die Wetterprognosen zeigten ein riesiges Tiefdruckgebiet an, sodass der Schneefall noch eine ganze Woche anhalten würde.
Die Lawinengefahr wurde von erheblich über gross, bis sehr gross, der höchsten Stufe gesteigert. Nur noch auf markierten Pisten war das Fahren noch sicher.
Schon waren die ersten Opfer zu beklagen.
Leute, die nicht auf das Tiefschneefahren verzichten wollten und überzeugt waren, ihnen würde nichts geschehen. Unbelehrbare.
Die Touristikbranche freute sich.
Endlich wieder einmal genügend Schnee und daher viele Gäste, welche die weisse Pracht geniessen wollten. Schnee gab es nun genügend und er würde bestimmt bis im Frühjahr liegen bleiben. Was noch fehlte, waren ein blauer Himmel und Sonnenschein. Dann wäre sie Skisaison perfekt.
Langsam fuhr an diesem Dienstag die blaue Kabine in der Bergstation ein.
Leicht schaukelte sie, bevor sie endgültig an der Kante ankam und mit einem Ruck stehen blieb.
Die Türen öffneten sich automatisch und Chris stieg aus.
Plötzlich blendete ihn die helle Wintersonne, denn für einen Augenblick hatte die Wolkendecke aufgerissen und die gleissenden Sonnenstrahlen ergossen sich über die weisse, glitzernde Pracht. Seine Brille war perfekt, um die Konturen im Schnee zu erkennen, doch für die direkten Sonnenstrahlen nicht geeignet.
Zudem blies ihm der kalter Wind hart in Gesicht, sodass er sich umdrehte und die Kapuze seines weissen Anorak hochschlug. Er zog die Handschuhe an und schaute sich um.
Niemand, der sich für ihn interessierte, gut so.
Das Pärchen, welches mit nach oben gefahren war, hatte keine Augen für ihn, war mit sich selbst beschäftigt.
Er ging an die Rückseite der Kabine, griff nach seinen dunkelblauen Skiern, die in einem Behälter aus gelochtem Aluminiumblech steckten, legte sie auf die Schultern und stampfte durch den Schnee dem Bergrestaurant entgegen.
Die Wolkendecke hatte sich geschlossen und die Sonnenstrahlen wieder verschwunden. Ein kurzes Intermezzo.
Nur wenige Touristen fuhren an diesem späten Nachmittag noch auf dem Gipfel, sodass auf der Aussichtsterrasse genügend Platz zu finden war.
Hätte die Sonne noch geschienen und wäre der eisige Wind nicht gewesen, er hätte sich an einem windgeschützten Ort auf einen Liegestuhl gelegt, um zu sonnen. Doch dafür war das Wetter heute deutlich zu ungemütlich, kalt und trist.
Bald würde es Eindunkeln und die Meisten wollten vorher noch bis ins Tal hinunterfahren. Nur ganz Wenige warteten auf die Dämmerung, um dann mit Fackeln in der Hand die Piste hinunterzugleiten.
Dies erforderte eine grosse Erfahrung, etwas, was ihm fehlte. Meist waren es auch nur Skilehrer, Angestellte der Bergbahn oder Einheimische.
Oder unbesonnene und sich selbst überschätzende Verrückte.
Er war nie Nachts gefahren und würde es auch nicht versuchen.
Im grossen, modernen Restaurant herrschte Aufbruchstimmung. Die Besucher drängten aus der Tür, sodass er Mühe hatte, ins Innere zu gelangen.
Die Gäste wollten jetzt zu Tal fahren, ob auf den Skiern oder mit der Bahn, denn auch das kalte, trübe Wetter verleitete niemanden, länger zu bleiben. Deswegen war nun die Anzahl der Gäste überschaubar.
Nur noch wenige Tische waren besetzt und das übliche Gedränge an der Selbstbedienungstheke war auch vorbei.
Das ganze Restaurant wirkte kalt, nüchtern, unpersönlich.
Es hatte nichts mit Berghütten-Romantik zu tun, etwas, was viele Gäste auch suchten, aber heutzutage nur noch selten fanden. Ein ungemütliches Lokal.
Die Besucher sollten auch nicht länger als nötig bleiben, sondern den Nachfolgenden Platz machen. Umsatz war die Maxime und nicht Gemütlichkeit.
Der Kassier schien die Einnahmen zu überprüfen, denn bald schloss das Restaurant. Kurz danach würde die Glocke die letzten Passagiere rufen und die Gondel die letzte Fahrt ins Tal antreten.
Er sah sich suchend im Restaurant um und entdeckte den Mann und seine Begleiter.
Sie waren inkognito auf den Berg gefahren und keiner der anderen Gäste oder des Personals hatten ihn erkannt.
Sie sassen an einem der hohen Fenster, die normalerweise das Panorama auf die umliegenden Walliser Viertausender freigab.
Ein überwältigender Anblick, den zu geniessen schon fast Pflicht war, auch wenn heute die meisten Gipfel in den Wolken verschwanden.
Die fünf unterhielten sich leise und hatten kein Auge für die Erhabenheit der Bergwelt.
Chris holte sich einen Espresso und setzte sich abseits an einen kleinen Tisch, so, dass er die wenigen Gäste im Blickfeld hatte.
Theobald Linus Myers, seine Freunde nannten ihn Ted, war Multimillionär und ein begehrter Junggeselle. Er ging gegen die vierzig und war noch nie verheiratet gewesen.
Seine Beziehungen zum weiblichen Geschlecht dauerten in der Regel nur wenige Wochen, wobei am Ende beide Seiten der anderen Partei die Schuld für das Zerwürfnis zuwies und es nicht selten im Nachhinein seine Anwälte beschäftigte.
Wahrscheinlich lag es wie immer an beiden Parteien und den unterschiedlichen Erwartungen.
Ted war das, was Frauen einen attraktiven Mann nennen, und nicht nur sein Reichtum, nein, auch sein Äusseres machte ihn anziehend. Grossgewachsen und athletisch, - er war gut gezahlter Fussballspieler gewesen -, mit dunklen Haaren, blauen Augen und stets einem Lächeln im gebräunten Gesicht.
Von seinen Eltern hatte er ein grosses Vermögen geerbt.
Heute hatte er eine blonde Perücke übergezogen und eine dicke Hornbrille sass auf seiner markanten Nase.
Er trug eine blaue Skihose und einen blau und weiss karierten Anorak, dazu einen blauen Schal und eine Mütze in der gleichen Farbe. In dieser Verkleidung hätte ihn selbst seine Mutter nicht wiedererkannt.
Seine Begleiter konnten ihren Job nicht verheimlichen, es waren seine Bodyguards.
Sie steckten in schwarzen Skianzügen und hatten kleine, schwarze Rucksäcke umgeschnallt.
Alle hatten sie ihre schwarze Sonnenbrille ins Haar geschoben. Immer wieder schauten sie sich um, blockten alle Leute ab, die sich dem Tisch näherten, bereit ihren Boss zu beschützen. Dann standen sie auf und gemeinsam verliessen sie das Restaurant, wobei zwei der Männer vor und zwei hinter Ted gingen.
Er fragte sich, warum diese vier Männer aussahen wie alle anderen Bodyguards, auffällig, auch wenn es das Gegenteil sein sollte, und unfreundlich, mit hart blickenden Augen, auch wenn es fehl am Platz war.
Eigentlich sahen sie auf der ganzen Welt gleich aus.
Das musste so eine Art Manie sein oder für das Image unerlässlich. Wahrscheinlich schauten diese Leute zu viele Agentenfilme.
Mit Mühe drückten sie die Ausgangstüre auf, denn der Wind hatte an Stärke zugenommen und blies gegen den Eingang.
Sie griffen nach den Skiern, welche in einem Metallrechen neben dem Eingang standen, schnallten sie an und fuhren langsam in Richtung schwarzer Piste.
Dort hielten sie kurz an und fuhren dann im Pulk den Berg hinunter.
Chris hatte dem Treiben aufmerksam zugesehen, war hinterher gegangen und hatte seine Latten ebenfalls angeschnallt.
Kräftig stiess er ab und fuhr den anderen hinterher.
Er braucht sich nicht zu beeilen, denn er kannte die Strecke wie seine Hosentasche. Auch die Abkürzung durch den dichten Wald, die nur wenigen bekannt war.
In seiner Jugendzeit hatte er viele Wochen hier in den Bergen verbracht, war auf allen Pisten unterwegs gewesen und hatte es zu einer solchen Meisterschaft gebracht, dass er angefragt wurde, ob er bei offiziellen Skirennen mitfahren wolle. Er hätte auch die Chance gehabt, in die Skiakademie aufgenommen zu werden.
Das aber hätte für ihn bedeutet, dass er die Schule hätte wechseln müssen, was er nicht wollte; gefiel es ihm doch im Internat in Belgien.
Aufgewachsen war er im Osten Frankreichs, nahe der Schweizer Grenze.
Sein Vater war ein erfolgreicher Unternehmer und ein überaus strenger Mann, der vor allem keine Widerrede duldete und auch seine Frau selten zu Wort kommen liess.
Er konnte nicht sagen, dass er seinen Vater liebte, aber er respektierte ihn.
Wenn sie in den Urlaub fuhren, dann in die Berge in der Schweiz. Im Sommer um zu Wandern und im Winter um Ski zu fahren. Wandern war nicht so seins, auch wenn er immer mit musste, aber Skifahren, das liebte er.
Dennoch, mehr als die Berge, liebte er das Meer.
Er erinnerte sich, als er das erste Mal in Westfrankreich, in der Bretagne, am Ufer des Atlantik stand.
Die unendliche Weite, die erhabene Grösse, hier fühlte er sich frei und ungebunden, hier war er sich Zuhause.
Er hatte über das endlose Wasser geschaut, die salzige Meeresluft tief eingeatmet und wusste, „ich bin abgekommen“ und das war bis heute so geblieben.
Nach einer rasanten Fahrt auf der Abkürzung durch den tief verschneiten Wald, erreichte er die grosse Schneise noch vor den anderen.
Er schnallte seine Ski ab und steckte sie in den Schnee, ebenso die beiden schwarzen Stöcke.
Dann suchte er sich eine dicke, mit Schnee überzogene Tanne aus, stampfte den Schnee zusammen und stellte sich dahinter. Sein Blick ging am Stamm vorbei auf die Piste. Ein idealer Standort, hier konnte er bleiben. Er zog die dicken Handschuhe aus und ein paar dünnere aus Leder an. Aus seinem schwarzen Rucksack zog er ein zweiteiliges Scharfschützengewehr, welches der Büchsenmacher extra für ihn angefertigt hatte.
Er setzte es zusammen und schraubte den schwarzen Schalldämpfer auf die Laufmündung. Dann nahm er das Gewehr hoch und schaute durch das Fernrohr auf die Skifahrer, welche die Schneise herunterkamen. Das Okular stellte er so ein, dass er sein Ziel in der Mitte der Schneise deutlich sehen konnte.
Einfach würde die Aufgabe nicht werden.
Es waren noch viele andere Skifahrer unterwegs und die meisten fuhren rasant die Piste hinunter, waren schnell aus dem Sucher verschwunden. Das Gewehr war nun eingestellt und er nahm es wieder herunter. Geduldig wartete er und wusste, dass die Zeitspanne nur kurz sein würde, um seinen Job zu erledigen.
Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, ruhig und geduldig zu warten. Eine wichtige Grundvoraussetzung für seine Arbeit.
Seine erste Idee war, den Job in der Stadt zu erledigen, wo viele Menschen unterwegs waren und der Verkehr alle anderen Geräusche übertönen würde, so, dass er keine Probleme gehabt hätte, von einer höheren Position aus, zum Schuss zu kommen.
Zudem waren die Möglichkeiten grösser und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ihn bemerken würde, unendlich geringer als hier im Wald. Er kannte die Gewohnheiten von Myers und es war für ihn ein Leichtes, den passenden Ort zu finden.
Doch bevor es dazu kam, entschloss sich Myers spontan zum Skifahren in die Berge zu reisen.
Für Chris war dies kein Problem und er hatte es auch nicht eilig, denn Myers fuhr immer an den gleichen Ort, an dem er meist zwei Wochen blieb.
Seine Erfahrung half ihm, die neue Situation zu erfassen, ruhig und wohlüberlegt die nötigen Schritte in die Wege zu leiten und sich auf die Änderung einzustellen.
Er wusste, dass die, welche improvisierten, am Ende geschnappt wurden, weil sie eine Kleinigkeit nicht bedacht oder übersehen hatten.
„Eigentlich müssten sie jetzt kommen,“ sagte er sich, holte tief Luft und brachte das Gewehr in Anschlag.
Dann sah er sie auch schon die Piste herunterkommen. Voraus zwei Bodyguards, dann Ted und dahinter die beiden anderen Beschützer. Zu seinem Glück fuhren sie nicht allzu schnell und er konnte sie durch sein Zielfernrohr genau sehen und ihre Bewegungen verfolgen.
Er atmete ruhig aus und dann ging es rasend schnell.
Es waren nur leise Plopps zu hören, dann stürzten die hinteren Männer in den Schnee und die beiden Vorderen folgten.
Die Zwei fielen so unglücklich, dass Ted in sie hineinfuhr und über sie hinweg zu Fall kam. Dabei verlor er beide Skis und schlug hart auf. Verwirrt rappelte er sich hoch und sah sich ratlos um.
Seine Personenschützers lagen stöhnend auf dem Boden und unter ihnen färbte sich der Schnee rot.
Fassungslos kniete Ted auf dem Boden, konnte nicht verstehen, was geschehen war, nicht begreifen, was er sah, schüttelte nur seinen Kopf.
Ruhig nahm Chris das Gewehr herunter, schraubte den Schalldämpfer ab, zerlegte seine Waffe und verstaute sie wieder im Rucksack.
Die Patronenhülsen konnte er liegen lassen, denn die Munition war dieselbe, welche die Schweizerarmee millionenfach verwendete.
Dann griff er zu einem Funkgerät, drückte die Ruftaste und sagte nur: „Los.“
Er wechselte wieder die Handschuhe, schnallte sich die Skier an und fuhr durch den Wald ins Tal hinunter.
Seine Aufgabe war erledigt und er genoss die Fahrt auf dem schmalen Pfad zwischen den verschneiten Bäumen hindurch.
In der Zwischenzeit war Ted aufgestanden und sah immer noch fassungslos auf die Männer, welche versuchten, die Schusswunden in ihrem Oberschenkel abzupressen.
Stöhnend sahen sie sich suchend um, ob jemand einen Gurt oder Ähnliches hätte, um das Bein abzubinden. Notdürftig wickelten sie ihre Schals darum. Alle vier hatten einen Oberschenkeldurchschuss erlitten.
Schnell waren sie von anderen Fahrern umringt und der Erste griff nach seinem Smartphone.
„Wir müssen die Polizei rufen.“
„Und die Bergrettung,“ sagte eine anderer.
Die ersten, die der Sache misstrauten und kein Interesse hatten von der Polizei vernommen zu werden, wandten sich ab und fuhren die Piste hinunter Richtung Talstation.
Sie hofften, dass sie da nicht den Vertretern des Gesetzes in die Arme liefen.
„Polizei, bitte machen sie Platz und halten sie Abstand,“ sagte ein Mann in einem dunklen Skianzug. Auf seiner Brust stand Polizei, weiter nichts, auch kein Name.
Er drängte die Zuschauer zurück und steckte die Skistöcke der Opfer in einem Anstand von drei Metern um den Tatort herum in den Schnee.
Dann spannte ein rot-weisses Band darum herum, welches er aus seinem kleinen Rucksack gezogen hatte. Anschliessend griff er zu einem Funkgeräte.
„Ich bin in der Waldschneise der schwarzen Piste und habe hier fünf Personen, die nicht mehr selbst ins Tal fahren können. Vier davon haben eine Schusswunde. Darum brauche ich fünf Rettungsschlitten und an der Talstation sollen Rettungswagen und ein Hubschrauber bereitstehen.“
Dann sah er den Berg hinauf und wartete.
Kurze Zeit später kurvten Männer der Bergwacht mit den Schlitten heran.
Sie trugen alle eine gelbe Sicherheitsweste und waren schon von Weitem gut erkennbar. Jeweils einer vor, der andere hinter dem Gefährt. Der vorderste schnallte seine Skier ab und ging zu den Bodyguards. Dann drehte er sich um und rief seinen Kollegen zu: „Bringt die Gurte, wir müssen ihnen das Bein besser abbinden und dann einen Druckverband anlegen.“
Die Männer beeilten sich, die Opfer zu versorgen und die Blutungen zu stillen.
Dann wandte sich der erste Ted zu, der immer noch erstarrt da stand, nicht begreifen konnte, was vorgefallen war.
„Wie fühlen sie sich? Kommen sie, setzen sie sich auf den Schlitten.“
Er führte ihn zum vordersten Gefährt und wies seine Kollegen an, die vier Männer auf die anderen Schlitten zu legen.
In der Zwischenzeit ging der Polizist zu den umstehenden Zuschauern.
„Ich bitte sie, an der Talstation anzuhalten und dort meinen Kollegen ihre persönlichen Daten anzugeben, allenfalls eine erste Aussage zu machen. Und nun bitte ich sie, den Weg für die Schlitten freizugeben, vielen Dank.“
Die angeschossenen Bodyguards waren auf den Schlitten fest gezurrt worden und auch Ted lag, ebenfalls in dicke Decken gehüllt, auf einem der Schlitten.
Der Polizist hob das Band an, die Männer der Bergwacht fuhren darunter hindurch und schwenkten auf die Piste ein. Dann fuhr die Kolonne los, voraus die Männer mit Ted.
Es folgten die vier Rettungsschlitten mit den Verwundeten, geführt von Lenkern und Bremsern. Langsam kurvten sie durch die Schneise die schwarze Piste hinunter.
Am Ende fuhr der Polizist und achtete darauf, dass nicht irgendwelche Pistenraudis den Schlitten zu nahe kamen.
Die Absperrung blieb, ebenso wie die fünf Skipaare, die im Schnee steckten.
Der Pistendienst würde spätestens morgen den Ort räumen und die Strecke wieder instandstellen.
An der Talstation war ein grossen Polizeiaufgebot eingetroffen. Autos mit laufendem Blaulicht standen auf dem, in der Zwischenzeit, fast leeren Parkplatz, denn die meisten Gäste waren schon weggefahren. Das Gelände war weiträumig abgesperrt worden und niemand konnte mehr zur Talstation der Seilbahn vordringen.
Die Touristen, welche mit der Seilbahn zurück ins Tal gefahren waren, wurde auf direktem Weg aus dem Sperrbereich in die Talstation geführt, wo sie ein erstes Mal befragt und ihre Personalien notiert wurden.
Die Schlitten standen nun am Rand der Strasse, wo Ted sich langsam aus den dicken Decken schälte.
Er war noch etwas wacklig auf den Beinen und wurde deshalb zu einem Rettungswagen geführt, wo ihn ein Sanitäter erwartete.
Im Wagen erhielt er erst einmal einen heissen Tee, um sich aufzuwärmen.
Inzwischen hatte der Notarzt die Opfer kurz untersucht, sah, dass die Verbände fachgerecht angelegt waren und hiess die Sanitäter an, sie auf direkten Weg ins Spital zu bringen.
Dann griff er zum Telefon und rief die Klinik an.
„Es kommen vier Männer mit Schussverletzungen, bei allen ein Durchschuss im Oberschenkel rechts, macht die OPs bereit, ich komme nach.“
Die vier Angeschossenen wurden in die Rettungswagen gebracht und diese fuhren mit Blaulicht und heulender Sirene los, dem Spital entgegen.
Der Arzt untersuchte Ted und fuhr dann mit ihm in die Klinik. Seine Diagnose: Schock.
Den Helikopter benötigten sie nicht und dieser verschwand im dunkelwendenden Himmel.
Am Rand der Strasse stand Kommissar Tobias Müller vor den fünf leeren Schlitten. Er hatte keine Möglichkeit gehabt, nur ein Wort mit den fünf Opfern zu wechseln.
Die Wolkendecke hatte ausgerissen und die letzten Sonnenstrahlen tauchten die Berggipfel in ein letztes Licht. Es schien, als würden die Spitzen glühen.
Doch das interessierte hier niemanden.
„Hatten sie Ausweise dabei?“ fragte Müller.
Einer seiner Leute drückte ihm die Pässe in die Hand.
„Zwei sind aus Frankreich, einer aus Belgien, der vierte hat einen deutschen Pass und der, welcher nicht angeschossen wurde, kommt aus Luxemburg. Er scheint der Chef zu sein, denn die anderen vier hatten seine Visitenkarten auf sich.“
„Theobald Linus Myers Holding. Adresse ist Rue de Clerf in Luxemburg. Der unverletzte Mann, den sie vorhin als letzten in die Klinik gefahren haben, ist Myers.
Ein bekannter Name in der High Society. Ich vermute, das waren seine Bodyguards.“
Müller stutzte, das war ungewöhnlich.
„Wer schiesst auf vier Bodyguards und lässt die Hauptperson unverletzt?“
„Und wenn ihn die vier abgeschirmt haben?“ bemerkte der Beamte.
Müller schüttelte den Kopf.
„Wer so genau schiessen kann, der trifft mit dem ersten Schuss sein Ziel.
Nein, ich glaube, es war Absicht, die vier Personenschützer auszuschalten. Fragt sich nur, warum?“
Einen Moment stand er schweigend da, dann schaute er auf seinen Assistenten.
„Gruber, ich will, dass dieser Myers rund um die Uhr bewacht wird. Keiner kommt da rein oder raus, ohne dass wir es wissen.“
„Werde ich umgehend veranlassen, Chef,“ sagte der Mann und ging hinüber zum Auto, um die Zentrale zu informieren.
„Wo sind die Männer, welche die Schlitten ins Tal gebracht haben? Und wo ist der Mann, der die Polizei alarmiert hat?“
Müller sah sich um und fragte dann einen der Polizisten.
„Der, welcher angerufen hat, sitzt in vordersten Wagen und wird befragt. Die Bergretter und der Kollege sind zur Talstation hinübergegangen, wahrscheinlich um sich aufzuwärmen.“
„Danke,“ sagte Müller und stapfte durch den Schnee hinüber zum Haus.
„Wo sind die Männer?“ fragte er den Angestellten an der Kasse.
„Welche Männer meinen sie? Hier ist niemand ausser mir.“
„Es ist niemand vorbeigekommen? Ich suche elf Männer, einen Polizisten und zehn Mann von der Bergrettung.“
„Wie ich schon sagte, hier ist niemand, die müssen anderswo hingegangen sein, hier sind sie nicht vorbeigekommen.“
Müller schaute sich um.
„Seltsam, sehr seltsam, die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.“
Er verliess die Talstation und ging wieder zurück zum Parkplatz.
„Und Chef, erfolgreich? fragte sein Assistent Martin Gruber.
„Scheisse, nein,“ ärgerte sich Müller, „der Polizist und die Bergretter, alle verschwunden. Und auch keine Zeugen, nur der Mann, der die Polizei gerufen hat ist geblieben.
Die anderen Skifahrer sind auch alle verschwunden, wollten wohl nichts mit uns zu tun haben, so ein Mist.“
Er stapfte zurück zu seinem Wagen.