Das etwas andere Gästebuch - Rainer Feuchter - E-Book

Das etwas andere Gästebuch E-Book

Rainer Feuchter

4,6

Beschreibung

Rainer Feuchter gewährt uns einen durchaus intimen und sehr intensiven Einblick in die Welt eines Gourmet- und Promirestaurants. Seine wirklich erlebten Geschichten über Prominente sind spannend und amüsant, aber oft auch richtig peinlich. Anhand seiner leicht umzusetzenden Rezepturen am Ende der Geschichten verrät er seine persönliche Art des Kochens inclusive einiger überraschender Tricks.

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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Lebenslauf

Rainer Feuchter, 1949 in Crailsheim an der „Romantischen Straße“ geboren

Kindheit im Remstal, Baden Württemberg

Sechs Jahre Besuch des Gisela

Gymnasium in München-Schwabing

1969Abitur am Kepler Gymnasium in Ulm Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, Uni München und Konstanz1972Erste Prüfung für das Lehramt an Grund - und Hauptschulen in Weingarten, Baden- Württemberg Begleitstudium in Psychologie1972Ernennung zum Realschulanwärter in Baden - Württemberg1973Zweite Prüfung für das Lehramt an Realschulen Baden-Württemberg1973Ernennung zum Realschullehrer z. A. in Hannover, Niedersachsen1975Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien in Hannover, Niedersachsen Begleitstudium in Philosophie1975Ernennung zum Studienreferendar in Hannover, Niedersachsen1978Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf eigenen Wunsch1978Neueröffnung des Restaurants „Lila Kranz“ in der Marienstrasse 101 in Hannover1984Umzug des „Lila Kranz“ in die Berliner Allee 33, neuer Name: „Feuchter´s Lila Kranz“1988Anerkennung der fachlichen Eignung als Koch und Restaurantfachmann auf Widerruf1992Übernahme des Vegetarischen Restaurants Hiller in der Blumenstraße, Hannover.1994Neueröffnung des italienischen Restaurants „Enrico Leone“ in der Königstrasse, Hannover.1998Verleihung einer Urkunde des Bundes Wirtschaftministers der Bundesrepublik Deutschland für die Ausbildung von über 500 Auszubildenden2003Neueröffnung von „El Patio de Lajares“, Restaurante con Habitationes (mit Zimmern) 35650 Lajares Fuerteventura la Cerca N° 9 Espania [email protected]

Veröffentlichungen

1989Chefköche erinnern sich… Lieblingsgerichte aus Kindertagen: „Gefüllter Gockel mit Kartoffel-Feld-Salat“; pmi Verlag GmbH, Heinestraße 14, 6000 Frankfurt Main ISBN 3-89119-130-81995Meisterköche Niedersachsens: vertreten mit den Rezepten „Lamm auf bunten Bratkartoffeln“ „Niedersächsisches Tiramisu“

Zwanzig amüsante Geschichten über

Promis in Verbindung mit Rezepten

einer neuen, einfachen Küche

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Giselher Schaar oder mein bester Kellner

Rezept: Messesteak mit Cognac-Sauce

Familienministerin Rita Süßmuth oder die Ausbildung zum Koch und Restaurantfachmann in weniger als vierzehn Tagen

Rezept: Lachsfilet mit weißem Spargel und Sauce „Lila Kranz“

Der Schöne Konsul (Konsul Weyer) und die unbenutzte Platin-Amex-Karte

Rezept: Meine beliebt-geniale Kräuterbutter mit zehn Ingredienzien

Maria Furtwängler kam später und aß nicht mit dem Fußvolk

Rezept : Zanderfilet auf Dill-Gurken-Gemüse

Die Ente mit vier Keulen

Rezept: Ente oder Gans nach traditioneller Art

Boris Becker und eine tennisferne Trainingsstunde

Gerhard Schröder und das Hummeressen

Rezept: Hummer auf Saure-Sahne-Kartoffeln

Jürgen Trittin und der Drang nach ökonomischer Effizienz

Rezept: Carpaccio vom Sellerie mit Trüffelöl und Shi-Take-Pilzen

Oskar Lafontaine, der Frankreichkenner und Gourmet

Rezept: Panierter Ziegenkäse mit Miel de Palma

Helmut Kohl und der Saumagen auf Schottisch

Rezept: Lammfilet auf bunten Bratkartoffeln

Ernst-August von Hannover und der monarchistische Kommunikationsstil

Heinrich von Hannover und Georg I

Thomas Gottschalk und 14 x Ente im Ganzen

Rezept: Entenbrust kurz gebraten mit Cassis-Sauce und Kartoffelsalat

TV-Cooking oder „Wünsch Dir Sass“

Rezept: Provenzalische Fischsuppe

Der ultimative Hamburger Test

Rezept: Albondigas mit Minze

Roger Moore und die Charity-Veranstaltung

Rezept: Erdbeeren auf Rhabarberschaum

Pink Floyd und die Backgroundsingers

Rezept: Mousse au Chocolat

Jenny Elvers und Heiner Lauterbach

Rezept: Karamellisierter Apfelpfannkuchen mit Calvados und Vanilleeis

Wie ersteht man eine Flasche Chateau Petrus?

Den Rothschild hätten wir doch trinken sollen

Rezept: Monis Lieblingsgericht: Grüner Spargel mit Kalbsfilet und Estragonsauce

Vorwort

All diese Geschichten über Politiker, Promis, Stars und die anderen bemerkenswerten Begebenheiten in meinen Restaurants, - „Feuchter´s Lila Kranz“, „Enrico Leone“ und „Vegetarisches Restaurant Hiller“ in der Blumenstraße, - kann ich nur schreiben, weil ich das alles persönlich erlebt habe. Der Inhalt dieses Buches ist also durch meine Biographie ursächlich bedingt.

Jetzt bin ich über fünfundsechzig Jahre alt und vor allem weit weg, circa 4000 km entfernt von Hannover auf Fuerteventura, in Lajares. Ich besitze kein Restaurant mehr in Hannover. Ich kann mich bei meinen Gästen in der niedersächsischen Hauptstadt nicht mehr unbeliebt machen.

Ich betreibe zwar immer noch ein Luxusrestaurant mit sechs schönen Zimmern, aber eben auf Fuerteventura und nicht in Deutschland. Es ist mein eigenes Haus, ich bin schon beinahe zwölf Jahre mein eigener Herr und beschäftige neben dem Poolwärter und sporadisch einem Gärtner nur noch zwei weitere Personen durchgängig.

Das Verhältnis zwischen Gast und Gastronom hier in Lajares ist entspannt, familiär, und das alles findet in einer gehobenen, ruhigen Umgebung statt. Nahezu alle meine Gäste, außer den hier ansässigen Spaniern, sind Urlauber.

Die Beziehung zwischen Gast und Gastgeber hat sich daher deutlich zu meinen Gunsten verschoben. Mein österreichischer Freund Dr. Leo Forster hat diesen Sachverhalt durch die Begriffe „Gasthaus“ und „Wirtshaus“ verdeutlicht: „Lieber Rainer, bei dir handelt es sich zweifelsfrei um ein Wirtshaus!“

Es gibt keine Speisekarte mehr, aus der man aussuchen könnte. Der arme Koch oder die Köchin muss nicht wie ein Rastelli sechs verschiedene Speisen auf einmal zubereiten und das ohne Helfer! Stattdessen wird eine dreigängige Speisenfolge empfohlen - natürlich mit Ausnahmen und Sonderwünschen.

Wenn die Weinkarte präsentiert wird, die mehr als zweihundert verschiedene Weine mit dem Schwerpunkt roter Bordeaux älterer Jahrgänge umfasst, vertraut man sich gerne meinen Vorschlägen an, die ich immer noch gerne überbringe.

Ich kann mir also schlecht den Ast absägen, auf dem ich in Hannover gesessen bin.

Alle die hier berichteten Peinlichkeiten und Vorkommnisse haben sich tatsächlich zugetragen. Vielleicht erscheint mir einiges in der Erinnerung nach über 35 Jahren pointierter vor meinem geistigen Auge. Aber die Geschichten sind nicht frei erfunden, sondern so passiert, wie ich sie nun schildern will.

Sicher sind die eingebauten direkten Reden keine dokumentierten Wortzitate, aber viele der wörtlichen Aussagen sind mir noch ganz frisch in Erinnerung und ich werde sie wahrscheinlich mein Leben lang nicht vergessen.

Daher nochmals: Alle Ereignisse hat es wirklich gegeben. Es handelt sich aber nicht um eine objektive, wissenschaftliche und quasi historische Aufarbeitung, sondern natürlich um eine subjektive, der persönlichen Wahrnehmung geschuldete Wiedergabe meiner Erinnerungen. Amüsant sind sie allemal!

Viel Freude beim Lesen.

Fuerteventura,

Lajares,

15. November 2013

Einleitung

Im September 1978 eröffnete ich in der Marienstraße in Hannover mein erstes Restaurant, den „Lila Kranz“.

Damals dachte ich nicht im Traum daran, ein geschätzter Koch für Promis, Stars und Politiker zu werden, als ich meine Stelle als Gymnasiallehrer und Lebenszeitbeamter an der Integrierten Gesamtschule Hannove-Garbsen pünktlich zum Ende der großen Ferien kündigte.

Nach dem vergeblichen Bemühen einen Koch zu finden, beschloss ich in einem Anfall von männlichem Größenwahn und Selbstüberschätzung, mich selbst hinter den Herd zu stellen.

In Crailsheim an der Romantischen Straße, circa 30 km von Rothenburg ob der Tauber entfernt, geboren, hatte ich in München, Konstanz, Tübingen und Hannover Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert. Nach dem Motto „Unter den Blinden ist der Einäugige König“, traute ich es mir als Süddeutscher zu, den kulinarisch weißen Fleck Deutschlands - wie Wolfram Siebeck, der selbsternannte Gastro-Experte der Wochenzeitschrift „Die Zeit“, es formulierte - ein wenig dunkler zu machen.

Siebeck, der damalige Starkritiker für Restaurants, Gastronomie und Esskultur in Deutschland, hatte nämlich Hannover und Niedersachsen gerade zum weißen Flecken auf der kulinarischen Landkarte Deutschlands erklärt. Das typische Gericht der Niedersachsen, den Grünkohl, hielt er nur zum Verzehr für Borstenvieh geeignet, ein Fehlurteil und eine grenzenlose Überheblichkeit, wie ich finde.

Es sollte aber mehr als drei Jahre dauern, bis ich als Autodidakt einigermaßen kochen konnte. Geholfen hat mir vor allem meine Kindheit in Süddeutschland, und dabei sind besonders die Ferien, die wir Kinder fast ausschließlich bei den Großeltern im Hohenlohischen Elpershofen verbrachten. Während meine beiden Brüder draußen spielten, war ich am liebsten bei Großmutter in der Küche.

Elpershofen im Jagsttal bestand nur aus fünf Bauernhöfen und einem Wasserkraftwerk, das mein Opa August betreute. Einmal am Tag kam ein Linienbus durch das Dorf und brachte Lebensmittel aus Gerabronn, der nächsten Stadt. Das einzige Telefon im Ort besaß mein Großvater. Ich erinnere mich noch an das Fräulein vom Amt, das Ferngespräche vermittelte.

In solch ländlicher Abgeschiedenheit war das Mittagessen und dessen Zubereitung das Ereignis des Tages, quasi ein Stück realisierter Kultur, Esskultur. Ohne den täglichen ökonomischen Druck bäuerlicher Landarbeit zelebrierte meine Großmutter Lina als gelernte Hauswirtschaftslehrerin in dieser privilegierten Situation das tägliche Mittagsmahl mit stets großem Aufwand. Es gab immer mehrere Salate, mindestens zwei Beilagen, aber nicht jeden Tag Fleisch. Gekocht wurde mit den eigenen Produkten, jahreszeitlich bedingt aus dem Garten, mit Fleisch aus eigener Schlachtung und frischen Fischen aus der Jagst, die direkt am Haus vorbeifloss. Alles war immer gerade erst geerntet. Es gab ja keinen Kühlschrank, sondern einen separaten Keller für Speisen und Getränke, letztere ebenfalls aus eigener Produktion wie z.B. Himbeersaft, Träublessaft oder Most aus dem eigenen Fass.

Das waren Bedingungen für eine Art des Kochens, die man heute als absolute Frischküche, als rein biologisch und alternativ bezeichnen würde. Die Basis meiner Küche beruht auf diesen frühkindlichen Erlebnissen und der damaligen Lebenswirklichkeit, die sich heute zu soliden Kenntnissen verdichtet haben. Meine Kochfertigkeiten sind also ohne Absicht frühkindlich angelegt worden.

Vielleicht war es dadurch vorherbestimmt, jedoch vollkommen ungeplant, dass mein Restaurant nach ungefähr zehn Jahren zu den hundert besten Lokalen Deutschlands zählte.

Mit zwei Kochmützen im Gault Millau, drei Gabeln im Michelin, diversen Kochmützen und -löffeln im Vartaführer und Schlemmeratlas hatte ich mehrere Auftritte in den Regionalprogrammen des NDR und bei Sat I, sowie eine ganzjährige Rundfunksendung bei FFN morgens um acht: „Kochen mit Rainer Feuchter – das einfache, tägliche Menü zum Nachkochen für Jedermann“.

Promis und bekannte Menschen gehörten zum alltäglichen Geschäft und waren nicht die Ausnahme. Sogar mein Gästebuch, in Schweinsleder gebunden, lag nicht mehr aus, weil wir die viele Stars mit Autogrammen und Eintragungen nicht belästigen wollten.

Zu meinen Gästen zählten, ausschnittweise und bestimmt nicht vollständig:

Die Rolling Stones, Pink Floyd, Roger Moore, Bill Gates, Reina Sofia , Peter Scholl-Latour, Mario Adorf, die Scorpions, Reinhard May, die Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder, Helmut Harrer, der frühe Freund des Dalai Lama, Ernst August von Hannover, Maria Furtwängler, IG-Metall Vorsitzender Peters, Bundespräsident Christian Wulff, Joachim Vogel von der SPD, Prof. Dr. Dr. Leonhardt, Prof. Dr. Gebel, Prof. Dr. Goehrmann, Chef der Hannover Messe AG, Frank Elstner, Marianne Helwig, Jürgen von der Lippe, Jorge la Guardi, um nur einige wichtige zu nennen.

Im Überschwang pflegte ich zu sagen: „Es fehlen nur noch die Queen und der Papst!“

Das hier nun vorliegende „ Etwas andere Gästebuch“ behandelt nicht die seichten Belanglosigkeiten bezüglich Kleidung und Auftreten von VIPs, wie sie in bestimmten Gazetten oder Fernsehsendungen erscheinen, sondern es sind die besonderen Geschichten sowie Hintergründliches bis hin zu Peinlichkeiten, die ich hier erzählen möchte.

Betriebe ich noch den“ Lila Kranz“ in Hannover, wäre es mir niemals eingefallen, diese oft skurrilen und befremdlichen Auftritte in einem Buch zu schildern. Man plaudert doch nichts aus, wenn man die Restaurants noch betreibt. Aber den „Lila Kranz“ gibt es nicht mehr. Ich habe ihn einfach inklusive Weinkeller und Inventar unter dem Namen „El Patio de Lajares“ nach Fuerteventura verlegt. Mit sechs luxuriösen Zimmern ist das mein umtriebiger Alterssitz.

Übrigens, auch hier kommen Promis! Nicht mehr so zahlreich wie früher und vor allem Spanier. Auch im Spanischen und im Kanarischen Fernsehen war der „El Patio“ schon mehrfach zu sehen.

Den „Lila Kranz“, das „Enrico Leone“ und „Das Vegetarische Restaurant Hiller“ habe ich verkauft. Ich kann daher befreit diese Anekdoten veröffentlichen.

Mit über fünfundsechzig bin ich auch zu alt, um noch falsche Rücksichten pflegen zu müssen. Diese Geschichten sind auch Teil meines Lebens, quasi ein Geschenk, das ich nur noch zu realisieren brauche.

Noch ein Wort zu den beigefügten Rezepten:

Mengenangaben in einem Rezept widersprechen meiner Meinung nach der Grundstruktur des Kochens überhaupt. Ein Esslöffel Zucker besagt für die Menge wenig, da sie von der Größe des Löffels und seinem Design abhängt. Alte Esslöffel sind meist viel größer als moderne Löffel. Eier haben bekanntlich verschiedene Größen. Man nehme daher besser ein Ei mehr, dann ist man auf der sicheren Seite.

Die Mehrzahl der Rezepte wird bekanntlich stets für vier Personen berechnet. Auch das hat mit der Realität doch sehr wenig zu tun. Eine Person wäre dagegen die bessere Einheit, man kann dann leichter multiplizieren, aber natürlich funktioniert ein Rezept für eine Person äußerst selten. Spätestens hier merkt man die Einschränkung der sozialen Vereinzelung. Es gilt also immer pro Person, wobei man einen einzigen Pfannkuchen schlecht herstellen kann, man sollte mindestens Teig für zwei anrühren.

Der Umfang einer Portion ist zudem von Person zu Person verschieden. In aller Regel mache ich im „El Patio“ die Fleischportionen für Männer größer als für Frauen. Insgesamt darf man Rezepte deshalb nur als Gedächtnisstütze und Anregung betrachten. Funktionieren sollten sie aber schon. Das negative Beispiel schlechthin sind die Kochbücher Alfred Bioleks. Hier gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl von falschen Rezepten. Diese Kochbücher sollte man besser als Geschenkidee für ungeliebte Freunde betrachten. Da erfüllen sie bestens ihren Zweck.

Summa summarum versuche ich auf Mengenangaben in meinen Rezepten zu verzichten. Viel wichtiger ist aber, dass diese Rezepte auf jahrzehntelanger Praxis in meinen Restaurants basieren. Das ist der ausschlaggebende Faktor. Die Anzahl der Klicks in vielen Rezeptdarstellungen im Internet sagt nichts über ihre tatsächliche Qualität aus. So ist das am häufigsten angeklickte Gänserezept im Internet zum Beispiel einfach falsch!

Dort wird nämlich die Gans zwei bis drei Stunde mit hinreichendem Wasser auf der Brustseite gegart, bevor sie dann umgedreht wird. Es ist aber gar nicht möglich, eine Gans auf die Brustseite zu legen, sondern immer nur auf eine einzige Brust, die andere steht ab, wegen des Brustbeins. Eine Gans oder Ente brät man immer und ausschließlich auf dem Rücken, da befindet sich nämlich kein Fleisch und der Vogel kann nicht auf die eine oder die andere Seite kippen und bitte: Niemals wenden! Das ist unnütze Arbeit und gefährlich zugleich. Man verbrennt sich leicht oder entzündet durch das Fett gleich den ganzen Herd (die Internet-Autorin empfiehlt deshalb auch gleich, einen Feuerlöscher bereit zu stellen und macht insofern wieder alles richtig).

Giselher Schaar oder mein bester Kellner

Giselher Schaar war einer der Rundfunkreporter des NDR , freischaffend und wirtschaftlich unabhängig. Er war wohl die Reporterpersönlichkeit des Norddeutschen Rundfunks in Hannover. Er prägte zweifelsfrei Jahrzehnte lang bis in die Mitte der achtziger Jahre die Berichterstattung im Radio des NDR. Der NDR stand schon immer für seriösen und schnörkellosen Journalismus und Giselher war einer der beständigsten Vertreter dieser Zunft. – Übrigens nicht umsonst wird die Tagesschau vom NDR gemacht.

Sein wirklicher Durchbruch war die berühmt gewordene Reportage vom „Wunder in Lengede“ über das er nach tagelangem Warten im Rundfunk life berichtete. Giselher, mit dem mich später eine langjährige Freundschaft verband, erklärte mir einmal sehr direkt:

„Die haben mich nicht als besonders geeigneten oder gar besten Reporter dort hingeschickt, sondern nur weil ich freiberuflicher Journalist bin, konnte man mir das Warten vor allem während der frühen Morgenstunden aus reinen Kostengründen problemlos zumuten.“

Giselher Schaar moderierte in den 80ziger Jahren auch das sehr beliebte Messejournal des NDR. Topaktuelle Hits, gepaart mit Servicedurchsagen für Messebesucher und Messemuttis – damals kamen nämlich noch die meisten Messebesucher in Privatquartieren unter, quasi wie bei Muttern.

Es waren damals Zeiten, wie wir sie uns heute kaum vorstellen können. Die CeBIT wurde zusammen mit der Hannover Messe veranstaltet. Sie war die größte Computermesse weltweit, und die zwei nächst größeren waren zusammen gerade mal halb so groß wie Hannover. Es gab kein Internet, der führende Personalcomputer hieß Commodore, das Fax war das neuste Kommunikationsinstrument überhaupt, und die Handys kosteten ab 1000 DM aufwärts, waren für den Normalverbraucher unerschwinglich. Sich einfach etwas herunterzuladen, das gab es nicht. Man musste persönlich vor Ort erscheinen, um die neusten Entwicklungen und Trends in Augenschein zu nehmen. Hannover hatte vierzehn Tage lang die Welt zu Gast. Alles was Rang und Namen hatte, traf sich in der Messestadt an der Leine. Künstler, Politiker und Manager fast aller Nationen überschwemmten quasi die niedersächsische Landeshauptstadt und verdoppelten die Einwohnerzahl von fünfhunderttausend auf eine Million, wenn auch nur für kurze Zeit. Hannover besaß plötzlich wie von Zauberhand die Atmosphäre einer Weltstadt. Es war wirklich körperlich zu spüren, das war eine andere Stadt geworden. Nichts mehr schien wie vorher. Sogar der Rundfunk, eine feststehende Institution, spielte plötzlich permanent aktuelle Musik, hatte ein lebendiges Programm voller Neuigkeiten, die sich zudem stets in Hannover abspielten. In den 80ziger Jahren war das geradezu revolutionär, richtig abgefahren, total neu und setzte unbestritten die aktuellen Trends.

Hannover befand sich in einer jährlichen Ausnahmesituation. Alle Regeln des täglichen Lebens schienen plötzlich nicht mehr zu gelten. Auf dem Messeschnellweg führten morgens alle Spuren, auch die des Gegenverkehrs, nur noch in eine Richtung, nämlich zum Messegelände hin. Abends ab 17 Uhr war es dann umgekehrt. Die Polizei mit ihren weißen Stöckchen hielt mit ständigem Drehen die Autofahrer zur Geschwindigkeitsüberschreitung an und man donnerte mit hundert Sachen in die Innenstadt. Ich glaube es wurde kein einziges Ticket wegen eines Verkehrsdeliktes verteilt. Der Begriff „Ticket“ existierte im Sprachgebrauch so noch gar nicht. Es gab keine Sperrstunde und für nichts, aber für rein gar nichts, benötigte man irgendwelche Genehmigungen oder eine Erlaubnis.

Es war eben Messe! Das war das Zauberwort. Man war Messe-gestresst, Messe-geschädigt, und überall gab es Messe-Preise. Ein Hotelzimmer für vorher 100 DM kostete plötzlich 400.- DM. Selbst in angesagten normalen Bierkneipen mussten zumindest die Messegäste oft mehr bezahlen. Die Gastronomie und ihre Auswüchse stand konsequenterweise immer im Focus der Reporter.

Giselher Schaar hatte daher die Idee, einen Bericht über seine persönlichen Erfahrungen als Kellner in einem Restaurant während der Messe im Rundfunk zu senden. Es war ja Messe, er musste nichts groß absprechen oder genehmigen lassen. Er bestimmte alles selbst und setzte es in die Tat um. Warum er gerade mein Restaurant, damals noch in der Marienstraße 101, auswählte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall fragte er mich, ob das bei mir im „Lila Kranz“ durchzuführen sei. Er würde auch sooft wie möglich den Namen meines Restaurants „Lila Kranz“ und die Adresse erwähnen. Sofort und ohne irgendwelches Zögern willigte ich ein. Das war die beste Reklame für mein Restaurant, für Hannoveraner und Messebesucher zugleich. Und ganz wichtig, es war umsonst!

Giselher erschien überpünktlich, eine Stunde vor Beginn, um von mir professionell eingewiesen zu werden. Unvergesslich bleibt mir bis heute, wie er mir zuerst seine gepflegten Hände zeigte, ob das so ok sei. Dann fragte er mich sofort, ob ich Messepreise hätte. Ich druckste ein wenig herum, gab aber zu, gerade die Speisekarte neu verfasst zu haben mit einer leichten Preiserhöhung von 5 bis10% Aufschlag:

„Ja, natürlich habe ich die Preise angehoben, aber neu ist besonders das große siebengängige Messe-Menü für 98.- DM“, und ich verwies dabei auf die Karte.

„ Der normale Hannoveraner gibt niemals so viel Geld fürs Essen aus, Das geht, wenn überhaupt nur zur Messe“, stellte ich zudem fest.

„Gestern und auch die Tage davor haben wir es schon ein paar Mal verkauft. So genau kann ich es im Moment nicht sagen, aber ich meine so an die zehnmal ist es schon bestellt worden. Das mit dem Messemenü funktioniert.“

„Welches ist denn dein teuerster und bester Wein auf der Karte?“ fragte Giselher

„Meine Weinkarte ist erst noch im Aufbau und nicht so umfassend, aber hier der „Chablis Premier Cru“ von Louis Latour für 58.- DM ist kräftig im Geschmack und passt zu verschiedenen unterschiedlichen Gängen.“

Wenn ich mir heute meine damalige Weinkarte ansehe, muss ich schmunzeln. Damals hatte ich noch keine so richtige Ahnung von französischen Rotweinen. Neben einem Trollinger mit Lemberger aus Baden-Württemberg, einem Chanti Classico und einem Côte du Rhône waren da tatsächlich ein vollkommen unbekannter Cru Bourgeoise, ein Haut Medoc und sogar eine Burgunder Großlage, letztere ebenfalls von Louis Latour, aufgelistet. Deutsche Weine bildeten die Mehrzahl. Der teuerste Wein war jedoch der Chablis Premier Cru für 58.- DM, damals ein enorm stolzer Preis.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, warum er das alles wissen wollte.

Wir vereinbarten, Giselher sollte die Gäste beraten und an allen Tischen die Bestellung entgegennehmen. Wegen seiner perfekten Englischkenntnisse war er dafür besonders geeignet. Kommunikation war ja schließlich sein Beruf. Eine bessere Fachkraft hätte ich mir für diesen Part nicht wünschen können.

Wir waren komplett ausgebucht und hatten circa 40 Gäste zu bewirten. Meine Speisekarte umfasste vier Vorspeisen, eine Suppe, vier Hauptgänge, darunter auch einmal Fisch und drei Desserts. Für meine winzige Küche mit gerade mal 12 Quadratmetern und einem Aushilfskoch war das eine echte Herausforderung.

Doch ich merkte sehr schnell, es gab nur eine Bestellung. Man aß an allen Tischen ohne Ausnahme das große Messemenü, keinerlei Sonderwünsche, niemand suchte sich etwas aus der Karte aus, alle aßen das Gleiche. Als dann noch meine fest angestellte Bedienung ganz aufgeregt in die Küche kam und mir wild gestikulierend mitteilte: „ Herr Feuchter, die trinken alle Chablis Premier Cru, ich glaube wir müssen morgen unbedingt nachbestellen!“, konnte ich es kaum glauben.

Giselher, vollkommen ruhig und selbstbeherrscht, sprach eloquent mit den Gästen, als habe er beruflich noch nie etwas anderes gemacht. Zumeist redete er Englisch. Ich beobachtete ihn genau und war total perplex von seiner fast schon greifbaren Präsenz. Wie angewurzelt stand ich an der Küchentüre. Ich glaube, die meisten Gäste hielten ihn für den eigentlichen Chef, den Restaurantbesitzer. An seiner Kompetenz hatte offenbar niemand den leisesten Zweifel.

Ein letzter Tisch mit seinen Bestellungen fehlte noch. Es war der größte und mit acht Personen besetzt. Ich vermutete, es handelte sich um US-Amerikaner. Ich wollte unbedingt erleben, ob er es auch an diesem Tisch schaffen würde, dass alle das gleiche nehmen? Und vor allem, wie würde er die Gäste von dem Chablis überzeugen?

„This menü is the real actual demonstration of the new german kitchen wonder. Spezially prepared for you, our Cebit-dinner! You know the word „wunderbar“?“

Und schon packten die US-Jungs ihre spärlichen Deutschkenntnisse aus, man lachte und machte Witze: “Wunderbares deutsches Fräulein“ und so weiter.

Hier hatte Giselher schon gewonnen. Wer lacht überlegt nicht mehr sehr ernsthaft und lässt sich leichter lenken.

Das Menü war sehr schnell akzeptiert und bestellt. Nun kam aber der Wein.

Der offensichtliche Weinkenner oder Gastgeber suchte sich zielgerichtet einen Boxbeutel aus, Volkacher Ratsherr, Silvaner Kabinett. Diese Mal klappt es nicht, dachte ich sofort. Es ist doch nicht so einfach, jemanden von seiner wohlbedachten Wahl abzubringen, zumal der Frankenwein auch noch wesentlich günstiger war. Doch ich hatte mich geirrt. Giselher lief zur wahren Hochform auf:

Zunächst lobte er unumwunden die Entscheidung des Gastes:

„ This is a very good choice, a typical german white wine from the south, an excellent dry wine and Silvaner ist the most characteristic grape of this region in Franken, one of the best german wines, and Kabinett is a higher quality“. Dann machte er eine Pause, hielt inne und sprach etwas leiser mit gedämpfter Stimme direkt zum Gast gebeugt:

„But if you want to kick the top, you have to take the Chablis!“

Und schon war es passiert. Der Gastgeber stand gut da, als sachkundiger Weinkenner, und selbstverständlich wollte und konnte er nun niemandem mehr den Topwein vorenthalten. Er bestellte problemlos um, und so wurde auch an diesem Tisch Chablis getrunken.

Das überschwängliche Lob und nur das rein rhetorische Akzeptieren der Wahl des Gastes ermöglichten erst die Änderung der Bestellung.

Bloß zu sagen: Der Chablis sei besser und den Gast gleichzeitig zu belehren: „Nur damit erklimmt man den Gipfel“, hätte nicht gereicht. Das Gegenteil wäre eingetreten und der Gastgeber wäre blamiert gewesen!

Giselher hatte dem Gast geschmeichelt. Er anerkannte ihn als Weinkenner, und das nicht mit Nullachtfünfzehn-Floskeln, sondern mit sachlichen Argumenten für seine erste Wahl.

So fühlt man sich als echter Weinexperte und man kann, ohne sein Gesicht zu verlieren, danach der Empfehlung des Kellners folgen. Man ist weltoffen und zugleich großzügig, und das vor den Augen aller.

Die Arbeit war nunmehr für alle leichter, sowohl in der Küche, wie auch im Service und sogar beim Schreiben der Rechnung.