Das geheime Leben der Eule - John Lewis-Stempel - E-Book

Das geheime Leben der Eule E-Book

John Lewis-Stempel

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Beschreibung

Eulen haben etwas Besonderes an sich. Ihre Spuren finden sich in vielen Kulturen seit der Steinzeit. Als Geschöpfe der Nacht stehen sie für Magie, aber auch für Unheil. Sie waren in den Augen der Menschen Boten der »anderen Seite«. Aber Eulen – mit ihren flachen, intelligenten Gesichtern, ihren großen, runden Augen, ihrem väterlichen Blick – sind uns auch sympathisch und vertraut. Wir halten sie für weise, wie die Eule der Athene, und treu, wie Hedwig aus ›Harry Potter‹. Mit anderen Worten: Sie erscheinen uns menschenähnlich. Vielleicht zieht uns deshalb kaum eine andere Tierart so in ihren Bann. »Einfach faszinierend und poetisch! Kein Wort zu viel – und keines zu wenig!« MINT ZIRKEL

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Eulen haben etwas Besonderes an sich. Ihre Spuren finden sich in vielen Kulturen seit der Steinzeit. Als Geschöpfe der Nacht stehen sie für Magie, aber auch für Unheil. Sie waren in den Augen der Menschen Boten der »anderen Seite«. Aber Eulen – mit ihren flachen, intelligenten Gesichtern, ihren großen runden Augen, ihrem väterlichen Blick – sind uns auch sympathisch und vertraut. Wir halten sie für weise, wie die Eule der Athene, und treu, wie Hedwig aus ›Harry Potter‹. Mit anderen Worten: Sie erscheinen uns menschenähnlich. Vielleicht zieht uns auch deshalb kaum eine andere Tierart so in ihren Bann. John Lewis-Stempel zeigt die schillernden Facetten dieser großartigen Kreatur, deren natürliche Kräfte ebenso fantastisch scheinen wie sämtliche mythischen Erzählungen über sie.

© privat

JOHN LEWIS-STEMPEL ist Farmer und Autor zahlreicher hochgelobter Bücher. Er ist zweifacher Preisträger des renommierten Wainwright Prize for Nature Writing. Bei DuMont sind bisher seine Bücher ›Ein Stück Land‹ (2017), ›Mein Jahr als Jäger und Sammler‹ (2019) und ›Im Wald‹ (2020) erschienen. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in England und Frankreich.

SOFIA BLIND, geboren 1964, lebt als Autorin, Übersetzerin und Gärtnerin im Lahntal. Bei DuMont erschienen zuletzt ihre Bücher ›Wörter, die es nicht auf Hochdeutsch gibt‹ (2019) und ›Die alten Obstsorten‹ (2020). Außerdem übersetzt sie neben den Werken von John Lewis-Stempel u.a. Nigel Slater ins Deutsche.

John Lewis-Stempel

DAS GEHEIMELEBEN DEREULE

Aus dem Englischen vonSofia Blind

Von John Lewis-Stempel sind bei DuMont außerdem erschienen:

Ein Stück Land. Mein Leben mit Pflanzen und Tieren

Mein Jahr als Jäger und Sammler. Was es wirklich heißt, von der Natur zu leben

Im Wald. Mein Jahr im Cockshutt Wood

Die englische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel

›The Secret Life of the Owl‹ bei Doubleday,

einem Imprint von Transworld Publishers, London.

© Copyright John Lewis-Stempel 2017

eBook 2022

© 2022 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung: Sofia Blind

Lektorat: Kerstin Thorwarth

Umschlagillustrationen: © Beci Kelly/TW

Satz: Fagott, Ffm

eBook-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN

Die Eulen

Im Schutz von schwarzen Eibenbäumen,

So sitzen sie gereiht im Dunkeln,

Wie fremde Götter, und es funkeln

Die roten Augen nur. Sie träumen.

In regungsloser Ruh erstarrt

Erwarten sie die ernste Stunde,

Da in vertiefter Dämmrung Runde

Nur noch ein schräges Licht verharrt.

Ihr unbewegtes Bild will sagen:

Der Weise soll auf dieser Welt

Geschäftigkeit und Taumel meiden;

Die wie im Rausch nach Schemen jagen,

Stets werden sie die Strafe leiden,

Der alles Rastlose verfällt. [1]

Charles Baudelaire (1821–

Inhalt

PROLOGDer Kauz im Wald

EINLEITUNG»Eu« wie »Eule«

IWas ist eine Eule?

IIUnsere einheimischen Eulen

IIIMenschen und Eulen

EPILOGDer Herr der Finsternis

PROLOG

Der Kauz im Wald

Der Waldkauz im Drei-Morgen-Wald gleitet manchmal über meinen Kopf hinweg, wenn er seine Abendrunde dreht. (Tiere haben ihre Rituale, genau wie wir.) Es gibt Momente, in denen er sich mir bis auf einen Meter – oder sogar weniger? – nähert und ich es nicht bemerke, weil sein Flug so lautlos ist … allenfalls an einer leichten Schwere in der Luft ringsum. Geschieht dies im Zwielicht, sehe ich, sobald ich den Kopf hebe, seinen stumpfen Schatten vor dem Himmel. Wenn er im Dunkeln über mich hinwegfliegt, ist er nur ein Hauch, eine unsichtbare Präsenz.

Unsere Schweine, Schafe und Rinder weiden bis an den Waldrand (und manchmal auch dahinter), deshalb sind Old Brown und ich gute Bekannte. Ich gehe meinen Geschäften nach, er den seinen. Um von einer Eule akzeptiert zu werden, muss man zur vertrauten Szenerie gehören. Eulen fürchten alles, was neu ist.

Old Brown sitzt gern auf einer dekorativen Kastanie mit verdrehter Rinde, gleich hinter dem Saum des Waldes. Letzte Woche ging ich im glutroten Abendlicht zu ihm hinüber, und er beobachtete meine Annäherung mit professoraler Konzentration. Vögel erkennen Absichten. Deshalb steckte ich als Zeichen des Friedens meine Hände in die Jackentaschen. Er ließ mich bis auf schätzungsweise drei Meter herankommen, bevor er seine Nachtfalterschwingen ausbreitete und langsam davonglitt – der Herr der Finsternis. Das war keine Furcht. Er hatte einfach das Interesse verloren und Besseres zu tun, als seine Zeit mit Menschenbeobachtung zu verbringen.

Ich hingegen hatte keinen dringenderen Wunsch, als Eulen zu beobachten.

EINLEITUNG

»Eu« wie »Eule«

Heulen. Das Wort »Eule« leitet sich vom altenglischen ule ab, mit Entsprechungen in ganz Europa (englisch owl, niederländisch uil, lateinisch ulula); sie alle entstammen dem gleichen Wortkern, den unsere Vorfahren verwendeten, um das Heulen der Wölfe zu benennen und nachzuahmen. Wie der heulende Wolf ist die heulende Eule ein Geschöpf der Nacht und damit der Magie.

Die Nacht ist die Zeit der bösen Taten. Dementsprechend kam kein Zaubertrank ohne eine Portion Eule aus (im vierten Akt von Shakespeares Macbeth verlangen die Hexen nach »Flaum vom Kauz«) [2]; kein Gruselroman endete ohne den geisterhaften Ruf eines Käuzchens und kein Horrorfilm ohne Großaufnahme der starr blickenden Augen einer Eule. Selbst Sylvia Plath, eine technisch überaus versierte Literatin des 20.Jahrhunderts, konnte der Versuchung nicht widerstehen, eine »blasse, räuberische« [3] Eule in eines ihrer Gedichte einzubauen, um die bedrohliche Atmosphäre in einer neuenglischen Stadt anzudeuten.

Nacht bedeutet Verlassenheit, und das gilt auch für den Lebensraum der Eule. Der Prophet Jesaja sagte den Untergang Babylons voraus: Die Stadt würde verwüstet, »und ihre Häuser werden voll Eulen sein«. Eulen gehören zu Ruinen, Wäldern und Mooren. Sie sind wahrhaft wilde Vögel.

Eulen führen ihr Leben, wenn wir Taglebewesen schlafen. Nachtaktivität kommt bei den Vögeln ebenso selten vor wie bei den Menschen; nur 3Prozent aller Vögel sind nach Sonnenuntergang noch unterwegs.

Eulen sind anders. Sie leben jenseits der Sphäre von Licht, Zivilisation und Güte. Als die Engländer im Mittelalter einen neuen Begriff für das Verbrechen des nächtlichen Wollschmuggels nach Frankreich suchten, erfanden sie das Wort owling.

Arme Eulen. Wenn sie es doch einmal wagen, tagsüber auszufliegen, gilt das als böses Omen, weil die natürliche Ordnung auf den Kopf gestellt wird. William Shakespeare lässt in seinem Stück Julius Cäsar eine Eule am helllichten Tag als Vorbotin von Cäsars nahendem Ende auftreten:

Und gestern saß der Vogel

Der Nacht sogar am Mittag auf dem Markte

Und kreischt’ und schrie. [4]

Allerdings ist die Eule auch ein positiv besetzter Liebling der Kinderzimmer. In A. A. Milnes Pu der Bär taucht »Eule« als freundlich und weise (wenn auch etwas rechtschreibschwach) auf, in den Häschen-Geschichten von Alison Uttley als belesene weise Eule und in Edward Lears Nonsens-Gedicht »Der Kauz und die Katze« als zweiter Hauptdarsteller.

Dank ihrer aufrechten Haltung, der großen Augen und des breiten, homo-sapiens-ähnlichen Gesichts ist die Eule leicht zu vermenschlichen (oder in Kuscheltiere zu verwandeln). Selbst hartgesottene Ornithologen nehmen bei Begegnungen mit dem Steinkauz, Athene noctua, dessen Gesichtsausdruck als strengen elterlichen Blick wahr. Schnee-Eulen haben die herablassende Haltung von Schneeköniginnen. Waldkäuze wie Pus Freundin Eule sehen auf grummelige Weise wohlwollend aus.

Eulen haben etwas Besonderes an sich. Sie lösten und lösen bei uns stärkere Reaktionen aus als jede andere Vogelfamilie, und zwar in allen Zeitaltern und Erdteilen. Das ist ein Instinkt; wir sind genetisch auf die Anteilnahme am Schicksal unserer Doppelgänger programmiert. Früher war die Eule als »Vogel mit Menschenkopf« bekannt. Dieses menschenähnliche Gesicht ist es, auf das wir hereinfallen.

Ich schreibe dies an der Westgrenze Englands im November, während jener unklaren halben Stunde, in der Tag und Nacht sich überschneiden wie in einem Mengendiagramm und die Dämmerung ins Tal flutet wie eine Schlammwoge. Diese Zeit des Zwielichts nannte man einst – wegen der Eulen, die um diese Stunde ausfliegen – »Eulenflucht«.

Draußen, im Wald hinter dem Haus, hat unser lokaler Waldkauz angefangen zu rufen.

Huu-huu-huu-h-u-u-u.

Ja, Old Browns Ruf ist gespenstisch. Aber er ist auch ein Segen für das Land: Eulen jagen nur dort, wo es Leben zu erbeuten gibt.

So sind die Eulen für uns Menschen vieles von gut bis böse. Aber was ist eine Eule für sich selbst?

Der Kauz und die Katze

Der Kauz fuhr mit der Katze zur See

In einem moosgrünen Nachen,

Mit Honig beladen, mit Pflaumenrouladen

Und anderen guten Sachen.

Es brachte der Kauz ein Ständchen dar

Der Katze auf seiner Gitarren.

»Ich liebe dich rasend, mit Haut und Haar«,

So hört’ man ihn jaulen und schnarren.

»Und wenn’s dich nicht graut«,

Frohlockte er laut,

»Dann wirst du heute noch meine Braut!«

Darauf sprach die Katze zum Kauze:

»Dein hochelegantes Gefieder –

Entschuldige mich, wenn ich mauze! –

Betört mich, wie deine Lieder.

Doch gesetzt, ich werde dein Frauchen,

So ist es ein Fingerring, köstlich und fein,

Was wir jetzt unbedingt brauchen.

Durch reinen Zufall weiß ich ein Schwein

Auf den Äußern Hebritzen,

Das hat einen sitzen,

Einen Ring an der Nasenspitzen.«

Sie fragten das Schwein im Hebritzenland

Unter allgemeinem Gekicher:

»Ist dein Ring zu haben für milde Gaben?«

Das Ferkel sprach: »Aber sicher!«

Der Truthahn hat die beiden getraut

Mit fürchterlichem Geschnatter.

Da schnurrte vor Vergnügen die Braut

Und schmuste mit dem Gevatter:

»Küß mich, mein Käuzchen,

Küß mich aufs Schnäuzchen,

Gleich macht der Herr Pfarrer sein Kreuzchen!« [5]

Edward Lear (1812–1888)

KAPITEL I

Was ist eine Eule?

Die Lexikondefinition lautet: »ein nachtaktiver Raubvogel«. Allerdings sind nicht unbedingt alle Eulen Nachtvögel. Oben auf den walisischen Black Hills, jenseits unseres Hauses, durchkämmen die Sumpfohreulen das verkümmerte, windzerzauste Gras regelmäßig am helllichten Tag. Und auch die Größe variiert stark: Der zwergenhafte Elfenkauz bringt mit 47Gramm die Waage kaum zum Ausschlag, während der kolossale Riesen-Fischuhu sie mit 4500Gramm fast überfordert. Es gibt weiße und braune Eulen. Eulen, die sich von Fisch ernähren, und Eulen, die Insekten fressen. Auf unserem Planeten leben zurzeit ungefähr 225 verschiedene Eulenarten. Leider ist der neuseeländische Lachkauz ausgestorben und kann uns nicht mehr zum Lächeln bringen.

Tiere in wissenschaftliche Kategorien einzuordnen, kann so fruchtlos sein wie das Haschen nach dem Wind. Dennoch scheint es zu den menschlichen Gewohnheiten zu gehören. Aristoteles unterteilte die Vögel in solche, die auf dem Wasser, und solche, die am Wasser leben. Zweitausend Jahre später, im 17.Jahrhundert, schrieb Francis Willughby sein Werk Ornithologiae libri tres, in dem er eine morphologische Klassifizierung nach dem Körperbau vorschlug. Carl von Linné (1707–1778), oft »Vater der modernen Taxonomie« genannt, packte Eulen in die gleiche wissenschaftliche Ordnung wie Habichte. Heutige Systematiker sind der Meinung, dass Eulen und Habichte sich nur aufgrund von »konvergenter Evolution« ähneln – die Natur gelangte auf unterschiedlichen Wegen zur gleichen Lösung. Nach dem neuesten Stand neigt die Wissenschaft dazu, Eulen als eigene Ordnung anzusehen, die Strigiformes, von strix, dem griechischen Wort für »Eule«. Nach dieser Einteilung gibt es zwei Familien von Strigiformes: die Eigentlichen Eulen oder Strigidae – zu denen auch die Käuze gehören – und die Schleiereulen oder Tytonidae.

Die Unterschiede zwischen Strigidae und Tytonidae sind unwesentlich: Schleiereulen haben längere Beine und vergleichsweise kleine Augen. Am Ende des Tages, bei Einbruch der Nacht und trotz aller Bemühungen der Wissenschaft … Eule bleibt Eule. Sie sind sofort zu erkennen: Eulen haben große, runde Köpfe, flache Gesichter, große, nach vorn blickende Augen und einen krummen Schnabel zum Zerreißen von Fleisch. Männliche Tiere sind in der Regel kleiner als weibliche – insbesondere bei den Eulenarten, die sich eher von Wirbeltieren als von Wirbellosen ernähren. Das Ausmaß dieses »Größendimorphismus« hängt von der Art ab; bei der Schleiereule beträgt der Unterschied nur 5Prozent, beim Waldkauz 25Prozent. Dank des Dimorphismus können die Weibchen harte Zeiten leichter überstehen.

Eulen haben keinen sichtbaren Hals; der Kopf scheint auf einer unsichtbaren Achse zu kreisen. Es gibt Eulen, die ihren Kopf um 270Grad drehen können – Menschen schaffen 180Grad, wenn überhaupt. Außerdem können Eulen ihre Köpfe um 90Grad nach oben oder unten schwenken. Diese Beweglichkeit rührt daher, dass Eulen vierzehn Halswirbel haben, doppelt so viele wie wir.

Das Gefieder von Eulen ist dezent gefärbt, fast immer bräunlich, und wurde von der Evolution (oder der Schöpfung) so gestaltet, dass jede Art mit ihrem bevorzugten Lebensraum zu verschmelzen scheint. Eulen leben zwar meist im Wald, sind aber auch in so unterschiedlichen Gebieten wie der arktischen Tundra oder der afrikanischen Wüste zu finden.