Wandern bei Nacht - John Lewis-Stempel - E-Book

Wandern bei Nacht E-Book

John Lewis-Stempel

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Beschreibung

»Und jetzt ist der Nordstern angeknipst worden, und der Mond wird den Feldweg erhellen. Also wird es wieder Zeit, dass ich meinen Bau verlasse und hinauswandere. Mich zu den Geschöpfen der Nacht geselle.« Ob im Wald, am Fluss, auf dem Hügel oder auf dem Feld: Wenn wir uns im Dunkeln auf den Weg machen, können wir fernab der Zivilisation noch den Ruf der Wildnis hören. Mit seiner funkelnden Prosa lockt uns John Lewis-Stempel ins Land jenseits der Straßenlaternen und enthüllt eine Welt, in die es sich einzutauchen lohnt. Denn nachts schlägt die Stunde der Tiere: Da boxen Hasen auf gepflügten Feldern, Fledermäuse wirbeln am Himmel, Igel gehen auf Wanderschaft. Und auch unsere Sinne funktionieren anders, schärfen sich in der nächtlichen Umgebung. John Lewis-Stempel nimmt uns mit auf eine inspirierende Reise und zeigt, dass wir direkt vor unserer Haustür die Natur neu entdecken können.

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»Und jetzt ist der Nordstern angeknipst worden, und der Mond wird den Feldweg erhellen. Also wird es wieder Zeit, dass ich meinen Bau verlasse und hinauswandere. Mich zu den Geschöpfen der Nacht geselle.«

Ob im Wald, am Fluss, auf dem Hügel oder auf dem Feld: Wenn wir uns im Dunkeln auf den Weg machen, können wir fernab der Zivilisation noch den Ruf der Wildnis hören. Mit seiner funkelnden Prosa lockt uns John Lewis-Stempel ins Land jenseits der Straßenlaternen und enthüllt eine Welt, in die es sich einzutauchen lohnt. Denn nachts schlägt die Stunde der Tiere: Da boxen Hasen auf gepflügten Feldern, Fledermäuse wirbeln am Himmel, Igel gehen auf Wanderschaft. Und auch unsere Sinne funktionieren anders, schärfen sich in der nächtlichen Umgebung. John Lewis-Stempel nimmt uns mit auf eine inspirierende Reise und zeigt, dass wir direkt vor unserer Haustür die Natur neu entdecken können.

»Der größte Naturschriftsteller Großbritanniens«

THE TIMES

John Lewis-Stempel ist Farmer und Autor zahlreicher hochgelobter Bücher. Er ist zweifacher Preisträger des renommierten Wainwright Prize for Nature Writing. Bei DuMont sind bisher seine Bücher ›Ein Stück Land‹ (2017), ›Mein Jahr als Jäger und Sammler‹ (2019), ›Im Wald‹ (2020) und ›Das geheime Leben der Eule‹ (2022) erschienen. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in England und Frankreich.

Sofia Blind, geboren 1964, lebt als Autorin, Übersetzerin und Gärtnerin im Lahntal. Bei DuMont erschienen zuletzt ihre Bücher ›Wörter, die es nicht auf Hochdeutsch gibt‹ (2019), ›Die alten Obstsorten‹ (2020) und ›Historische Rosen‹ (2023). Außerdem übersetzt sie neben den Werken von John Lewis-Stempel u.

JohnLewis-Stempel

WANDERNBEI NACHT

WAS WIR IN DER DUNKELHEIT ERLEBEN KÖNNEN

Aus dem Englischen vonSofia Blind

Von John Lewis-Stempel sind bei DuMont außerdem erschienen:

Ein Stück Land. Mein Leben mit Pflanzen und Tieren

Mein Jahr als Jäger und Sammler. Was es wirklich heißt, von der Natur zu leben

Im Wald. Mein Jahr im Cockshutt Wood

Das geheime Leben der Eule

Robert Frost, »Acquainted With the Night«

© 1969 Holt Rinehart and Winston, Inc., published by Vintage Books.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Random House Group Ltd.

Robert Frost, »Iris by Night«

© 1969 Holt Rinehart and Winston, Inc., published by Vintage Books.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Random House Group Ltd.

Die englische Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel

›Nightwalking. Four Walks in Britain After Dark‹

bei Bantam/Transworld Publishers.

© John Lewis-Stempel 2022

E-Book 2024

© 2024 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung: Sofia Blind

Lektorat: Kerstin Thorwarth

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Umschlagillustration: © Joanna Lisowiec

Satz: Fagott, Ffm

E-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book 978-3-7558-1016-2

www.dumont-buchverlag.de

Als ich vor einigen Jahren durch Zufall einen unvergesslichen Spaziergang bei Mondlicht machte, beschloss ich, mehr solcher Streifzüge zu unternehmen und eine andere Seite der Natur kennenzulernen: Das habe ich getan. (…) Die Nacht ist zweifellos neuartiger und weniger profan als der Tag.

Henry David Thoreau,»Night and Moonlight«[1], 1863

Mit der Nacht bekannt

Ich war so einer, mit der Nacht bekannt.

Im Regen irrte ich umher, im Regen,

weit aus dem Lichterkreis der Stadt verbannt.

Vom Gassenelend ließ ich mich bewegen.

Ich ging am Wachmann scheuen Blicks vorbei

und war nicht willens, ein Gespräch zu pflegen.

Den Schritt verhielt ich, hallte fern ein Schrei,

aus einer andern Häuserflucht verschlagen,

doch nicht, als ob er ausgestoßen sei,

mir noch ein letztes Lebewohl zu sagen;

und ferner sah ich hell zum Himmelsrand

unirdisch eine Uhr emporgetragen,

die weder falsch noch recht die Zeit genannt.

Ich war so einer, mit der Nacht bekannt.[2]

Robert Frost

EINLEITUNG

Ich begann meine Nachtwanderungen aus schierer Notwendigkeit. Der freundliche Pub, der Wadsworth-Bier an Minderjährige ausschenkte, lag leider nicht bei uns im Dorf, sondern erforderte nach der Sperrstunde einen Fünf-Kilometer-Fußmarsch nach Hause. Der Pfad zu meiner heimischen Höhle verlief flussabwärts am Ufer des Wye entlang. Einmal beobachtete ich um Mitternacht Schleiereulen, die wie geisterhafte Greifvogelscheiben über der gefrorenen Dezember-Sumpfwiese jagten. In der Hitze einer Sommernacht wirbelten vom Holunderduft berauschte Wasserfledermäuse um meinen Kopf herum, so dicht, dass ich den kühlenden Hauch ihrer Lederflügel auf meinem Gesicht spürte. Oft gab es die reine Romantik von Mondlicht auf dem Wasser. Und so wurde eine Notwendigkeit meiner Teenagerzeit zu einem lebenslangen Vergnügen.

Nachts über das Land zu wandern – das bedeutet, einen dunklen, abenteuerlichen Kontinent zu betreten, von dem man mit wundersamen Entdeckergeschichten zurückkehrt. Ich habe einen Mondregenbogen gesehen, einen Halbkreis aus weißem Licht am Himmel; ich habe Hasen auf einem sternverzauberten, pflugfurchigen Feld beim Boxen beobachtet; ich habe die menschliche Bedeutungslosigkeit verstanden, als ich zur kosmischen Weite der Milchstraße emporblickte.

Nachts sind die normalen Regeln der Natur außer Kraft. Im nächtlichen Wald bin ich einem entgegenkommenden Dachs begegnet, habe an meine Mütze getippt und »Hallo« gesagt. Die Tiere rechnen nicht damit, dass wir Menschen im Dunkeln draußen sind; das ist ihre Zeit, und die Welt gehört noch ganz ihnen.

Das Zusammentreffen mit dem Dachs fand im Winter statt. Der Schrei eines Waldkauzes hallte von den kahlen Bäumen wider. Man kann immer noch den Ruf der Wildnis hören, wenn man nach dem Ende des Tages, der sicheren Zeit der Menschen, hinausgeht und den Straßenlaternen der »Zivilisation« entflieht. Es ist absolut möglich, im Dunkeln zu sehen – in einer wolkenlosen Mittsommernacht ist es sogar so hell, dass man Buchzeilen lesen kann. Aber draußen in der gewöhnlichen Dunkelheit erwachen andere, sonst ruhende Sinne zum Leben. Die Finger des Nachtwanderers folgen den Braille-Buchstaben der Baumrinde (Wildkirschen tragen narbige Ringe, Buchen sind glatt wie Robbenfell); seine Füße ertasten die physischen Konturen der Erde. Der Nachtwanderer wird außerdem von seinem geschärften Gehör geleitet. Die Ohren empfangen Laute und Noten, die reine Tagwesen nicht bemerken: das weinerliche, windsirrende Vibrato des Novembersturms im kahlen Weißdorn um zwei Uhr morgens (dem kältesten Moment der Nacht), die Nocturnes der Nachtigallen, die schaurigen Flötentöne der Triele über den Hügeln.

Die größte Offenbarung in der Dunkelheit ist jedoch der Geruchssinn. Jede Blume, jede Wiese, jeder Wald duftet nachts stärker. Tagsüber bekommt die Nase wenig vom Schwarzdorn mit, weil unser Blick von seinen kristallweißen, perfekten Blüten angezogen wird. In der Nacht dagegen ist die Luft von seinem würzigen Hauch erfüllt. Jeder Ort hat seinen spezifischen Duft. Meist durchstreife ich mein heimatliches Herefordshire, wo der Wind mit einem Hauch von Eisen weht. Außerdem arbeite ich als agriculteur ganz im Osten der französischen Charente-Maritime, und dort ist die Nachtluft vom Kreidestaub der Schulerinnerungen gesättigt. An beiden Orten hängen die Sterne so tief, dass man sie pflücken kann wie Diamanten von einer Stoffbahn aus schwarzem Samt.

Wie herrlich die Welt ist, wenn die Sommersonne hinter dem Rand der uns bekannten Weltkugel versunken ist und strahlende Sterne über den schweren, stillen Kleiderbügel-Silhouetten der Buchen funkeln, neben einem Dreiviertelmond.

Wir Nachtwanderer besitzen unsere eigene Wortschatztruhe, deren Inhalt wir zu dunkler Stunde mit den Fingernägeln aus Wörterbüchern gekratzt haben. Wir lukubrieren. Wir leiden nicht an Nyktophobie.

Wenige wandern in die Nacht, in jenen anderen Ort hinein. Nehmen wir besispielsweise eine Aprilnacht gegen elf Uhr, wenn selbst die Bauern schlafen, weil das Tagewerk vollbracht ist. Ekstatisches Mondlicht fließt über Weiden mit schlafenden Schafen, die aussehen wie weiße Spielzeuge. Alles ist anders. Anstelle der Bienen: Glühwürmchen. Anstelle von Pendlerautos: Luftverkehr der Wacholderdrosseln. In der Nacht finden die großen Wanderbewegungen der Natur statt, die freudige Ankunft der Schwalben, das Krabbeln der Maulwürfe im kleeduftenden Gras.

Im Schattenland geraten Altes und Neues, Vertrautes und Unbekanntes durcheinander. Der Graben wird zur abgrundtiefen Kluft, der Adlerfarn an der Hügelflanke zum Urzeitdschungel. Maisfelder leuchten, als würden sie von Milch überströmt. Warum scheint der Mond im Hofteich zu liegen und zu mir emporzublicken?

Von Zeit zu Zeit, wenn man während einer Nachtwanderung tief unten im Tal an einem solchen Teich oder vielleicht einem versteckten Bach vorbeikommt, kann man Klänge der Vergangenheit hören, die das Wasser bewahrt hat: das Klirren von Stahl in uralten Schlachten, die Volkslieder der Knechte und Mägde beim Heuen. Wasser bei Nacht hat ein Gedächtnis.

Wir haben die Nacht verbannt, schon vor langer Zeit. Es gibt Stadtmenschen, die noch nie die Sterne gesehen haben, die das tröstliche Gefühl nicht kennen, von den weichen Schwingen der Nacht umfangen zu werden. Es gibt Nächte von solcher Stille und Schönheit, dass sie wie Balsam für die Seele wirken, wie ein Gesundbrunnen für den Geist.

Zorn packt mich, Zorn über die Erfindung des künstlichen Lichts.

Die Nacht ist das Reich der Fantasie. Unsere literaturwissenschaftlichen Fakultäten ignorieren die Tatsache, dass die größten Dichter und Dichterinnen schon seit Chaucers Zeiten Nachtspaziergänge unternahmen. Lord Byron schilderte in seinem Gedicht »Manfred« ausdrücklich, was er der Dunkelheit verdankt:

(…) Nacht

War traulicher für mich von Angesicht

Als Menschen, und in ihres Sternendunkels

Geheimer, sanfter Lieblichkeit erlernte

Die Sprache ich von einer andern Welt.[3]

In »Sternklare Nacht«, der poetischen Hymne der Nachtwanderer, drängte unser literarischer Leitstern Gerard Manley Hopkins:

Schau zu den Sternen! Schau, schau zum Himmel hoch!

O schau auf all das Feuervolk, das in den Lüften hockt!

Die hellen Festungen, die Zirkelzitadellen da!

Drunten in Schummerwäldern die Diamantennester, Augender Elfen!

Die fahlen Rasen kalt wo Gold, wo Quickgold lagert!

Windwirre Silberlinde! flackernde Weißpappeln als Fackel

Flockentauben fleuchen und strömen durch Scheuchenaus Höfen![4]