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"DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten." --Books and Movie Reviews, Roberto Mattos DAS GESCHENK DER SCHLACHT (Buch #17) ist das Finale der Bestseller-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die mit QUESTE DER HELDEN (Buch #1) eingeleitet wurde! In DAS GESCHENK DER SCHLACHT, trifft Thor auf seine größte und letzte Herausforderung, als er tiefer in das Land des Blutes vordringt, um zu versuchen, Guwayne zu retten. Während er Feinden begegnet, die weitaus mächtiger sind, als er es sich je vorgestellt hatte, bemerkt Thor bald, dass er einer Armee der Finsternis gegenübersteht, der selbst seine Kräfte nicht gewachsen sind. Als er erfährt, dass ein heiliges Objekt ihm die Kräfte verleihen kann, die er braucht - ein Objekt, das ihm die ganze Zeit verborgen war - muss er sich auf eine letzte Reise geben, um es zu erlangen, bevor es zu spät ist, denn das Schicksal der ganzen Welt steht auf dem Spiel. Gwendolyn hält ihr Versprechen gegenüber dem König des Jochs, betritt den Turm und konfrontiert den Anführer des Kults, um seine Geheimnisse zu erfahren. Das was sie erfährt, schockiert sie und die Enthüllung bringt sie zu Argon und letztendlich zu Argons Meister - wo sie das größte aller Geheimnisse erfährt, eines das das Schicksal des Rings und ihrer Leute ändern wird. Als das Joch von der größten Armee angegriffen wird, die die Menschheit je gesehen hat, fällt die Rolle, es zu verteidigen, Kendrick und den anderen zu - und Gwendolyn muss ihre Leute in einem letzten Massenexodus anführen. Thors Legionsbrüder sehen sich unvorstellbaren Risiken gegenüber, als Angel an ihrem Aussatz stirbt.
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Seitenzahl: 442
Veröffentlichungsjahr: 2015
D A S G E S C H E N K D E R S C H L A CH T
(BUCH #17 IM RING DER ZAUBEREI)
MORGAN RICE
Morgan Rice
Morgan Rice ist die #1 Besteller- und USA Today Bestseller-Autorin der 17 Bände umfassenden epischen Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, der neuen #1 Bestseller Fantasy-Serie VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN, der #1 Bestseller-Serie DER WEG DER VAMPIRE (bestehend aus derzeit 11 Bänden) und der #1 Bestseller-Serie DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptische Thriller-Serie. Morgans Bücher sind verfügbar als Hörbücher und Printeditionen und wurden bisher in mehr als 25 Sprachen übersetzt.
GEWANDELT (Buch #1 aus DER WEG DER VAMPIRE), ARENA EINS (Buch #1 aus der TRILOGIE DES ÜBERLEBENS), und QUESTE DER HELDEN (Buch #1 im RING DER ZAUBEREI) sind als kostenlose Downloads auf Amazon verfügbar! Das erste Buch aus Morgans neuer epischer Fantasy-Serie, DER AUFSTAND DER DRACHEN (VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN Buch #1) wurde gerade veröffentlicht!
Morgan freut sich, von Ihnen zu hören, darum zögern Sie nicht und besuchen Sie www.morganricebooks.com
Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rices Büchern
“DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten.”
--Books and Movie Reviews, Roberto Mattos
“Rice hat das Talent den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte hineinzusaugen. Mit ihrer malerischen Sprache gelingt es ihr ein mehr als nur ein Bild zu malen – es läuft ein Film vor dem inneren Auge ab. Gut geschrieben und von wahnsinnig schnellem Erzähltempo.”
--Black Lagoon Reviews (zu Verwandelt)
“Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice hat gute Arbeit beim Schreiben einer interessanten Wendung geleistet. Erfrischend und einzigartig, mit klassischen Elementen, die in vielen übersinnlichen Geschichten für junge Erwachsene zu finden sind. Leicht zu lesen, aber von extrem schnellem Erzähltempo... Empfehlenswert für alle, die übernatürliche Romanzen mögen.”
--The Romance Reviews (zu Verwandelt)
“Es packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht los…. Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer voll rasanter Action ab der ersten Seite. Es gab nicht eine langweilige Seite.”
--Paranormal Romance Guild (zu Verwandelt)
“Vollgepackt mit Aktion, Romantik, Abenteuer und Spannung. Wer dieses Buch in die Hände bekommt wird sich neu verlieben.”
--vampirebooksite.com (zu Verwandelt)
“Eine großartige Geschichte. Dieses Buch ist eines von der Art, das man auch nachts nicht beiseitelegen möchte. Das Ende war ein derart spannender Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte um zu sehen, was passiert.“
--The Dallas Examiner (zu Geliebt)
“Ein Buch das den Vergleich mit TWILIGHT und den VAMPIRE DIARIES nicht scheuen muss. Eines, das Sie dazu verleiten wird, ununterbrochen Seite um Seite bis zum Ende zu lesen! Wer Abenteuer, Liebesgeschichten und Vampire gerne mag, für den ist dieses Buch genau das Richtige!”
--Vampirebooksite.com (zu Verwandelt)
“Morgan Rice hat sich wieder einmal als extreme talentierte Geschichtenerzählern unter Beweis gestellt… Dieses Buch spricht ein breites Publikum an, auch die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Es endet mit einem unerwarteten Cliffhanger der den Leser geschockt zurücklässt.
--The Romance Reviews (zu Geliebt)
Bücher von Morgan Rice
VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN
DER AUFSTAND DER DRACHEN (BAND #1)
DER RING DER ZAUBEREI
QUESTE DER HELDEN (Band #1)
MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)
LOS DER DRACHEN (Band #3)
RUF NACH EHRE (Band #4)
SCHWUR DES RUHMS (Band #5)
ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)
RITUS DER SCHWERTER (Band #7)
GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)
HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)
MEER DER SCHILDE (Band #10)
REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)
LAND DES FEUERS (BAND #12)
A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)
AN OATH OF BROTHERS – DER EID DER BRÜDER (BAND #14)
A DREAM OF MORTALS – DER TRAUM DER STERBLICHEN(BAND #15)
A JOUST OF KNIGHTS – DAS TOURNIER DER RITTER (BAND #16)
THE GIFT OF BATTLE - DAS GESCHENK DER SCHLACHT (BAND #17)
DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS
ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)
ARENA TWO -- ARENA ZWEI (Band #2)
DER WEG DER VAMPIRE
GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)
VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)
VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)
BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)
BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)
BETROTHED -- VERMÄHLT (Band #6)
VOWED -- GELOBT (Band #7)
FOUND -- GEFUNDEN (Band #8)
RESURRECTED – ERWECKT (Band #9)
CRAVED – ERSEHNT (Band #10)
FATED – BERUFEN (Band #11)
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Hören Sie sich den Ring der Zauberei jetzt als Hörbuch an!
Copyright © 2014 by Morgan Rice
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Diese Geschichte ist frei erfunden. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder ein Produkt der Phantasie des Autors oder werden im fiktionalen Sinne verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit existierenden Personen, tot oder lebendig, ist rein zufällig
INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
KAPITEL VIERUNDDREISSIG
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
KAPITEL NEUNUNDDREISSIG
KAPITEL VIERZIG
KAPITEL EINUNDVIERZIG
KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG
KAPITEL DREIUNDVIERZIG
KAPITEL VIERUNDVIERZIG
KAPITEL FÜNFUNDVIERZIG
KAPITEL SECHSUNDVIERZIG
Für Jake Maynard.
Einen echten Krieger.
“Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild; ich aber komme zu dir im Namen des HERRN Zebaoth, des Gottes des Heeres Israels, das du gehöhnt hast.”
- David zu Goliath
I Samuel, 17:45
Thorgrin, der auf dem heftig schaukelnden Schiff stand, starrte ins Leere und begriff langsam geschockt, was er gerade getan hatte. Er blickte erschrocken auf seine eigene Hand herab, die immer noch das Schwert der Toten umklammert hielt, dann sah er Reece, seinen besten Freund, an, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Thors Hand bebte heftig als er begriff, dass er gerade seinen besten Freund das Schwert in die Brust gerammt hatte und zusah, wie er vor seinen Augen starb.
Thor konnte nicht verstehen, was geschehen war. Während das Schiff wild auf den Wellen hin und her geworfen wurde und die Strömung sie durch die Straße des Wahnsinns trieb – bis sie endlich auf der anderen Seite herauskamen. Die Wellen beruhigten sich, das Schiff dümpelte leise auf den sanften Wellen und die dicken Wolken lösten sich auf.
Im selben Augenblick lichtete sich der Nebel, der Thors Verstand umwölkt hatte, und er hatte das Gefühl, wieder er selbst zu sein, die Welt wieder klar zu sehen. Er sah Reece an, der vor ihm Stand und es brach ihm das Herz, keinen Feind vor sich zu sehen, sondern seinen besten Freund. Langsam begriff er, was er getan hatte, dass er von etwas besessen gewesen war, das stärker als er war, einem Wahnsinn, den er nicht kontrollieren konnte, der ihn dazu gezwungen hatte, diese schreckliche Tat zu begehen.
„NEIN!“, schrie Thorgrin, die Stimme gebrochen vor Schmerz.
Er zog das Schwert aus der Brust seines Freundes, und im selben Augenblick keuchte Reece und brach zusammen. Thor warf das Schwert von sich, denn er wollte es nicht mehr sehen, und es landete mit einem hohlen Klirren an Deck, als Thor Reece auffing und ihn in seinen Armen hielt, wild entschlossen, ihn zu retten.
„Reece!“, rief er, erdrückt von der Schuld.
Thor presste seine Hand auf die Wunde und versuchte die Blutung zu stoppen. Doch er konnte spüren, wie das heiße Blut über seine Finger rann und wie Reeces Lebensenergie schwand, während er ihn in Armen hielt.
Elden, Matus, Indra und Angel kamen angerannt, auch endlich frei vom Griff des Wahnsinns, und drängten sich um sie. Thor schloss die Augen und betete inbrünstig, dass sein Freund überleben würde und dass er, Thor, eine Chance bekam, diesen Fehler wiedergutzumachen.
Thor hörte Schritte und er blickte auf und sah Selese, die herbeigeeilt kam; ihre Haut war blasser denn je und ihre Augen schimmerten mit einem Leuchten, das nicht von dieser Welt war. Sie ließ sich vor Reece auf die Knie fallen, nahm ihn in die Arme, und als Thor ihn losließ, sah er ein Leuchten, das sie umgab und erinnerte sich an ihre Kräfte als Heilerin. Selese blickte mit loderndem Blick zu Thor auf.
„Nur du kannst ihn retten“, sagte sie eindringlich. „Leg deine Hand auf seine Wunde!“
Thor legte seine Hand auf Reeces Brust und Selese legte ihre darüber. Er konnte die Hitze und die Kraft spüren, die von ihrer zarten Hand durch seine hindurch in Reeces Wunde floss.
Sie schloss die Augen und begann zu summen und Thor spürte, wie der Körper seines Freundes plötzlich ganz heiß wurde. Thor betete von ganzem Herzen, dass sein Freund zu ihm zurückkommen würde und dass er ihm vergeben würde, wozu der Wahnsinn ihn getrieben hatte.
Zu Thors großer Erleichterung öffnete Reece seine Augen. Er blinzelte, blickte gen Himmel, und richtete sich langsam auf.
Thor sah erstaunt zu, wie Reece ein paarmal blinzelte und seine Brust ansah: die Wunde war vollkommen geheilt. Thor war sprachlos, überwältigt und voller Ehrfurcht vor Seleses Macht.
„Mein Bruder!“, rief Thor.
Er zog ihn in seine Arme und Reece, noch immer desorientiert, erwiderte seine Umarmung während Thor ihm auf die Beine half.
„Du lebst!“, rief Thor, der es kaum fassen konnte. Thor dachte an all die Schlachten, die sie gemeinsam geschlagen hatten, all die Abenteuer, und wusste, dass er es nicht hätte ertragen können, seinen Freund zu verlieren.
„Und warum sollte ich nicht leben?“, blinzelte Reece verwundert. Er sah die staunenden Gesichter der anderen und war irritiert. Auch die anderen umarmten ihn, einer nach dem anderen. Dabei sah Thor sich um und realisierte plötzlich, dass einer fehlte: O’Connor.
Thor rannte an die Reling und suchte panisch das Wasser ab, als er sich erinnerte, dass O’Connor im Wahnsinn vom Schiff in die tosende Strömung gesprungen war.
„O’Connor!“, schrie er.
Die anderen rannten herbei und suchten ebenfalls das Wasser ab. Thor starrte in die Tiefe und reckte den Hals, um zurück in die Meerenge zu blicken, in das tosende rote Wasser – und sah O’Connor, der um sich schlagend am Rand der Meerenge um sein Leben kämpfte.
Thor verschwendete keine Zeit. Er reagierte instinktiv und sprang über die Reling ins Wasser.
Beim Eintauchen in das erstaunlich warme Wasser, bemerkte Thor, wie dickflüssig es war, als würde er durch Blut schwimmen. Er richtete seinen Blick auf O’Connor, der immer wieder unterging, und konnte die Panik in dessen Augen sehen. Er konnte auch sehen, dass der Wahnsinn von O’Connor abfiel, als er über die Schwelle der Meerenge ins offene Wasser getrieben wurde.
Doch während er um sich schlug, begann er zu sinken, und Thor wusste, dass sein Freund auf den Grund des Meeres sinken würde, wenn er ihn nicht bald erreichte.
Thor schwamm noch schneller und überwand dabei die schrecklichen Schmerzen und die Erschöpfung, die er in seinen Schultern zu spüren begann. Und doch begann O’Connor unterzugehen, als er sich ihm näherte.
Thor spürte eine Welle Adrenalin durch seinen Körper fluten, als er zusah, wie sein Freund unter die Oberfläche sank, und wusste – jetzt oder nie. Er schoss voran, tauchte unter und starrte unter Wasser mit geöffneten Augen ins endlose Rot. Doch er konnte nichts sehen und es brannte zu sehr.
Er schloss die Augen und ließ sich von seinen Instinkten leiten. Er rief etwas aus der Tiefe seines Seins zur Hilfe, das sehen konnte, ohne zu sehen.
Mit einem weiteren verzweifelten Schwimmzug streckte Thor die Arme aus und tastete im Wasser vor sich, bis er etwas spürte: einen Ärmel.
Überglücklich packte er O’Connor und hielt ihm fest – erstaunt darüber, wie schwer er war.
Thor zerrte an seinem Arm und schwamm mit aller Kraft zurück a die Oberfläche. Er hatte fürchterliche Schmerzen, jeder Muskel seines Körpers protestierte, als er mit den Füßen trat und nach oben schwamm.
Das Wasser war so dickflüssig und fühlte sich so schwer an, dass er das Gefühl hatte, dass seine Lungen bersten wollten.
Jeder Schwimmstoß fühlt sich an, als zog er die Welt hinter sich her.
Gerade als er dachte, dass er es nicht schaffen und mit O’Connor in die Tiefe sinken würde, brach Thor durch die Oberfläche und war erleichtert zu sehen, dass er in offenem Gewässer aufgetaucht war. Als er sah wie O’Connors Kopf an die Oberfläche kam und auch er keuchte und nach Luft rang, war Thors Erleichterung vollkommen.
Thor konnte sehen, wie der Wahnsinn von seinem Freund abfiel und seine Augen wieder klar wurden.
O’Connor blinzelte ein paarmal, hustete und keuchte, dann sah er Thor fragend an.
„Was tust du hier?“, fragte er verwirrt. „Wo sind wir?“
„Thorgrin!“, rief eine Stimme.
Thor hörte ein Platschen und als er sich umdrehte, sah er ein dickes Tau im Wasser neben sich. An der Reling des Schiffs standen Angel und die anderen, die zurückgekommen waren, um sie wieder an Bord zu holen.
Thor nahm das Seil mit der einen Hand und hielt O’Connor mit der anderen fest, während Elden sie Zug um Zug an das Schiff heran zog. Die andern packten mit an und zogen sie langsam aus dem Wasser, bis sie aus eigener Kraft über die Reling klettern konnten und sich an Deck fallen ließen.
Erschöpft und außer Atem und immer noch Wasser aushustend, lag Thor neben O’Connor; dieser drehte sich um und sah ihn genauso erschöpft an, und Thor konnte die Dankbarkeit in seinem Blick spüren. Er spürte O’Connors Dank – Thor verstand ihn auch ohne Worte. Sie waren Legionsbrüder. Jeder würde sich ohne zu zögern für den anderen opfern. Dafür lebten sie.
Plötzlich fing O’Connor an zu lachen.
Zuerst war Thor besorgt, und fragte sich, ob der Wahnsinn zurückgekehrt war, doch dann sah er, dass O’Connor in Ordnung war. Er war wieder ganz der Alte und lachte erleichtert und aus Freude, am Leben zu sein.
Auch Thor lachte, als die Anspannung von ihm abfiel, und auch die anderen stimmten ein. Alle waren am Leben – auch wenn es unmöglich erschienen war, sie waren alle am Leben. Die andern ergriffen Thors und O’Connors Hände und halfen ihnen, aufzustehen. Sie umarmten sich glücklich – endlich war ihr Schiff in stillem Gewässer angekommen und sie konnten sich entspannen.
Thor sah sich um und sah erleichtert, dass sie immer weiter von der Meerenge fortgetrieben wurden und alle wieder bei klarem Verstand waren. Sie hatten es geschafft; sie hatten die Straße des Wahnsinns durchquert, auch wenn sie beinahe einen hohen Preis dafür bezahlt hätten. Thor glaubte jedoch nicht, dass sie es ein weiteres Mal überleben könnten.
„Da!“, rief Matus.
Thor drehte sich um und sah in die Richtung, in die Matus mit seinem Finger deutete. Er war sprachlos, als sich am Horizont vor ihm eine neue Landschaft im Land des Blutes auftat. Dicke Wolken hingen tief am Himmel, das Wasser war blutrot – und nun, wo sie näher kamen, konnte er die Küste besser erkennen. Das Ufer war schwarz, ohne jeden Baum oder auch nur das geringste Lebenszeichen, und sah aus, als bestünde es aus Asche und Schlamm.
Thors Herz schlug schneller, als er in der Ferne im Inland ein schwarzes Schloss entdeckte, das und sich aus dem Boden erhob, als wäre es aus Asche und Schlamm gewachsen. Thor konnte das Böse spüren, das von ihm ausging.
Ein enger Kanal führte zum Schloss, dessen Ufer von Fackeln gesäumt war. Am Ende war er von einer Zugbrücke blockiert. Thor sah, dass das Innere des Schlosses von Fackeln erhellt wurde, und plötzlich war er sich sicher: von ganzem Herzen wusste er, dass Guwayne in diesem Schloss war und war ihn wartete.
„Setzt die Segel!“, rief er, und hatte endlich wieder das Gefühl, die Kontrolle zu haben und eine neue Zielstrebigkeit in sich erwachen.
Seine Brüder beeilten sich, die Segel zu setzen und bald blähten sie sich unter der starken Brise die sie vorantrieb. Zum ersten Mal, seitdem sie die Grenze zum Land des Blutes überschritten hatten, spürte Thor so etwas wie Optimismus und das Gefühl, dass er wirklich seinen Sohn finden und retten konnte.
„Ich bin so froh, dass du am Leben bist“, sagte eine Stimme.
Thor drehte sich um und sah Angel, die zu ihm aufsah und ihn anlächelte. Er lächelte, kniete neben ihr nieder und umarmte sie.
„Ich bin auch froh, Angel“, antwortete er.
„Ich verstehe nicht, was passiert ist“, sagte sie. „Im einen Augenblick war ich noch ich selbst, und dann… war es, als kannte ich mich selbst nicht mehr.“
Thor schüttelte langsam den Kopf. Er wollte es vergessen.
„Der Wahnsinn ist der schlimmste aller Feinde“, antwortete er. „Wir selbst sind der eine Feind, den wir nicht überwinden können.“
Sie legte besorgt die Stirn in Falten.
„Wird das wieder passieren?“, fragte sie. „Gibt es hier noch mehr solcher Orte?“, fragte sie mit Angst in der Stimme, und studierte dabei den Horizont.
Auch Thor blickte in diese Richtung und fragte sich dasselbe – als zu seinem großen Schrecken, die Antwort viel zu schnell kam.
Mit lautem Platschen, das klang, als würde ein Wal vor ihnen auftauchen, erhob sich die hässlichste Kreatur aus dem Wasser, die Thor je gesehen hatte. Sie sah aus wie ein riesiger Kalmar, fast zwanzig Meter groß, leuchtend rot in der Farbe des Blutes, und ragte über das Schiff, als er aus dem Wasser schoss. Seine Tentakel schienen nicht enden zu wollen und Dutzende breiteten sich in alle Richtungen auf dem Wasser aus. Mit wachsamen gelben Augen blickte er böse auf sie herab, voller Zorn, und sein riesiges Maul voller spitzer gelber Zähne öffnete sich, begleitet von einem grauenvollen Geräusch. Die Kreatur verdunkelte den Himmel, stieß einen unheimlichen Schrei aus und senkte sich auf sie herab, die Tentakel ausgestreckt, bereit, dass ganze Schiff zu vertilgen.
Thor stand wie gebannt im Schatten der Kreatur und wusste, dass sie einer Todesgefahr entgangen waren, nur jetzt dem sicheren Tod gegenüberzustehen.
Der Empire-Kommandant hieb immer wieder auf sein Zerta ein, als er durch die Große Wüste ritt und der Spur folgte, wie er es schon seit Tagen getan hatte. Hinter ihm ritten seine Männer, keuchend, am Rande des Zusammenbruchs, da er ihnen nicht einen Augenblick Pause gegönnt hatte, seitdem sie losgeritten waren – selbst nicht in der Nacht. Er verlangte alles von seinem Zerta und auch von seinen Männern.
Er kannte keine Gnade mit sich und schon gar nicht mit seinen Männern. Er wollte, dass sie unempfindlich waren gegen Erschöpfung, Hitze und Kälte – besonders, wenn sie auf einer Mission waren, die so heilig war, wie diese. Wenn diese Spur sie tatsächlich dorthin führte, wo er hoffte – zum legendären Königreich des Jochs – dann konnte das das Schicksal des ganzen Empire verändern.
Der Kommandant grub seine Fersen in die Flanken des Zertas bis es schrie und zwang es, immer schneller zu reiten, bis es beinahe gestolpert wäre. Er blinzelte in die Sonne und betrachtete die Spur. Er war sein Leben lang vielen Spuren gefolgt und hatte an ihrem Ende viele Menschen getötet – doch er war nie einer faszinierenderen Spur gefolgt als dieser. Er konnte spüren, dass er der größten Entdeckung in der Geschichte des Empire immer näher kam. Sein Name würde geheiligt werden und man würde noch in Generationen von ihm singen.
Sie kamen zu einer Düne und er begann, ein leises Geräusch zu hören, wie ein Sturm, der sich irgendwo über der Wüste zusammenbraute; als sie sie erklommen hatten, sahen er sich um, und rechnete damit, einen Sandsturm zu sehen, der auf sie zukam – doch stattdessen sah er ein paar hundert Meter vor sich eine Wand aus Sand, die sich gen Himmel erhob. Der Sand wirbelte herum und zischte und heulte wie ein Sturm, der jedoch auf einen Ort beschränkt zu sein schien.
Er blieb mit seinen Männern stehen und betrachtete neugierig den Sturm, der sich nicht zu bewegen schien. Er konnte es nicht verstehen. Es war ein wütender Sandsturm, doch er bewegte sich nicht. Er fragte sich, was auf der anderen Seite lag und ahnte, dass es das Joch sein musste.
„Deine Spur endet hier“, stellte einer seiner Krieger höhnisch fest.
„Wir können nicht durch diese Wand da gehen“, sagte ein anderer.
„Du hast uns nur zu noch mehr Sand geführt“, sagte ein weiterer.
Langsam schüttelte der Kommandant den Kopf und sah sie überzeugt an.
„Und was, wenn auf der anderen Seite ein Land liegt?“, gab er zurück.
„Auf der andren Seite?“, fragte ein Krieger. „Du bist vollkommen verrückt. Da ist nichts außer einer Wand aus Sand, und dahinter noch mehr Sand, eine endlose Wüste, wie die, die wir durchquert haben.“
„Gib zu, dass du versagt hast“, sagte ein anderer. „Kehr um – oder wir kehren ohne dich zurück.“
Der Kommandant drehte sich um und sah seine Krieger an, geschockt über ihre Dreistigkeit; er sah Verachtung und Trotz in ihren Augen. Er wusste, dass er schnell handeln musste, wenn er eine Rebellion verhindern wollte.
In einem plötzlichen Wutanfall zog er seinen Dolch aus dem Gürtel und rammte ihn in den Hals eines seiner Männer. Der Krieger keuchte, dann viel er von seinem Zerta und blieb in einer Pfütze frischen Blutes im Sand liege. Innerhalb von wenigen Augenblicken tauchten aus dem Nichts Insekten auf und nagten den Körper bis auf die Knochen ab.
Die anderen sahen ihren Kommandant mit Angst im Blick an.
„Sonst noch jemand, der sich meinem Befehl widersetzen möchte?“, fragte er.
Die Männer starrten ihn nervös an, doch keiner wagte sich, ein Wort zu sagen.
„Entweder wird euch die Wüste töten, oder ich tue es“, sagte er. „Es ist eure Wahl.“
Er stieß einen Schrei aus und ritt mit gesenktem Kopf los, auf die Sandwand zu, und wusste, dass das sein Tod sein könnte. Er wusste, dass seine Männer folgen würden, und einen Augenblick später, als er das Schnauben ihrer Zertas hörte, lächelte er zufrieden. Manchmal musste man ihnen einfach zeigen, wer das Sagen hatte.
Er schrie, als er in den tosenden Sturm ritt. Es fühlte sich an, als drückten Tonnen von Sand ihn nieder; seine Haut wurde aus allen Richtungen aufgekratzt, als er weiter hineinritt. Es war unglaublich laut, wie ein gigantischer Hornissenschwarm in seinen Ohren und doch ritt er weiter, trat sein Zerta und zwang es, selbst als es sich sträubte, immer weiter hinein. Er spürte, wie der Sand seinen Körper, sein Gesicht und seine Augen zerkratzte, und hatte das Gefühl, in Stücke gerissen zu werden.
Doch er ritt weiter.
Gerade als er sich fragte, ob seine Männer Recht gehabt hatten, ob die Wand vielleicht doch ins Nichts führte, brach er plötzlich auf der anderen Seite hinaus und stand im hellen Tageslicht. Kein Sand kratzte ihn mehr, kein Hornissenschwarm in seinen Ohren, nichts als freier Himmel. Noch nie war er so glücklich gewesen, den wolkenlosen Himmel über sich zu sehen.
Neben ihm brachen auch seine Männer hindurch, alle von ihnen voller Kratzer und blutend wie er, alle eher tot als lebendig aussehen – doch alle hatten es geschafft.
Als er sich umsah, begann das Herz des Kommandanten plötzlich zu rasen, als seine Augen an einem unglaublichen Anblick hängenblieben. Ihm stockte der Atem, als er den Blick über die Landschaft schweifen ließ und sein Herz schwoll im plötzlichen Bewusstsein, dass er es gefunden hatte. Majestätische Hügel erhoben sich gen Himmel und schienen eine kreisrunde Grenze zu bilden. Das konnte nur eines bedeuten: er hatte es gefunden – das Königreich des Jochs.
Da lag es am Horizont vor ihm und erhob sich gen Himmel, wunderbar, riesengroß und schien kein Ende nehmen zu wollen. Und auf dem Gipfel des Plateaus sah er zu seiner Überraschung Tausende von Kriegern, die in glänzenden Rüstungen patrouillierten.
Er hatte es gefunden. Er allein hatte es gefunden.
Seine Männer blieben abrupt neben ihm stehen und er konnte sehen, dass auch sie staunend mit aufgerissenen Mündern in die Höhe blickten. Er wusste, dass sie dasselbe dachten wie er: dieser Augenblick war Geschichte. Sie alle würden Helden sein, und man würde noch in vielen Generationen von ihnen erzählen.
Mit breitem Lächeln drehte sich der Kommandant um und sah seine Männer an, die ihn nun ehrfürchtig ansahen. Dann riss er sein Zerta herum, bereit, zurück durch die Sandwand und zurück nach Hause zu reiten – den ganzen Weg, ohne Pause, bis er das nächste Fort erreichte und den Rittern der Sieben berichten konnte, was er entdeckt hatte. Innerhalb von Tagen, das wusste er, würde die ganze Armee des Empire sich auf diesen Ort stürzen, Millionen von Männern, die nur eines wollten – diesen Ort zu zerstören. Sie würden die Sandwand durchqueren, das Joch erklimmen, diese Ritter vernichten und das letzte verbliebene freie Land im Empire besetzen.
Kendrick, Brandt, Atme, Koldo und Ludvig wanderten durch die Große Wüste auf die aufgehenden Sonnen des Wüstenmorgens zu. Sie waren die ganze Nacht gewandert, entschlossen, den jungen Kaden zu retten. Sie waren in einen stummen Rhythmus verfallen; jeder von ihnen hatte die Hände an den Waffen und alle hatten die Blicke gesenkt um den Spuren der Sandläufer zu folgen. Hunderte von Fußabdrücken führten sie immer tiefer in die öde Landschaft hinein.
Kendrick begann sich zu fragen, ob es jemals enden würde. Er staunte darüber, dass er wieder in dieser Situation war, zurück in dieser Wüste, von der er geschworen hatte, sie nie wieder zu betreten – und ganz besonders nicht zu Fuß, ohne Pferde, ohne Vorräte ohne zu wissen, wie er jemals zurückkommen sollte. Sie hatten ihr Vertrauen auf die anderen Ritter vom Joch gesetzt, in der Hoffnung, dass sie ihnen mit Pferden folgen würden – doch wenn sie es nicht taten, dann war dies eine Reise ohne Widerkehr.
Doch genau das war es, was Tapferkeit und Ehre ausmachte, das wusste Kendrick. Kaden, ein feiner junger Krieger mit einem gossen Herzen, hatte Wache gestanden und war tapfer in die Wüste vorgedrungen, um sich zu beweisen – und war von diesen wilden Kreaturen entführt worden. Koldo und Ludvig konnten ihren jüngeren Bruder nicht im Stich lassen, egal wie schlecht die Chancen standen – und Kendrick, Brandt und Atme konnten sie nicht im Stich lassen; ihr Pflicht- und Ehrgefühl trieben sie dazu, mit ihnen zu gehen. Diese feinen Ritter des Jochs hatten sie mit freundlich und gnädig aufgenommen als sie ihre Hilfe gebraucht hatten – und nun war es an der Zeit, ihnen dafür zu danken – koste es, was es wolle. Der Tod bedeutete ihnen nichts – doch Ehre bedeutete ihnen alles.
„Erzähl mir von Kaden“, sagte Kendrick Koldo zugewandt, um das Schweigen zu brechen.
Koldo blickte auf und seufzte.
„Er ist einer der besten jungen Krieger, die du dir vorstellen kannst“, sagte er. „Sein Herz und sein Mut waren schon immer weit seinem Alter voraus. Noch bevor er überhaupt ein Junge war, wollte er ein Manns ein, und wollte lernen, mit dem Schwert umzugehen, bevor er überhaupt eines halten konnte.“
Er schüttelte den Kopf.
„Es überrascht mich nicht, dass er zu weit vorgedrungen ist, dass er derjenige ist, der auf einer Patrouille gefangen genommen wurde. Nichts war ihm zu schwer oder zu viel – besonders dann nicht, wenn es darum ging, andere zu beschützen.“
Ludvig mischte sich ein.
„Wenn einer von uns entführt worden wäre“, sagte er, „dann wäre unser kleiner Bruder der erste gewesen, der sich freiwillig gemeldet hätte, demjenigen zu folgen. Er ist der jüngste von uns, doch er repräsentiert all unsere besten Eigenschaften.“
Kendrick hatte das schon angenommen, als er mit dem Jungen gesprochen hatte. Er hatte den Kriegergeist in ihm gesehen, selbst in seinem jungen Alter. Kendrick hatte schon immer gewusst, dass Alter nichts damit zu tun hatte, ob man ein Krieger war: man hatte den Geist eines Kriegers, oder man hatte ihn nicht. Dieser Geist konnte nicht lügen.
Sie marschierten weiter und verfielen wieder in Schweigen, als die Sonnen am Himmel emporkletterten, bis Brandt sich schließlich räusperte.
„Und was ist mit diesen Sandläufern?“, fragte Brandt.
Koldo wandte sich ihm zu.
„Eine Gruppe böser Nomaden“, antwortete er. „Mehr Tier als Mann. Sie sind dafür bekannt, dass sie sich in der Nähe der Sandwand herumtreiben.“
„Plünderer“, erklärte Ludvig. „Sie sind bekannt dafür, dass sie ihre Opfer tief in die Wüste hinein verschleppen.“
„Wohin?“, wollte Atme wissen.
Koldo und Ludvig tauschten einen vielsagenden Blick aus.
„Wo immer sie sich auch sammeln – dort vollziehen sie ein grausames Ritual und reißen ihre Opfer in Stücke.“
Kendrick zuckte zusammen, beim Gedanken an Kaden und das Schicksal, das ihn erwartete.
„Dann haben wir keine Zeit zu verlieren“, sagte Kendrick. „Lasst und laufen!“
Sie sahen einander an, denn sie wussten, wie groß die Wüste war und wie lang die Strecke war, die sie vor sich hatten – und in der Hitze des Tages und in voller Rüstung war sie noch viel länger. Sie wussten, wie gefährlich es war, sich in dieser unwirtlichen Gegend zu überfordern.
Doch sie zögerten nicht; gemeinsam verfielen sie in einen Trag. Sie rannten ins Nichts, Schweiß lief ihnen über das Gesicht, und sie wussten, dass die Wüste sie alle umbringen würde, wenn sie Kaden nicht bald fanden.
*
Kendrick rannte keuchend. Die zweite Sonne stand hoch am Himmel und ihr Licht blendete sie, die Hitze lähmte sie, und doch rannten sie keuchend und mit klirrenden Rüstungen weiter. Der Schweiß rann Kendrick über das Gesicht und brannte so sehr in seinen Augen, dass er kaum sehen konnte. Seine Lungen schienen bersten zu wollen. Kendrick hatte nie eine schlimmere Hitze gespürt als hier in der Wüste, so intensiv, dass er das Gefühl hatte, dass sie ihm die Haut verbrannte.
Er wusste, dass sie dieses Tempo bei dieser Hitze nicht mehr lange durchhalten konnten; bald würden sie zusammenbrechen und zum Futter für die Insekten werden. Im Laufen hörte Kendrick einen Schrei in der Höhe, und als er aufblickte, sah er die Aasfresser über sich kreisen, wie schon seit Stunden. Sie waren schlau: sie wussten genau, wenn der Tod nahte.
Als Kendrick die Spuren der Sandläufer betrachtete, die sich immer noch am Horizont verloren, konnte er nicht verstehen, wie sie sich so schnell soweit fortbewegen konnten. Er betete nur, dass Kaden noch am Leben und dass alles nicht umsonst gewesen war. Doch er fragte sich, ob sie ihn jemals einholen würden. Es war, als wollten die Spuren niemals enden.
Kendrick sah sich um und bemerkte, dass auch die anderen mehr stolperten, als dass sie liefen – doch alle waren genauso entschlossen wie er, nicht anzuhalten. Kendrick wusste – sie alle wussten – dass sie sterben würden, wenn sie anhielten.
Kendrick wollte die Monotonie der Stille brechen, doch er war zu erschöpft, um jetzt mit den anderen zu reden, und er zwang seine Beine weiterzugehen, wobei er sich fühlte, als lastete das Gewicht der Welt auf ihm.
Er wagte nicht, seine Kräfte zu verschwenden um zu Horizont zu blicken, denn er wusste, dass er nichts finden würde, er wusste, dass er schließlich doch dazu verdammt war, her zu sterben. Stattdessen hatte er den Blick gesenkt, verfolgte die Spur und versuchte, mit dem bisschen kostbarer Energie, das er noch hatte, zu haushalten.
Er hörte ein Geräusch, und zunächst war er sich nicht sicher, ob er es sich nur eingebildet hatte; doch da war es wieder, ein fernes Geräusch, wie das Summen von Bienen, und diesmal blickte er auf, auch wenn er wusste, dass es dumm war, dass da nichts sein konnte.
Doch diesmal schlug sein Herz vor Aufregung schneller Angesichts des Anblicks, der sich ihm bot. Dort vor ihm, vielleicht hundert Meter weit entfernt war eine Ansammlung von Sandläufern.
Kendrick stieß die anderen an, und auch sie blickten aus ihren Gedanken gerissen auf. Die Zeit zu kämpfen war gekommen.
Kendrick griff nach Hand und spürte die wohlbekannte Welle des Adrenalins durch seinen Körper rauschen.
Die Sandläufer, Dutzende von ihnen, drehten sich um und machten sich ebenso bereit, gegen sie zu kämpfen. Sie kreischten und rannten los.
Gwendolyn ging ernst durch die Hauptstadt des Königreichs des Jochs. Krohn ging an ihrer Seite, Steffen folgte ihr, und in ihrem Kopf drehte sich alles, als sie über Argons Worte nachdachte. Einerseits war sie überglücklich zu sehen, dass er wieder gesund war – doch seine folgenschwere Prophezeiung hallte in ihrem Kopf wie ein Fluch, wie eine Glocke, die ihren Tod verkündete. Seinen entsetzlichen, kryptischen Worten nach, klang es, als sollte sie nie wieder mit Thor vereint sein.
Gwendolyn kämpfte gegen die Tränen an während sie mit schnellen Schritten auf den Turm zuging. Sie versuchte seine Worte zu verdrängen, weigerte sich, ihr Leben von vagen Prophezeiungen bestimmen zu lassen. So war sie schon immer gewesen, und das brauchte sie jetzt auch, um stark zu bleiben. Die Zukunft mochte vielleicht irgendwo geschrieben stehen, doch sie hatte das Gefühl, dass man sie trotzdem ändern konnte. Das Schicksal war formbar – das spürte sie. Man musste es nur genug wollen, bereit sein, genug aufzugeben.
Das war so ein Moment. Gwendolyn weigerte sich, Thorgrin und Guwayne zu erlauben, ihr zu entgleiten, und eine wachsende Entschlossenheit stieg in ihr auf. Sie würde sich dem Schicksal widersetzen, egal was dazu nötig war, opfern, was auch immer das Universum von ihr verlangte. Unter keinen Umständen würde sie durchs Leben gehen ohne Thor und Guwayne wiederzusehen.
Als ob er ihre Gedanken spürte, winselte Krohn zu ihren Füßen und rieb sich im Gehen an ihrem Bein. Aus ihren Gedanken gerissen blickte Gwendolyn auf und sah den Turm vor ihr; rund und rot erhob er sich im Zentrum der Hauptstadt, und sie erinnerte sich: der Kult. Sie hatte dem König geschworen, dass sie in den Turm gehen und versuchen würde, seinen Sohn und seine Tochter aus den Fängen des Kults zu befreien, den Anführer wegen der alten Bücher zu konfrontieren und dem Geheimnis, das sie verbargen, das das Joch vor der Zerstörung retten konnte.
Gwendolyns Herz pochte, als sie sich dem Turm näherte. Sie wollte dem König und dem Joch helfen, doch viel mehr noch wollte sie es verlassen und nach Thor und Guwayne suchen, bevor es zu spät war. Wenn doch nur einen Drachen hätte, so wie früher; wenn doch nur Ralibar zurückkehren und sie auf seinen Schwingen durch die Lüfte tragen würde, weg von hier, weit weg von den Problemen des Empire auf die andere Seite der Welt, zurück zu Thorgrin und Guwayne. Wenn sie doch nur alle in den Ring zurückkehren und leben könnten, wie sie einst gelebt hatten.
Doch sie wusste, dass das kindische Träume waren. Der Ring war zerstört und das Joch war alles, was ihr geblieben war. Sie musste sich der Realität stellen und tun, was sie konnte, um diesen Ort zu retten.
„Mylady, darf ich Euch in den Turm begleiten?“
Aus ihren Tagträumen gerissen, drehte sich Gwen zu der Stimme um, und war erleichtert, ihren alten Freund Steffen an ihrer Seite zu sehen, der mit einer Hand am Schwert neben ihr herging, immer bemüht, sie zu beschützen. Er war der treuste Berater, den sie hatte. Dessen wurde sie sich bewusst, wenn sie an die langen Jahre dachte, die er an ihrer Seite war, und war ihm zutiefst dankbar dafür.
Als Gwendolyn vor der Zugbrücke stehenblieb, die zum Turm führte, starrte er ihn argwöhnisch an.
„Ich traue diesen Leuten nicht“, sagte er.
Beruhigend legte sie ihm eine Hand auf den Arm.
„Du bist ein treuer Freund Steffen“, antwortete sie. „Ich weiß deine Freundschaft und Loyalität zu schätzen, doch das hier muss ich alleine tun. Ich muss so viel wie möglich herausfinden, und wenn du mitkommst, dürfte sie das argwöhnisch werden lassen. Davon abgesehen“, fügte sie hinzu, als Krohn zu ihren Füßen winselte, „habe ich ja Krohn.“
Gwendolyn sah ihn an und Krohn blickte erwartungsvoll zu ihr auf.
Steffen nickte.
„Dann werde ich hier auf Euch warten“, sagte er. „Ruft nach mir, wenn es irgendwelchen Ärger im Turm gibt, ich komme dann sofort.“
„Wenn ich nicht finde, was ich im Turm suche“, antwortete sie, „fürchte ich, dass viel größerer Ärger auf uns alle zukommt.“
*
Gwendolyn ging langsam mit Krohn über die Zugbrücke. Ihre Schritte hallten auf dem Holz der Brücke, als sie das sanft plätschernde Wasser darunter überquerte. Dutzende von Mönchen in scharlachroten Roben standen auf der Brücke als hielten sie stumm Wache; ihre Hände waren in den Ärmeln versteckt und ihre Augen waren geschlossen. Das waren seltsame Wächter, unbewaffnet, mit geschlossenen Augen! Gwendolyn staunte über ihre unglaubliche Loyalität und Zuneigung ihrem Anführer gegenüber, und sie begriff, dass es so sein musste, wie der König gesagt hatte: sie verehrten sie als Gott. Sie fragte sich, auf was sie sich da eingelassen hatte.
Als sie näher kam, blickte Gwendolyn zu dem riesigen Eingangsportal vor ihr auf. Die Tür war aus Eiche gemacht und mit geschnitzten Symbolen verziert, die sie nicht verstand. Mehrere Mönche traten vor und zogen die Flügel der Tür für sie auf. Knarzend gaben sie den Blick frei auf das düstere Innere, das nur von wenigen Fackeln erleuchtet wurde. Ein kühler Windhauch traf sie, der leicht nach Weihrauch roch. Krohn neben ihr begann zu fauchen und nachdem sie eingetreten waren, wurden die Türen wieder hinter ihnen zugeschlagen. Das Donnern der Tür hallte durch die Flure, und es dauerte einen Augenblick, bis Gwendolyn sich orientiert hatte. Im Inneren war es düster, und die Wände wurden nur von ein paar Fackeln und dem gedämpften Sonnenlicht erhellt, das durch Bleiglasfenster hoch oben einfiel. In der Luft lag etwas Heiliges und es still – sie hatte das Gefühl, eine Kirche betreten zu haben.
Gwendolyn blickte auf und sah, dass ein System von Rampen und Treppen nach oben führte. Es gab so gut wie keine Fenster und von irgendwoher drang leiser Gesang an ihr Ohr. Der Duft von Weihrauch lag schwer in der Luft und Mönche huschten hin und her. Sie gingen wie in Trance von einer Kammer zur anderen. Manche von ihnen hielten Weihrauchgefäße in Händen und sangen, während andere still und nachdenklich umherwanderten und sie nicht einmal wahrzunehmen schienen. Gwendolyn fragte sich, was es mit diesem Kult auf sich hatte.
„Hat mein Vater dich geschickt?“, hallte eine Stimme durch den Turm.
Erschrocken wirbelte Gwendolyn herum und sah einen Mann, der nur ein paar Meter von ihr entfernt stehengeblieben war. Er trug eine lange scharlachrote Kutte und lächelte sie freundlich an. Sie konnte kaum fassen wie sehr er seinem Vater, dem König, ähnelte.
„Ich wusste, dass er früher oder später jemanden schicken würde“, sagte Kristof. „Seine Bemühungen, mich zurück unter seine Fittiche zu bekommen, sind schier endlos. Bitte, komm“, sagte er und machte eine einladende Geste.
Gwendolyn schloss zu ihm auf und sie gingen einen Flur mit Gewölbedecke entlang, eine Rampe hinauf, die auf zu den oberen Stockwerken des Turms führte. Gwendolyn war überrascht; sie hatte einen verrückten Mönch erwartet, einen religiösen Fanatiker, und war überrascht, einem liebenswerten und freundlichen Mann zu begegnen, der offensichtlich bei Verstand war. Kristof erschien ihr nicht wie der verlorene, verrückte junge Mann, als den sein Vater ihn beschrieben hatte.
„Dein Vater hat mit mir gesprochen“, sagte sie schließlich, und brach das Schweigen, nachdem ein Mönch in die entgegengesetzte Richtung an ihnen vorbeigegangen war, und dabei nicht einmal den Blick gehoben hatte. „Er möchte, dass ich dich nach Hause bringe.“
Kristof schüttelte den Kopf.
„Das ist das Problem mit meinem Vater“, sagte er. „Er denkt, dass es nur ein Zuhause auf der Welt gibt. Doch ich habe etwas gelernt“, erklärte er und sah sie an, „es gibt mehr als nur ein wirkliches Zuhause auf dieser Welt.“
Als sie weitergingen seufzte er und Gwendolyn schwieg, da sie nicht zu sehr bohren wollte.
„Mein Vater wird nie akzeptieren, wer ich bin“, fügte er schließlich hinzu. „Er wird es niemals lernen. Er ist so festgefahren in seinem alten, beschränkten Glaubenssystem – und er will es mir aufzwingen. Doch ich bin nicht er – auch wenn er das nicht akzeptieren kann.
„Vermisst du deine Familie nicht?“, fragte Gwen, überrascht, dass er sein Leben diesem Turm verschrieben hatte.
„Das tue ich“, sagte er ehrlich und überraschte sie damit. „Sehr sogar. Meine Familie bedeutet mir alles – doch meine spirituelle Berufung ist mir wichtiger. Mein Zuhause ist jetzt hier“, sagte er und bog in einen anderen Flur ab. „Ich diene jetzt Eldof. Er ist meine Sonne. Wenn du ihn kennen würdest“, sagte er und sah Gwendolyn mit einer Intensität an, die ihr Angst machte, „dann wäre er auch deine Sonne.“
Gwendolyn wandte sich ab, denn der fanatische Blick in seinen Augen missfiel ihr.
„Ich diene niemandem außer mir selbst“, antwortete sie.
Er lächelte sie an.
„Vielleicht ist das die Quelle all deiner irdischen Sorgen“, antwortete er. „Niemand kann in einer Welt leben, in der er niemand anderem dient. In diesem Augenblick dienst du nicht dir, sondern jemand anderem.“
Gwendolyn sah ihn argwöhnisch an.
„Wie denn?“, fragte sie.
„Selbst wenn du denkst, dass du dir selbst dienst“, antwortete er, „täuscht du dich. Die Person, der du dienst, bist nicht du, sondern die Person, die deine Eltern geschaffen haben. Wenn wirst du mutig genug sein, ihren Glauben abzuschütteln und dir selbst zu dienen?“
Gwendolyn runzelte die Stirn. Sie glaubte seiner Philosophie nicht.
„Und wessen Glauben soll ich stattdessen annehmen“, fragte sie. „Eldofs?“
Er schüttelte den Kopf.
„Eldof ist nur ein Kanal“, antwortete er. „Er hilft dir dabei, abzuwerfen, wer du warst. Er hilft dir dabei, dein wahres Selbst zu finden, das was du zu sein bestimmt bist. Diesem Selbst musst du dienen. Das ist die Person, die du niemals finden wirst, bis du dein falsches Selbst freilässt. Das ist das, was Eldof tut: er befreit uns alle.“
Gwendolyn blickte in seine glänzenden Augen, und sie konnte sehen, wie treu ergeben er war – und diese Hingabe machte ihr Angst. Sie konnte sofort sehen, dass man nicht mit ihm diskutieren konnte – er würde diesen Ort nie verlassen.
Das Netz, das Eldof gesponnen hatte, um all diese Menschen in seine Falle zu locken machte ihr Angst – eine billige Philosophie mit einer ganz eigenen Logik. Gwendolyn wollte nicht mehr hören; sie war fest entschlossen, dass sie sich nicht von diesem Netz einfangen lassen würde. Schaudern schüttelte sie das Gefühl ab und ging weiter neben Kristof die Rampe hinauf; im Kreis um den Turm herum, immer höher und höher, wo immer sie auch hinführte.
„Ich bin nicht gekommen, um die Errungenschaften deines Kults zu diskutieren“, sagte Gwendolyn. „Ich weiß, dass ich dich nicht dazu bringen kann, zu deinem Vater zurückzukehren. Ich habe ihm versprochen, dich zu bitten, und das habe ich getan. Wenn dir deine Familie nichts bedeutet, kann ich dich nicht dazu zwingen.“
Kristof sah sie ernst an.
„Und denkst du, dass meinem Vater seine Familie etwas bedeutet?“, fragte er.
„Sehr viel sogar“, antwortete sie. „Zumindest, soweit ich es beurteilen kann.“
Kristof schüttelte den Kopf.
„Lass mich dir etwas zeigen.“
Kristof hakte sie unter und führte sie in einen Flur, der nach links abbog, dann eine Treppe hinauf, bevor sie vor einer dicken Eichenholztür stehenblieben. Er sah sie bedeutungsvoll an, dann öffnete er sie und gab den Blick auf eine Gittertür frei.
Gwendolyns Neugier war geweckt und sie fragte sich, was er ihr zeigen wollte; dann trat sie vor und warf einen Blick durch die Gitterstäbe. Sie war geschockt, ein junges, wunderschönes Mädchen alleine in der Zelle sitzen zu sehen, deren langes Haar ihr ins Gesicht viel. Auch wenn ihre Augen geöffnet waren, schien sie ihre Gegenwart nicht wahrzunehmen.
„So kümmert sich mein Vater um seine Familie“, sagte Kristof.
Gwendolyn sah ihn fragend an.
„Seine Familie?“, fragte Gwendolyn irritiert.
Kristof nickte.
„Kathryn. Seine andere Tochter. Die, die er vor der Welt versteckt. Sie ist hierher verbannt worden, in diese Zelle. Warum. Weil sie verwirrt ist. Weil sie nicht perfekt ist wie er. Weil er sich für sie schämt.“
Gwendolyn schwieg und ihr Magen zog sich zusammen, als sie traurig das Mädchen ansah; sie wollte ihr helfen. Sie begann sich zu fragen, ob alles so schwarz und weiß war, wie es der König darstellte, und ob irgendetwas von dem, was Kristof gesagt hatte, wahr war.
„Eldof misst Familie eine große Bedeutung bei“, fuhr Kristof fort. „Er würde nie einen der Seinen im Stich lassen. Er weiß unser wahres Selbst zu schätzen. Niemand wird hier aus Scham abgewiesen. Das ist die Verkommenheit der Stolzen. Und jene, die verwirrt sind, sin ihrem wahren Selbst am nächsten.“
Kristof seufzte.
„Wenn du Eldof triffst“, sagte er, „wirst du es verstehen. Es gibt niemanden, der so ist wie er, und es wird auch niemals jemanden geben.
Gwendolyn sah wieder den Fanatismus in seinen Augen aufflackern sehen und konnte sehen, wie sehr er sich an diesen Ort verloren hatte, an diesen Kult, und sie wusste, dass er viel zu weit entrückt war, um jemals wieder zum König zurückzukehren. Sie wandte sich wieder der Tochter des Königs zu und empfand tiefe Trauer für sie, für diesen Ort, für die zerbrochene Familie. Ihr perfektes Bild des Königreichs, das der perfekten königlichen Familie, zerbröckelte. Dieser Ort hatte wie jeder andere eine dunkle Seite. Hier herrschte ein stiller Krieg des Glaubens.
Es war ein Krieg von dem Gwendolyn wusste, dass sie ihn nicht gewinnen konnte, und sie spürte ein immer dringenderes Bedürfnis ihren Gemahl und ihren Sohn zu retten. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, dieser Ort überforderte sie, und der Duft des Weihrauchs, der schwer in der Luft lag und das Fehlen von Fenstern ließ sie die Orientierung verlieren. Sie wollte so schnell wie möglich finden, was sie brauchte und den Turm verlassen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, weswegen sie überhaupt gekommen war, und es fiel ihr wieder ein: um das Königreich zu retten, so wie sie es dem König versprochen hatte.
„Dein Vater glaubt, dass hier im Turm ein Geheimnis verborgen liegt“, sagte Gwendolyn, „ein Geheimnis, dass das Königreich und das ganze Volk retten könnte.“
Kristof lächelte und verschränkte die Finger.
„Mein Vater und sein Glaube“, antwortete er.
Gwendolyn legte die Stirn in Falten.
„Willst du damit sagen, dass es nicht stimmt?“, fragte sie. „Dass es kein altes Buch gibt?“
Er hielt inne und wandte den Blick ab; dann seufzte er und schwieg eine ganze Weile.
Schließlich fuhr er fort: „Was dir offenbart wird und wann“, sagte er, „liegt nicht in meinem Ermessen. Nur Eldof kann deine Fragen beantworten.“
Gwendolyn spürte, wie ein Gefühl der Dringlichkeit in ihr aufstieg.
„Kannst du mich zu ihm bringen?“
Kristof lächelte, drehte sich um begann, den Flur hinunterzugehen.
Stara stand auf der wackligen Plattform und versuchte dabei, nicht nach unten zu blicken, während sie immer weiter hochgezogen wurde. Mit jedem Zug am Seil konnte sie weiter sehen. Die Plattform hob sich immer höher am Rand des Jochs entlang und Stara stand mit pochendem Herzen da, verkleidet, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter , als sie spürte, wie die Hitze der Wüste um sie herum aufstieg. Sie war schon so hoch oben unangenehm, und der Tag war kaum angebrochen. Um sie herum hörte sie die Taue knarzen und Räder quietschen, während die Krieger die an den Seilen zogen, und keiner von ihnen bemerkte, wer sie war.
Bald blieb sie stehen und alles war still als sie die Hochebene des Jochs erreichte. Alles, was zu hören war, war das Heulen des Windes. Die Aussicht war atemberaubend und gab ihr das Gefühl auf dem Gipfel der Welt zu stehen.
Erinnerungen wurden wach. Stara erinnerte sich daran, wie sie im Joch angekommen war, frisch aus der Großen Wüste, gemeinsam mit Gwendolyn und Kendrick und all den anderen. Die meisten von ihnen waren mehr tot als lebendig gewesen. Sie wusste, wie viel Glück sie gehabt hatte und zunächst war der Anblick des Jochs ihr wie ein Gottesgeschenk erschienen.
Und doch stand sie nun hier, bereit, es wieder zu verlassen und auf der anderen Seite abzusteigen, zurück hinaus in die Große Wüste zu gehen, dort, wo der Tod unter jedem Stein lauerte. Ihr Pferd neben ihr schnaubte und scharrte mit den Hufen. Sie strich ihm beruhigend über die Mähne. Das Pferd würde ihre Rettung sein, ihr Weg fort von hier; er würde sie über die Große Wüste bringen und diesmal würde alles ganz anders verlaufen.
„Ich erinnere mich nicht an einen Befehl unseres Kommandanten für diesen Besuch“, hörte sie die Stimme eines Kriegers.
Stara stand vollkommen still, denn sie wusste, dass er mit ihr sprach.
„Dann werde ich es mit deinem Kommandanten und meinem Cousin – dem Königs selbst – diskutieren“, antwortete Fithe, der neben ihr stand selbstbewusst.
Stara wusste, dass er log, und sie wusste, was er für sie riskierte – und war ihm unendlich dankbar dafür. Fithe hatte sie überrascht, als er sein Wort eingelöst hatte, indem er alles getan hatte, was in seiner Macht stand – ganz so wie er es versprochen hatte – um ihr zu helfen, das Joch zu verlassen, damit sie sich auf die Suche nach Reece machen konnte, dem Mann, den sie liebte.
Reece. Staras Herz schmerzte beim Gedanken an ihn. Sie würde diesen Ort verlassen, egal wie sicher sie hier war, würde die Große Wüste durchqueren, die Welt umrunden, allein für die Chance ihm sagen zu können, wie sehr sie ihn liebte.
So sehr Stara es auch missfiel, Fithe in Gefahr zu bringen – sie brauchte ihn. Sie musste dieses Risiko eingehen um den Mann zu finden, den sie liebte. Sie konnte nicht einfach hier in Sicherheit herumsitzen, egal wie prachtvoll, wie reich und wie sicher das Königreich des Jochs war, bis sie wieder mit Reece vereint war.
Das eiserne Tor der Plattform schwang quietschend auf; Fithe nahm sie am Arm und begleitete sie. Sie verließen die Plattform und betraten das Steinplateau des Jochs. Der Wind heulte, und eine Böe hätte sie fast umgestoßen. Sie klammerte sich an die Mähne des Pferdes und ließ mit pochendem Herzen den Blick über die endlose Weite schweifen.
„Halt deinen Kopf gesenkt und zieh dir die Kapuze ins Gesicht“, zischte Fithe ihr zu. „Wenn sie dich sehen, wenn sie bemerken, dass du ein Mädchen bist, werden sie wissen, dass du nichts hier oben zu suchen hast. Sie werden dich zurückschicken. Warte, bis wir auf der anderen Seite des Plateaus sind. Da ist eine weitere Plattform, die dich auf der anderen Seite hinunterbringen wird. Sie wird nur dich transportieren.“
Staras Atem ging schneller, als die das breite Plateau überquerten und schnell an den Rittern vorbeigingen. Sara hielt den Kopf gesenkt und verbarg ihr Gesicht vor den neugierigen Blicken der Krieger.
Schließlich blieben sie stehen und er flüsterte:
„Gut. Du kannst deinen Kopf heben.“
Als Stara die Kapuze zurück schob und sich die schweißnassen Haare aus dem Gesicht wischte, war sie sprachlos über den Anblick, der sich ihr bot: zwei riesengroße, wunderschöne Sonnen, noch immer rot, hoben sich über die noch schlafende Wüste. Sie tauchten den Himmel in zahllose Schattierungen von Rosa und Violett. Es war als wurde die Welt neu geboren.
Als sie sich umsah, sah sie die Große Wüste, die vor ihr lag und sich bis ans Ende der Welt zu erstrecken schien. In der Ferne lag die tosende Sandwand, und ohne es zu wollen, blickte sie nach unten. Die Höhe machte sie schwindelig und sie wünschte sich sofort, dass sie es nicht getan hatte.
Zu ihren Füßen sah sie den steilen Abhang, der sich vom Boden der Wüste bis hoch zum Plateau erhob. Und vor ihr war die einsame Plattform, die auf sie wartete.
Stara drehte sich um und blickte zu Fithe auf, der sie bedeutungsvoll ansah.
„Bist du dir sicher?“, fragte er leise. Sie konnte sehen, dass er Angst um sie hatte.
Stara spürte die Angst in sich aufsteigen, doch dann dachte sie an Reece und nickte.
Er sah sie liebevoll an.
„Danke“, sagte sie. „Ich weiß, dass ich dir das nie vergelten kann.“
Er lächelte.
„Finde den Mann, den du liebst“, antwortete er. „Wenn ich es schon nicht sein kann, dann will ich wenigstens, dass du den Mann findest, dem dein Herz gehört.“
