Das Gott-Mensch-Projekt - Martin Abraham - E-Book

Das Gott-Mensch-Projekt E-Book

Martin Abraham

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Beschreibung

Kirche ist Gottes Neustart mit einer heillosen Welt. Dem Autor dieses Buches geht es nicht um Institutionenkritik oder Kirchensteuer, sondern er setzt ganz grundsätzlich an: bei dem, wovon wir leben - beim Evangelium. Kirche entsteht, wo Menschen Gottes Zuwendung begegnen und sie annehmen. Ihr Fundament ist Gottes Wort. Im Gottesdienst und im Handeln der Gemeinde findet sich ihre sichtbare, lebendige Gestalt. Gott mit dem eigenen unvollkommenen Leben zu entsprechen - wie kann das aussehen? Wo steht Kirche im Gesellschafts- und Strukturwandel? Unter welchen (Selbst-)Missverständnissen leidet sie? Und: Warum ist sie für den Glauben überhaupt nötig? Das sind einige der Fragen, zu denen das Buch Orientierung und Antworten bietet.

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Seitenzahl: 232

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Inhalt

Herzlich danke ich

Vorneweg – zum Reinkommen

1. Evangelium – wovon wir leben

Gott? – Und wir?

Aber das Böse

Jeder Mensch hat (s)ein Evangelium

Das Evangelium in Jesus Christus

Das Evangelium für uns

Was ist dann eigentlich Kirche?

Schlussbild

2. Strukturen – worin wir leben

Gottes zweites Wort

Kirche und Macht, oder: Sind Christen bessere Menschen?

Fehlbarkeit

Freiheit …

… oder Abhängigkeit?

Spielräume

Schlussbild

3. Religion – wie wir nach Höherem streben

Religion heißt: „Man macht das so.“

Außensicht, Innensicht und die Verwechslung von beiden

Die Ahnung, dass da noch mehr ist

Schlussbild

4. Glaube – wie wir Gott antworten

Glaube ist ex-zentrisch

Glaube ist eine Love-Story

Glaube ist Antwort

Glaube ist (k)eine Privatsache …

… sondern ein öffentliches Geheimnis

Schlussbild

5. Kirche – woran man sie erkennt

Global Player – Global Prayer

Das Konzil von Nizäa und die Blues Brothers

Die lieben Verwandten

Und was heißt jetzt „evangelisch“?

Schlussbild

6. Gemeinde – wie Kirche existiert

Sozialform Gemeinde

Verein Gemeinde?

Organismus Gemeinde

Schlussbild

7. Gottesdienst – wo wir neu werden

Das wöchentliche Wunder

„Sonntagspflicht“?

Gott lässt sich hören

Gott lässt sich berühren

Gott fasst uns an

ViSdP

Schlussbild

8. (Pfarr-)Amt – wie wir uns ergänzen

„Pfarrherr“?

Allzweckwaffe?

Religionsexperte?

Im Fokus aller Missverständnisse

Der getragene Träger

Schlussbild

9. Kasualien – wenn Biografie und Botschaft sich begegnen

Kirche bei Gelegenheit – stabile Kirche?

Blitz und Glühwürmchen

Kasus, Glaube, Gemeinde

Schlussbild

10. Funktion – wohin die Zweckfrage führt

Wozu Kirche?

Ist Kirche ersetzbar?

Jesus ist kein Lückenfüller

Schlussbild

11. Identität – worin ich mich wiederfinde

Nicht Herr im eigenen Haus

Persönlichkeitsbildung

„Suche dich nicht in dir selbst …“

Schlussbild

12. Vielfalt – wie wir mit Differenzen umgehen

Von der Teilung der Magnete und vom Chaos der Lebendigkeit

Weitherzig oder gleichgültig?

Uniforme Individualisten und Heiliger Geist

Schlussbild

13. Hoffnung – was bleiben wird

Vom Umgang mit dem Kirchenfrust

Kirche erglauben und aushalten

Kirche erhoffen und verändern (lassen)

Und jetzt konkret?

Begründete Hoffnung

Schlussbild

Hintennach – zum Weitermachen

Fragen zum Selberdenken und zum Gespräch

Zum Weiter- und Tieferlesen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2018 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: mm design mario moths, Marl

Lektorat: Ekkehard Starke

DTP: Breklumer-Print Service, www.breklumer-print-service.com

Verwendete Schriften: ScalaSans Plain, Scala

 

ISBN 978-3-7615-6498-1 (Print)

ISBN 978-3-7615-6499-8 (E-Pub)

www.neukirchener-verlage.de

Herzlich danke ich

meinem Lehrer Prof. Oswald Bayer,

der mir reformatorisches Denken und Glauben erschlossen hat;

meinem Dekan Dr. Martin Lückhoff,

der mir Zeit für dieses Buch eingeräumt hat;

meiner Familie und meiner Gemeinde,

die täglich neu mit mir unterwegs sind.

 

Wer Kirche gestalten möchte, wird im Lauf der Zeit eine Reihe von inhaltlichen und praktischen Sackgassen kennenlernen. Solche Sackgassen werden in diesem Buch als „Missverständnisse von Kirche“ gekennzeichnet und gezählt. Ich komme insgesamt auf vierzehn Missverständnisse, je nach Feineinstellung wären auch noch mehr denkbar. Es soll dabei nicht um Besserwisserei gehen. Die Benennung dieser Missverständnisse dient vielmehr dazu, unproduktiven Krafteinsatz, fehlgeleitete Erwartungen und ein unklares Selbstverständnis von Kirche zu vermeiden.

Kirche bzw. Gemeinde kann aus unterschiedlichsten Gründen missverstanden werden oder sich selbst missverstehen, zum Beispiel als ...

Institution zur Pflege von Tradition und Kultur

Fanclub einer charismatischen Persönlichkeit

Gruppe der Weltverbesserer

Kontrastgesellschaft und machtfreier Raum

ethisches Milieu

Spezialfall von Religion

amtlich verbürgte Hüterin der Wahrheit

frei schwebende Kleingruppe

lose Gruppe mit kleinstem gemeinsamen Nenner

Verein

„Schwamm-drüber“-Agentur

Veranstaltung eines Amtsträgers

Drive-in-Service

System zur psychosozialen Stabilisierung

Vorneweg – zum Reinkommen

Weshalb dieses Buch?

Lohnt sich die Lesezeit, die Sie hierfür investieren? Ist es seinen Kaufpreis wert oder zumindest die Mühe, es auszuleihen? – Sie halten keine Anleitung zum Gemeindeaufbau in der Hand. Kein Praxisbuch im engeren Sinn, keine weitere „Erkundung der religiösen Landschaft“ und auch kein weiteres Programm zur Kirchenreform. Dazu ist bereits genug auf dem Markt. (Ein paar Empfehlungen finden Sie im Anhang.)

Weshalb aber dann dieses Buch?

Es geht um die Grundlagen. Es geht um die Frage, was Kirche eigentlich ist und wozu es sie gibt. Und weil jede Bestimmung zugleich Abgrenzung bedeutet: Es geht darum, was alles nicht Kirche ist – obwohl es oft dafür gehalten wird. Vielleicht kann dies dazu beitragen, falsche Erwartungshaltungen zu reduzieren, Frust zu vermeiden und Kapazitäten freizusetzen für das Wesentliche.

Und für wen ist dieses Buch?

Für Glaubende, für Nichtglaubende und für alle dazwischen. Hauptsache, Sie haben ein Interesse am Thema „Kirche“ – was für ein Interesse auch immer. Sei es konstruktiv oder kritisch oder am besten eine Mischung aus beidem.

Wie kam es zu diesem Buch?

Für einige Jahre hatte ich das Privileg, mich mit wesentlichen Positionen zum Verständnis der Kirche auseinanderzusetzen. Die leitenden Fragen lauteten: Was ist Kirche eigentlich aus evangelischer Sicht? Worum geht es bei ihr im Kern? Warum nehmen wir zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Gemeinde so oft einen großen Abstand wahr? Und – geht Glaube auch ganz ohne Kirche? Aus diesen Fragen und Überlegungen wurde ein Buch mit dem Titel „Evangelium und Kirchengestalt. Reformatorisches Kirchenverständnis heute“ (de Gruyter, 2007).

In den Jahren seitdem habe ich das Privileg, Gemeindepfarrer zu sein. Täglich bin ich mit den schönen und beglückenden, aber auch mit den traurigen und schrecklichen Seiten im Leben von Menschen konfrontiert. Regelmäßig erlebe ich zusammen mit der Gemeinde Gottesdienst. Oft sitzen wir im Kirchenvorstand oder in anderen Gruppen als Menschen zusammen, denen es um das Leben und um die Zukunft der Gemeinde geht. Das macht häufig Freude – aber längst nicht immer. Da gibt es zwischenmenschliche Frustrationen, da lähmen organisatorische und strukturelle Blockaden, da leiden wir unter Unklarheiten und Mehrfachbelastungen. Vieles, was in den vergangenen Jahrzehnten in puncto kirchliches Leben selbstverständlich schien, steht in Frage. In und mit alledem verspüren wir als Gottesdienstgemeinde, als Kirchenvorsteherinnen und -vorsteher, als engagierte oder auch als halbdistanzierte Gemeindeglieder immer wieder Fragen wie diese: Warum das Ganze? Was ist Kirche eigentlich aus evangelischer Sicht? Wofür lohnt es sich, Einsatz zu bringen, Profil zu entwickeln, sich notfalls auch zu streiten? Warum nehmen wir zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Kirche so oft einen großen Abstand wahr? Und – geht Glaube auch ganz ohne Kirche? Man sieht: Es sind die gleichen Fragen wie eben.

Leider ist die erwähnte Doktorarbeit nicht unbedingt das, was ein engagierter Ehrenamtlicher mal eben an zwei Abenden durchlesen kann. Obwohl ihre Grundgedanken recht klar und einfach sind. (Was nicht so sehr mein Verdienst ist, sondern das von Martin Luther.) Wenn etwas wesentlich ist, wenn es um existenzielle Weichenstellungen des Lebens und Glaubens geht – dann muss es sich auch elementar sagen lassen. Daher lag der Gedanke nahe, die Kerngedanken des dicken Buches in ein kleines Buch zu packen, ohne Fußnoten und Exkurse. Die dreizehn Kapitelüberschriften dieses Büchleins entsprechen nach wie vor dem gedanklichen Grundgerüst der umfangreicheren Arbeit. Abgesehen davon aber wurde alles sprachlich von Grund auf neu in Form gebracht. Eine kleine sprachgeschichtliche Eingangsdefinition erläutert den jeweiligen Kernbegriff und hilft hoffentlich, die Übersicht zu behalten.

Kirche ist nie Selbstzweck. Sie ist ein Medium, das Gott nutzt, um zu unseren Gunsten in dieser Welt präsent zu sein. Sie ist sein Projekt mit den Menschen. Gott segne Sie beim Lesen und Nachdenken und Ihre Gemeinde beim Feiern und Arbeiten, beim Entscheiden und Gestalten!

Martin Abraham

1. Evangelium – wovon wir leben

Evangelium (griechisch für „gute Nachricht“) bedeutet: Gott wendet sich uns Menschen freundlich zu.

Gott? – Und wir?

Dass Gott sich uns Menschen freundlich zuwendet, klingt zunächst mal fromm, traditionell und wenig spektakulär. Es ist aber alles andere als selbstverständlich. Wie wenig selbstverständlich, das zeigen ein paar kritische Fragen, die an Kirche und Christsein gestellt werden können. Von außen kommen diese kritischen Fragen sowieso. Aber wenn die Stimme des Zweifels einmal lauter wird, dann auch von innen.

Frage eins: Gott – wer ist das überhaupt? Gibt es ihn und wenn ja, woher wissen wir das? Welcher Mensch kann guten Gewissens von sich behaupten, etwas über ihn, den Ganz Anderen, sagen zu können? Wer kann sich hinstellen und in seinem Namen reden wollen? Ist all das, was in Religion und Kirche geschieht, nicht extrem ideologieverdächtig?

Zweitens, anders herum gefragt: Der Mensch – wer ist das überhaupt? Ist dieses flatterhafte Wesen auf einem kleinen Planeten am Rande des Weltalls überhaupt der Rede wert? Was sind seine wenigen Tausend Jahre Geschichte gegenüber dem Alter des Universums oder gar gegenüber der (menschlich undenkbaren) Ewigkeit? Was wiegen die kulturellen und ethischen Glanzleistungen der Menschheit gegenüber dem Meer an Elend, Gewalt und Tränen, das ihre Geschichte begleitet? Hat all das einen Sinn? Warum sollte Gott, wenn es ihn gibt, gerade uns interessant finden und sich uns zuwenden?

Und, drittens, selbst wenn er das täte: Wie könnte eine solche Zuwendung denn aussehen? Gott und Mensch sind doch von vornherein kategorial unterschieden, sie sind weiter voneinander entfernt als Amöbe und Blauwal. Wie könnten sie etwas miteinander zu tun haben, selbst wenn sie wollten? Wie miteinander kommunizieren? Unsere Alltagserfahrung, Filme und Literatur sind voll davon, wie fremd Menschen einander sind, wie unterschiedlich sie Dinge wahrnehmen und deuten. Schon unter Partnern, Familienangehörigen und Nachbarn scheitert Kommunikation immer wieder. Wie soll denn dann eine Beziehung möglich sein zwischen Gott und Mensch?

Evangelium bedeutet: Gott wendet sich uns Menschen freundlich zu. Diese gute Nachricht in all ihrer Unwahrscheinlichkeit zu thematisieren – das ist der Grund, warum es Kirche gibt.

Die gute Nachricht, dass Gott sich uns freundlich zuwendet, gilt von Anfang an in größter Allgemeinheit und Breite. Alle Menschen, die je gelebt haben und leben werden, wo auch immer auf diesem Globus, sie alle sind mit gemeint. Dass Gott sich jedem Menschen freundlich zuwendet, gilt grundsätzlich – und längst nicht bloß für Christen. Die gesamte Schöpfung, das Leben jedes Menschenkindes ist prinzipiell und von Anfang an Evangelium. Denn Evangelium heißt: Zuwendung ohne Vorleistung.

Dass es die Welt überhaupt gibt (mit ihrer Ordnung und ihrem Chaos), dass es das Leben überhaupt gibt (in all seiner Schönheit und Widersprüchlichkeit), dass Kinder geboren werden (in welchen Umständen auch immer), das alles ist zunächst einmal Evangelium. Denn einer wollte dieses Leben. Kein menschliches Leben ist chancen- oder wertlos, auch wenn es aus mancher Sicht so scheinen mag. Wenn das Evangelium als bedingungslose Zuwendung Gottes einen Sinn haben soll, dann hier, beim ersten Atemzug eines Kindes. Nur so ist es möglich, dass Gott und Mensch miteinander zu tun haben: indem wir über seine Zuwendung staunen.

Pauschale Sätze über Gottes mögliche Existenz oder Nicht-Existenz führen ins Nichts – oder, was dasselbe ist, in einen endlosen Zirkel. Denn uns fehlt der übergeordnete Standpunkt, von dem aus wir solche Sätze sprechen könnten. Wenn wir aber staunen über das Leben, wenn wir bereit sind, unsere Geburt als ein Zeichen der Zuwendung anzusehen, dann stehen wir am Anfang eines möglichen Weges mit Gott.

Aber das Böse

Wahrscheinlich haben Sie bei den letzten Zeilen immer schon mitgedacht: Die Verhältnisse, sie sind aber nicht so. Sie sind nicht so, wie sie sein könnten und sollten. Denn die Schöpfung ist verdunkelt. Gott und Mensch verstehen einander nicht. Das Urvertrauen ist gestört. Warum? Das wird auch in der Bibel nicht wirklich begründet. Es wird einfach erzählt (1. Mose 3). Tatsache ist jedenfalls: Alles Gute ist in dieser Welt nur gebrochen vorhanden.

Manche Kinder werden vor ihrer Geburt getötet.

Manche Kinder werden geboren, aber mit Behinderung.

Manche werden gesund geboren, aber in kaputte Familienverhältnisse hinein: Alkoholismus, Mediensucht, Gewalt …

Manche Kinder werden in eine intakte Familie hineingeboren, leben aber in einem katastrophalen Teil dieser Erde.

Manche Kinder wachsen in wohlhabenden Verhältnissen auf, geraten aber dennoch in eine psychische Schieflage: Leistungsdruck, Sinnkrise, Orientierungsverlust …

Und selbst wenn ein Mensch in die optimale Familie hineingeboren würde, die ihm alles an Zuwendung gäbe, was in dieser Welt menschenmöglich wäre – er oder sie lebte immer noch auf einer Erde, die von himmelschreiender Ungerechtigkeit geprägt ist, von Kriegen, von Geldgier und menschengemachten ökologischen Desastern.

Damit nicht genug: Er oder sie würde auch in sich selbst immer wieder destruktive, egoistische, misstrauische, geizige Tendenzen feststellen. Jeder Mensch, der über ein Minimum an ehrlicher Selbsterkenntnis verfügt, weiß, dass er am Maßstab des konsequent Guten scheitert. Jeder und jede trägt einen (mehr oder weniger genauen) Kompass in sich für das, was richtig und was falsch ist. Wir nennen ihn das Gewissen. Dieser Maßstab, den in je spezifischer Ausprägung alle Religionen und Weltanschauungen kennen, wird laut Bibel von Gott in der Beurteilung jedes Menschenlebens angelegt (Römer 2,14–16). Auch wenn das Leid und das Böse nicht automatisch dasselbe sind, auch wenn ihr Ursprung ungeklärt und der jeweilige Anteil von Schuld und Verhängnis oft nicht klar zu bestimmen ist: All dies markiert einen tief gehenden Riss im Verhältnis zwischen Gott und Mensch. So tief, dass er sich mit menschlichen Mitteln nicht überbrücken lässt. Die durch die Schöpfung gesetzte Verbindung zwischen Gott und Mensch, von der nicht nur das Christentum spricht, sondern so gut wie jede Religion – diese Verbindung ist gestört. Und zwar nachhaltig.

Jeder Mensch hat (s)ein Evangelium

Wir leiden unter dem Bösen. Hoffnung ist Mangelware – vor allem, wenn sie begründet sein soll. Gerade deshalb können wir Menschen ohne irgendeine Form von Evangelium, ohne irgendeine gute Nachricht überhaupt nicht leben. Vorausgesetzt, wir meinen „Leben“ im Vollsinn, also nicht nur bloßes Existieren oder Vegetieren. Niemand lebt auf Dauer ohne eine Vision, ohne eine Motivation, die ihn oder sie antreibt, hält und trägt. Der Unmenge von Leid, Bosheit, Schuld, Abstumpfung und Sinnlosigkeit muss eine positive Kraft entgegenstehen, wenn erfülltes Leben möglich sein soll.

Aber wo kommt diese positive Kraft her? Worin ist eine wie auch immer geartete positive Vision begründet? Wofür lohnt es sich zu leben? Sehen wir uns um. Da werden eine Reihe von Möglichkeiten praktiziert. Ganz unterschiedliche „gute Nachrichten“ sind im Angebot.

Wer zum Beispiel wirtschaftsgläubig ist, folgt dem Evangelium des Wachstums. Er arbeitet darauf hin und hofft, dass die Quartalszahlen positiv aussehen. Möge am Jahresende die Wachstumsprognose erreicht werden, vielleicht sogar übertroffen! Und im nächsten Jahr wieder. Und danach wieder. Immer weiter …? Über kurz- und mittelfristige Gewinne hinaus stellen sich die meisten diese Frage lieber nicht.

Andere Menschen sind eher wissenschaftsgläubig. Sie setzen auf die menschliche Kreativität und Entwicklungskraft. Zwar nehmen sie wahr, dass mit wachsender Weltbevölkerung die globalen Probleme zunehmen. Sie hoffen aber darauf, dass die ökonomische, technologische und sozialplanerische Einfallskraft der klugen Köpfe reicht, um dies auszugleichen.

Weil dieser Optimismus allerdings an seine Grenzen stößt, wenden sich viele Zeitgenossen dem Evangelium einer kosmischen Harmonie zu. Wer die Umwelt schone, heißt es da, wer sich vom Leistungsprinzip verabschiede, Gelassenheit einübe, den äußeren und inneren Menschen im Einklang halte, der trage dazu bei, die ursprüngliche Ausgewogenheit zwischen Mensch, Welt und dem Göttlichen zurückzugewinnen. Ein hehres Ziel. Manche verschreiben sich ihm tatsächlich radikal und proben den Ausstieg aus der Zivilisation. Für die meisten aber bleibt es bei sporadischen Ausflügen zu fernöstlichen Weisheiten, zu Slow Food und Qigong. Am Montag läuft die Alltagsmaschinerie meistens weiter. Und selbst wenn jemand konsequent zurück will zur Natur – tut er auch dies nicht immer nur in einer Nische der Effizienzgesellschaft?

Weil viele von uns immer mehr spüren, wie komplex die globalen Zusammenhänge, wie ausweglos die Widersprüche und wie fernliegend ganzheitliche Lösungen sind, tauchen sie ab in das Evangelium der Privatheit. Tagsüber folgen sie den Gesetzen von Wettbewerb und Erfolgsmaximierung. Abends und am Wochenende ist Rückzug angesagt in die heile Welt des Wohnzimmers mit Surround-Sound und Mega-Flachbildschirm. Bis die Akkus wieder einigermaßen geladen sind für die nächste Runde im Konkurrenzkampf. Oder sich eben auch nicht mehr ausreichend laden lassen …

Daneben steht für manche der neue Atheismus. Auch er vertritt auf seine Weise eine Art von Gläubigkeit. Er glaubt an das Evangelium eines radikalen Humanismus, eines mündigen und absoluten, von allen externen Autoritäten losgelösten Menschen. Alte Gottesbilder sollen beseitigt werden, an ihre Stelle tritt das Evangelium von der Autonomie (wörtlich: Selbstgesetzlichkeit) und Vervollkommnung des Menschen. Der radikal freie Mensch werde auch der radikal gute sein, so lautet die Hoffnung. Belege dafür sind allerdings Mangelware.

Konkreter und zugleich transzendenter stellen sich gegenüber diesen innerweltlichen Evangelien die Heilswege der klassischen Religionen dar. Erkenne dein vorbestimmtes Schicksal und füge dich durch gute Lebensführung in den Zusammenhang der Wiedergeburten ein, sagt der Hinduismus – dann wirst du Stufe um Stufe emporsteigen.

Löse dich durch Meditation und rituelle Praxis vom Leid und von den Leidenschaften, sagt der Buddhismus – dann kommst du der Verschmelzung mit dem großen All-Nichts näher.

Diene dem einen Gott und verehre ihn, indem du den Regeln des Korans folgst, sagt der Islam – dann wird sich an der Schwelle des Paradieses die Waage deiner guten Taten zu deinen Gunsten neigen.

Liebe Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst (5. Mose 6,4f; 3. Mose 19,18), halte Gott die Treue und tue das Gerechte – dann wirst du von ihm, dem Ewigen, auf ewig anerkannt. So sagt es das Judentum.

Um es auf den Punkt zu bringen: Jeder Weltanschauung entspricht jeweils eine bestimmte Form des Glaubens. Jeder Mensch folgt (s)einem Evangelium. Und keinem von uns steht darüber ein abschließendes Urteil zu. Denn niemand verfügt über eine transzendente (weltüberlegene) Position, die ein Urteil möglich machen würde. Ja, streng genommen ist nicht einmal der rein formale Vergleich von Religionen und Weltanschauungen möglich, wenn man die Maßstäbe wissenschaftlicher Sauberkeit anlegt – denn immer spielt der eigene Standpunkt hinein, die eigene Perspektivität und Schwerpunktsetzung. So kann auch dieses Buch mit seinen Gedanken über Evangelium und Kirche nur eine positionelle, von bestimmten Überzeugungen getragene Sicht vertreten.

Manche halten das zwar im Zeitalter der vielen Wahrheitsansprüche für überholt. Das ist aber nicht die einzig mögliche Sichtweise, höchstwahrscheinlich nicht einmal eine besonders sinnvolle. Einen Standpunkt zu vertreten, der nicht allgemein geteilt wird, ist durchaus legitim, ja sogar nötig – gerade in Zeiten der Postmoderne. Alles andere hieße, das Gespräch und die gemeinsame Suche nach lohnenden Zielen aufzugeben. Die Gegenposition, also die Behauptung, es gebe überhaupt keine Sätze mit allgemeinem Wahrheitsanspruch mehr, führt sich selbst ad absurdum, weil sie gerade einen solchen Satz mit allgemeinem Wahrheitsanspruch darstellt.

Das Evangelium in Jesus Christus

Die Überzeugung, die im Folgenden vertreten wird, ist die christliche. Sie lautet: Die Zuwendung Gottes zu seinen Menschen ist in neuer und entscheidender Weise in Jesus Christus geschehen. Als Gott und Mensch zugleich verkörpert er das Wort Gottes zu Gunsten dieser Welt (Johannes 1,1 – 4.14). Im Reden und Handeln des Jesus von Nazaret war Gott in dieser Welt präsent. Sein Leben, Sterben und Auferstehen baut uns die Brücke zurück zu Gott. Das ist es in Kürze, worum es im Evangelium der Bibel geht. Ausführlich erzählt, geschildert, umschrieben und reflektiert in ihren 66 Büchern – konzentriert in dem Satz aus Johannes 3,16: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einziggeborenen Sohn hergab, damit alle, die sich auf ihn verlassen, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“

Von den anderen Heilswegen, die weiter oben kurz angesprochen wurden, unterscheidet sich dieser Weg in mindestens drei Weisen:

1. Nicht der Mensch erarbeitet sich seine gute Zukunft / seine Rettung / seinen Sinn / seine Anerkennung bei Gott – sondern Gott selbst tut, worauf es ankommt. Wir Menschen sind so tief in Unglück und Schuld verstrickt, vom Bösen und vom Leid gequält, dass wir von uns aus die Wende nicht schaffen. Die Initiative kann allein von Gott ausgehen. Was er zu Gunsten seiner Menschen tut, geschieht völlig ohne menschliche Vorbedingung und Voraussetzung (Römer 3,28). Das ist das Evangelium schlechthin.

2. Nicht eine Lehre / eine Erkenntnis / eine Verhaltensweise / eine heilige Schrift steht im Mittelpunkt des christlichen Glaubens, sondern eine konkrete Person. In der geschichtlichen Person Jeschua aus Nazaret (historisch greifbar ca. 4 v. Chr. – 11.04.30 n. Chr.) zeigte Gott uns Menschen, wie er wirklich ist: liebevoll, gerecht und mächtig gegenüber dem Bösen. Das ist Evangelium pur.

3. Als Mensch, in dem zu hundert Prozent Gott da war (der ihn also nicht nur symbolisierte oder als Prophet vertrat), war Jesus Christus keine vorübergehende Erscheinung der Geschichte. Nach ihm war die Welt verwandelt. An Ostern trat Jesus Christus wieder in die Dimension Gottes ein, in den Machtbereich des ungetrübten Lebens. Dieser Machtbereich wirkt auch in unsere kaputte Welt, in die zerstörte Schöpfung und das zerrüttete Miteinander hinein. Der Ostersonntag ist der erste Tag der neuen Schöpfung. Seitdem geht das Leben Gottes in Jesus Christus weiter, und Menschen aller Zeiten und Orte können daran Anteil haben. Weil Christus Mensch war, aber eben mehr als nur Mensch, kann er seine neue Art der Identität auf uns übertragen (Galater 2,20). Bei einem gewöhnlichen Menschen wäre es sinnlos, von stellvertretendem Sterben und Auferstehen zu sprechen. Bei demjenigen aber, in dem auf einzigartige Weise Gott und Mensch identisch sind, wird diese Stellvertretung wirksam (Römer 3,24f; 4,25). Das ist das Evangelium für uns.

Das Evangelium für uns

Wer bis hierher mitgedacht hat, fragt sofort: Wie sollen wir als Menschen an einem historisch, geografisch und kulturell völlig anderen Ort von so einem entlegenen Ereignis berührt werden? Was für eine Relevanz hat das, was im Palästina des Jahres 30 geschehen ist, für uns? Antwort: Es ist von bleibender Relevanz, weil Gott heute noch redet und handelt. Das Evangelium kommt uns als Wort Gottes nahe und wird für uns wirksam.

„Wort Gottes“, kommt gleich die Rückfrage, was soll denn daran so besonders sein? Worte sind doch Schall und Rauch, mehr als je zuvor. Sie prasseln über die Medien auf uns ein, sie vermehren sich inflationär, werden ökonomisch und politisch instrumentalisiert, schütten uns zu mit Wichtigem und (allermeist) weniger Wichtigem. Was heißt da „Wort Gottes“? Wenn Gottes gute Nachricht wirklich so wertvoll, einzigartig und überlebenswichtig ist, wie kommt er darauf, sie gerade in ein so flüchtiges Medium wie das Wort zu verpacken?

Wenn Gott die Botschaft, mit der er sich selbst identifiziert und in der sein Herz schlägt, einem so vergänglichen und missverständlichen Mittel wie dem Wort anvertraut, dann tut er damit genau das, was er bereits in der Schöpfung und in der Erlösung getan hat: Er beugt sich herab. Er wendet sich seinen Menschen zu. Gott macht sich für uns klein. Der Philosoph und Theologe Johann Georg Hamann fasst diesen Gedanken vor rund 250 Jahren in folgende Worte: „Wie hat sich Gott der Vater gedemütigt, da er einen Erdenkloß nicht nur bildete, sondern auch durch seinen Odem beseelte. Wie hat sich Gott der Sohn gedemütigt, er wurde ein Mensch, er wurde der geringste unter den Menschen […]. Wie hat sich Gott der Heilige Geist erniedrigt, als er ein Geschichtsschreiber der kleinsten, der verächtlichsten, der nichts bedeutendsten Begebenheiten auf der Erde wurde, um dem Menschen in seiner eigenen Sprache, in seiner eigenen Geschichte, in seinen eigenen Wegen die Ratschlüsse, die Geheimnisse und die Wege der Gottheit zu offenbaren?“

Indem Gott seine Energie, sein Leben, seine Kraft in das schwache Medium „Wort“ hineinlegt, geschieht nun aber etwas Erstaunliches: Das Medium wird verändert. Gott macht das Wort mächtig. Es wird mächtig genug, um Wirklichkeit zu schaffen, um Einsicht zu erzeugen, Leben zu verändern. Gottes Wort, das Evangelium, ist zugleich Tat, ist Ereignis (Psalm 33,4). In den geschichtlich zufälligen Formulierungen der Bibel erhalten, entfaltet dieses Wort bis heute immer wieder neu eine unerklärliche Dynamik. Und zwar jedes Mal dann, wenn es Menschen so begegnet, dass ihnen seine lebensrettende Relevanz aufgeht. Wo dies passiert, bleibt die Geschichte von Jesus Christus nicht das Referat längst vergangener Ereignisse, sondern wird Teil meiner eigenen Geschichte. Genauer: Meine Geschichte wird hineingezogen in die Christusgeschichte, wird ein Teil von dieser unüberholbaren, einzigartigen und zugleich für jeden Menschen offenen Geschichte. Indem Gott redet, handelt er. Dieses „Wortereignis“, diese ganz spezifische Dynamik überbrückt die Grenzen von Zeit und Raum, von Individualität und Kultur. Wo das passiert, kommt – mit den Worten eines ostafrikanischen Bischofs gesagt – ein Mensch weg vom Christentum, hin zu Christus. Oder, mit einem Ausdruck brasilianischer Indio-Christen formuliert: Ein Mensch geht „in Christus hinein“. Eine engere Verbindung ist nicht denkbar.

Wenn wir uns einmal (und sei es zunächst nur testweise) einlassen auf dieses biblisch verwurzelte Wortverständnis, dann wird damit eine Reihe von anderen ebenfalls denkbaren Interpretationen von „Wort“ relativiert. Zugleich kommen wir so zu einer ersten wichtigen Einsicht in das Wesen von Kirche. Denn die gegenwärtige kirchliche Landschaft wird von höchst unterschiedlichen Konzepten von „Wort Gottes“ geprägt.

Es wäre aus biblisch-reformatorischer Sicht ein tief greifendes

Missverständnis von Kirche (1),

sie als Vereinigung zu verstehen, die der Erinnerung an eine große Persönlichkeit dient, also als Institution zur Pflege von Tradition und Kultur. Wird das Evangeliumswort als bloße Information über Vergangenes aufgefasst, dann bleibt die Predigt ein verkopftes und distanziertes Referat. Denn warum sollte Jesus Christus dann von anderer Relevanz sein als zum Beispiel Buddha oder Plato, als Mohammed oder Goethe? Große Persönlichkeiten und weise Männer der Vergangenheit gab es viele. Eine Gemeinde, die sich nur um einen von ihnen versammelt, um sein Andenken hochzuhalten, wäre nicht mehr als ein Museumsverein oder eine Gesellschaft zur Kulturpflege. Möglicherweise nicht unbedeutend, aber keinesfalls überlebenswichtig. Es ginge gut auch ohne. Ein zweites

Missverständnis von Kirche (2)

schließt sich gleich an. Es besteht darin, als Evangeliumswort nur dasjenige zu akzeptieren, was durch die Persönlichkeit eines begabten Vermittlers hindurchgeht, von ihm oder ihr also in anrührender Weise „rübergebracht“ wird. Die Gedanken und Worte eines solchen Predigers, Liturgen oder Seelsorgers wären dann das, was Gott uns heute sagen wollte. Je authentischer dieser Mensch, desto glaubwürdiger die Botschaft. Wer Kirche bzw. Gemeinde so verstehen will, macht aus ihnen einen Fanclub einer charismatischen Persönlichkeit. Was aber, wenn der Resonanzboden nicht mitschwingt? Was, wenn der menschliche Mittler nicht gut drauf wäre, sich in der Gottesdienstvorbereitung nicht ausreichend von Gott angesprochen fühlte oder aber sein Angesprochensein nicht so kommunizieren könnte, dass andere sich angesprochen fühlen? Oder was wäre, wenn die wortvermittelnde Person zwar jedes Mal eine beeindruckende und wirkungsvolle Performance brächte, die „Konsumenten“ sich aber von ihm oder ihr abhängig machten? Allzu leicht schiebt sich dann die Person des Vermittlers an die Stelle des eigentlichen Evangeliums.

Es stimmt zwar: Das Wort Gottes muss im zwischenmenschlichen Kommunikationsprozess „durch Personen hindurch“, es geht „in Personen hinein“. Es ist aber deshalb nicht von diesen Personen abhängig. Gottes Evangeliumswort hat ein Eigenleben, hat eine eigene Macht und Präsenz, auch unabhängig von den persönlichen Gaben und Grenzen eines menschlichen Vermittlers. Das kann für selbstkritische Pfarrer und auch für die Gemeinden weniger selbstkritischer Pfarrer eine große Entlastung bedeuten. Gottes Wort ist so stark, dass es wirken kann, „wo und wann er will“ (Augsburger Bekenntnis Art. 5; abgedruckt z. B. im Anhang des Evangelischen Gesangbuchs). Im Extremfall sogar entgegen der Absichten des Predigers!

Es gibt noch eine dritte Weise, Gottes Wort einseitig zu verstehen. Und zwar nicht so sehr als geschichtlich Gewesenes, auch nicht so sehr als in der Gegenwart sich Ereignendes, sondern pointiert von der Zukunft her. Ist das Evangeliumswort, so wird dann gefragt, nicht Verheißung, Versprechen einer neuen Welt, auf die wir noch warten? Sind Christen nicht Menschen des neuen Machtbereichs Gottes, die berufen sind, die alte Welt stückweise auf diese Zukunft hin zu verändern? Zweifellos. Und doch kommt es hier wieder leicht zu einem

Missverständnis von Kirche (3)

Wenn nämlich das Evangelium nicht mehr ganz und gar als Zusage verstanden wird, als Geschenk Gottes, als Aktion, die er allein an und mit seinen Menschen vollzieht, dann droht es zum Appell zu werden – zum Weltrettungsprogramm oder zur Tugend-Ideologie. Die Kirche würde entsprechend zur Gruppe der Weltverbesserer. Manche Kirchentagsbesucher und Eine-Welt-Aktivisten werden verstehen, wovon hier die Rede ist. Da treten Menschen mit besten Absichten an, um die Schöpfung zu bewahren, um Frieden und Gerechtigkeit zu schaffen. Da wollen sie mit vielen kleinen Schritten die Gesellschaft verändern. Ein Engagement, das an sich überhaupt nicht zu diskreditieren ist! Denn wer den Hintern vom Sitzkissen hochkriegt, um an einer kleinen Stelle dieser Welt mit anzupacken, hat – auch wenn er scheitert – auf jeden Fall schon mal weniger falsch gemacht als derjenige, der aus dem Sofa überhaupt nicht herauskommt.