Das Heiligenkreuz-Komplott - Lars Friedrich - E-Book

Das Heiligenkreuz-Komplott E-Book

Lars Friedrich

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als die Reporter Thomas Fischer und Kai Kayser, die eigentlich für eine journalistische Bestandsaufnahme in das beschauliche Kloster nahe Wien reisen, an diesem Mai-Morgen die Wiener Südautobahn an der Ausfahrt 17 verlassen, sind prominente Politiker, korrumpierbare Priester und unechte Polizisten noch jenseits des Denkbaren. Aber spätestens als die Hälfte der Heiligenkreuzer Hochschulstudenten bei einem tragischen Feuer ums Leben kommt, sehen sich die Deutschen der fast übermenschlichen Aufgabe gegenüber, den Fortbestand der österreichischen Demokratie zu sichern. Das niederösterreichische Zisterzienserkloster Stift Heiligenkreuz im Wienerwald bildet die prächtige Kulisse für diesen Polit-Roman, der seine Akteure in die Niederungen des neuen Austrofaschismus führt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 233

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lars Friedrich

Das Heiligenkreuz-Komplott

Kai Kaiser und Thomas Fischer ermitteln

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

VORWORT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

NACHWORT

Impressum neobooks

VORWORT

Ich ging mit schellen Schritten durch die Vicolo dei Duomo, die von den schattigen Laubengängen zum Platz vor dem Dom führte. Schon als Kind hatte ich diese Gasse geliebt – gleich zu Beginn das Käsegeschäft, das der schmalen Gasse ihren typischen Geruch gab. Rechts der „Oste Scuoro“, das traditionelle Einkehrgasthaus für Touristen. Mehr als ein Dutzend Mal hatte ich gemeinsam mit meinen Eltern Brixen besucht – stets im Sommer, stets für drei Wochen – aber nie hatten wir beim „Finsterwirt“ gegessen.

Ich wollte mit meiner Familie die Tradition der Sommerferien zwischen Eisack und Rienz fortsetzen. Nur dass meine Frau und meine Kinder die Käsegasse meiden und lieber durch die Vicolo dei Fornai und die Via Porticci Magiore zum Domplatz flanierten.

Vor mehr als 28 Jahren hatte ich bei jedem Besuch in der Südtiroler Domstadt mit meinem Vater gleich am ersten Tag den Kreuzgang besichtigt und im Dom eine Kerze angezündet. Heute war Sonntag und der Dom wegen des Hochamtes noch nicht geöffnet. Dom, Kerze und Kreuzgang mussten warten. Wir trafen uns auf der Piazza Duomo in der Gelateria gegenüber der Domfassade, suchten uns einen schattigen Platz unter einem der bunten Stoffschirme und bestellten drei große Eisportionen.

Ich blickte über den Platz, der sich in den vergangenen Jahren stark verändert hatte: die stattlichen Kastanienbäume waren verschwunden, ebenso die umzäunten Blumenbeete, in denen die Stadtgärtner jeden Sommer neue Kunstwerke aus Blumen geschaffen hatten – Reiter, eine große Uhr, das Stadtwappen mit Lamm und Schlüssel.

Ich hing dem Gedanken an die Reisen meiner Kindheit nach, als das Handy klingelte. Ein Freund und Arbeitskollege aus frühen Tagen rief an und bat mich, ihm bei der „Vergangenheitsbewältigung“ zu helfen. In leichtfertiger Urlaubsstimmung sagte ich zu und drei Wochen später trafen wird uns zu dritt in der Heimat.

Thomas Fischer, der Urlaubs-Anrufer, brachte seinen Freund und Kollegen Kai Kaiser mit. Am Ende des Abends hatte ich zugesagt, die Geschichte dieser beiden brillanten Journalisten aufzuschreiben. Thomas hatte mich angesprochen da er wusste, dass ich mich in Österreich auskenne und auf Grund meines Hobbies, dem Nachspüren von bislang ungelösten Geheimnissen in der Geschichte des einstigen österreich-ungarischen Kaiserhauses, die besten Voraussetzungen für einen Chronisten mitbrachte. Fischer hatte zunächst selbst versucht, das Erlebte nieder zu schreiben, was ihn jedoch emotional stark mitnahm. Kaiser hatte dann den Vorschlag gemacht, ein unbeteiligter Dritter sollte die Story schreiben.

An dieser Stelle möchte und muss ist feststellen, dass ich das hier vorliegende Buch nicht für ein breites Publikum geschrieben habe, sondern in erster Linie für Thomas Fischer und Kai Kaiser. Die Geschichte, die sie erlebt haben, soll nicht in Vergessenheit geraten, da nur wenige Zeitgenossen in das Geschehen tatsächlich eingeweiht waren. Letztlich berichtet dieses Buch vom Untergang der Österreichischen Bundesrepublik und politische Seilschaften in Wien. Dass erst jetzt diese Zeilen gedruckt wurden hängt damit zusammen, dass ich rund um die Geschichte von Fischer und Kaiser noch rechtliche Aspekte abklopfen musste.

Thomas Fischer hat seit den damaligen Ereignissen nicht mehr journalistisch Arbeiten können und arbeitet als Tierpfleger und Gelegenheitsgärtner in einem ostdeutschen Freizeitpark. Kai Kaiser hat Deutschland den Rücken gekehrt. Wie ich hörte, lebt und arbeitet er nun in Kanada.

Ich wünsche jenen Lesern, die sich für die Geschichte von Thomas Fischer und Kai Kaiser interessieren, eine spannende Lektüre. Ich habe versucht, die Geschichte der beiden deutschen Journalisten möglich so wieder zu geben, wie sie mir berichtet wurde. Allerdings musste ich einige Namen ändern und Details weglassen, an denen man die damals handelnden Personen hätte erkennen können. Dennoch hat die Geschichte nicht an Brisanz verloren.

Übrigens riet mir Pater Karl Wallner OCist vom Stift Heiligenkreuz nach der Lektüre der Druckfassung 2010, ich solle doch lieber historische Chroniken schreiben als schlechte Romane. Recht hat er, aber diese „Jugendsünde“ musste sein, denn nur so ist mein Kopf wieder frei geworden für neue (bessere) Buchprojekte…

Hattingen, Sommer 2014

Lars Friedrich

Kapitel 1

Wir näherten uns dem Wienerwald von Westen. Nürnberg lag hinter uns, Regenburg auch, irgendwann dann Passau und St. Pölten. Auf der nassen Autobahn flimmerten rote Rücklichter und ich schlief ein. Der Weg war fast geschafft. Autobahn 21, Exit bei Kilometer 17.

In der Ausfahrt schlidderte der Wagen in Richtung Graben. Kai schaffte es gerade noch, den Daimler abzufangen.

„Nicht schlecht“, murmelte ich wachwerdend. Seit Mitternacht saß er am Steuer und flog Stunde um Stunde über mindestens 190 Kilometer Autobahn dahin. Ich wünschte mir, mit 48 noch so eine Kondition zu haben. Na ja, bis dahin waren es ja zum Glück noch fünf Jahre!

Die schwarze Wolkendecke riss auf und der hellblaue Maimorgenhimmel spiegelte sich in den Matschpfützen. Die Felder und Äcker unterhalb der Autobahn hatten sich in sicher knöcheltiefe Sümpfe verwandelt. Südstaaten-Feeling zur Begrüßung.

Wie schön, denke ich.

Dann schreckte ich hoch und dachte erst mal gar nichts.

„Scheiße“, zischte Kai. Zeitgleich brach der Wagen am Heck aus und schleuderte um seine Achse. In der Morgendämmerung flimmerten Lichter – rot, orange, blau. Die Fahrt war zu Ende, ich hellwach. Ein Glück, dass wir die Straße nicht verlassen hatten, denn siehe oben: Die Felder und Äcker unterhalb der Autobahn hatten sich in knöcheltiefe Sümpfe verwandelt.

Gar nicht schön, denke ich.

Aus dem Dunkel der Straßenböschung löste sich eine Gestalt und kam zur Fahrerseite. Kai kurbelte das Fenster hinunter – unser Daimler war schon etwas älter.

Die Gestalt murmelte ausländisch klingende Wortfetzen, die „Glück gehabt“ bedeuten konnten. Oder „Glühwein“. Oder sonst etwas. Dabei waren wir nur nach Österreich gefahren.

„Oberst Watzl, Polizei Alland. Grüßen sie Gott und geben mir die Fahrzeugpapiere und Ihre Ausweise bitte!“

Wir kramten – der österreichische Polizist, der sich in meiner Jugend noch klangvoll Gendarmeriepostenkommandant nennen durfte, schlurfte mit unseren Dokumenten zu seinem Streifenwagen, der definitiv älter war als unser fahrbarer Untersatz.

Das „Willkommen in Österreich!“ vom Fahrersitz neben mir klang irgendwie nicht echt.

„Hätte uns auch in Spanien passieren können.“

„Hätte.“ Kai strich seine schulterlangen, grauen Haare zur Seite. „Wäre aber nicht, weil es dort nicht regnen würde.“

Kaiser war genervt!

Kai Kaiser: Kollege, Freund und - zumindest gerade - mein Fahrer. Eigentlich hatte er gehofft, die Eröffnung eines schicken Gastronomietempels an der Costa Brava abschießen zu können: Frühling an der wilden Küste, Frühstück in einer kleinen Bodega, Sonnenbaden an der Playa von irgendwo. Stattdessen saß er jetzt, knapp vierzig Kilometer südwestlich von Wien, auf einer Bezirksstraße an einer Polizeisperre fest und musste in den nächsten Tagen den Alltag eines tausendjährigen Mönchordens fotografieren.

„Die Story lebt vom Text“ hatte er mir Dienstag bei unserer Abreise aus dem Ruhrgebiet gesagt – ja, ja: das war gestern Abend. Ich wusste aber genau, was das bedeutete: Kai hatte weder Lust auf Motivsuche noch auf fotografische Experimente. Das Thema reizte ihn kein bisschen. Also müsste ich allein sehen, wie fünfeinhalbe Magazinseiten bis Monatsende mit einem halbwegs passablen Text zu füllen waren. Vom Kollegen Kaiser würde ich wenig mehr als Postkartenmotive bekommen. Strafe musste sein!

Während im Polizei-Oldtimer die Innenraumbeleuchtung aufflackerte und das Gesicht des Postenkommandanten im fahlen Licht dem milchigen Vollmond glich, stieg ich aus. Um uns herum hoben sich die Silhouetten einiger Berge vom Morgenhimmel ab – aber weder hoch noch nah. Hier und dort blitzten Felskanten. Und das Dorf am Fuße dieser Berge schlief noch immer.

„Alland“ sagte ich und nickte in Richtung der Ansiedlung - ohne zu bemerken, dass Kai mich nicht sehen konnte.

„Ja, allerhand“ murmelte er und fingerte losen Tabak aus einem speckigen Beutel, leckte an billigem Zigarettenpapier und quetschte schließlich den Tabak so, dass ein krummer Stumpen entstand. Widerlich!

Kais rauchender Kopf schraubte sich in die Höhe. An ihm war alles lang: die Finger, die Haare, die Beine und der Rest irgendwie auch. Insgesamt zwei Metern Körper plus acht Zentimeter. Die Arme, die er aufs Wagendach legte, waren lang. Mit dem Ding, das eine Zigarette sein sollte, fuchtelte er Richtung Alland.

„Dein Kloster?“

„Nee, das liegt da drüben“ Ich zeigte in die entgegen gesetzte Richtung. „Der Wagen steht schon richtig.“

Nochmals unsere unsanfte Drehung missbilligend, presste er den Rauch aus den Nasenflügeln. Auch so lang, dieser Zinken...

Mit einer Polizeikontrolle an der Autobahnausfahrt hatten wir nicht rechnen können und die nasse Straße hatte unsere Vollbremsung zur Karussellfahrt werden lassen. Vom Kirchturm, der sich am Ortseingang aus dem Grau des schlafenden Dorfes räkelte, kam Glockengeläut zu uns herüber.

„Halb sechs“, stellte der Polizist fest. Er kam zurück. Der Regen lief in braunen Bächen aus dem höher gelegenen Feld über die Straße und spritzte an die Hose des Gendarmen, der sich jetzt Polizist nannte.

„Was wolln's denn hier?“

„Berufliches.“ Kai nahm seinen Ausweis und die Wagenpapiere entgegen.

„Geht's nicht genauer?“

Er zog meinen Pass wieder zurück.

„Ist ja wie in der Zone hier!“ stellte Kai verärgert fest.

„Wir arbeiten für ein deutsches Nachrichtenmagazin und wollen unseren Lesern Ihr Kloster hier vorstellen“, beeilte ich mich zu versichern.

Der Gendarm glotzte.

„Heiligenkreuz? Das sans hia aba foalsch. Do geht’s long.“

Sein Arm schnellte in die Höhe. Eine plötzliche Bewegung, die nicht nur uns überraschte: Den Gendarmen verwunderte das Ausreißen seines Armes ebenso sehr, dass er nicht mehr Herr seiner Hand war – die behandschuhten Finger öffneten sich unkontrolliert und mein Pass sauste durch die Luft.

Platsch.

Nass.

Zwei Schritte hinter dem Fahrbahnrand bückte ich mich. Irgendwo im Gestrüpp lag jetzt meine Legitimation, die ich nach Schengen ja eigentlich gar nicht mehr brauchte. Das war aber kein Grund, warum sie dieser Dorf-Deppen ungefragt entsorgte.

„Fahrens die Stroße übern Hügel, dann kommens ins Himmelreich.“

Kai sah Richtung Hügel, während ich weiter ins kniehohe Gras starrte.

Fein, da lag er: mein Pass in guter Gesellschaft unzähliger Nacktschnecken. Mit Daumen und Zeigefingern fingerte ich das Dokument aus der Botanik. Kai hatte es sich schon wieder hinter dem Lenkrad bequem gemacht und sah zu mir herüber: „Du machst alles nass.“

„Ich weiß!“

Meine Schuhe waren voll Wasser, die Hosenbeine dunkel verfärbt. Als ich saß, kroch die nasse Kälte zu allem Überfluss auch noch an meinen Beinen hoch.

Der Daimler heulte auf, die Räder rotierten und erst als Kai Gas zurücknahm, setzte sich unser beiger Benz auf der schnurgeraden Straße in Bewegung. Ziel: Übern Hügel Richtung ins Himmelreich Heiligenkreuz!

„Und, wie gefällt's dir?“

Kaiser sagte nichts.

Er hatte schon in Hongkong, New York, Istanbul, am Nordpol und in Moskau gearbeitet. Er war für Boulevardzeitungen nachts in Leichehallen eingebrochen und hatte für Presseagenturen lebende oder fast noch lebende Leinwandlegenden wie Sean Connery und Johannes Hesters abgelichtet. In seiner Wohnung standen die Fotopreise dicht neben den Katalogen eigener Ausstellungen. Und heute? Kaiser sollte Mönche fotografieren, Mönche in Österreich. Für Kai war das nicht der Kick, den der Bildjournalist brauchte, um einiges besser als gut zu sein.

„Übermorgen sind wir fertig, dann geht’s wieder heim“, versuchte ich. „Und wenn ich reinklotze, sind wir schon morgen Abend auf der Rückfahrt.“ Kai reagierte immer noch nicht. Seine Augen folgten der Straße, die nach „überm Hügel“ wieder Richtung Tal führte, um dann dem Bergrücken nach links zu folgen. Zwischen den Bäumen schimmerten massige, regennasse Dächer und die Türme des Zisterzienserstiftes.

„Schön, was?“

Jetzt nickte er. Von der Kehre der Bezirksstraße aus hatte man noch den gesamten Klosterkomplex überblicken können, der jetzt schon wieder hinter Bäumen und Büschen verschwunden war.

„An der Stelle habe ich auch mal geknipst“, fiel mir ein. Dreiundzwanzig Jahre waren vergangen, seit ich das erste und bisher einzige Mal hier war - in meiner Jugend mit meiner Jugendliebe Lena: Erster Urlaub mit einer Frau, der Ur-, Urur, oder Urururenkelin aus dem Baedecker´schen Reiseführer-Clan und meine bis heute noch größte Liebe: braunen Augen, meist hochgesteckte rotbraune Haar, süß-sündige Lippen, weiche...

Kai bremste.

„Rechts, links?“ Er kickte die ausgerauchte Zigarette in Richtung Aschenbecher.

„Rechts rein und nach links durch das Tor.“

Der Wagen hüpfte über Kopfsteinpflaster. „Links ist die päpstliche Hochschule, rechts das Stift.“

„Und vor uns Frühstück.“

Er hatte Recht.

Während überm Hügel vorne bei Alland der Regen abgeklungen war und die nächtlichen Gewitterwolken dem frühen Mittwoch Platz gemacht hatten, lag in dem engen Bachtal hier die Feuchtigkeit noch in der Luft. Die Klosterpforte auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes war geschlossen. Aber auch der Stiftsgasthof machte nicht den Eindruck, zu so früher Stunde Gäste empfangen zu wollen. In der Gaststube war es finster, die Tür war verschlossen.

Kai suchte nach der Glocke und verschwand hinter einer Hausecke, während ich meine Hand durch die Drahtmaschen eines abgedeckten Brunnentroges stecken wollte, der in der Mitte des Biergartens stand. Mit einem nassen Taschentuch hätte ich wenigstens meine Schuhe vom dreckigen Erbe der Allander Äcker befreien können.

„In der Küche ist jemand“, rief Kai rüber. Ich hörte ihn, bevor Jeanshose, Jeansjacke und Jeanshemd wieder um die Hausecke kamen. Kies knirschte unter seinen Schritten und schließlich wurde die Wirtshaustür entriegelt.

Unter dem weißen Kittel erkannte ich ein Dirndl. Sicher hatte Kai das Mädchen durch ein Fenster gesehen, geklopft und ihr Tief in die Augen geschaut – ich wusste: dann machten die Frauen meist das, was er will. „Komm mit“, meinte Kaiser und war schon im düsteren Flur des Wirtshauses verschwunden. „Ich habe diesem weiblichen Wesen tief in die Augen geschaut und jetzt macht sie, was ich will.“

Macho dachte ich und bekam meine Hand nur mit erheblichen Schwierigkeiten wieder aus dem Drahtgeflecht raus.

Wir hielten uns in dem nur vom schwachen Licht eines Zigarettenautomaten erhellten Vorraum rechts. In der Gaststube ging das Licht an. Dieses weibliche Wesen war höchstens Mitte zwanzig, hatte hüftlanges, glattes Haar und einen glitzernden linken Nasenflügel.

Wir setzten uns. Kai bestellte zwei Kaffee, worauf das Mädchen näher kam. Und es geschah genau das, was immer dann geschieht, wenn jemand in Österreich Kaffee bestellte und was auch immer in Büchern über Österreich zu lesen ist.

Also:

„Welchen?“ wurde gefragt.

Fein, wenn die Klischees bedient sind.

Sie hatte nicht nur wunderschöne wasserblaue Augen, sondern auch einen hübschen kleinen Delphin als Schmuck im zierlichen linken Nasenflügel.

„Zwei große Braune.“

Ich übernahm die Bestellung, Kai grinste doof.

Augenscheinlich wusste mein polyglotter Fotoreisende nicht, dass es in Österreich mehr als nur eine Sorte Kaffee gab und sich die zwei großen Braunen mal nicht auf den Inhalt des Dekolletes bezogen, das durch die offene Kittelschürze blitzte. Ich hätte ihn eigentlich aufklären müssen, doch der Kollege war gedanklich schon gar nicht mehr anwesend. Ich stieß ihn an.

„Was ist?“

Er sah in ihre Richtung und hob die Augenbrauen an, als sie sich an einem großen Kaffeeautomaten zu schaffen machte.

Natürlich!

„Schon wieder…?“

Er hob die Brauen erneut. Klar, das hätte ich wissen müssen: blaue Augen, lange Haare, Nasenpiercing – ganz Kais Geschmack. Dazu das bezaubernde Lächeln, mit dem sie sicher schon einige tausend deutsche Touristen bei der Frage nach dem richtigen Kaffee irritiert hatte.

„Vielleicht gefällt mir Heiligenblut doch noch.“

„Kreuz, Heiligenkreuz.“.

Die großen Braunen kamen mit dem Kaffee – eine Krönung vom Monarch in zwei hübschen weißen Schalen! Ich war müde, mir war kalt und die Schultern schmerzten vom Schlafen während der Fahrt.

„Danke, dass sie uns rein gelassen haben. Wohnen sie hier?“

„Nein“, das Mädchen lächelte – aber nur Richtung Kai. Vielleicht war sie sogar jünger als 25?

„Ich komme aus Alland.“

Kai nickte: „Kenn ich gut.“

Das Mädchen lächelte weiter. Ihr Mund war wirklich hübsch und zwischen den roten Lippen glänzten in zwei Reihen weiße Mausezähne. Wenn ich Piercings mögen würde und nicht in festen Händen wäre, hätte ich sie sicher auch so angesehen wie es Kai noch immer tat – nicht nur wegen des Kaffees.

Aus einem Raum gegenüber der Gaststube hörten wir eine Klingel und das Mädchen lächelte plötzlich nicht mehr.

„Ich muss.“

Sie ging.

„Wir müssen auch."

"Mindestens zwei Tage lang."

"Und abends haben wir frei."

"Wie heißt du?“

Vier Sätze nacheinander – Kaiser verblüffte mich. Ich hatte schon viele Male erleben müssen, wie Kai Mädels aufriss. Aber so viel hatte er meist nie gesprochen – vier Sätze, wenn auch keine zusammenhängenden. Sonst reichte es ihm, seine Kamera zu zeigen.

Das Mädchen drehte noch einmal um. War sie doch erst sechzehn?

„Sofia!“

Kai war zufrieden und die Tür der Gaststube fiel ins Schloss.

„Nett!“

„Sicher. Aber keine 15 Jahre.“

„Quatsch.“ Kai fingerte seinen Tabak aus der Jacke. „Nicht bei der Figur.“

„Denk dran. Du bis fast 50!“

Er leckte schon wieder auf diese unästhetische Art und Weise an seinem Zigarettenpapier entlang.

„Na und? Nach 45 wird alles besser – war doch in Deutschland auch so! Und, überhaupt, du bist auch fast 40 und deine Kirsten ist in meinem Alter. Wen stört's?“

Recht hatte er. Dauerfreundin Kirsten war vor sechs Tagen sechsundvierzig geworden. Meinen 40. Geburtstag hatten wir im Winter gefeiert. Sechs Jahre Altersunterschied – für mich eigentlich kein Problem. Für Kirsten schon. Vier Jahre sind wir zusammen, leben gemeinsam in ihrer Wohnung – und haben uns arrangiert. Sie sich mit meinen Fehlern, ich mich mit ihr. Und auch wenn sie sich an fast alles unserer Beziehung gewöhnt hat – an die sechs Jahre Altersunterschied nicht. Schlimm war das dann, wenn sie darauf angesprochen wurde. Dabei sah sie keinen Tag älter als 39 aus: schulterlange blonde Locken, graugrüne Augen, vollschlanke Figur und schöne Hände.

Aber das war es auch eigentlich schon …

Ich rührte in meinem Kaffee, während Kai einen neuen Zigarettenstumpen anblies. Merkwürdig, seit neuestem hatte Kirsten kleine dunkle Stellen auf den Händen – Altersflecken. Was einem so einfällt.

Wenigstens der Kaffee war frisch, und heiß war er auch. Alles anders als zu Hause.

„Das Stift wurde 1136 von französischen Mönchen gegründet. Das Gelände war eine Schenkung von Marktgraf Leopold. Damals war’s hier aber so ungemütlich, dass die Mönche Richtung Ungarn weiterziehen wollten. Also erließ Leopold den Mönchen die Zinsabgaben an die Pfarrkirche in Alland und vergrößerte das Klostergebiet. Und so leben die Mönche bis heute hier im Wienerwald.“

„Wegen der Hähnchen?“ Kai freute sich über seinen überflüssigen Witz.

„Nein, Forstwirtschaft und Weinbau. Heiligenkreuz hat einige ausgezeichnete Weinlagen. Und die Abtei ist eines der bekanntesten Ausflugsziele vor den Toren Wiens. Du wirst dich noch wundern, was es hier alles zu sehen gibt.“

Kai drückte die Zigarette in einem großen Metallaschenbecher aus.

„Reicht's für Fotos?“

„Klar! Kirche, Kreuzgang, Grabkapelle, Friedhof, Sägewerk, Hochschule und jede Menge Touristen. Da findest du schon etwas. Um zehn Uhr treffen wir den Kämmerer des Stiftes für eine VI-Führung. Da kannst du die Location checken.“

Kai sah auf die Uhr.

„Das sind noch mehr als zwei Stunden! Was machen wir bis dahin?“

„Ich weiß ja nicht, was du machst. Aber ich suche dieses Mädchen, das uns den Kaffee gebracht hat...“

„Sofia“

„Sofia soll mir mein Zimmer zeigen. Ich ziehe eine trockene Hose an und dann können wir uns den Friedhof ansehen gehen.“

„Einverstanden.“

Kai rutschte über die Holzbank rund um den Tisch und stand schon an der Tür, noch bevor ich den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte. Wo war das Mädchen? Statt Sofia stand im finsteren Flur nämlich jetzt nur Mann.

„Wer seids denn ihr?“ Auch er trug einen Kittel, der bis zu den Knien reichte und wahrscheinlich im letzten Jahrhundert einmal weiß war.

„Fischer, ich bin Thomas Fischer. Das ist Kai Kaiser, mein Kollege. Wir sind Journalisten und haben für zwei Nächte Einzelzimmer gebucht.“

„Telefonisch?“

Wir nickten.

„Soferl“, der Mann drehte sich zur Seite. Er mochte fünfzig Jahre alt sein, trug zu langen Kotletten einen gepflegten Schnauzbart, dessen Enden nach oben zeigten. Dieser und fröhlich blitzende Augen gaben ihm ein beinahe liebenswürdiges Aussehen – zumindest für einen Österreicher.

„Soferl!“ Er brüllte den Namen erneut in den Flur. Bei der Lautstärke gab es wohl keine anderen Nächtigungsgäste, auf die er Rücksicht nehmen musste.

Liebenswürdig? Nein, nur Österreicher!

Sie kam zurück.

„Zimmer zwei und drei und dann wieder herkommen.“

Sofie nickte, griff an der Wand von vier Schlüsseln zwei und zeigte zur Treppe, die dem Eingang gegenüber nach oben führte. Am Gang, der in der ersten Etage über die Länge des ganzen Gebäudes führte und - weil fensterlos - ziemlich düster war, lagen die vier zu vermietenden Zimmer. Ich nahm das Erste links, während das Mädchen meinem Freund und Kollegen die Tür zu Zimmer Nummer drei öffnete – mir gegenüber.

„Soferl!!!“

Der durch und durch Österreichischer im Parterre brüllte erneut und das Mädchen verschwand mit einem scheuen, wohl ausschließlich für Kai bestimmten Lächeln. Er sah triumphierend zu mir herüber. Dann gingen wir in unsere Zimmer, gingen wieder heraus, gingen wortlos die Treppe hinunter, traten in den Biergarten, gingen durch den Kies und setzten uns in den Benz.

„Keine Dusche!“

Kai nickte.

„Keine Badewanne!“

Er nickte wieder.

„Außerdem keine Toilette, keinen Fernseher, keine Minibar und überhaupt! Der Gasthof erinnert ja an Dresden 1945! Lass uns etwas anderes suchen.“

Kai nickte nicht mehr.

„Nein, wir bleiben, machen unsere Geschichte, lassen es uns gut gehen und sind morgen wieder weg.“

Alter Schwede, du und deine Hormone. Der Grund für Kais plötzliche Ortsbegeisterung war klar: Sofia!

„Aber denk dran: Bei einem jungen Ding kannst du morgens nicht sagen, ich gehe mal raus mich rasieren, da musst du noch mal ran!“

Kapitel 2

Es klopft.

Mein Zimmer gleicht unzähligen Zimmern, die ich in Österreich kennen gelernt habe. Rechts Spiegel plus Waschbecken mit hellblauem Kunststoffbecher für die Zahnpflege, zwei hart gewaschene Handtüchern und eine Steckdose für den Rasierer. Dann das Bett mit dreigeteilter Matratze und kleinem Kissen, ein Nachtschränkchen mit aufquellender Pressspanplatte samt Aschenbecher mit roter Aquavitwerbung und ein Schrank, dessen Bügelsortiment aus mindestens zehn verschiedenen Kaufhäusern und Reinigungen zusammengesucht worden war.

Vis-à-vis der Tür lag das Fenster zum Hof. „Toiletten befinden sich am Ende des Ganges, auch die Dusche für alle“, hatte Sofia noch gesagt. Wer die anderen sechs Zimmer der Flurflucht bewohnte, war nicht klar. Sie trugen keine Nummern und waren sicher auch nicht für Touristen gedacht. Vielleicht wohnte dort das Personal: der Österreicher mit der strengen Stimme und das Mädchen mit den großen braunen...

Es klopft wieder.

Ich hatte die Hose ausgezogen, im Koffer passablen Ersatz für meine Beinkleider gefunden und mich auf das Bett gelegt. Ich starrte an die Decke. In einem geschwungenen Bogen ging sie in die Wand über, die zehn Zentimeter noch in der Deckenfarbe gestrichen war. In unregelmäßigen Abständen hingen gerahmte Kalenderblätter auf der billigen Strukturtapete: Domplatz Salzburg, St. Wolfgang, das Riesenrad im Wiener Prater, der Gardasee.

Alles schwarz weiß.

Der Gardasee!

Gardasee?

Der liegt doch in Italien.

Egal. Seit der Suche nach dem populärsten Deutschen war auch Mozart kein Österreicher mehr und da kommt es auf den Lago di Garda auch nicht mehr an – heim ins Reich und gut.

An der Decke flitzte die Mietzimmerfliege hin und her. Ich dachte über Heiligenkreuz und fünfeinhalbe leere Magazinseiten nach. Wie in die Story einsteigen? Ein Zitat, ein Bonmot?

Aber eigentlich dachte ich an Lena und an Wien, an damals, das schöne Hotel und eine Unterlassung, die ich noch heute bereue. Warum war ich nicht mit ihr duschen gegangen, als sie sich ihre weiche Haut mit diesem duftenden, schwersüßen Duschgel einrieb? Ach, wie klein sind doch die Unterlassungen der Jugend gegen die heutigen!?

Jetzt klopft es nicht mehr.

Jetzt hämmert irgendwer gegen die Holztür meines Zimmers, so dass der Rahmen bereits klapperte.

„Fertig?“

Kai hielt es in seinem Fremdenzimmer wohl nicht mehr aus. Es war gerade acht Uhr am Vormittag vorbei – acht Uhr früh! Kai stand im Zimmer.

„Auf zum Friedhof.“

Ich mühte meinen Körper – mindestens fünf Kilo tatsächliches und zehn Kilo gefühltes Übergewicht – in die Höhe. „Bist du immer noch nicht müde?“

In der Zwischenzeit hatte er sich rasiert, denn ausnahmsweise sprossen keine grauen Haare rund um Mund und Kinn. Nebenbei: auch das war ganz schön lang...

Nein, Kai war nicht müde.

Der Weg zum Friedhof stieg langsam aber stetig an. Von der nahen Autobahn hörten wir den frühen Berufsverkehr Richtung Wien. Der erste Touristenbus stand bereits auf dem Stiftshof. Wir gingen schnellen Schrittes über den Kalvarienberg. Die von geweißelten steinernen Heiligen gesäumte Allee führte an frisch renovierten Kreuzwegstationen vorbei. Der Weg war steinig und voller Pfützen. Durch die frischen grünen Äste der Kastanien strahlte die Morgensonne.

„Wird doch noch ein schöner Tag.“

Ich quittierte mit einem stummen Nicken und genoss den Weg zum Ziel.

Wir querten die Straße und folgten dem Hinweisschild „Friedhof“ einen weiteren Hügel hinauf. Linden säumten den Weg bis zu einem unbefestigten Parkplatz unterhalb der Autobahn. Ich hatte mehr als 50 Bäume auf jeder Seite gezählt.

Unterhalb öffneten sich die Täler des Wienerwaldes, der von der Nachkriegs-Autobahn mit mächtigen Brücken und einem aufgeschütteten Damm geteilt wurde. Hätte der Führer die Bahn noch bauen können, hätte sie auch das Kloster geteilt. Das erfuhr ich aber auch erst später.

Wir kamen zur mannshohen Mauer des Friedhofes von Heiligenkreuz. In der Mitte der sparsam verputzten Einfriedungsmauer war ein verziertes Eisentor. Kai öffnete unter protestierendem Quietschen den rechten Flügel.

„Bei Nebel `n schönes Motiv.“

„Hm, für den Hörfunk."

Kollege Kaiser blickte sich um. Dem Tor mit seiner fast unleserlich hinein geschmiedeten Jahreszahl gegenüber erhob sich eine neuromanische Kapelle, auf der Hälfte des Weges ein hölzernes Kreuz. Links und rechts des Weges reihten sich an schmalen Kiesgängen die Gräber wie Perlen auf. Zur Rechten stand eine alte Hütte - vielleicht der Schuppen des Gärtners? Noch davor, an der Mauer zum Eingangstor, aufgeschüttete Erde und eine Tafel mit ausländischen Namen. Ein Kriegsrelikt und laut Baedecker gefallene russische Soldaten. Nach unserem Abenteuer in Österreich hatte ich der Reiseführerredaktion geschrieben, dass es sich um typhustote Kriegsgefangene handelt, die man fern der damaligen Heimat in Bessarabien hier verscharrt hatte. Gedankt hat mir die Information bisher niemand - und das, obwohl Lena doch eine Ur-, Urur- oder Urururirgendwas von den Baedeckers war.

„Da oben.“

Ich kannte den Friedhof noch vom Besuch mit Lena. Links vom Hauptweg standen zwischen den Gräbern sieben oder acht hohe Bäume und dort, fast an der Friedhofsmauer, lag diese auffällige Gruft: Während alle Gräber parallel zum Hauptweg angeordnet waren, hatte man das Kreuz dieser Grabstätte nach Norden ausgerichtet.

Kai las die Inschrift: „Mary Freiin von Vetsera. Geboren 19. März 1871, gestorben 30. Jänner 1889. Wie eine Blume sprosst der Mensch auf und wird gebrochen.“

Die erhöhte Gruft war von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben. Auf dem Grab lagen drei Steinplatten, jede mit zwei eisernen Ringen. Rundherum wuchs Efeu. Unterhalb des braunen Steinkreuzes, auf dessen Sockel die Inschrift angebracht war, flackerte ein batteriebetriebenes Grablicht. Der Maiwind strich durch die Föhren neben dem fast drei Meter hohen Kreuz.

„Alt isse nicht geworden.“

Ich nickte.

„Sie war die Geliebte des österreichischen Thronfolgers. Er hat sie in seinem Schloss drüben in Mayerling erschossen und sich dann selbst abgeknallt. Sagt man zumindest.“

Kais Blick zeigte mir, dass er sich für die Mordgeschichte nicht interessierte. Aber er wusste wieder zu verblüffen: „Jau, habe ich mal im Film gesehen. Mit Dr. Schiwago.“

„Stimmt, “ pfiff ich anerkennend, „1968 hat Omar Scharif den Kronprinzen Rudolf gespielt und Catherine Deneuve die Vetsera.“

„Ne, neulich mal, da hat der einen Maler gespielt. In so einem Fernsehfilm.“

Ob die Tote etwas mit unserem Kloster zu tun hatte, wollte Kai dann auch noch wissen.

„Irgendwie schon.“

Ich erzählte Kai von der Beerdigung des jungen Dings: „Das tote Mädchen hat man sitzend in einer Kutsche zum Friedhof gebracht, in einen Sarg gelegt und im Morgengrauen unten an der Friedhofsmauer beerdigt. Da, wo jetzt die Tafel für die toten Soldaten hängt.“

Ich zeigte zum Eingang und dem Gemeinschaftsgrab aus Weltkriegstagen.

„Im Mai hat man die Vetsera wieder ausgegraben und hier in dieser Gruft bestattet. Und als zum Ende des zweiten Weltkrieges der Krieg in Heiligenkreuz tobte, haben sie die größeren Gräber aufgehebelt und nach Schmuck gesucht – die Russen, oder die Nazis, oder die Heiligenkreuzer selbst. Auch Marys Gruft wurde geplündert und die Gebeine erst 1959 wieder beigesetzt. Seither ist die Gruft ein wahrer Pilgerort.“

„Für wen?“

„Romantiker.“

Kai sah skeptisch zu mir rüber.

„Mary hat den verheirateten Kronprinzen heiß und innig geliebt und ist mit ihm in den Tot gegangen. Das fasziniert die Menschen auch heute noch.“

Er nickte. „Wenn du meinst. Und was hat das mit deinen Mönchen zu tun?“

Wir machten uns langsam auf den Rückweg eben zu diesen.