Das höllische Automobil - Otto Julius Bierbaum - E-Book

Das höllische Automobil E-Book

Otto Julius Bierbaum

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Beschreibung

Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910), auch bekannt unter den Pseudonymen Martin Möbius und Simplicissimus war ein deutscher Journalist, Redakteur und Schriftsteller. Sein literarisches Schaffen war äußerst vielfältig. Sein Reisebuch "Eine empfindsame Reise im Automobil" erschien 1903 und gilt als erstes Autoreisebuch der deutschen Literatur.

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Das höllische Automobil

Das höllische AutomobilVita autorisDas höllische Automobil - InhaltDer mutige RevierförsterPatsch und TiriliDie WeihnachtsbowleSchwarz-Rot-Gold und Grün-Weiß-RotImpressum

Das höllische Automobil

Novellen 

Vita autoris

Otto Julius Bierbaum

erblickte das Licht dieser Welt am 28. Juni 1865 zu Grünberg in Niederschlesien als der Sohn eines eingebornen Konditors und einer sächsischen Bergmannstochter. In der väterlichen Familie waren zwei Berufszweige erblich: Ein süßer: die Zuckerbäckerei, und ein saurer: die protestantische Theologie. Otto Julius hatte aber wohl einen besonders starken Gemütseinschlag von der mütterlichen Familie her (in der einmal, zur Zeit Napoleons, ein französischer Tambour eine Gastrolle gegeben haben soll) und so fand in ihm weder die süße noch die saure Familientradition ihre Fortsetzung. Doch blieb ihm Zeit seines Lebens von Abstammung wegen ein ausgesprochener Sinn für bessere Kuchen und Edelmetalle im Blute, ohne daß er ihn indessen immer befriedigen konnte. Dieses Unvermögen kommt aber eben daher, weil er, statt das Süße oder das Saure oder sonst was Ordentliches zu lernen, sich von Jugend auf dem Laster des Versemachens und Fabulierens hingegeben hat. Was hat er davon? —: Ein immer zweifelhaftes Budget und die Ungnade des Literaturaufsehers Bartels in Sulza bei Weimar — O, daß doch dieses gewiß gräßliche, aber leider nicht unverdiente Schicksal abschreckend auf alle unerfahrenen Jünglinge und Jungfrauen wirken möchte, die in dem Wahne leben, das Dichten sei eine einträgliche Beschäftigung und mache wohlgelitten bei ernsten Kunstwärtern und gelehrten Literaturbeaufsichtigern! In Wahrheit führt es, wenn man sich ihm nicht auf der Basis einer sehr anständigen Rente hingibt, direkt ins Versatzamt und erregt, wenn es nicht so vorsichtig ausgeübt wird, daß alles Vergnügen daran zum Teufel geht, nur Unwillen.

Dieser Unwillen steigert sich zur Empörung, wenn der Unbesonnene, der ihn hervorgerufen hat, statt sich durch weise Beschränkung auf ein bestimmtes Fach der Dichtkunst wenigstens zum Spezialisten auszubilden, auch noch einen Mangel an Charakter offenbart, indem er halt- und ziellos in allen Fächern der Poeterei herumfährt und, wie iste O. J. B., außer Gedichten jeder Art und Unart auch noch Novellen, Romane, Operntexte, Dramen, Balletts, Reisebeschreibungen, Märchen und allerhand Aufsätze über allerhand Menschen, Dinge und Ideen von sich gibt. Dies ist ein so grober Verstoß gegen das moderne Gesetz von der Teilung der Arbeit, daß man nicht energisch genug dagegen Front machen kann. Warum, so fragen wir mit Nachdruck, hat sich O. J. B. nicht damit begnügt, den ’Lustigen Ehemann‘ zu verfassen? Wie klar umrissen stünde dann sein Bild im Herzen der dankbaren Mitwelt, während es jetzt unruhig und fatal hin- und herzittert in den verschiedensten Kapiteln der Literaturkunde, vergleichbar den lebenden Photographien der American-Biograph-Gesellschaft, G. m. b. H., Berlin.

Daß er auch noch Zeitschriften gründete, mag ihm verziehen werden, weil sie (Pan und Insel) eingegangen sind, und weil es sich schließlich, Gott sei Lob und Dank, doch herausgestellt hat, daß die aufregenden Nachrichten über seine schmachvoll hohen Redaktionsgehälter nur die Phantasiegebilde einiger erfindungsreichen Köpfe waren. Auch seine längere Reise im Automobil hat ihren Stachel verloren, seitdem man weiß, daß sie nicht auf eigene Kosten unternommen worden ist.

Über seine Mitschuld am Überbrettl gehen die Meinungen auseinander. Einige Passagen im ”Stilpe“ belasten ihn zwar schwer, aber das Programm seines Trianon-Theaters (einmal und nicht wieder!) wird immer als besinnungslos rein lyrisches Entlastungsdokument angeführt werden können.

Sonst ist O. J. B. harmlos. Sein Körpergewicht (81,5 Kilo, die Kleider nicht mitgewogen), sowie seine untersetzte, deutlichen Fettansatzes nicht ermangelnde Statur, reihen ihn unter die Korpulenzen ein, die eher zum Phlegma, als zu kriegerischem Angriffe neigen. Doch scheint er es sich nicht abgewöhnen zu können, über gewisse Charaktereigentümlichkeiten erbost zu werden, als da sind: Neid, Lügenhaftigkeit, Tratsch- und Verleumdungssucht und aufgeblasener Dummstolz. (Woraus deutlich hervorgeht, daß man ihn mit Unrecht unter die Humoristen rechnet.) Durch Radfahren und elektrische Massage versucht er es übrigens, seine Taillenweite dem erwünschten Normalmaße anzunähern, wie er denn auch den Fettbildner Alkohol mit einer Konsequenz meidet, die ihm sonst nicht eigen ist. Lawn Tennis mußte er leider wegen Mangels an englischen Sprachkenntnissen aufgeben. Die Pflege des nationalen Skat hinwiederum ist ihm wegen eines mathematischen Defekts versagt.

Hunde, Katzen, Blumen; Horaz, Shakespeare, Goethe; Gluck, das ’wohltemperierte Klavier‘, Mozart; Dürer, Ludwig Richter, Chodowiecki; Büttenpapier, Seide und Ceylontee liebt er sehr. Schiller genießt er einstweilen lieber in der Form Dehmel. — Für die größten unter den modernen Dichtern gelten ihm Dostojewski, Nietzsche und Gottfried Keller. — Th. Th. Heine ist ihm lieber, als Max Klinger. — Ein rechtschaffenes Biedermeier-Kanapee zieht er ebensowohl einer sella curulis wie jeder streng modern konstruktiven Lösung des Sitzproblems vor. Van de Velde verehrt er aus scheuer Entfernung und mit aller gebotenen Vorsicht. Der wahrhaft aus modernem Bedürfnis und aus der klaren Tiefe der Zeitseele geborene Nachttopf scheint ihm einstweilen nur in ornamentalen Ansätzen von verdienstlichem Zielbewußtsein vorhanden zu sein. An ”Buchschmuck“ hat er sich für eine Weile sattgesehn, sowohl an dem botanischer, zoologischer und mineralogischer, wie an dem rein geometrischer Herkunft. Seine Sünden auf diesem Gebiete bereut er herzlich und hat sich dafür als freiwillige Buße die vollkommenste Enthaltsamkeit von allen Kopf-, Rand-, Zwischenleisten, Frontispicen, culs de campe &c. &c. auferlegt. Doch zweifelt er keineswegs daran, daß die Blütezeit des Jugendstiles noch eine hübsche Zeit andauern wird. — Was die moderne Musik angeht, so fühlt er keinen Beruf, sich an dem Gesellschaftsspiele der Auslosung des neuen Messias zu beteiligen. Er ist dazu musikwissenschaftlich nicht gebildet genug und muß zufrieden sein, daß es ihm beschieden ist, zuweilen moderne Musik zu hören, die ihm angenehm eingeht, ohne daß er zu sagen weiß warum. Im Grunde ist er wohl auch zu frivol dazu, was schon daraus hervorgeht, daß er nicht gerne eine Offenbachsche Operette versäumt.

Moderner Bücher liest er nicht gar viele, doch läßt er sich von Liliencron, Dehmel, Wedekind und Gerhard Ouckama Knoop keines entgehen. In alten Briefwechseln, Tagebüchern und Memoiren zu lesen ist ihm ein großes Vergnügen. Den größten Genuß auf diesem Gebiete bereiten ihm die Briefe und Tagebücher Friedrichs v. Gentz, den er überdies für einen der besten Prosaisten in deutscher Sprache hält.

Seine Kenntnis der Weltvorgänge bezieht er aus den ”Münchner Neuesten Nachrichten“ und dem ”Simplizissimus“. Zu einem Abonnement auf die ”Woche“ hat er sich noch nicht entschließen können, doch läßt er sich eigens zu dem Zwecke allwöchentlich einmal die Haare kräuseln, um bei seinem Friseur den Anschauungsunterricht zu genießen, den dieses vorzügliche Organ der Volksaufklärung gewährt. Übrigens photographiert er, wie jeder Kunst- und Naturfreund, selbst und hat es darin zu einer Vollkommenheit gebracht, die ihm außer seiner Frau niemand bestreitet.

Religiös ist er Eklektiker. Vom Judentum hat er die Psalmen, vom Protestantismus eine ziemliche Anzahl Gesangbuchslieder, vom Katholizismus die Instrumentalmusik und verschiedene Bestandteile der sakralen Garderobe, vom Buddhismus die schöne Pose des Sitzens auf einer Lotosblüte, vom Konfuzianismus das Prinzip der großen Wurstigkeit, vom Taoismus die höchst angenehme Mystik ahnungsvoller Wortverknüpfungen in seine Privatkirche übernommen, deren Hauptlehre übrigens lautet: ’Halte dir alles Gesindel vom Leibe, denn es hindert dich, in deinen Himmel zu kommen!‘

Wollte man ihn nach seiner politischen Meinung fragen, so würde man ihn in Verlegenheit setzen. Es kommt das vielleicht daher, weil er keine Leitartikel liest und Bismarck tot ist.

Exlibris und Ansichtspostkarten sammelt er nicht; dafür alte Vorsatzpapiere, Gläser und Fayencen; Autogramme gibt er nur in schwachen Momenten ab; jungen Damen und Herren zu sagen, ob sie Talent zur lyrischen Poesie haben, erklärt er sich für inkompetent.

Vorbestraft wegen Körperverletzung in idealer Konkurrenz mit einer Übertretung ortspolizeilicher Vorschriften über das Halten von großen Hunden.

Das höllische Automobil - Inhalt

Ein Märchen für sämtliche Alters- und Rangklassen nach einer Idee Alf Bachmanns.

Der Riese Rumbo konnte die Menschen nicht leiden, weil sie neben ihm so lächerlich klein erschienen, aber doch klüger waren als er, und weil es ihm, wegen seiner unmäßigen Größe und Ungeschlachtheit, nicht möglich war, mit ihnen zusammen zu wohnen, — was er doch von wegen Kartenspiel und anderer Lustbarkeiten, die man nicht allein besorgen kann, ganz gerne gemocht hätte. Wie hätte er aber mit jemandem Skat spielen oder sonst etwas Vertrauliches treiben sollen, da er so groß war, daß er selbst die größten Häuser der benachbarten Residenzstadt nicht einmal zu Leibstühlen benützen konnte, weil sie dazu zu niedrig gewesen wären?

Daraus könnt ihr euch wohl ungefähr ein Bild machen, wie über alle Maßstäbe und Begriffe ausgedehnt dieser Kerl war.

Mein Onkel, der doch auch ein Mann von gutem Gardemaße und überdies Pfarrer, also gewöhnt war, seinen Blick immer aufs Höchste zu richten hat mir mehr als einmal beteuert, daß Rumbo alle seine Begriffe von Länge und Breite übertroffen habe. Übrigens ist es dieser mein Onkel, der mir diese Geschichte erzählt hat, was zu bemerken ich nicht zu ermangeln will, weil man sonst denken könnte, sie hätte keine Moral. Die Wahrheit ist, daß sie mehr Moral hat, als selbst der aufmerksamste Zuhörer beim ersten Male merken kann. Man muß sie sich also ein paarmal erzählen lassen. Es verlohnt sich.

Ich selbst habe sie sehr oft gehört, nämlich immer, wenn mein Onkel meinen Vater zu besuchen kam, um, wie er sagte, ”nach dem Rechten zu sehen.“ Es scheint aber, daß das Rechte sich bei uns im Keller aufhielt. Denn dorthin begaben sich bei solcher Gelegenheit die beiden Brüder sogleich, wenn der ältere beim jüngeren zu Besuch angekommen war. — Dies nebenbei und ohne eigentliche Beziehung zu Rumbo.

Der war also nach der Überlieferung meines Onkels ein übergewaltiger Geselle. — Ich wünschte sehr, seine Größe in Metern angeben zu können, aber in dieser Hinsicht hat es mein Onkel an Exaktheit fehlen lassen. Statt einfach zu sagen: so und soviel Meter oder meinetwegen bayerische Ruten war er lang, liebte er es, die Ausdehnung des Riesen durch Vergleiche oder Bilder anzudeuten, wobei es mir nicht entging, daß dabei nicht immer das gleiche herauskam. Machte ich ihn darauf aufmerksam, so pflegte er zu sagen: ”Mein lieber Junge, bei ganz großen Gegenständen irrt sich selbst die Bibel. Für das, was das gewohnte Maß maßlos überschreitet, haben wir Menschen nicht einmal die Fähigkeit, in Bildern ordentliche Maßstäbe zu finden. Kehre dich nicht daran, wenn ich dir einmal sage: Rumbos Beine waren so dick und lang wie die Türme der Frauenkirche zu München, und ein andermal: Rumbos Nasenlöcher waren so breit und lang wie der Tunnel durch den St. Gotthard. Das stimmt freilich nicht; aber aufs Stimmen kommts auch nicht an, wo sichs um Riesen handelt. Sei froh, zu wissen, und laß es dir genügen, daß Rumbo auf alle Fälle erstaunlich groß war; — wenn du Lust hast, seiner Größe noch ein paar Kilometer hinzuzusetzen, so tu dir keinen Zwang an. Meinetwegen kannst du ihn dir auch ein bißchen kleiner vorstellen, wenn er dir dadurch näher kommt, aber, versteht sich, immer noch so riesig, daß du dich selber darüber wundern mußt. — Darauf kommt es an.“

Ich empfehle euch, es auch so zu halten.

Da Rumbo nicht unter Menschen wohnen konnte, lebte er ständig auf dem Lande, und zwar in der Nähe der Stadt Knödelimkraut, die sich einer sehr waldigen Umgebung erfreut. Dort war aber auch wirklich ein Mordstrum von einem Walde, der für ihn paßte, als wenn er ihm angemessen worden wäre. Tannen wuchsen darin, so dick, daß ein Mensch, der um eine hätte herumgehen wollen, dazu eine gute Stunde gebraucht haben würde. (Wirklich wahr!) Er hätte aber gar nicht drum herumgehen können, weil die Wurzeln dieser Bäume wie Gebirge über die Erde hervorstanden, und weil das Moos, das auf ihnen wuchs, selber wieder so hoch und dicht war, wie das Gebüsch in einem gewöhnlichen Walde.

Für Rumbo aber war der Wald eben darum gerade recht; und er verließ ihn nur einmal in der Woche, nämlich am Sonnabend, wo er sich seine Mahlzeit holen mußte. Denn er aß nur einmal in der Woche, am Sonntag. Das kam daher, weil für ihn eine Woche so viel war, wie für uns ein Tag. (Inwiefern? — das wußte sogar mein Onkel nicht zu erklären, dem doch selbst in der Offenbarung Johannis keine Zeile dunkel war. — Ihr tut also gut, euch nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, was zu unterlassen übrigens auch anderen Problemen gegenüber ratsam erscheint, da ein Kopf, auch wenn er hohl ist, nicht eigentlich die Bestimmung hat, zerbrochen zu werden. Und eure Köpfe, meine Lieben, sind überdies nicht hohl, — wie würdet ihr sonst meine Zuhörer sein?)