Das HWS-Trauma - Dr. med. Bodo Kuklinski - E-Book

Das HWS-Trauma E-Book

Dr. med. Bodo Kuklinski

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  • Herausgeber: Arkana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Jeder Arzt kennt diese Patienten: Sie kommen immer wieder und berichten mit besorgter Stimme über Schmerzen hier und Herzstolpern da. Sie haben unerklärliche Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Rückenschmerzen, sind schlapp und müde, ihre Augenringe und ihre fahle Gesichtshaut geben ihnen Recht. Auch mit dem Bauch ist etwas nicht in Ordnung und manchmal ist die Luft so knapp."Das HWS-Trauma ist die Ursache für viele chronische Krankheiten!" Diese These belegt Dr. Kuklinski in seinem aktuellen Buch beeindruckend: Er stellt Grundlagen, Diagnostik und die weitreichenden Auswirkungen der geschädigten HWS ausführlich vor. In Fallbeispielen wird die Bedeutung des Genicks für die Gesundheit auf den Punkt gebracht.Das Buch präsentiert sein neues und erfolgreiches Therapiekonzept und wendet sich damit an alle Therapeuten, die ihre Patienten wirklich ursächlich behandeln wollen. Trotz der Stofffülle und biochemischer Bezüge bleibt das Werk verständlich und leicht lesbar - auch nach einem anstrengenden Praxistag.

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Seitenzahl: 323

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Das HWS-Trauma

Wichtige Hinweise:

Der Autor präsentiert in diesem Buch seine Patientenbeobachtungen und Therapieerfahrungen. Die angeführten Therapiemaßnahmen sind nicht als verbindlich zu betrachten. Es handelt sich lediglich um Beispiele, die Anstoß für neue Therapiemöglichkeiten bieten sollen.

Die Therapie der HWS-Instabilität gehört in die Hände von erfahrenen und biochemisch gut ausgebildeten Ärzten und Heilpraktikern, zusammen mit erfahrenen Manualtherapeuten, die die entsprechenden Zusatzausbildungen und deren Anwendungen nachweisen können. Nur so können Behandlungsverläufe individuell über wiederholte Kontrollen und Anpassungen an die Fortschritte der Patienten optimiert werden.

Autor und Verlag übernehmen trotz sorgfältiger Recherche und Beobachtung keine rechtliche Verantwortung für etwaige Folgen (Personen- , Sach- oder Vermögensschäden) aus der Anwendung oder Weiterentwicklung der in diesem Buch geschilderten Therapiemaßnahmen. Jeder Therapeut und Patient ist gehalten, eigenverantwortlich und angemessen mit dem hier geschilderten Wissen umzugehen.

Abb. S. 32

mit freundlicher Genehmigung von © Elsevier GmbH, Urban+Fischer Verlag München, aus Menche: Biologie - Anatomie - Physiologie, 5. Auflage 2003

Vollständige E-Book-Ausgabe der bei J.Kamphausen Verlag & Distribution GmbH erschienenen Printausgabe

Kuklinski, Dr. Bodo: Das HWS-Trauma

Lektorat: Dr. Anja Schemionek, Buchenbach

Projektleitung: Anne Petersen

© Aurum in J. Kamphausen Verlag & Distribution GmbH, Bielefeld 2006

[email protected], www.weltinnenraum.de

Korrekturat: agentur spu.k, Bonn

Umschlag, Typografie und Satz: KleiDesign, Bielefeld

Illustrationen: Franz-Josef Wiewel

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN E-Book: 978-3-89901-543-0

ISBN Printausgabe: 978-3-89901-068-8

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

Alle Angaben in diesem Buch sind von Autor und Verlag sorgfältig geprüft. Jegliche Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist jedoch ausgeschlossen.

Dr. Bodo Kuklinski

Das HWS-Trauma

Ursachen,DiagnoseundTherapie

 

Vorwort

 

Die instabile HWS – Ein deutliches Beispiel

 

Einleitung

Kapitel 1

HWS-Instabilität – Eine Übersicht zu Grundlagen, Ursachen und Auswirkungen

 

1.1

Zu Beginn ein wenig Anatomie

 

1.2

Gewalteinwirkung auf die HWS und die Folgen

 

1.3

Früh- und Spätsymptome einer instabilen HWS

Kapitel 2

Die Diagnostik der HWS-Instabilität und ihrer Folgen

 

2.1

Der erste Schritt zur Diagnose – eine gründliche Anamnese

 

2.2

Der zweite Schritt zur Diagnose – die manual-medizinische Untersuchung

 

2.2.1

Otoneurologische Untersuchungen

 

2.2.2

HWS-Funktionsröntgen nach Sandberg

 

2.2.3

Augenärztliche Untersuchungen

 

2.2.4

Funktions-Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie(MRT)

 

2.2.5

EEG-Untersuchungen

 

2.2.6

SPECT- und PET-Untersuchunge

 

2.2.7

Szintigrafie der dopaminergen D2-Rezeptoren

 

2.2.8

Duplexsonografie der Vertebralarterien und der Arteria basilaris

 

2.2.9

Kieferorthopädische Diagnostik

 

2.2.10

Psychometrie-Testungen

 

2.3

Der dritte Schritt zur Diagnose – die Laboruntersuchungen

 

2.3.1

Hirnschrankenprotein S-100 im Serum

 

2.3.2

Neuronenspezifische Enolase (NSE) im Serum

 

2.3.3

Neurofilament im Serum

 

2.3.4

Saures gliales Faserprotein (GFAP) im Serum

 

2.3.5

Stickstoffmonoxid(NO)-Gehalt der Exspirationsluft

 

2.3.6

Citrullin im Urin

 

2.3.7

Nitrotyrosin im EDTA-Blut

 

2.3.8

C-reaktives Protein (CrP) im Serum

 

2.3.9

Anti-CCP im Serum

 

2.3.10

Lactat in NaF-Blut und Pyruvat in EDTA-Blut

 

2.3.11

Intrazelluläre Defizite der Mineralien Kalium, Magnesium und Zink im Heparin-Blut

 

2.3.12

Substanz P (SP)

 

2.3.13

Freies Histamin im Heparin-Blut

 

2.3.14

Cystathionin und Methylmalonsäure in Urin

 

2.3.15

Gehalte der Expirationsluft an Ammoniak, Ethanol, Methanol, Aceton, Isopren, Pentan u. a.

 

2.4

Weitere Hinweise zu Anamnese und Diagnose

 

2.5

Psychiatrische und psychosomatische Diagnosestellungen bei HWS-Schädigungen

Kapitel 3

Analyse und Bedeutung der Diagnose-Ergebnisse

 

3.1

Funktionsstörungen der Hirnnerven und Sympathicus-Überaktivitäten

 

3.1.1

Die Hirnnerven

 

3.1.2

Sympathicus-Überaktivitäten

 

3.2

Progrediente Hirn- und Nervenschrankenstörungen, neurogene Entzündungen über Aktivierung von C-Nervenfasern mit gesteigerter NO-Synthese und Histadelie

 

3.2.1

Stickstoffmonooxid und seine physiologische Bedeutung

 

3.2.1.1

Stickstoffmonoxid greift massiv in den Stoffwechsel der Mitochondrien ein

 

3.2.1.2

Stickstoffmonoxid hemmt die hepatische 7α-Hydroxylase im Cholesterinstoffwechsel

 

3.2.1.3

Weitere Enzyme und Strukturen, die von NO beeinflusst werden

 

3.2.1.4

NO erhöht die Nitrosaminbelastung des Körpers

 

3.2.1.5

NO führt zur Citrullinierung von Eiweißen

 

3.2.1.6

NO führt über Peroxinitrit zur Nitrosierung aromatischer Aminosäuren

 

3.3

Hirnorganische und neurologische Folgen einer HWS-Instabilität

Exkurs 1:

Exogen induzierte NO-Steigerungen: Nahrungsnitrat, Nitropräparate und Statine

 

E 1.1

Nitrate

 

E 1.2

Statine

Kapitel 4

HWS-Instabilität und Folge-Erkrankungen: Vier Beispiele

 

4.1

Beispiel 1: Multiple Sklerose

 

4.2

Beispiel 2: Multiple Chemikalien-Überempfindlichkeit (MCS)

 

4.3

Beispiel 3: Das Chronische Müdigkeitssyndrom (chronic fatigue syndrom – CFS)

 

4.4

Beispiel 4: Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS)

 

4.5

Komorbiditäten

Exkurs 2:

Fertilität, Schwangerschaft und Kindesentwicklung unter dem Einfluss der HWS-Instabilität

 

E 2.1

Der Fall Diabetes Typ II bei Kindern in Deutschland

Kapitel 5

Die HWS-Komplextherapie

 

5.1

Besserung der Nachtschlafqualität

 

5.2

Osteopathische Behandlungen und Muskelkräftigung

 

5.3

Verhaltenstherapien

 

5.4

Ernährung

 

5.4.1

Der Nährstoffbedarf – eine klaffende Wissenslücke

 

5.5

Mikronährstoffe in der HWS-Komplextherapie

 

5.5.1

Die erste Etappe der HWS-Mikronährstoff-Therapie: Reduktion des NO mit Vitamin B12

Exkurs 3:

Bedeutung des Vitamins B12 im Stoffwechsel

 

5.5.2

Die zweite Etappe der HWS-Mikronährstoff-Therapie: Spurenelemente und Elektrolyte

 

5.5.3

Die dritte Etappe der HWS-Mikronährstoff-Therapie: Vitamine

 

5.5.4

Die vierte Etappe der HWS-Mikronährstoff-Therapie: ω-3-Polyenfettsäuren und Aminosäuren

 

5.5.5

Die fünfte Etappe der HWS-Mikronährstoff-Therapie: Coenzym Q10

 

5.5.6

Informationen zu weiteren Supplementationsmaßnahmen

 

5.6

Was ist zu tun nach einer „einfachen“ HWS-Distorsion?

Kapitel 6

Behandlungsergebnisse

Exkurs 4:

NO, Refluxkrankheit und Vitamin B12

Kapitel 7

Unser Gesundheitssystem und die instabile HWS

 

7.1

Evidenzbasierte Medizin (EBM) und HWS-Instabilität

 

7.2

Krankenkassen und die HWS-Instabilität

 

7.3

Epidemiologische Hinweise für HWS-Instabilitäten

Kapitel 8

Mitochondrienforschung – Die Zukunft unserer Medizin

 

Danksagung

Anhang

 

 

A 1

Überblick über wichtige Stoffwechselwege

 

A 1.1

Abbau der Glucose

 

A 1.1.1

Glycolyse

 

A 1.1.2

Oxidative Decarboxylierung

 

A 1.1.3

Abbau von Pyruvat zu Lactat

 

A 1.2

Citratzyclus

 

A 1.3

Atmungskette

 

A 1.4

Überblick über die ana- und katabole Bedeutung der Stoffwechselwege

 

A 1.5

Harnstoffzyklus

 

A 2

Interessante Adressen

 

A 3

Literaturverzeichnis

 

A 4

Sachregister

VORWORT

Jeder Arzt kennt diese Patienten: Sie kommen immer wieder und berichten mit besorgter Stimme über Schmerzen hier und Herzstolpern da. Sie haben unerklärliche Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Rückenschmerzen, sind schlapp und müde, ihre Augenringe und ihre fahle Gesichtshaut geben ihnen Recht. Auch mit dem Bauch ist etwas nicht in Ordnung und manchmal ist die Luft so knapp.

Aber sie haben nichts: Alle Laborbefunde sind in Ordnung, das EKG ergibt nichts, dennoch scheinen sie zu leiden. Der Mediziner empfiehlt Entspannung, Urlaub, wenn es geht. Verschreibt etwas gegen die Kopfschmerzen und etwas für den Bauch, schickt den Patienten zum Orthopäden und Kardiologen – und hat Bedenken, ob er das Richtige tut.

Diese Patienten bleiben treue Gäste der Praxis. Sie beginnen, Informationen über ihre „Krankheiten“ zu sammeln, sie belesen sich, was sie denn haben könnten. Dem Arzt kommt der Gedanke, ob sie sich nicht vielleicht doch alles nur einbilden und berichten, was sie gelesen haben …? Auch beschleichen den Akademiker leise Zweifel an sich und seinen Fähigkeiten. Da wendet er sich doch lieber den echten Fällen zu, die ihn wirklich brauchen und dankbar sind, dass die Medikamente und Therapien helfen.

Irgendwann findet sich dann doch etwas. Patient und Arzt, beide sind erleichtert, dem „Kind“ endlichen einen Namen geben zu können: Reizdarm vielleicht, Hausstauballergie oder gar einen Bandscheibenvorfall. Es folgen Allergietestungen, Darmspiegelungen und womöglich eine OP.

Und schließlich findet sich noch mehr, plötzlich ergeben sich gleich mehrere handfeste Diagnosen. Und damit nicht genug: Diese Patienten scheinen immer mehr Krankheiten zu entwickeln. Die Psyche? Man hat Mitleid mit diesen Menschen, aber es passt einfach nicht so recht zusammen. Multimorbid? Kann man ihnen glauben?

Und wieder Zweifel: Vielleicht ist doch irgendetwas grundsätzlich bei diesen Patienten nicht in Ordnung? Aber was? Auch Kolleginnen und Kollegen berichten immer wieder über solche Fälle. Alles nur psychisch? Vielleicht. Der Mediziner bedauert, nicht mehr über übergreifende Zusammenhänge im Körper zu wissen. Aber sein Praxisalltag ist auch so schon anstrengend genug, wo soll er die Zeit hernehmen, sich auch noch um solch umfassende Dinge zu kümmern?

DIE INSTABILE HWS – EIN DEUTLICHES BEISPIEL

Frau L., geb.1968, suchte uns im Mai 1999 auf. Anlass waren seit 1995 bestehende LWS-Schmerzen. Nach zweimaligen Bandscheibenoperationen 1996 traten zusätzlich Fibromyalgie-Symptome, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Muskel-, Gedächtnisschwäche und zahlreiche weitere Symptome auf – eine Multisystem-Erkrankung.

Frau L. war im Vorschulalter gesund gewesen und hatte eine überdurchschnittliche Intelligenz im Schulalter gezeigt. Die Menstruationszyklen begannen regelgerecht. In ihrer Lehre als Raumgestalterin litt sie bei Expositionen zu Farben und Klebstoffen an starker Müdigkeit und Erschöpfung. Sie trat deshalb einem Karate-Club zwecks Konditionierung bei. In der Berufsschule für Bautechnik traten beim Dachdecken, Mauern und Pflastersteinlegen erstmals starke Rückenschmerzen auf (1986, 1987). Nach körperlich-muskulären Belastungen, auch beim Karatesport, bemerkte sie trotz Trainings tagelang anhaltende Muskelschmerzen und -verhärtungen. In ihrem Beruf als Bauzeichnerin ab 1987 arbeitete sie viel mit alten Akten im Büro. Im Umgang damit bemerkte sie stets einen Nieszwang, der starke Kopf- und LWS-Schmerzen auslöste.

1988 fuhr sie mit 90 km/h auf einen stehenden Pkw auf. An das Unfallereignis kann sie sich selbst nicht mehr entsinnen. Sie schlug mit dem Kopf vorne auf und war etwa fünf bis zehn Minuten bewusstlos. Nie klar war, ob sie bei dem Unfall 1988 schon vorher oder erst nach dem Aufprall bewusstlos war (Anm. d. Verf.: Ersteres ist keine Seltenheit bei HWS-Instabilität).

Nach zweiwöchiger stationärer Behandlung und fünfwöchiger Rehabilitationsmaßnahme litt sie noch zwei Jahre an linksseitigen sensiblen motorischen Störungen und Nackenschmerzen, die in das Hinterhaupt über die Scheitelregion bis in Stirn und Augen ausstrahlten. Sie verstärkten sich beim Treppab-Gehen und bei Gehen auf hartem Boden. Ab 1990 besserten sich die Symptome etwas.

Im Mai 1994 versprühte sie im häuslichen Bereich neun Flaschen „Schimmelpilz-Töter“ an Decken und Wände. Ab der dritten Flasche setzten schon Kopfschmerzen und Übelkeit ein. Es entwickelte sich eine zwei Jahre lang anhaltende Hautakne (Anm. d. Verf.: Das Mykozid löste eine neurogene Entzündung aus).

1994 begannen LWS-Schmerzen, die 1995 weiter an Intensität zunahmen. Eine verordnete Kur verschlimmerte die Schmerzintensität (Anm. d. Verf.: Hinweis auf neurogene Entzündung).

1996 wurden wegen der LWS-Schmerzen zwei operative Eingriffe an der LWS wegen Bandscheibenvorwölbungen vorgenommen (chemische Nukleolyse und Laser-Nukleotomie). Danach veränderte sich ihr Leben dramatisch. Die LWS-Schmerzen wurden schlimmer, es traten Gelenk- und Muskelschmerzen, Schwindel-, Stolper- und Sturzneigung auf. Zuerst musste sie Unterarmstützen, ab Mai 1997 sogar einen Rollstuhl benutzen. Ab Sommer 1997 war sie überwiegend bettlägerig. Sie litt an Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwächegefühl. Sie nahm nach einer postoperativen Reha-Behandlung, die alles verschlimmerte, zehn Kilogramm an Gewicht ab. Immer wieder wurde sie zur stationären Behandlung in universitäre neurooder rheumatologische Kliniken aufgenommen.

Folgende Organsymptome traten ab 1995 auf:

Zentrales Nervensystem

Psyche

Wechsel von Panik- und Angstattacken mit Depressionen und Reizbarkeit.

Vegetative Nerven

Nächtliche Ein- und Durchschlafstörungen mit Angst- und Albträumen, dreimalig nächtlicher Harndrang, nächtliche Attacken mit Herzjagen, Schweißausbruch, Angst, täglich starke Gesichtsblässe, starkes Durstgefühl (Trinkmenge vier bis fünf Liter/Tag), Fremdkörpergefühl im Hals, Schluckstörungen mit Passagestopps, Krämpfe der Speiseröhre, Verschlucken von Speichel „in die falsche Kehle“. Gleichzeitiges Essen und Reden unmöglich, ansonsten Bissverletzungen, Essen und Trinken stark verlangsamt. Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen, besonders bei geringer Trinkmenge, temporär Harnsperre trotz voller Blase, dann Kopf- und Nierenschmerzen bis zu zwei Stunden Dauer. Wetterfühligkeit, Schlechtwetter verstärkt generell Schmerzen, Benommenheit, Kopfleere, Denk- und Sprachstörungen, Handschwellungen, Neigung zu Wassereinlagerungen an den Oberschenkeln, Gesäß, Rumpf, Gesicht und Armen mit Gefühl des Hautplatzens, dabei stets Gewichtssteigerungen bis zu fünf Kilogramm.

Periphere Nerven

Springende Taubheit im Gesicht, an Armen, Oberschenkeln oder Rumpf, schleuderartige Zuckungen (Dystonien) der Arme oder Beine nach intolerablen Gerüchen, abends Missempfindungen der Beine (Brennen, Taubheit).

Haut

Unerträgliches Brennen an lichtexponierten Stellen, Verstärkung der allgemeinen Schmerzen, diffuser Haarausfall 1995, ab 1998 Zunahme von pigmentierten Muttermalen.

Immunsystem

Wiederkehrende Infektionen in Darm- und Urogenitalbereich, Neigung zu Lippenherpes, bei Erschöpfung Temperaturanstieg bis zu zweimal täglich in subfebrile (bis 37,5° C) bis febrile Bereiche als Fieberzacken.

Augen

temporäres Schleier- und Verschwommensehen mit Übelkeit und Schwindel (Anm. d. Verf.: Arteria-basilaris-Syndrom), Sicca-Syndrom, Gefühl des kleinen Auges, Mouches volantes oder Lichtblitze. Brennen bei Exposition zu Chemikalien (Reiniger), durch längeres Lesen oder warme Heizung, Lesen im Liegen unmöglich, bei längerem Lesen Verschwimmen der Zeilen, Nicht-Halten-Können der Zeilen, Augapfelschmerzen, bei Augapfelbewegung nach unten Schwindel, temporär Doppelbilder oder Doppelkonturen, temporär Gesichtsfeldausfälle (dunkle Flecken oder Verschwinden von Buchstaben und Silben), Licht- und Blendempfindichkeit mit Augen- und Kopfschmerzauslösung, morgendliche Augenringe, Lid- und Gesichtsschwellungen, Bindehautrötung, Nachtblindheit.

Ohren

Bei Hintergrundgeräuschen kein Verstehen, Lärm- und Geräuschempfindlichkeit gegen hohe Töne bis hin zur Schmerzhaftigkeit, Tinnitus seit 1996 (postoperativ), verstärkt durch Kopfbewegungen oder Stressbelastung.

Nasenwege

Triefnase bei bestimmten Gerüchen oder vorgebeugter Körperhaltung, Niesattacken morgens oder bei Staubexposition, nächtliches Zu- schwellen der Nase. Geruchsintoleranz gegenüber: Alkohol, Parfüms, Deosprays (auch an nur vorbeigehenden Personen), Reinigungsmittel, Weichspüler, Farben, Lacke, Klebstoffe, Lederwaren, neue Möbel, Teppiche, Textilien, Tapeten, Pkw-Abgase und -heizung, Frostschutzmittel, Friseursalon, Kaufhaus, Baumarkt, Drogerie, frische Wäsche, Grilloder Ofenbrandgerüche aus der Nachbarschaft, frische Presseerzeugnisse, Küchenschwaden, Fleischgeruch. Intoleranzreaktionen setzen sofort ein mit: Augenbrennen, Kopfschmerz, Schwindel, Benommenheit, Denk-, Sprachstörungen, Blackouts, Gleichgewichtsstörungen, Muskelschwäche, und -schmerzen, motorischen Störungen wie Armoder Beinschleudern, Panik, Atemnot, Brustenge, Bronchialschmerzen, Herzjagen, Unruhe, Zittern, Übelkeit, Nackenschmerzen, Triefnase. Die Symptome hielten abhängig von Expositionsdauer und -intensität stunden-, tage- oder wochenlang an.

Ihr Hausarzt ließ sie probeweise an einem Wattebausch mit Frauenparfüm schnüffeln. Ihr Reaktionsablauf war folgender: subjektiv: Blähung im Hüftbereich, Schauergefühle, beginnend in den Füßen und aufsteigend in den Körper, Beinmuskel-, Gelenkschmerzen, innerlich Gefühl des Durchdrehens, Fallen in schwarzes Loch; objektiv: Fasziku- lationen, Dystonien, Um-sich-Schlagen, minutenlanges Schreien mit Übergang in Weinkrämpfe, ganztags anhaltende lähmende Erschöpfung und nachhängender Geruch und Geschmack des Parfüms.

Mundhöhle

Mundwinkelrhagaden, Parodontose und Zahnfleischentzündung, ständig Rachenschmerzen wie bei Infekt, Tonsillitiden ab 1997.

Brustdrüsen

Ab 1998 Mastodynie und Mastopathie.

Herzkreislaufsystem

Tags und nachts Herzjagen-Attacken mit Gesichtsblässe, niedriger Blutdruck, systolische Werte auch unter 100 Torr, hoher Ruhepuls.

Lungen-, Bronchialwege

Belastungsluftnot bei vorgebeugter Körperhaltung, Bronchialschmerzen bei intolerablen Gerüchen, verstärkte Sputumbildung.

Verdauungsorgane

Ständiges Hungergefühl mit Esszwang, eine Stunde nach dem Essen erneut Hunger (früher war Nahrungskarenz problemlos möglich), ansonsten Schwäche, Zittern, Erschöpfung, Kraftverlust, Gewichtsverlust postoperativ 1996 zehn Kilogramm, später Gewichtszunahme von 14 Kilogramm innerhalb von vier Monaten. Unverträglichkeit gegen fast alle Nahrungsmittel, nur noch Dinkel, gegartes Gemüse und ungeschälter Reis, Buchweizen, Soja und Salate aus Biokost wurden ab 1997 vertragen, eiweißhaltige Nahrungsmittel wie Fleisch, Wurst, Butter, Milch, Käse, aber auch Glutamate, Gewürze lösten aus: Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, -krämpfe, -faszikulieren, Nackenspasmus, Finger-, Hand- und Fußkrämpfe (Füße wurden nach innen gedreht), Brustmuskelkrämpfe mit erschwertem Atmen, extreme Blässe, Augenränder, Aufblähen des Bauches, Hitzewallungen, Fiebergefühl, Reizbarkeit, totale Erschöpfung und Muskelschwäche, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, extreme Bauchschmerzen, stärkste Blähung mit bretthart-vorgewölbtem Bauch, Sprach- und Schluckstörungen, Bewegungsunfähigkeit, totale Müdigkeit, aber schlaflos. Erbrechen nach Erdbeeren, Nüssen, Zwiebeln, Schnittlauch, Knoblauch, tägliches Sodbrennen, Krämpfe vor dem Essen. Die Unverträglichkeitsreaktionen traten 1997 etwa zweimal monatlich auf, Ende 1997 alle zwei bis drei Tage und ab 1999 drei- bis viermal täglich. Die massiven Beschwerden setzten etwa eine Minute nach Mahlzeitbeginn ein. Zucker, Feinbackwaren und Nahrungsmittel ohne Ballaststoffe lösten sofort einen steinharten Blähbauch über eine Stunde aus, der dann in drei- bis viermalige explosive Stuhlabgänge wechselte. Salzzusätze erzeugten Hautspannung, Nieren- und Blasenschmerz beim Wasserlassen, Gesichts-, Hand-, Arm-, Fuß- und Beinödeme, schon das probeweise Auftupfen von Fleischsoße auf die Zunge konnte oben genannte Reaktionen auslösen. Auftreten von Bleistiftstühlen und Afterkrämpfen nach „normalen“ Stuhlgängen, die Schwächezustände nach Eiweißverzehr waren so ausgeprägt, dass sie kein Glas anheben und maximal zwei bis drei Schritte laufen konnte. Sie vegetierte nur noch auf der Couch oder im Bett, Mahlzeiten ab 18 Uhr lösten trotz Hungers sofort Blähungen, Bauchschmerzen mit Verhärtung aus; ein im „Anfall“ geschriebenes EEG war unauffällig.

Die Symptome wurden durch den Neurologen psychosomatisch erklärt. Erst unter Verzicht auf jegliches tierisches Eiweiß ab 1999 verbesserten sich die Symptome, wobei auch tolerable Nahrungsmittel maximal nur zwei bis drei Tage vertragen wurden, ansonsten gleiche Symptomatik. Mit Rotationskost der wenigen verbliebenen Nahrungsmittel kam sie über die Runden.

Gynäkologische Organe

Ab 1996 Menstruationszyklen alle zwei, drei oder vier Wochen bei zweiwöchiger Blutungsdauer, Ausbildung von Uterusmyomen, Libidoverlust und Abneigung gegen Sexualverkehr.

Harnorgane

Nächtlich dreimal Harndrang, Nieren-, Blasenschmerzen nach Salzgenuss oder Trinkmengen von weniger als vier Litern pro Tag, Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen, temporär Harnsperre trotz voller Blase.

Bewegungsapparat

Generalisierte Gelenk- und Muskelschmerzen im Sinne einer Fibromyalgie, die sich durch unverträgliche Gerüche und Nahrungsmittel verstärkten, Muskelschwäche, -schmerzen bis hin zur Atonie nach intolerablen Gerüchen oder Nahrungsmitteln, Muskelfaszikulieren, -fibrillieren, Schmerzen der Kaumuskeln und -gelenke, fast tägliche Nacken-, HWS- und Kopfschmerzen, LWS- und Kreuzbeinschmerzen.

Anlässlich der Konsultation bei uns im Mai 1999 erwähnte sie, dass sie nicht mehr könne und wolle. Ihr Leben war die „Hölle pur“. Am schlimmsten empfand sie die wahnsinnigen Panikängste. Sie erwog ernsthaft ihren Suizid.

1996, als sich nach den LWS-Operationen ihre multiplen Beschwerden entwickelten, äußerte erstmals der Rheumatologe einer Universität die Diagnose „psychosomatische Störung“, d. h., primär sei die Psyche krank und alle anderen Beschwerden wären die Folge.

Natürlich lag bei der Patientin eine chronische Konfliktsituation vor: Einerseits ergaben alle ärztlichen Untersuchungen regelgerechte Befunde, andererseits waren ihre Beschwerden real und erzeugten einen großen Leidensdruck.

Bis 1999 wurden auf Veranlassung der BfA und der Krankenkassen vier universitäre Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem und rheumatologischem Gebiet erstellt: Alle stellten psychosomatische Diagnosen.

Die Patientin hatte Glück: Ihr Hausarzt (Internist und Rheumatologe) kannte sie seit Jahren als vitale, lebenslustige, intelligente Frau und hatte ihre Krankheits-Chronologie verfolgt. Er wehrte sich schriftlich gegen die Psychosomatisierung und leitete weitere diagnostische Maßnahmen ein, um seiner Patientin zu helfen. So stellte sie sich bei uns vor. Unsere Diagnose lautete aufgrund der Anamnese:

Mitochondropathie und cervico-encephales Syndrom infolge traumatischer HWS-Schädigung mit Multisystem-Erkrankung nach intraoperativer HWS-Überstreckung 1996 bei schon vorliegender HWS- Instabilität ab 1988.

Die nachfolgenden Diagnostikmaßnahmen ergaben folgende Resultate:

Otoneurologische Untersuchung (Juni 1999)

Nachweis pathologischer früher und später akustisch evozierter Potenziale und eines pathologischen Zervikalnystagmus.

Funktions-CT der HWS (Juli 1999)

Bewegungsanomalien der oberen HWS-Gelenke mit Hypermobilität im 1. und 2. HWS-Gelenk.

SPECT des Hirns (August 1999)

Nachweis einer geringen Durchblutungsstörung linksseitig.

Funktions-MRT der oberen HWS (Juni 2000)

Überdehnung und Ausdünnung der Flügelbänder (Ligamenta alaria), Überbeweglichkeit des Axis-Zahnes, unter HWS-Rotationen nachweisbare Aufbrauchung des subarachnoidalen Pufferraumes mit Berührung des HWS-Rückenmarkes bei Rechtsrotation und dessen Kompression bei Linksrotation. Es lag folglich eine funktionelle Halsmarkkompression vor, die nur bewegungsabhängig auftrat und in gerader Kopfhaltung nicht nachweisbar war.

Die Krankenkasse lehnte die Kostenerstattung der Funktions-MRT im offenen Verfahren ab, da es ja genügend geschlossene MRT-Geräte gäbe.

Laboranalysen ergaben folgende Resultate:

Ausgeprägte Defizite an:

Vitamine B2 und B6, Nikotinamid, Vitamin C, intrazellulärem Glutathion, Zink (trotz laufender Zinkeinnahme).

Pathologisch erhöhte Werte:

Auto-Antikörper gegen Ganglioside, Phospholipide und Serotonin, Lactat: Wechsel von normalen bis stark erhöhten Werten, Pyruvat: normal bis exzessiv erhöht, 4-Hydroxynonenal (Peroxidationsmarker von ω-6-Polyenfettsäuen), Homocystein, Vasopressin, 8-Hydroxy-Deoxyguanosin bis maximal 48,4 nmol/mmol Creatinin als Hinweis auf starke DNS-Schädigungen im Zellkern.

Die Glutathion-S-Transferase M1 war genetisch nicht angelegt.

Die Mehrfachkontrollen von Lactat und Pyruvat bestätigten eine Störung im Pyruvatstoffwechsel. Innerhalb eines Jahres wusste die Patientin, was die Ursache ihrer Multiorganbeschwerden war und dass es eine Chance für sie gab. Während des Diagnostikzeitraumes wurde eine Korrektur der Vitamin- und Spurenelement-Defizite versucht. Zwei bis drei Tage vertrug sie die Mikronährstoffe, am Folgetag reagierte sie mit massiven Unverträglichkeiten. Eine Normalisierung des Zinkspiegels gelang nicht. Sie schied im Urin zu große Mengen aus.

Wir rieten der Patientin zu einer HWS-Versteifungsoperation, da alle Symptome und Erkrankungen von der pathologischen HWS ausgehen mussten. Ihre Vorstellung in einer Klinik für Neurochirurgie zwecks Operationsdurchführung blieb ergebnislos. Die HWS-Befunde ergäben nur leichte Funktionsstörungen. Die Operation wäre nur bei Kompression des Rückenmarks oder bei Lähmungserscheinungen der Arme indiziert. Die Patientin entschloss sich zu einer privat durchgeführten Operation im August 2000. Es wurden zwei Metallplatten von hinten zwischen Schädelbasis bis drittem Halswirbelsäulenkörper verschraubt. Den postoperativen Verlauf schilderte die Patientin wie folgt:

Unmittelbar nach der Operation traten folgende Symptome nicht mehr auf:

Hungerattacken mit Esszwang (die Nahrungskarenzdauer war jetzt wieder acht Stunden möglich), chronische Müdigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, Muskelschmerzen nach körperlicher Belastung, Ängste, Panikattacken, Weinkrämpfe, Depressionen, rasche Erschöpfung der Konzentrationsfähigkeit, Sprachstörungen, Kopf-, Stirn-, Augenschmerzen, Geruchsüberempfindlichkeit (MCS-Symptome).

Ab dem erstem postoperativen Tag verbesserten sich folgende Symptome:

Gerüche von Reinigungs-, Desinfektionsmitteln und Parfüms der Schwestern empfand sie noch als unangenehm, aber ohne Unverträglichkeitsreaktionen, keine Bauchschmerzen mehr, eine Rotationskost erübrigte sich: Salz, Zucker, Fette und Fleisch wurden wieder vertragen (die ersten Tage und Wochen bestand eine Gier auf Eier und Bockwürste). Nur noch positive Träume, keine Alb-, Angstträume mehr, keine Herzjagen-Attacken nachts oder tagsüber, keine Schweißausbrüche, Schmerzen, Brennen der Harnblase, kein starkes Durstgefühl und wieder normale Trinkmengen pro Tag, keine Wirbelsäulen- oder Gelenkschmerzen, keine Sehstörungen und Augenbefunde, Lesen wieder möglich, keine Temperaturanstiege, Dystonien, Taubheitsgefühle, Missempfindungen oder Schluckstörungen.

Mit Verzögerung besserten sich folgende Symptome:

Tinnitus besserte sich bis zu 50 %, Meteorismus mit bretthartem Bauch klang in den folgenden sechs Monaten ab, seit März 2001 verschwunden. Die Wasserretention und Ödemneigung klang in den folgenden Monaten ab, seit Mai 2001 verschwunden. Die Nahrungsmittel- Unverträglichkeiten klangen innerhalb eines halben Jahres ab. Ein Vierteljahr nach der Operation probierte die Patientin die erste Likörpraline. Sie empfand sie als wohltuend. Der Alkoholgeruch wurde als angenehm empfunden. Die motorische Ungeschicklichkeit der linken Körperhälfte normalisierte sich binnen sechs Monaten. Die Menstruationszyklen und deren Dauer waren ab dem vierten Monat postoperativ wieder normal. Das positive Sexualerleben setzte nach der Operation ab dem achten Monat wieder ein.

An Einschränkungen bestehen noch:

Erhöhte Stressempfindlichkeit bei Hektik, Terminkollisionen, Besuchen, konzentrierten Gesprächen von über zwei Stunden Dauer, Lärm, dissonanter Musik und schnellen Bildfolgen. Sie lösen Nackenschmerzen und Reizbarkeit aus. Vertikale Erschütterungen bei längeren Pkw-Fahrten induzieren Nackenschmerzen. Eine Halskrause lindert diese Beschwerden. Unverträglichkeit von Milch, Quark, Käse äußert sich in „Gedankenrennen”, Reizbarkeit und Kopfschmerzen.

Eine weitere Stabilisierung wurde ab Anfang 2004 erreicht. Wegen der morgendlich verzögerten Anlaufzeit gaben wir weitere Ernährungshinweise („Spätstück“ vor der Nachtruhe essen), und da weiterhin ein Vitamin-B12-Mangel nachzuweisen war, ordinierten wir eine Woche lang oral 1.000 μg Adenosyl-Cobalamin täglich, danach einmal 1.000 μg wöchentlich als Dauertherapie.

Die Patientin erwähnte interessante Empfindungen. Stets hatte sie das Gefühl, dass ihr Hirn alles neu ordnen müsse, als ob es nacheinander Gedächtnisschubladen öffnete, um nachzusehen, was in ihnen enthalten war. Sie träumte Erlebnisse aus der frühesten Kindheit bis zum dritten Lebensjahr. In der ersten postoperativen Woche sah sie plötzlich am Tage ihren Pkw-Unfallhergang, wie sie ohne jede Reaktion auf den Pkw auffuhr. Sie spürte sogar die Brustschmerzen durch den Haltegurt.

Dass nach 12-jähriger HWS-Instabilität eine Gesundheit wie vor dem Unfall erreicht werden konnte, war nicht zu erwarten gewesen. Dysregulationen und irreversible Schäden in diversen Hirnregionen wie Mandelkern (Amygdala), limbischem System und der Vernetzung zwischen linker und rechter Hirnhälfte waren möglich. Aber selbst ein geschädigtes Hirn behält seine Plastizität. Neu aussprießende Dendriten führen zu neuen Vernetzungen der Hirnzellen und stabilisieren die Funktionen. Unnötige Verschaltungen werden aufgelöst.

Hätte bei rechtzeitiger Grunddiagnose der HWS-Instabilität früher eine adäquate, kausale Therapie eingeleitet werden können, wären die Behandlungserfolge mit hoher Wahrscheinlichkeit noch besser gewesen.

Ein Antrag bei der Krankenkasse der Patientin auf eine wenigstens teilweise Erstattung der finanziellen Diagnostik- und Therapiekosten wurde mittels eines MDK-Gutachters mit folgenden Gründen abgelehnt:

Da orthopädischerseits 1997 keine Kompression des Rückenmarkes und keine Wurzelkompression nachweisbar war, wurden die Beschwerden psychosomatisch erklärt. Die stationäre Diagnostik in einer neurologischen Universitätsklinik 1997 ergab keinen Anhalt auf eine neurologische Erkrankung. Die stationäre Rheumadiagnostik 1998 schloss eine rheumatologische Erkrankung sicher aus. Eine psychische Störung wurde für sehr wahrscheinlich gehalten.

Die universitäre Neurochirurgie-Klinik habe eine Stabilisierungsoperation abgelehnt, da die HWS-Instabilität ihrer Meinung nach nicht nachweisbar sei.

Das Auftreten der Schmerzsymptomatik nach den zweimaligen LWS-Operationen sprach gegen eine vorher bestehende neurologische Erkrankung. Die LWS-Operationen seien nicht indiziert gewesen, da keine Kompression des Rückenmarkes oder der Nerven vorgelegen hätten und die Chemonukleolyse bzw. Laserbehandlung keine validierten Methoden seien (Anm. d. Verf.: Sie wurden damals dennoch von der Krankenkasse erstattet).

Die sieben Jahre nach dem HWS-Trauma von 1988 aufgetretenen Rücken-, Beinschmerzen, Mattigkeit, Gewichtsverlust usw. schlössen einen Zusammenhang zur HWS-Instabilität aus.

Die geklagten Symptome stünden nicht im Zusammenhang mit einer HWS-Instabilität. Die Patientin litte an somatoformen Schmerzstörungen, deren Charakteristik darin bestünde, mit wiederholter Darbietung körperlicher Symptome hartnäckig Forderungen nach medizinischen Untersuchungen zu stellen.

Die Diagnosestellung durch den Internisten und Umweltmediziner Doz. Dr. K. (gemeint ist der Verfasser), seine Diagnosefindung und empfohlene Therapie sei mit dem medizinischen Kenntnisstand nicht vereinbar und der Paramedizin zuzuordnen. Nicht mit medizinischen Standards zu vereinbaren seien die „Wertung“ der Symptome der Versicherten, die unkritische Übernahme von Beschwerdeschilderungen ohne klinische Überprüfung und der empfohlene Einsatz von Großgeräten sowie die leichtfertige Diagnosestellung. Durch seine mittels Paramedizin gestellten Diagnosen würde eine fachspezifische Behandlung zunehmend erschwert (Anm. d. Verf.: Gemeint war die psychosomatische Behandlung).

Es bestand keine Indikation für eine Plattenverschraubung im Genickgelenk, da dieser Eingriff erhebliche Funktionsdefizite zur Folge hätte.

Die Funktions-MRT-Untersuchungen im offenen MRT seien nicht validiert.

Der Bandapparat des Kopfgelenkes, einschließlich der Ligamenta alaria, sei sehr straff. Zerreißungen der Flügelbänder würden nur nach „sehr schweren, in der Regel tödlich verlaufenden Unfällen gesehen“ (!). Die nachgewiesene Überdehnung der Flügelbänder sei in anderen MRT-Aufnahmen nicht zu sehen gewesen (Anm. d. Verf.: Dass bewegungsabhängig der Axis-Zahn das Rückenmark komprimierte, blieb unerwähnt. Allein dieser schwerwiegende Befund im offenen MRT hat Krankheitswert. Außerdem kann ein Axis-Zahn nur „tanzen”, wenn seine Haltebänder überdehnt sind).

Die Schädigung im Genickgelenk wurde „zweifelsfrei widerlegt“ durch: Orthopäden, Neurologen und Rheumatologen der Hochschule, Neurochirurgen der klinischen Neurochirurgie.

Die HWS-Versteifungsoperation 2000 habe nicht zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit geführt.

Jede Leserin und jeder Leser möge sich selbst ein Urteil über diese Einschätzungen des MDK bilden. Wir enthalten uns eines Kommentars.

Glücklicherweise führt nicht jede HWS-Schädigung zu solch allumfassenden Krankheitssymptomen, aber die extreme Leidensgeschichte von Frau L. fokussiert wie in einem Brennglas das Schicksal von Millionen HWS-Geschädigter und das Verhalten der facharztgesplitteten Medizin sowie übergeordneter Behörden zu einem ihnen bisher unbekannten Krankheitsbild.

Auf den folgenden Seiten werden wir allgemeine Grundlagen, die konventionellen und unsere funktionsorientierten Diagnostik- und Therapieansätze der HWS-Instabilität darstellen und die Zusammenhänge aus unserer Sicht erklären.

Den meisten unserer Patientinnen und Patienten konnte mit unserer neuen und individuell angepassten HWS-Komplextherapie dauerhaft geholfen werden.

EINLEITUNG

Sucht eine Frau wegen diverser Probleme erstmals zum Beispiel einen Frauenarzt auf, wird dieser nur die zu seinem Fachgebiet gehörenden Fragen stellen. Andere Organbeschwerden fragt er nicht ab, da er hierfür nicht zuständig ist. Nach sieben Minuten spätestens wird er ein Diagnostikprogramm erstellen und therapeutische Maßnahmen hieraus ableiten. Von diesen sieben Minuten kommt seine Patientin nur circa anderthalb Minuten selbst zu Wort. Ähnlich sieht es bei anderen Fachärzten aus1,2,3,4,5.

Ein Internist, zuständig für alle Organe, wird bei Erstvorstellung eine ausführlichere Anamnese erheben. Sie umfasst sowohl den chronologischen Gesundheits-, Beschwerden-, Krankheitsverlauf seit Geburt als auch die systematische Hinterfragung aller Organe, Organsysteme und ihrer Funktion. Bei einer derartigen Vorgehensweise erkennt der Internist, wann welche Störungen eintraten und wodurch sie ausgelöst wurden. Dabei zeigt sich: Eine chronische Erkrankung eines Organsystems geht stets mit Störungen und Erkrankungen anderer Organe einher. Immer handelt es sich um Multisystem-Erkrankungen.

Uns war bei derartiger Anamnesetechnik seit Jahren aufgefallen, dass Frauen mit chronischen Beschwerden im gynäkologischen Bereich eigentlich an Multisystem-Erkrankungen litten und jene Probleme nur Mosaiksteine in einem viel komplexeren Multiorgan-Beschwerdebild waren. In der Regel klagten sie über Beschwerden folgender Organe bzw. Organsysteme:

In der chronologischen Familien- und Lebensanamnese fiel auf, dass diese Frauen eine Kaskade von Traumatisierungen im Kopf-, Hals-, Schulter-, Rumpf- oder Wirbelsäulenbereich erlebt hatten. Nach derartigen Ereignissen entwickelten sie die geklagten Symptome oder diese wurden bereits von Geburt an ausgebildet und die Traumata verstärkten die Erkrankungen deutlich. Im letzten Fall erinnerten die Patientinnen auf Nachfragen oft einige der genannten Symptome bei ihren Müttern. Hinzu kam, dass die Frauen überzufällig häufig Kinder hatten, die Hirnreifungsstörungen, psychosomatische und -soziale Auffälligkeiten und wiederum Multisystem-Erkrankungen aufwiesen.

In der Auswertung der Unterlagen von 826 Frauen fand sich immer wieder die gleiche Vorgeschichte – fast alle hatten in der Anamnese in der Regel zahlreiche Traumata erlebt, die geeignet waren, eine HWS-Instabilität zu verursachen bzw. zu verschlimmern – Sportverletzungen, Autounfälle, Stürze oder Ähnliches häufig schon in der Säuglings- oder Kinderzeit, wie auch HWS-Überstreckungen bei Kaiserschnittentbindungen oder Operationen in Vollnarkose. Die Traumatisierungen wurden stets hinsichtlich der Verletzungen behandelt. Eine gezielte Suche nach Bänder- oder Kapselverletzungen im HWS-Bereich erfolgte nicht. Ausgeschlossen wurden höchstens Frakturen, Bandscheibenläsionen etc.

Wir analysierten daraufhin ebenso die Unterlagen unserer männlichen Patienten und fanden auch dort Traumatisierungen verschiedener Art in der Anamnese.

Die entwickelten Multiorganbeschwerden unserer Patienten treten dabei nicht alle täglich in gleicher Intensität auf. Relativ beschwerdefreie Tage wechseln mit massivsten Einbrüchen. An manchen Tagen überwiegen die Symptome des einen, dann wieder der anderen Organe. Auch die Inkonstanz der Symptomvielfalt ist typisch. Kein Arzt hat je ein solch komplexes Geschehen als Krankheitsbild gelernt, obwohl ihm tagtäglich derartige Patientinnen und Patienten gegenübersitzen. Wir postulieren, dass es sich bei allen diesen Multiorganbeschwerdebildern um die Folgen von HWS-Instabilitäten handelt: „Viele Diagnosen sind eine Diagnose“! Wir werden auf den folgenden Seiten dieses Postulat mit unseren Patientendaten, Analysen und Schlussfolgerungen darstellen und belegen.

In der Zeitung „Ärztliche Praxis“ vom 25.11.2003 erschienen Daten über das Unfallgeschehen 2001 in Deutschland. In diesem Jahr kam es zu 8,83 Millionen gemeldeten Verletzungen, d. h. durchschnittlich jeder neunte Bundesbürger war davon betroffen.

Nicht jede Verletzung ist mit Gewalteinwirkung auf Kopf, Nacken, HWS oder Schultern gleichzusetzen, aber das Karussell dreht sich. In zehn Jahren sind 90 Millionen Deutsche betroffen, d. h. viele erleiden mehrfach Unfälle, wobei die Dunkelziffer nicht erfasster Fälle sicherlich sehr hoch ist.

Eine Patientin erzählte uns, dass sie in zwei Monaten drei Pkw-Crashs hatte, zwei Auffahrunfälle und einmal einen Überschlag. Verletzt hatte sie sich nicht, nein, glücklicherweise sei „nix passiert“.

Im Sport steht Fair Play nur noch auf dem Papier oder dient als Feigenblatt für olympische Eide. Härte und Brutalität haben zugenommen, geht es doch nur noch um Sieg und Sponsorengelder. Bei Mannschaftssportarten wie Rugby, Fußball und American Football, Hand-, Volley-, Basket-, Wasserball und Hockey gehören Fouls und Gewaltattacken zum Handlungsrepertoire.

Besonders die unverhofft auftreffende Gewalteinwirkung bei gedrehtem Kopf oder bei entspannter Muskulatur ist gefährlich, da die reflektorische Gegenreaktion der HWS-Muskulatur das Kopfgewicht von bis zu fünf Kilogramm nicht zeitgerecht abfedern kann. Und genau solche Gewalteinwirkungen treten im „Eifer des Gefechtes“ auf.

Unlängst gab die niederländische Gesundheitsbehörde folgende Daten über Profifußballer-Risiken bekannt8:

Jeder zweite Fußballer erleidet mindestens einmal in seiner Karriere eine schwere Commotio.

Acht von zehn ehemaligen Profis zeigen bei Hirnleistungstests Leistungseinbußen.

Bei tausend oder mehr Kopfbällen ist mit einem chronischen Hirnschaden zu rechnen.

In einer norwegischen Studie waren sogar bei 81% der Ex-Fußballprofis neurophysiologische Beeinträchtigungen nachweisbar9. Außerdem ist bekannt, dass ehemalige Fußballer ein erhöhtes Risiko für Coxarthrosen aufweisen, obwohl sie nie schwerere Hüftgelenkstraumen hatten. Überzufällig häufig tritt auch die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) bei Fußballern auf10.

Ehemalige Sportlerinnen aus Sportarten wie Hand- oder Basketball leiden in späteren Jahren oft an z. T. heftigen Gelenkschmerzen. Es geht nicht allein um abgelaufene Gehirnerschütterungen, sondern auch um die progrediente Schädigung und die Instabilität der HWS bei diesen Sportlerinnen. So meldete der Handballverein TV Großwallstadt an die Berufsgenossenschaft folgende Unfälle über einen Zeitraum von vier Jahren11:

Allein diese Aufzählung zeigt, mit welcher Härte und welchem Einsatz heute im Sport zur Sache gegangen wird. Man rechne sich die Verletzungen einmal auf alle Sportarten in Deutschland oder Österreich hoch. Auch Gewalteinwirkungen auf Thorax, Wirbelsäule, Schultern, Becken setzen sich energetisch auf die HWS fort. Derartige Meldungen sind aber nur die Spitze eines Eisberges. Scheinbar leichte Traumata werden dabei nicht erfasst.

Auch bei ruhigen Sportarten können HWS-Traumata auftreten, z. B. in der Leichtathletik, beim Fallschirmspringen, Radfahren, Eiskunstlauf, Turmspringen oder im Geräteturnen. Meister fallen nicht vom Himmel, jahrelang müssen sie hart trainieren und das unter immer komplizierteren, risikovolleren Anforderungen. Der heutige Leistungssport produziert HWS-Geschädigte mit Langzeitfolgen wie am Fließband.

Im Freizeit-Wintersport lauern ebenso Gefahren. Werden Kopf, Knie- und Sprunggelenkbänder mit Hightech geschützt, die HWS bleibt außen vor. Die geforderte Helmpflicht für Skifahrer und Snowboarder senkt zwar das Risiko für Kopfverletzungen, erhöht aber das für HWS-Verletzungen, wie eine kanadische Studie bei 1.082 Wintersportlern ergab12. Jeder kennt aus seiner Kindheit riskante Crashs mit Schlitten, Schlittschuhen oder Skiern. Die Schlittenbahn musste vereist sein, sonst hätte es keinen richtigen Spaß gemacht. Ein Baum konnte aber wie ein Magnet die Schlittenfahrer anziehen.

Rodeln ist ein risikoträchtiger Wintersport, wie eine schottische Studie vom Winter 2001/2002 belegt: An den ersten 16 Schneetagen kamen 422 Kinder zur Notaufnahme. 17 % davon mussten stationär aufgenommen und 26 % ambulant nachkontrolliert werden. Die Kinder kollidierten mit feststehenden Objekten (Bäume, Steine, Zäune usw.) oder mit anderen Schlitten.

Eine Patientin erzählte, wie sie am Pistenrand mit ihren Freunden plaudernd plötzlich von einem Ski-Raser erfasst und durch die Luft geschleudert wurde. Benommen blieb sie liegen, rappelte sich aber schließlich hoch. Der Verursacher kehrte zwar zurück und fragte „Is woas passiert, Madl?“. „Na“ war ihre Antwort – und schwups war er den Hang runter und weg. Dass was passiert war, merkte sie in den nächsten Stunden, Tagen, Wochen und Jahren. Die Schäden werden sie ihr Leben lang begleiten.

Damit aber noch nicht genug. Wie viele Eltern sind stolz, dass ihre fünfjährigen Sprösslinge auch schon schwarze Pisten befahren. Ein elterlicher Ehrgeiz ähnlich dem in den USA, wo Kinder an Rodeo-Wettkämpfen teilnehmen. Die Kinder werden es mit ihrer Gesundheit teuer bezahlen.

Nach dem Motto „No risk – no fun“ setzen sich die Menschen immer größeren Risiken aus. Noch höher, schneller und waghalsiger – die Rechnung ist katastrophal für die Gesundheit. Im wahrsten Sinne des Wortes: Sie wagen ihren Hals!

Zahlreiche Anamnesen geben auch Hinweise auf HWS-Schädigungen durch Operationen in Vollnarkose. Wir vermuten, dass nach Beginn der Prämedikation die HWS-Überstreckung zur Intubation eine Rolle spielt. Bei einem Drittel der Patienten von Schmerzambulanzen treten die chronischen Schmerzen erstmals nach einer Operation in Vollnarkose auf14. Auf dem Deutschen Anästhesie-Kongress 2001 in Nürnberg führte Prof. Dr. P. M. Lauven vom Klinikum Bielefeld die Resultate einer internationalen Studie an: Eine Woche nach Operationen unter Vollnarkose an 1.200 über 60-jährigen Patienten fanden sich bei 26 % kognitive Einschränkungen, nach drei Monaten waren 10 % geistig noch nicht wieder auf der Höhe15. Die Ursache sei unklar. Geistige Defizite ein Jahr nach der Operation würden angeblich nicht mit der Operation zusammenhängen. Was zu beweisen wäre! Wir ziehen aus unseren Daten andere Schlüsse.

Wir behandelten und behandeln junge Frauen und Männer, die diese mental-kognitiven Defizite lebenslang nach operativen Eingriffen in Vollnarkose entwickelten. Der jüngste Patient war 18 Jahre alt. Er wurde später unter psychosomatischen Diagnosen berentet. Fragt ein Anästhesist präoperativ seine Patienten nach Symptomen einer HWS-Schädigung? Selbst wenn er es täte, die Patienten wissen ja meist nichts von ihrer HWS-Schwäche.

Glücklicherweise leidet die Mehrheit der Patienten postoperativ nur einige Tage und Wochen an Übelkeit, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und Kopfschmerzen. Wir kennen aber auch Frauen und Männer, die nach Operationen viele Jahre nicht mehr auf die Beine kamen. Sie entwickelten ein chronisches Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom (CFS) mit einer Multisystem-Erkrankung und wurden erwerbsunfähig. Nicht die Dauer oder Schwere einer Operation waren entscheidend, sondern dass eine Vollnarkose ablief. Genau konnten die Betroffenen angeben, dass der Gesundheits- und Leistungseinbruch nach einer Mandeloperation, einer Appendektomie oder einer anderen Operation einsetzte: „Danach ging alles los“ – so ihr Kommentar.

Von unseren 1.845 Patientenakten mit HWS-Instabilitäten konnten 1.706 ausgewertet werden. Im Hinblick auf das Auftreten der ersten Symptome der Multiorgan-Erkrankungen wurden unten stehende Angaben gemacht. Sie sind als Hinweis anzusehen, wann das auslösende Ereignis für die HWS-Instabilität stattgefunden haben muss:

Bei älteren Patienten waren schwere körperliche Arbeiten zum Beispiel auf familiär geführten Bauernhöfen in der Kindheit bedeutsam. Im Alter zwischen 16 und 40 Jahren überwogen Unfälle im Sport, Straßenverkehr und Freizeitbereich. Im höheren Alter lagen Stürze, Verkehrsunfälle und Operationen an der Spitze.

Insgesamt gaben 408 (= 22,1%) unserer Patienten an, nach Operationen in Vollnarkosen an Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, körperlich-geistigem Leistungseinbruch, Herzsensationen, Herzrasen, Gelenk- und LWSSchmerzen gelitten zu haben. 67 (= 16%) von ihnen litten seitdem auf Dauer unter chronischem Müdigkeits-, Erschöpfungssyndrom, Schmerzen, Chemikalienempfindlichkeit oder einer progredienten Multisystem-Erkrankung.

Im Alter zwischen 20 und 50 Jahren waren auch brachiale Deblockierungen der HWS mit plötzlich unerwartetem „Einrenken des Kopfes“ an einer massiven Verschlimmerung der Symptome bei 53 (= 8,5%) der Patienten mit im Spiel. Eine leichte HWS-Schädigung mit Nacken- und Schultermyalgien lag schon vor, sie war ja der Anlass zu der Behandlung. Der große Einbruch wurde aber durch die brachiale „Therapie“ ausgelöst. Schwindel, Übelkeit, Schleier- und Verschwommensehen, Gleichgewichtsstörungen und geistig-körperliche Schwäche waren die Folgen.

Dass auch Schlaganfälle durch Dissektionen der Vertebralarterien ausgelöst werden können, ist bekannt17. Eine unserer jungen, österreichischen Patientinnen, die nach Pistenabfahrts- und Pkw-Unfällen eine HWS-Schädigung hatte, erlitt durch solche Manipulationen zwei apoplektische Insulte. Ihr behandelnder Arzt stritt derartige Zusammenhänge stets ab.

Im Leben eines jeden Menschen ereignen sich Unfälle mit Gewalteinwirkungen, die zu Schleuderungen und Verdrehungen des Kopfes führen können und geeignet sind, HWS-Läsionen auszulösen. Die Schäden summieren sich im Leben. Treten keine sichtbaren Verletzungen auf, wird das Unfallereignis vergessen. Ärzte und Betroffene denken nicht daran, dass für spätere Erkrankungen ursächlich jahre- und jahrzehntelang zurückliegende Traumata verantwortlich sein können. Völlig übersehen werden insbesondere weitere Ursachen wie unnatürliche Geburtsverläufe, unsachgemäße HWS-Behandlungen („Einrenken“), schwere Hebe- und Tragearbeiten sowie Bagatellunfälle in allen Lebensbereichen. Auf den folgenden Seiten werden wir darstellen, wie es unserer Ansicht nach zu jahrzehntelang fortscheitenden Multisystem-Erkrankungen kommen kann, deren Ursache leider sogar maternal vererbbar sind.

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HWS-Instabilität –Eine Übersicht zuGrundlagen, Ursachenund Auswirkungen