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Anders Indset

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Beschreibung

Im Jahr 2020 wurden wir alle aus einem fünfzigjährigen Dauerschlaf wachgerüttelt. Bis dahin hatten wir es uns in Selbstverständlichkeiten gemütlich gemacht, die die Krisenherde unserer Welt ausblendeten. Corona zeigt wie in einem Brennglas, welche schwerwiegenden Probleme wir mit unserer Lebensweise hervorgebracht haben: soziale Ungleichheit, Kontrollverlust des Finanzmarkts, Verschwörungstheorien, ökologischer Kollaps, die Krise des Bildungssystems und vieles mehr. Indset plädiert für ein neues Denken, das von Selbstverständlichkeiten Abstand nimmt, unsere Grundhaltungen hinterfragt und Veränderungen nicht nur zulässt, sondern begrüßt. Wir müssen uns öffnen für das Andere, für Paradoxien und Gleichzeitigkeiten – um Wirkkräfte rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln, bevor sie als Katastrophen unsere Gesellschaft erschüttern. Wir müssen uns von ungültigen Erfahrungswerten verabschieden und ein neues Selbstverständnis entwickeln, das unsere vermeintlichen Selbstverständlichkeiten kritisch hinterfragt und Widersprüche aushält. Nur wenn wir der Welt offen gegenüberstehen haben wir noch die Chance, eine humane und hoffnungsvolle Zukunft zu gestalten. »Pflichtlektüre für alle, die die Zukunft nicht nur auf sich zukommen lassen, sondern mitdenken und mitgestalten wollen. Lesenswert, nachdenkenswert und aufrüttelnd.« Sven Afhüppe, Chefredakteur Handelsblatt zu "Quantenwirtschaft"

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Das infizierte Denken

Der Autor

ANDERS INDSET, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer. Er ist Gastdozent an internationalen Universitäten und bringt die Philosophie der Vergangenheit mit der Technologie und Wissenschaft von morgen zusammen. Indset zeigt den Führenden aus Wirtschaft , Politik und Gesellschaft , wie sie das 21. Jahrhundert erfolgreich gestalten können. Thinkers50 hat ihn in die Top 30 der in Zukunft wichtigsten Managementvordenker aufgenommen. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er ist Autor der SPIEGEL-Bestseller Wildes Wissen und Quantenwirtschaft.

Anders Indset

Das infizierte Denken

Ullstein

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Econ ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH ISBN 978-3-8437-2478-4 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021 Autorenfoto: © Jeff Mangione Umschlaggestaltung: Brian Barth Lektorat: Dr. Annalisa Viviani, München E-Book Konvertierung powered by pepyrus.com Alle Rechte vorbehalten

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Inhalt

Titelei

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

 

Vorwort

TEIL IDas fatale Nickerchen

Kapitel 1 Also, sprachen die Medien

Kapitel 2 Eingebildete Gesellschaft

Kapitel 3 König Kapitalismus

Kapitel 4 Polemische Politik: Die Trump-Karte

Kapitel 5 Globalisierung zu Ende? Von wegen!

TEIL IIDas Erwachen

Kapitel 6 Eine Krise erkennt man an der Diagnose

Kapitel 7 Philosophiert euch! Weisheit mit Stäbchen?

Kapitel 8 Wunschlos unglücklich – ich lehre euch den Mit-Menschen

Anhang

Anmerkungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Vorwort

2020 – die Weltgesellschaft erwacht aus ihrem Dauer-Nickerchen. Wir sind wachgerüttelt worden und erkennen die Welt, die wir in unserem Dornröschenschlaf geschaffen haben. Der Aufbau von Bürokratismus und »satten« Nationalstaaten, alte Systeme in neuer Tracht. Export, Globalisierung und Technologie. Eine unendliche Wachstumshypothese in alten endlichen Systemen. In unserer Freiheit haben wir unsere Freiheit verloren. Die Bevölkerung befindet sich in einer Schockstarre, und den Medien zufolge sind wir im Krieg. Was wissen wir über diese Welt, und kann es eine andere Welt geben? Was dürfen wir uns von dem, was wir geschaffen haben, heute noch erhoffen?

Hätte ich früher nur mehr darüber nachgedacht …

Ein Blick zurück. Frühjahr 1970, 20 Millionen Menschen1 beteiligen sich an der Grassroot-Bewegung »Global Earth Day«. In den USA ins Leben gerufen, soll der erste »Tag der Erde« die Wertschätzung für die natürliche Umwelt stärken und auch dazu anregen, das Konsumverhalten zu überdenken. Präsident Richard Nixon und der damalige nationale Sicherheitsberater Henry Kissinger bilden so etwas wie ein dynamisches Duo. Sie streben die Öffnung Chinas an (»There is no place on this small planet for a billion of its potentially most able people to live in angry isolation«). Sie planen ihre Reise nach Moskau zum sowjetischen Staatschef Leonid Iljitsch Breschnew, mit dem sie ein Atomwaffen-Abrüstungsabkommen unterzeichnen werden, das zum Ende des Kalten Kriegs führen soll. Sie kündigen auch den Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem seit 1955 andauernden Vietnamkrieg an. NASA-Visionär Thomas O. Paine plant bis zum Ende des Jahres eine dauerhafte Mondbasis und stellt seine Vision einer Raumstation in der Erdumlaufbahn, die ihren Höhepunkt in einer bemannten Mission zum Planeten Mars in zehn Jahren erreichen soll, Präsident Nixon vor.

Angetrieben von Ludwig Erhards »Wohlstand für alle«, hat Deutschland eine Grundlage in Globalia – der wirtschaftlich verbundenen Weltgemeinschaft – mit dem neuen Qualitätslabel geschaffen: Made in Germany. Der grenzüberschreitende Warenhandel erreicht 1970 endlich den gleichen Stand wie 1910. Jenem Jahr, in dem der weltweite Handel seinen bisherigen Höchststand2 erreicht hatte. Auf allen Ebenen – in den Medien, in der Wirtschaft und in der Politik – wird das Thema Wachstum diskutiert, gelebt und erlebt. Klaus Schwab, ein deutschschweizer Macher mit Leidenschaft für Maschinenbau, veröffentlicht sein erstes Buch über langfristig ausgelegte Unternehmensführung, bei der alle Interessengruppen (Stakeholders)3 berücksichtigt werden. Er arbeitet aber auch an einer gemeinnützigen Stiftung. Ein Treffen von 444 Unternehmenslenkern in Europa im Folgejahr ist die Initialzündung für das, was später als Weltwirtschaftsforum bekannt werden sollte und Davos zum jährlichen Treffen »der Elite« machen wird. Das Jahr 1970 prägen auch Bildungsreformen mit dem Ziel, Chancengleichheit zu fördern und eine restriktiv-autoritäre Pädagogik einzuschränken.4

Das Jahr endet mit Willy Brandts symbolischem Kniefall in Warschau am 7. Dezember vor dem Denkmal der Helden des Ghettos. Ein Zeichen der Menschlichkeit und grenzenlosen Verbundenheit. 1970 stehen die Anzeichen auf Liebe, Frieden und eine Zukunft des globalen Zusammenarbeitens, geprägt von rasanten Fortschritten in Wissenschaft und Technologie.

Im Rückblick bietet sich aber auch das Bild eines an Bedeutung immer mehr einbüßenden Geistes. Die späten Sechzigerjahre symbolisieren einen Spirit, der die Verarbeitung von Ängsten und den Kampf für eine bessere Zukunft nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg ermöglichte. Dieser »weltgeistige Zustand« führte zu echtem Unternehmertum und Kreativität. Er förderte die Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe und Frieden der Hippie-Bewegung mit ihren bunten Persönlichkeiten, wie dem »Hohepriester des LSD«5 Timothy Leary, den Nixon den Medien zufolge einst als »einen der gefährlichsten Männer der USA« bezeichnet haben soll. Leary – von seinen Anhängern als »Galileo des Bewusstseins« gefeiert – musste 1971 nach Genf fliehen (und von dort ins Drogenmekka Afghanistan, wo er festgenommen und an die USA ausgeliefert wurde). Und mit ihm ging (zunächst) die Suche nach einem kosmischen Bewusstsein beziehungsweise die Hoffnung auf eine Substanz-beflügelte Befreiung des Menschen ein Stück weit verloren. Die Menschen sollten sich eine »andere Welt« vorstellen können, die nicht mehr von Leid und Krieg erschüttert werden sollte. Fast ikonisch dargestellt wird dieser »Weltgeist« in den vielen Gedichten von Yoko Ono, die schließlich 1971 John Lennon zum wegdriftenden Traumzustand führten – eine Welt in Frieden, ohne Grenzen, ohne Religion und Nationalität, IMAGINE … Der Glaube an die Möglichkeit, dass die Menschheit zusammenkommt, vereint durch die Liebe und losgelöst von Materialismus.

1970 war der Höhepunkt von dem, was wir heute als Friedens-, Liebes- und Poprevolution bezeichnen. Rocklegende Jimi Hendrix beginnt seine letzte große Tournee, The Cry of Love Tour (Das Weinen der Liebe). Er wird im gleichen Jahr im Alter von nur 27 Jahren sterben. Damit stirbt auch der Geist von Woodstock und Isle of Wight. Die Entscheidung, ob der frühe Tod von Jimi Hendrix, der die Menschheit in den Schlaf küssende Prinz John (Lennon) oder Learys Flucht aus dem Gefängnis6 als Symbol für das Ende vom Kampf für eine bessere Zukunft stehen, sei dahingestellt.

Die Zeit um 1970 markiert den Beginn des unbemerkten, narkotisierten Wegdämmerns, dessen Auswirkungen wir in den letzten fünfzig Jahren erfahren. Einerseits erleben wir eine noch nie da gewesene Stabilität, andererseits ist das gestalterische »Chaos« verloren gegangen – die Offenheit für etwas Neues, womöglich genau das, was jetzt benötigt wird, um die Stabilität fortsetzen zu können. Heute sind es nicht die Tränen der Liebe und der Schmerz, die uns prägen, sondern vielmehr ein dauerhafter Traumzustand, ein unbewusstes Dösen, ein fatales Nickerchen, aus dem wir nun langsam erwachen.

Das Leben und ich

Mein Wecker klingelt pünktlich für meine tägliche 06:00-Uhr-Routine: Spaziergang mit unserer zweijährigen Weimaraner Hündin Elli, gefolgt von sechzig Minuten »MeTime«. Tiefe Kniebeugen für das Hirn. Den Geist driften lassen. Das menschliche Potenzial steckt in der Wahrnehmung der Normalität und des Nichtstuns. Ein kurzes Time-out, eine Art Entkopplung. Wir sind merkwürdige Wesen, die eine fantastische Fähigkeit besitzen, nämlich die der Reflexion unseres Denkens. Wir setzen uns in unseren Gedanken mit dem Gedachten auseinander und können dazu Stellung beziehen. Diese Fähigkeit ist nichts Selbstverständliches.

Es ist Frühlingsanfang. Der Himmel über der Skyline von Frankfurt ist glasklar und die Luft so frisch, dass ich die Normalität an diesem Morgen ganz besonders wahrnehme. Während die aufgehende Sonne aus dem osthessischen Main-Kinzig-Kreis die Wolkenkratzer, Bankentürme und ihre Aufpasserin, die Europäische Zentralbank (EZB), zum Glänzen bringt, denke ich an meine norwegische Heimat Røros, wo man auf der Hütte in den Bergen förmlich diese Ruhe, die mich in diesem einen Moment umgibt, regelrecht hören kann. Dieser Morgen hat etwas Idyllisches. Es fühlt sich friedlich an.

Das 50. Weltwirtschaftsforum in Davos liegt hinter mir, in wenigen Wochen folgt das 50. Jubiläum des Global Earth Day. Die Eco-Hysterie wanderte in den Schweizer Bergen, jetzt soll eine Eco-Utopie folgen. Ideologie und Emotionen sollen in Taten umgesetzt werden, gesucht werden Handlungshelden. Die erlebte Klarheit an diesem Tag liegt aber nicht an den umgesetzten Projekten, sondern an einem anderen Ereignis. Wir spüren den Stich der Spindel der bösen Hexe Corona. Fünfzig Jahre – und das berühmte La Belle au Bois Dormant steht auf dem Kopf. Wie eine sich öffnende Wolkendecke, die uns lange zugedeckt hat und uns nun den klaren Blick in den Himmel ermöglicht, sehen wir jetzt alles viel klarer und deutlicher. Ein Raum der Möglichkeiten, um uns aus unseren Illusionen von unbegrenzter Technologisierung und stetig wachsendem Wohlstand herauszuholen, öffnet sich. Das Piksen tut weh, ist aber nicht das Problem. Nicht das Virus ist die Herausforderung, sondern die Erkenntnis, dass unser Denken infiziert ist.

Eine kurzzeitige Entkopplung vom Getriebensein und Reaktionismus, von Ängsten, Informationen, Gedanken. Eine kurze Pause für unser Gehirn. Also mit einem neuen Ansatz beginnen, bevor wir uns wieder »connecten«? Ein weißes Blatt Papier, wenn man so will. Raum und Zeit für eine kritische Betrachtung unserer Gegenwart – mit zwei wesentlichen Themen im Blick: Selbstverständlichkeit und Weltverständlichkeit.

»The greatest honor history can bestow is the title of peacemaker«,7 sagte Nixon in seiner Amtsantrittsrede. Nixon gilt vielen heute als ein »Do nothing«-Präsident, der vor allem wegen seiner Skandale und der Watergate-Affäre, dem Missbrauch von Regierungsvollmachten, in Erinnerung geblieben ist. Seinen historisch gewordenen Satz findet man heute auf seinem Grabstein in The Richard Nixon Library & Museum in Yorba Linda, Kalifornien, eingraviert. Er erinnert uns heute daran, dass es noch nie so friedlich war wie jetzt auf unserem Planeten. Noch nie starben so wenige Menschen in Kriegen,8 noch nie lebten wir so frei. Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem hat uns zu einem nie da gewesenen Wohlstand verholfen.9 Der Weltwirtschaft standen zwar nach 1970 Jahre der Inflation und eine Ölkrise bevor, und man wird sich bis zum heutigen Tag mit den »Grenzen des Wachstums«10 auseinandersetzen. Solche Ereignisse wie auch die Finanzkrise 2007/2008 werden aber in der Zeitspanne des fatalen Nickerchens eher als »unbedeutende« Schlafstörung, als nächtliche Pinkelpause angesehen. Das Wohlstands- und Wachstumsschläfchen ging jedoch rasant weiter. Die stetige Entwicklung, David Hasselhoffs Besuch in Berlin und der Fall der Mauer 1989 – der liberale Traum von Freiheit ist wahr geworden. Ist es aber wirklich so?

Das Aufpoppen eines Artikels der New York Times lenkt mich von meinen Gedanken ab, als ich mit meinem Smartphone die Traumkulisse des Sonnenaufgangs am Main mit Hündin Elli verewigen möchte. Der Algorithmus hat mir was zu erzählen: »How Do You Explain Henry Kissinger«11 lautet die Headline. Der renommierte Journalist Barry Gewen schreibt über den inzwischen 96-jährigen Fürther: »Er ist ein Philosoph der internationalen Beziehungen, der uns viel über die Funktionsweise der modernen Welt beibringen kann.«

Ja, die moderne Welt. Nach fünfzig Jahren Dauernickerchen wachen wir wirklich in einer modernen Welt auf. Auch wenn der Zeithorizont für bemanntes Reisen zum Mars der gleiche ist, es ist eine Erwachsenengesellschaft mit kindlicher Naivität, in der Komplexität uns verwirrt, Gefühle uns täuschen, und die Technologie unseren Alltag durch Empfehlungsalgorithmen zunehmend kontrolliert. Erstmalig seit Menschengedenken haben wir Technologien geschaffen, die wir nicht zähmen können.

… Es folgt die nächste Headline des Tages, die mich zum Klicken verleitet. Seit sechs Jahren schwirren Videos von Piloten der US-Navy durch das Netz, die merkwürdige Flugobjekte zeigen. »Unbekannte Luft-Phänomene« – eine Umschreibung von dem, was man gemeinhin als UFOs bezeichnen würde. Ich erinnere mich daran, dass ich vor Monaten ein Interview mit dem US-amerikanischen Podcaster Joe Rogan und einem der Piloten gesehen habe, und nun lese ich, dass das Pentagon die Aufnahme als »bestätigt« und »verifiziert« veröffentlicht hat und die Bevölkerung um Hinweise zur Identifikation bittet.

Der gewählte Tag für diese Veröffentlichung scheint merkwürdig, und womöglich ist es ein Versuch Trumps, von seiner Empfehlung abzulenken, Reinigungsmittel zur Bekämpfung von Covid-19 zu injizieren – was er zwei Tage zuvor zur besten Sendezeit der Nation empfahl. Alles »sarkastisch«, meinte Trump am nächsten Tag und betrieb Schadensbegrenzung. Ein paar UFO-Aufnahmen lenken dann sicherlich ab. Die Auftritte und die Virus-Headlines um den mächtigsten Mann der Welt konnte man ohnehin am besten als »satirische Satire« beschreiben. Keiner konnte Donald Trump besser karikieren als Donald Trump selbst.

Ein Virus ist aber, wie bereits erwähnt, nicht unser eigentliches Problem, sondern unser Denken ist infiziert. Eine Headline mit außerirdischen Luftakrobaten wäre im Februar 2020 noch globaler Sprengstoff gewesen, heute aber interessiert es kaum einen. Nur Wochen zuvor wäre so etwas für die sich im Dösen und Feiermodus befindende Dekadenz-Gesellschaft12 eines der aufregendsten Ereignisse der vergangenen Jahre gewesen. Auch wenn deutsche Medien darüber berichten, zwischen viralwilligen Virologen und besessenen Besserwissern, will es niemand wirklich wahrnehmen. Keine Chance. Nicht einmal mögliches außerirdisches Leben kann uns von dieser Pandemie ablenken. Die Menschheit hat es geschafft. Das Licht ist erloschen und wir begrüßen den philosophischen Zombie – von außen nicht vom Menschen zu unterscheiden, jedoch ohne ein phänomenales Bewusstsein (Qualia).13

Meine Gedanken haben wieder freien Lauf, genau wie Elli. »Wo ist sie überhaupt?« Ich schaue mich um und mache mich auf die Suche. Es dauert nicht lange, bis ich sie wiedergefunden habe: Elli hat ihren eigenen Lockdown. Auf dem leeren Fahrradweg parallel zum Main steht sie im »Staredown« mit einem unschuldigen Hasen. »Alles gut, Elli«, sage ich, und sie entspannt sich. Koexistenz und gegenseitiger Respekt – ein Vorbild aus der Tierwelt für den Homo sapiens.

Zurück zu Hause, setzt sich meine Morgenstunde, die heute tatsächlich den Medien gewidmet ist, fort. Die nächste Headline kommt vom Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der sich in einem Interview mit einem fundierten Denkanstoß meldet. Er plädiert für holistisches Denken: »Die Menschenwürde ist unantastbar«, das schließe aber nicht aus, »dass wir sterben müssen«,14 so der erfahrene Staatsmann. Auch der inzwischen 90-jährige Philosoph Jürgen Habermas meldet sich an diesem Tag zurück und bringt es mit einem Satz auf den Punkt: »So viel Wissen über unser Nichtwissen gab es noch nie.«15

Können wir so etwas wie einen Impfstoff gegen das (Aus-)Sterben des denkenden Menschen entwickeln? Kissinger, Habermas und Schäuble zeigen uns, dass ein besinnlicher Tiefgang mit Reflexion auch im angebrochenen neuen Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts möglich ist. Es kann uns gelingen, ein höheres Verständnis für komplexere Sachverhalte zu wecken – der selbst denkende Mensch mit »gesundem Verstand«. Wir brauchen jetzt aber auch die jungen Wilden – die Generation der Erwachten und des Friedens – für die Gestaltung rebellischer Aufstände gegen Autoritäten, die Schöpfung von partizipierenden Kulturen sowie die Umsetzung unserer aller Zukunft. Es ist eine neue Erzählung, und gerade die brauchen wir. Eine positive Leitidee für die Menschheit. Etwas in der Art wie der Nordstern, der uns Halt und Zukunft gibt. Wäre nicht so etwas wie Aufstand der Intellektualität ein möglicher Weg?

»Papa, wollen wir Lotti-Karotti spielen?« Es bleibt mir keine Zeit mehr, diesen Gedankengang fortzusetzen. Der ganz normale Dienstag hat mich wieder, die Generation Frieden ist wach, und der Tag kann beginnen …

Eine Welt ohne Maske

Das infizierte Denken ist eine Kurzanleitung für alle und niemanden – die neue Generation der Denkenden – und für den Tag danach. An jenem Tag, an dem wir mit gedanklichen Sprüngen und Widersprüchlichkeiten klarkommen. An jenem Tag, an dem wir aus der Geschichte lernen und sie zugleich hinterfragen. An jenem Tag, an dem wir verstehen, dass das fatale Nickerchen nicht etwas Absolutes, sondern Anhaltspunkt für etwas Neues, etwas anderes ist. An jenem Tag, an dem wir aufhören, nur unsere persönlichen Erfahrungen zum Maßstab zu machen. An jenem Tag, an dem wir aufhören zu hören, was wir hören wollen, und endlich zuhören. An jenem Tag, an dem wir eine Kategorisierung und Zuordnung wiederfinden, die Halt und Substanz für etwas gibt. Die in einem Kontext zu etwas steht, zu hinterfragen ist und uns die (bewusste) Weiterentwicklung ermöglicht. An jenem Tag, an dem wir nicht nur klarkommen mit der Normalität, sondern sie sogar schätzen lernen und mit ihr zu Alchemisten werden. An jenem Tag, an dem wir aufwachen werden aus der immer reaktiver und müder werdenden bewusstlosen Welt – am Tag der Bewusstmachung. An jenem Tag, an dem wir Ambiguität akzeptieren genauso wie das Unbekannte. An jenem Tag, an dem wir uns von unseren Selbstverständlichkeiten befreien und uns mit Weltverständlichkeit auseinandersetzen, um zur neuen Selbstverständlichkeit zu gelangen. An jenem Tag, an dem wir uns mit dem »Menschsein« im Privaten und im Kollektiven beschäftigen.

Wir brauchen eine holistische Auseinandersetzung mit der Welt, wie wir sie sehen, und ein Verständnis für deren Interdependenz – alles hängt mit allem zusammen, mit einer einhergehenden Entkoppelung. Es ist das Leben in und das Streben nach dynamischem Äquilibrium.

Während des andauernden Nickerchens haben wir die Wirkkräfte des Wandels und die Veränderungen unterschätzt. Gefangen in unseren Selbstverständlichkeiten, die sich zu Absolutheiten entwickelt haben, haben wir tiefe Gespräche zwischen unterschiedlichen Menschen und Disziplinen nicht zugelassen. Wir sind gefesselt in unserer Freiheit und gefangen in der Gegenwart. Die Zukunftslosigkeit dient der Gefälligkeit in einer vollökonomisierten Welt, die uns ermüdet. Wir optimieren und amüsieren uns, verpassen dabei das Reflektieren. Sprache, Kultur und Konsum – alles gleicht sich an, dennoch fühlen wir uns gespaltener und unzufriedener als je zuvor. Die Absolutheiten, mit denen wir kämpfen, dienen nicht dem Allgemeinwohl. Dabei können wir nur bestehen und organisiertes menschliches Leben auf diesem Planeten verlängern, wenn wir nach dynamischem Äquilibrium streben – einem Weg nach vorn. Und darum soll es jetzt gehen – die Reflexionen über Handlungen und das Gedachte als Problemdarstellung für das Denken an sich. Eine Welt ohne Maske, in der wir einander sehen können, eine Welt, in der wir leben und erleben können. Eine Welt, in der wir nicht nur reden, sondern auch was aussagen. Wir werden mit einem gordischen Knoten unterschiedlicher Paradoxien konfrontiert. Ein Clusterfuck an miteinander verbundenen Themen, die wir mit endlichem und absolutem Denken zu verarbeiten versuchen.

Wir stehen am Scheideweg, an dem wir Menschen es selbst in der Hand haben, wie es weitergehen soll: Bewegen wir uns in Richtung totalitärer Regime, Stagflation, nationalistischer Isolation und Kampf um den gleichen Kuchen, geprägt von Misstrauen und womöglich der nächsten großen Eskalation? Oder gelingt uns ein solidarischer Wandel auf der Grundlage eines technologiegetriebenen humanistischen Kapitalismus und eines vernunftbasierten Miteinanders mit der gleichzeitigen Entwicklung einer neuen Definition von Wohlstand und Wachstum samt der damit verbundenen neuen Wachstumstreiber?

Ich wünsche mir eine Welt, in der wir die Generation der Getriebenen mit der Generation der Mitgezogenen zusammenführen. Aus einer fatalen Informationsgesellschaft über eine Wissensgesellschaft zu einer Welt, in der unser höchstes Ziel der Verstand ist – eine Gesellschaft des Verstandes –, die eines Tages die algorithmische »Wissensgesellschaft« ablöst und uns ermöglicht, zur Vernunft zu kommen. Ein utopischer Traum? Ja, sicherlich. Wäre es aber nicht interessant, es zu versuchen? Wäre das nicht etwas, das wir als Sinn des Lebens definieren könnten? Ein ernsthafter Versuch, die Welt und unsere Gesellschaft ein wenig besser zu verstehen und ein wenig besser zu machen. So etwas wie eine Sinngebung auf unserer wunderschönen Reise nach nirgendwo.

Das Buch Das infizierte Denken ist unsere Zeit in Reflexionen gefasst. Ein Beitrag zur Weltverständlichkeit, damit wir uns in Richtung neuer Selbstverständlichkeiten bewegen können. Es ist eine kritische Beobachtung im Rahmen unserer gegenwärtigen Selbstverständlichkeiten als Versuch, den Rahmen zu sprengen. Es stellt somit einen ersten Schritt auf diesem Weg dar. Ein Anfang für uns alle. Ein Weg hin zu einer Welt des dynamischen Äquilibriums, der uns nur offensteht, wenn Menschen (wieder) zu denkenden und gestaltenden Wesen werden.

Lass uns losdenken!

TEIL IDas fatale Nickerchen

Kapitel 1 Also, sprachen die Medien

Rudolf Augstein, Gerd Bucerius und Henri Nannen – Mogule von Besatzers Gnaden. Und wie die Helden in Hollywoodwestern, die zu ihrer Zeit über die Bildschirme flimmerten, verkörperten sie das Ideal von Freiheit. Freiheit der Meinung verbunden mit informationeller Selbstbestimmung. Die vierte Gewalt. Wo finden wir diese vierte Gewalt heute? Wo ist unser Lagerfeuer und wo sind unsere Meinungsmacher? Versteckt hinter »Fassaden in der Mache« als Influencer oder Getriebene von einer technologischen Elite, um neue Medienplattformen zu schaffen. Medien lieben die Erfolgreichen, Erfolgreiche lieben die Medien. Clubhouse, Podcast, IGTV … Frei nach Neil Postman sind wir nicht nur dabei, uns zu Tode zu amüsieren, sondern viel schlimmer noch: Die vollumfängliche Betäubung und anästhetische Bespielung, unsere tägliche Feel-good-»DOSE« an Dopamin, Oxytocin, Serotonin und Endorphinen erhöht unseren Glückspegel, der uns in eine unbewusst konsumierende Gesellschaft der Gefälligkeit versetzt. Glück ersetzt Reflexion und untergräbt damit die ursprüngliche Rolle der Medien und des gesamten Journalismus.

Unser Fernsehapparat sichert uns eine ständige Verbindung zur Welt, er tut dies allerdings mit einem durch nichts zu erschütternden Lächeln auf dem Gesicht. Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.

16

Für Postman war eine mit einem Fernsehapparat harmlos verbundene Welt bereits das Problem. 35 Jahre später befinden wir uns exakt in jener paradoxalen Situation. Wir können nicht mit dem Bildschirm, aber auch nicht ohne ihn leben.

Für demokratische Gesellschaften sind Medien unerlässlich. Doch dieses Ideal stirbt. Es erliegt der technologischen Demokratisierung des Medienmarktes, deren Ausprägung eine Ökonomisierung ist. Disruptiert durch digitale Technologien, verliert die eng begrenzte Wohnzimmermedienwelt ihre Exklusivität und Alleinstellung. Egal ob Filme, Musik oder Nachrichten, alles lässt sich überall konsumieren und produzieren – media on the go. Wir sind mit einer Paradoxie konfrontiert, die aus der befreienden Kraft des Digitalen resultiert. Durch das Technologische waren die Hürden noch nie so niedrig, sich mit unterschiedlichen Positionen, Perspektiven und Meinungen auseinanderzusetzen. Die zunehmende gesellschaftliche Differenzierung, die bis in die »Singularisierung«17 führt und eine bisher nie da gewesene Komplexitätssteigerung der Gesellschaft hervorbringt, führt zu einer Kakofonie, in welcher der gesellschaftliche Dialog dem Sendungs(un)bewusstsein jedes Einzelnen weicht. Eine fatale Informationsgesellschaft erstickt das sinnstiftende Lagerfeuer.

Das Massenmedium Radio, wo einer sein Diktat reinbrüllt und viele hören zu, hat ausgedient. Wir hören nicht mehr zu, wir wollen partizipieren. Niemand möchte Empfänger sein, alle möchten gestalten. Partizipierende Kulturen und Co-Kreation sind die neuen Media Buzzwords. Jeder kann was werden, so die Botschaft. Wir haben eine Medienwelt für alle und keinen kreiert. Medien für die Massen – Massenmedien –, die heute für uns sind, individuell und gleichzeitig kollektiv. Vereinsamend und gleichzeitig verbindend. Dein Du-Kanal – YouTube: Du entscheidest, was du wann, wo und wie konsumieren möchtest, du kreierst die Inhalte, du hast die komplette »Freiheit«. Zumindest fühlt es sich so an. Wir sind Prosumenten – Konsumenten und Produzenten – in einem. Wir sind Gestalter der Inhalte unserer eigenen Suche. Es ist gleichzeitig ein Fenster der Opportunität für jedermann, dabei gehen bei den meisten schnell die Scheiben zu. Nach den Massenmedien wird die Masse ein Medium. Das Erscheinen und der Hype von Clubhouse ist der krampfhafte Versuch, ein soziales Radio zu etablieren, um das Problem der Kommunikation durch einen respektvollen Dialog und die offene Auseinandersetzung mit Gott(schalk) und der Welt aufzuheben. Am Ende kann dies jedoch auch nur ein Zwischenschritt zum ersehnten Traum von »alle können auf der Bühne partizipieren« sein. Denn es greifen hier wieder die altbewährten Mechanismen – ja, man könnte fast von Grundsätzen sprechen: Wenn alle auf der Bühne stehen und reden, hört niemand mehr zu.

Wenn ich mich beim stundenlangen Treiben durch die »wichtigen Weiterleitungen« im rechten Bildschirmbereich ertappe, kommt der Zwiespalt: Bin ich amüsiert und gebildet oder frustriert und abgestumpft? Früher hieß es: »Das könnte Sie interessieren …« oder »Wir empfehlen auch …« – Empfehlungen eben für die weitere Suche, Impulsgeber für neue Ideen. Heute aber heißt es nur: »Nächster Titel«. Die »freie« Auswahl besteht aber (noch) darin, dass wir im Sichtfeld der Möglichkeiten zumindest zwischen fünf bis acht Titeln »wählen« können. Unser Wille zum Weiterschauen, frei in der Theorie, »gezwungen« in der Realität. Mit unserem Fernsehen und Nahsehen hat sich somit etwas fundamental verändert. Mit zeitlichen und linearen Möglichkeiten war die Frage, ob wir schauen sollen, heute heißt es was.

Wir sind Gefangene unserer eigenen Freiheit. In einer Flut von scheinbar essenziellen Informationen, die uns »kostenfrei« zur Verfügung stehen. Wann immer und wo immer wir wollen. Ein weiteres Fenster öffnen, und noch eins, wir dürfen nichts verpassen, also später anschauen. Speichern (für später) kann ich auch, ein Lesezeichen setzen, eine neue Liste erstellen oder mir selbst eine Nachricht für später schicken. Oder gehörst du zur Post-it- und Papier-Generation? Dann machen wir eine Notiz, die wir irgendwann noch sehen werden. Nichts darf untergehen. Alles ist heute wichtig. Sogar die traditionellen Medienhäuser haben den »Zugang« für sich entdeckt. Zugang zu was? … Connected eben. Über fremde Kanäle, als Videoformat versteht sich. Glücklicherweise wurde das »fast forward«, der schnelle Vorlauf, als »Feature« implementiert, und es gibt noch die Option, mehrere Bildschirme zu verwenden. Unterhaltung und Konsumscreens laufen durch. »Schauen Sie noch?« Wie bitte?! – Ja, natürlich schaue ich noch … ein Klick genügt. Handy und Leinwand, Computer und Tablet. Wache Zeit heißt konsumieren und optimieren. Mein Unterhaltungskanal läuft durch, wo ich etwas lernen möchte und etwas Wichtiges habe, kann ich immer pausieren. Vergessen wir Sprüche über Multitasking und Fokus, wir brauchen heute Tempo. Hast du die neue Folge von Grey’s Anatomy gesehen? Natürlich habe ich das – auf Deutsch und Englisch! Wie, du hast nicht das Tor von Haaland am Wochenende gesehen? Das musst du dir unbedingt reinziehen, Mann!

Also, sprachen die Medien. Stunden nach der ersten und einzigen Eingabe im Suchfeld nach dem durchgerutschten »Nächsten Titel« aus dem rechten Bereich ist Schluss. Der Wechsel von »Das könnte dich interessieren« zu »Nächster Titel« macht viel mehr Sinn, weil es mich inzwischen interessiert. Ich sehe sie nicht, aber wenn ich in mich hineinhorche, dann spüre ich sie – oh, diese Algorithmen. Die Empfehlungsalgorithmen wissen längst, was mich interessiert. Die Suchfelder werden obsolet. Wann, wo und was – das sagen mir die ausgeklügelten Algorithmen. Mehr vom Gleichen, ein Trieb in Richtung Ähnlichkeit, und dann doch so vielfältig und individuell zugeschnitten. Optimiert auf dem Sprung zum nächsten Themenbereich verlassen wir mit einem einfachen Klick die dritte Interpretation unseres Lieblingslieds, das vierte Video zu unserem Thema, den fünften Clip über die Highlights der schönsten Tore und verrücktesten Momente unseres leidenschaftlichen Hobbys.

In der Sache wiesen medienkritische Analysen der Vergangenheit auf Themenbereiche hin, die wir nicht einmal heute ausreichend bewerten können. Fluch oder Segen? Heilsbringer einer neuen Aufklärung oder Suchterzeuger und Teufelszeug? In vielen Büchern finden wir Verweise auf die Gesellschaftskritik und Technologiewarnungen des Klassikers 1984 von George Orwell.18 Auch ich selbst habe diesen kontrollierten Informations- und Überwachungsstaat als fast prophetischen Ausblick bezeichnet. Wie wir jetzt aber erkennen, stellt das bereits erwähnte Buch von Neil Postman Wir amüsieren uns zu Tode einen viel relevanteren Bezug zu unserer Wirklichkeit her. Im Jahr 1985 erstmals erschienen, bringt es Andrew Postman, der Sohn des Autors, zwanzig Jahre später und nach dem Tod seines Vaters neu heraus. Verbunden mit einem Rückblick, der 2020 – also 35 Jahre nach der Erstveröffentlichung – womöglich sogar noch treffender ist: