Das Kamasutra - Mit 35 Illustrationen - Vatsyayana Mallanaga - E-Book

Das Kamasutra - Mit 35 Illustrationen E-Book

Mallanaga Vatsyayana

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Beschreibung

Vatsyayana Mallanaga: Das Kamasutra | Die vollständige indische Liebeslehre. Mit 35 Illustrationen | Neu editiert, mit aktualisierter Rechtschreibung und einem aktuellen Vorwort (2020) | Das meist missverstandene Buch aller Zeiten ist vermutlich das Kamasutra. Die indische Liebeslehre, geschrieben vor rund 1700 Jahren, wurde und wird nur allzu gern als bloße Sammlung von Sexstellungen missdeutet. Dabei ist dieser Klassiker der Liebesliteratur wesentlich mehr: Ein Einblick in die hinduistische Philosophie, ein Ratgeber zur Gestaltung von Partnerschaft, ein Wegweiser auf der Suche nach dem Glück. In Zeiten platter Pornographie ist das altehrwürdige Lehrbuch ein wirksames Gegengift gegen sinnlose Sexualisierung. | Sie werden in dem Buch viel mehr als nur neue Sexstellungen entdecken: Es behandelt die ganze Palette des menschlichen Liebeszyklus: Lust, Liebe, Schüchternheit, Werbung, Ablehnung, Verführung, Manipulation, Partnerwahl, Ehe, Ehebruch, Dreiecksbeziehungen, käufliche Liebe, und sogar den Gebrauch von Drogen beim Sex. | FSK-Warnung. Dieses Buch enthält historische, gleichwohl explizite Darstellungen des Sexualaktes, die unter Umständen von manchen Lesern als anstößig empfunden werden könnten.

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— INHALT —

Innentitel

Vorwort des Herausgebers

ERSTER TEIL, philosophische Grundlagen

§ 1 – Vorbemerkung des Vatsyayana Mallanaga

§ 2 – Die Erreichung der drei Lebensziele

§ 3 – Die Darlegung des Wissens

§ 4 – Das Leben der Elegants

§ 5 – Erörterung über die Freunde und die Befugnisse der Boten des Liebhabers

ZWEITER TEIL – Über den Liebesgenuss

§ 6 – Darstellung des Liebesgenusses nach Maß, Zeit und Temperament

§ 7 – Die Arten der Liebe

§ 8 – Die Untersuchung über die Umarmungen

§ 9 – Die Mannigfaltigkeit der Küsse

§ 10 – Die Arten der Nägelwunden

§ 11 – Die Regeln für das Beißen mit den Zähnen

§ 12 – Die Gebräuche in den einzelnen Ländern

DRITTER TEIL

§ 13 – Stellungen beim Verkehr

§ 14 – Besondere Vereinigungen

VIERTER TEIL – Besonderheiten

§ 15 und § 16 – Die Anwendung von Schlägen und die Ausführung des dabei gebräuchlichen sīt-Machens

§ 17 und § 18 – Vertauschter Verkehr (Rollentausch) & Gewohnheiten des Mannes beim Verkehr

§ 19 – Über den Mundverkehr

§ 20 – Anfang und Ende des Liebesgenusses

§ 21 – Die verschiedenen Arten der geschlechtlichen Liebe

§ 22 – Liebesstreit

FÜNFTER TEIL – Die Stellungen im Bild

1. A Tergo (Von Hinten)

2. Frau und Mann zugewandt, sitzend oder liegend

3. Frau angehoben oder oben sitzend

4. Stehend

5. Fellatio

6. Gruppe

SECHSTER TEIL – Über den Verkehr mit Mädchen

§ 23 – Die Regeln für das Freien

§ 24 – Die Prüfung der Verbindungen

§ 25 – Das Gewinnen des Vertrauens des Mädchens

§ 26 – Das Herangehen an ein Mädchen

§ 27 – Erklärung der Gebärden und des Äußeren

§ 28 – Die Bemühungen eines einzelnen Mannes

§ 29 – Das Aufsuchen des zu gewinnenden Mannes

§ 30 – Erlangung des Mädchens infolge der Annäherung

§ 31 – Die Hochzeitsfeier

Begleitworte

Vorwort des indischen Herausgebers

Vorwort des Übersetzers der dritten Auflage

Vorwort zur fünften Auflage

Vorwort zur sechsten Auflage

Impressum

Fußnoten

Vorwort des Herausgebers

Das meist missverstandene Buch aller Zeiten ist vermutlich das Kamasutra. Die indische Liebeslehre, geschrieben vor rund 1700 Jahren, wurde und wird nur allzu gern als bloße Sammlung von Sexstellungen missdeutet. Dabei ist dieser Klassiker der Liebesliteratur wesentlich mehr: Ein Einblick in die hinduistische Philosophie, ein Ratgeber zur Gestaltung von Partnerschaft, ein Wegweiser auf der Suche nach dem Glück. In Zeiten platter Pornographie auf allen Kanälen ist das altehrwürdige Lehrbuch aktueller denn je und ein wirksames Gegengift gegen sinnlose Sexualisierung.

Sie werden in dem Buch viel mehr als nur neue Sexstellungen entdecken. Denn das Kamasutra behandelt die ganze Palette des menschlichen Liebeszirkus: Lust, Liebe, Schüchternheit, Werbung, Ablehnung, Verführung, Manipulation, Partnerwahl, Ehe, Ehebruch, Dreiecksbeziehungen, käufliche Liebe, und sogar den Gebrauch von Drogen beim Sex.

*

»Wer über Sex schreibt, sollte sich nicht ständig dadurch ablenken lassen«, sagte sich eines Tages der indische Philosoph und Denker Vatsyayana Mallanaga, verordnete sich für eine Weile Enthaltsamkeit und schrieb das bis heute rigoroseste Buch über Sexualität. Als sein Werk fertig war, wählte er die Wortzusammensetzung Kamasutra, eine Kombination aus ›Kama‹ (= Verlangen) und ›Sutra‹ (= Lehrbuch). Für die etablierte brahmanische Priesterschaft, die damals asketische Praktiken und eine Verleugnung der Sexualität predigte, war das ein Schlag ins Gesicht. Das Kamasutra war also schon bei seinem erstmaligen Erscheinen im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung ein Skandalbuch.

Vatsyayanas Ziel: Die Versöhnung von Körper und Geist, das Anerkennen von Sexualität als Weg zur Spiritualität. Neben diesem philosophischen Unterbau zeichnet sich das Werk aber vor allem durch die unverblümte Sprache und konkrete Sextipps aus, die es zum ersten Klassiker der Ratgeberliteratur werden ließen. Der Autor wollte, dass seine Leser nicht nur über Sex nachdachten, sondern all die Möglichkeiten und Stellungen, die er erklärte, tatsächlich ausprobierten. Er beschrieb klar und deutlich sämtliche Sexstellungen, die er gesammelt hatte, katalogisierte Penisse nach Länge und Dicke und Vaginen nach Tiefe und Flachheit. Er gab Tipps, welche davon am besten zusammenpassten. Er schrieb über weibliche Ejakulation genauso wie über Schläge und Gewalt beim Liebesspiel, und gab dazu eine Aufstellung der wollüstigen Schmerzenslaute beim Liebesakt. Alles in allem war der indische Denker, von dem man sonst kaum etwas weiß, sextechnisch seiner Zeit um viele Jahrhunderte voraus.

Obwohl das Buch 1884 bei seinem europäischen Erscheinen in London stark entschärft worden war, wurde es sofort zu einem Skandalbuch und verkaufte sich großartig. Aber f(w)indigen Verlegern war das nicht genug: Sie nahmen immer mehr philosophische Aspekte des Werkes heraus und stellten – nach dem Motto »Sex sells« – die üppig bebilderten Sexstellungen in den Mittelpunkt. So kommt es, dass wir heute bei Kamasutra nur an Stellungen denken. Sie auch? Also gut, dann hier drei ausgewählte Luststellungen:

• ›Unterwerfung unter den Nagel‹: Von Hinten: Die Frau legt den Oberkörper möglichst flach auf die Unterlage und streckt den Po heraus. Er, stehend hinter ihr, dringt in sie ein und kann sich mit seinen Oberschenkeln auf ihrem Hintern aufstützen. Ausgeliefertsein und Passivität für die Frau – für viele Frauen erregend. Für Männer sowieso.

• ›Das Spalten des Bambus‹: Von Vorne: Sie liegt auf dem Rücken, er ist über ihr. Ein Bein legt sie über seine Schulter, das andere streckt sie aus. Zwischendurch Beinwechsel. Schnelleres Kommen für sie.

• ›Besteigung‹:Im Stehen: Sie legt ihre Hände um seinen Hals, hält sich fest und schwingt die Beine um seine Taille. Er hält ihren Hintern und presst sie gegen eine Wand, während er sie hart nimmt. Für die schnelle Nummer im Lift oder in der Umkleidekabine.

Mehr dazu im Kapitel 13 und 14, sowie in der Bilderstrecke, FÜNFTER TEIL.

*

Das Kamasutra ist alleine in Deutschland dutzendfach übersetzt und veröffentlicht worden, unter anderem von der indischen Schriftstellerin Sandhya Mulchandani und dem Psychoanalytiker Sudhir Kakar, die schon im Vorwort klar machten: »Das Fleisch war nie der Feind des Geistes.« © A. Fischer, Cressida Books, 2020

ERSTER TEIL, philosophische Grundlagen

§ 1 – Vorbemerkung des Vatsyayana Mallanaga

Da die Liebe in der fleischlichen Vereinigung von Mann und Frau besteht, verlangt sie Regeln, und diese lernt man aus dem Kāmasūtra. Im Folgenden sind also diese Mittel zu nennen. Sie zu schildern und zu erklären ist der Zweck, den das Lehrbuch der Liebe verfolgt. Denn wie sollte man anders als aus dem Lehrbuche lernen? Leute aber, die das Lehrbuch nicht studiert haben, können die Kenntnis der Mittel, die darin enthalten sind, erlangen, wenn sie sich von anderen unterrichten lassen – denn von selbst kommt diese Kenntnis nicht.

Diejenigen, welche mit dem Lehrbuche vertraut sind, heißen »Wissende«. Diese sollen den Wissensschatz des Buches in prägnanter und dennoch breiter Darstellung im Herzen tragen. Denn wenn der Stoff der Paragraphen bekannt ist, ergibt sich nach Belieben tiefere Versenkung in die Kunstfertigkeiten der Liebe, ohne Unsicherheit.

§ 2 – Die Erreichung der drei Lebensziele

Das Ergebnis des Lehrbuches ist die Erreichung der drei Lebensziele. Da ist es denn angebracht, hier die Mittel für deren Erreichung resp. Nichterreichung anzugeben. Aus diesem Grunde wird nach der »Übersicht über das Buch« sofort von der »Erreichung der drei Lebensziele« gehandelt, was den Zusammenhang der beiden Paragraphen bildet. Wie geschieht der Hinweis, muss man denken, da ja die Erwartung eines solchen ganz dem Zusammenhang entspricht? Die Erreichung ist eine dreifache: die Praxis, die Theorie und die richtige Erfassung. Da befasst sich nun der Verfasser vor allem mit der Praxis, indem er sagt:

Der Mann, dessen Lebensdauer hundert Jahre beträgt, teile seine Zeit und beschäftige sich mit der Dreizahl der Lebensziele, eins an das andere anknüpfend, ohne dass sie sich dabei untereinander beeinträchtigen.

»Dessen Lebensdauer hundert Jahre beträgt«: einer, der hundert Lebensjahre hat. Das Wort »hundert« ist zwar eine allgemeine Bestimmung, gibt aber die Zahl der Jahre an, indem so das Wort in seiner uneigentlichen Bedeutung gebraucht ist; und was die Teilung der Zeit betrifft, so ist es damit ebenso: denn eine solche kann nicht vorgenommen werden, wenn die Lebensdauer abgekürzt wird. – »Der Mann«, um die Hauptsache zu nennen; die Frauen aber sind unselbständig und studieren deshalb die drei Lebensziele in Abhängigkeit von den Männern. – »Teilen«, in der später angegebenen Weise. – »Eins an das andere anknüpfend«, eines von den dreien, Dharma usw., mit zweien oder einem verbunden. Z. B. wenn sich jemand Kinder wünscht und sich seiner rechtmäßigen, aber ungeliebten Gattin zur Zeit nach der Menstruation nähert, so ist das Dharma, verknüpft mit Artha. Wenn jemand, der sich Kinder wünscht, sich seiner geliebten Gattin zur Zeit nach der Menstruation nähert, so ist das Dharma, verknüpft mit Kāma. Wenn ein unverheirateter Mann von einem Ebenbürtigen ein ungeliebtes Mädchen annimmt, so ist das Artha, verknüpft mit Dharma. Wenn ein verheirateter Mann ein geliebtes Mädchen aus einer tieferen Kaste annimmt, so ist das Artha, verknüpft mit Kāma. Wenn sich der Mann seiner rechtmäßigen, geliebten und liebeskranken Gattin nicht zur Zeit nach der Menstruation (nähert), so ist das Kāma, verknüpft mit Dharma. Wenn ein verheirateter Mann, der nichts sein Eigen nennt, eine unebenbürtige, reiche und geliebte Frau gewinnt, so ist das Kāma, verknüpft mit Artha. Das sind die Fälle, wo eines mit einem anderen verknüpft ist.

Wenn ein unverheirateter Mann mit einer ebenbürtigen, noch unberührten, geliebten Frau sich rechtmäßig verbindet, so ist das Dharma, verknüpft mit Artha und Kāma. Wenn eben derselbe ein geliebtes, ebenbürtiges Mädchen gewinnt, so ist das Artha, verknüpft mit Dharma und Kāma. Wenn eben derselbe eine reiche und schöne, auf Grund gegenseitigen Verlangens geheiratete Frau besitzt, so ist das Kāma, verknüpft mit Dharma und Artha. Das sind die Fälle, wo eines mit zwei anderen verknüpft ist. – »Ohne dass sie sich dabei untereinander beeinträchtigen«: Wo keine Verknüpfung stattfindet, soll man so handeln, dass das eine die beiden anderen nicht schädigt; wo eine Verknüpfung mit einem stattfindet, soll man so handeln, dass das andere nicht geschädigt wird. Beispiele hierfür werden wir beibringen.

Jetzt gibt er die Einteilung der Zeit nach dem Lebensalter an:

In der Kindheit (beschäftige man sich) mit der Erlangung des Wissens und ähnlichen Gegenständen des Artha.

»In der Kindheit«: die Einteilung nach dem Lebensalter ist hier in diesem (Spruche) angegeben: »Bis zum sechzehnten Jahre ist man Kind, solange man von in Milch gekochtem Reis lebt; bis zum siebzigsten Jahre heißt man mittel, darüber hinaus alt.« – Man beschäftige sich mit denjenigen Gegenständen des Artha, deren erster die Erlangung des Wissens ist.

So –Und in der Jugend mit der Liebe.Weil sie da angebracht ist.Im reifen Alter mit Dharma und Erlösung.

»Im reifen Alter mit Dharma und Erlösung«, weil man die weltlichen Dinge dann genossen hat. Das Erwähnen der Erlösung geschieht mit Bezug auf das höchste Wesen. Für die Wissenden ist das Lebensziel ein vierfaches: diese müssen eben in dieser Zeit ihre Gedanken auf die Allseele richten. – Da die drei Lebensziele jedes auf eine bestimmte Zeit beschränkt werden, so kann doch wohl keine gegenseitige Verknüpfung stattfinden, und dann ist die Möglichkeit da, gar keinem obzuliegen? (Nein!) So ist diese Beschränkung nicht zu verstehen! Wenn keine Verknüpfung vorhanden ist, dann spricht man auch, von Unverknüpftem. Oder man beschäftigt sich Tag für Tag, je nach der Zeit, weil die Beschränkung bezüglich des Dharma usw. auf ein Verbot (der anderen) hinauslaufen würde. Wenn man je nach der Zeit dem Dharma usw. obliegt und infolge davon eine Verknüpfung mit etwas anderem stattfindet, so sei es: es schadet nicht!

Oder man beschäftige sich mit ihnen, wegen der Unbeständigkeit des Lebens, wie es sich gerade trifft.

»Wegen der Unbeständigkeit« deutet an, dass man auch schon vor dem hundertsten Jahre sterben kann. – »Wie es sich trifft«, was sich gerade darbietet, dem möge man obliegen: in der Kindheit dem Artha und auch dem Dharma; in der Jugend dem Kāma, aber auch dem Dharma und Artha; im reifen Alter dem Dharma; aber wenn die Fähigkeit, dem Artha und dem Kāma obzuliegen, noch vorhanden ist, dann auch noch diesen beiden. Sonst, wenn man nur einem obliegt, dürften die Lebensziele nicht vollzählig erreicht werden. Die Wiederholung des Wortes »man beschäftige sich« dient dazu, den vorliegenden Fall von dem vorigen zu unterscheiden. In einem weiteten Falle bestimmt (der Verfasser), weil selbst in den drei Zeitabschnitten bei dem Streben nach der Erlangung des Wissens (bisweilen) nichts herauskommt:

Man bleibt aber Brahmanenschüler bis zur Erlangung des Wissens.

Solange man das Wissen nicht beherrscht, solange darf man nicht an Liebe denken. Sonst folgt nämlich Untugend, Unmöglichmachung des Erlangens der (Liebe) und die Unmöglichkeit, das Wissen und den Artha zu erreichen. Für die Erwerbung von Land usw. aber gibt es keine Beschränkung. Andere aber bestimmen, dass, abgesehen von der Erwerbung von Wissen, Land usw. (in der Kindheit) gewöhnlich nicht erworben werden darf, und teilen daher jedem Lebensabschnitte je dreiunddreißig Jahre und vier Monate zu. Da bei dieser Einteilung die Beschäftigung mit der Liebe nach dem sechzehnten Jahre stattfindet, so kann man schon in der Kindheit dem Dharma, Artha und Kāma obliegen. Damit ist die Praxis und die Theorie behandelt. Die Definition und woher man sie erlernen kann, das beides gibt er nun an:

Dharma ist das lehrbuchmäßige Anbefehlen von Opfern und ähnlichen Handlungen, die (aber) unterbleiben, weil sie nicht dieser Welt angehören und man (darum) keinen Erfolg sieht; sowie das lehrbuchmäßige Abhalten vom Fleischgenuss und ähnlichen Handlungen, die (aber) geschehen, weil sie dieser Welt angehören und man den Erfolg sieht.

Weil ihr Wesen hier in dieser Welt nicht wie bei greifbaren Dingen usw. erkannt werden kann, so nennt man die Opfer usw. nicht dieser Welt angehörig. Warum aber wohl, da ihr Wesen wohl doch erkennbar ist, weil dazu erlesene Dinge, Tugenden und Handlungen gehören? Darauf erwidert er: »Weil man keinen Erfolg sieht«; weil man bei ihnen unmittelbar darauf keine Früchte erblickt. Und diese nicht dieser Welt angehörigen (Handlungen), deren Früchte man nicht erblickt, lässt man ungeschehen, »unterbleiben«, gerade so, wie von Umsichtigen ein Heilmittel nicht angewandt wird, dessen Wirksamkeit sie nicht gesehen haben. – Das Wort »ähnliche Handlungen« bedeutet Kasteiungen usw.

»Das lehrbuchmäßige Anbefehlen« dieser Handlungen, »die unterbleiben«, ist Dharma; und zwar ist das der Dharma, soweit er die Gebote betrifft. – »Weil sie dieser Welt angehören und man den Erfolg sieht«: die Handlungen, bei denen man den Erfolg in Gestalt von Sättigung usw. sieht und die dieser Welt angehören, werden von den Leuten, die danach verlangen, vorgenommen, wie der Genuss des Fleisches von Gazellen usw. – Darum »geschehen sie«, der Genuss des Fleisches usw. – Das Wort »und ähnliche Handlungen« bedeutet das Kränken der Wesen, das Entwenden von fremdem Eigentum usw. – »Das lehrbuchmäßige Abhalten«, Verbot. Das ist der Dharma, soweit er die Verbote betrifft. – Wenn man nun hier fragt, wieso hier das Lehrbuch die Richtschnur abgibt, so wird der Verfasser weiter unten darauf antworten.

Diesen gewinne man aus der heiligen Überlieferung und dem Verkehr mit Rechtskundigen.

»Diesen«, den eben beschriebenen Dharma. – »Aus der heiligen Überlieferung« (Sruti) – aus dem Veda, der von der Smrti ergänzt wird. Das ist der Dharma, der im Lehrbuche behandelt wird. Den dort nicht behandelten gewinne man »aus dem Verkehre mit Rechtskundigen«, d. h. aus dem Umgange mit Leuten, die das Wesen der Sruti und Smrti kennen. – »Gewinne man«, lerne man.

Erwerb von Wissen, Land, edlem Metall, Vieh, Getreide, Geschirrvorrat, Freunden usw. und Mehrung des Erworbenen ist Artha.

»Wissen«, Logik usw. – »Land«, gepflügtes oder noch zu pflügendes. – »Edles Metall«, Gold usw. – »Vieh«, Elefanten, Pferde usw. – »Getreide«, frühe, mittlere und späte Aussaat. – »Geschirrvorrat«, Hausgerät aus Kupfer, Holz, Ton, Rohr und Leder. – »Freunde«, die am Spiele im Sande usw. teilnehmen. – Der Ausdruck »usw.« bedeutet Kleider, Schmucksachen usw. – »Der Erwerb« ist von zweifacher Art: die Aneignung von fertigen Dingen, wie Elefanten usw. und das Zustandebringen von unfertigen, wie Getreide usw. – »Des Erworbenen«: dieses eine Wort soll gehörig darauf hinweisen, dass sich der Erwerb und das Mehren auf jedes einzelne Ding beziehen; sonst wäre Artha nur das Erwerben und Mehren des Ganzen. »Die Mehrung« soll die Beschäftigung mit der Wohlfahrt, dem Genusse usw. andeuten, indem beides durch das Lehrbuch anbefohlen wird.

Diesen erwerbe man von dem Auftreten der Aufseher, den Kennern der Satzungen der Überlieferung und den Kaufleuten.

Wie die Aufseher auftreten, das bildet das »Auftreten der Aufseher«. – »Überlieferung«, Lehrbuch. Also ist der Artha gemeint, der im Lehrbuche behandelt ist. Den anderen lerne man »von den Kennern der Satzungen der Überlieferung«, den Kennern des Wesens des Ackerbaues, der Viehzucht, des Handels usw. – »Den Kaufleuten«, eine elliptische Bezeichnung: von Ackerbauern und Züchtern von Rindvieh usw. lerne man den Artha; so ist es zu verstehen.

Das in der gehörigen Ordnung und je auf ihrem Gebiete stattfindende Wirken der in dem zur Seele gehörenden Empfinden zusammengefassten (Sinne): Gehör, Gefühl, Gesicht, Geschmack und Geruch ist Kāma.

»Gefühl«, ein körperliches Organ. Der Kāma ist von zweifacher Art: von allgemeiner und besonderer. Mit Bezug auf jenen sagt der Verfasser: »in dem zur Seele gehörenden Empfinden«. Seele ist das zusammenfassende Organ, weil in ihr die Qualitäten des Schmerz- und Lustempfindens, des Wünschens, des Hasses, des Wollens usw. zusammengefasst sind. Wenn also bei ihr die Qualität des Wollens in Kraft tritt, dann ist sie mit Empfinden versehen. Empfinden gleich Sinnesorgan. Der auf diesem Wege »zusammengefassten«: »je auf ihrem Gebiete«: in dieser Reihenfolge: Laut, Berührung, Gestalt, Speise, Duft. – »In der gehörigen Ordnung«: »das Wirken« der empfindenden Organe, des Gehörs usw., die über Aufzunehmendes und Nichtaufzunehmendes entscheiden, nach der natürlichen Ordnung, sobald die Seele den Wunsch hegt, Gegenstände der Sinnenwelt, Schlaf usw., zu genießen. Der Sinn ist: das Organ des Gehörs usw. ist von einem Wunsche erfüllt. Jenes Wirken, welches seinem Wesen nach das Genießen der Sinnenwelt ist, heißt metaphorisch Kāma. Denn wenn die Seele durch dessen Vermittlung die Sinnenwelt genießt und so Wonne empfindet, so ist diese Wonne hauptsächlich Kāma. Seine Grundbedingung ist das von einem Wunsche erfüllte Wirken, und das heißt Kāma. Darum ist der allgemeine Kāma, bei der Trennung zwischen Ursache und Wirkung, ein zweifacher. Ein Wirken aber in Opposition ist, weil es Schmerz verursacht, Hass. So ist der Sachverhalt klargelegt.

Der besondere Kāma ist von zweifacher Art: ein hauptsächlicher und ein nebensächlicher. Beides zeigt der Verfasser, indem er sagt:

Das erfolgreiche, infolge der besonderen Berührungen von der Wonne des Selbstbewusstseins begleitete richtige Empfinden derselben aber ist hauptsächlich Kāma.

»Infolge der besonderen Berührungen aber«: Stimme, Hände, Füße, After und Geschlechtsteile sind Organe für sinnliche Verrichtungen, insofern sie das Sprechen, das Reichen, das Gehen, die Entleerung und die Wollust bewirken. Da ist nun bei Mann und Frau das unten befindliche Geschlechtsglied, die Vulva usw., ein Organ des Gefühles, weil nur darauf sein Wesen beruht. Davon heißt eine gewisse Stelle das Geschlechtsorgan, welches bei Gelegenheit des Samenergusses das Wolllustgefühl erzeugt. – Das Empfinden, welches auf diesem Gebiete stattfindet, nämlich während der besonderen, an diesen Geschlechtsteilen vorgenommenen Berührung, ist das »richtige Empfinden«, nämlich das des Gefühlsorganes. Sein Grund ist der Zustand, der den Namen Verliebtheit führt und von dem Verlangen nach Beischlaf gekennzeichnet ist.

»Derselben«: der Seele der Frau und der Seele des Mannes. Hierbei kommt die Seele der Frau zum Verständnis des Gefühlsorgans der weiblichen Geschlechtsteile infolge der besonderen Berührung derselben seitens des Mannes; und die Seele des Mannes kommt zum Verständnis des Gefühlsorgans der männlichen Geschlechtsorgane infolge der besonderen Berührung derselben durch die Frau: so ist der Sinn. Durch die Wahl des Wortes »besondere Berührung« soll angedeutet werden, dass die (gewöhnliche) Empfindung, wie sie der Mann gelegentlich der (gewöhnlichen) Berührung in der Gegend der Schenkel, Achseln usw., die Frau gelegentlich der (gewöhnlichen) Berührung in der Gegend der Schenkel, des Nabels usw. hat, hier nicht gemeint ist: denn die ist ja nebensächlicher Art! – Eine solche Empfindung ist nur allgemeiner Kāma: wie ist es nun mit dem besonderen? Da sagt denn der Verfasser: »das erfolgreiche«. Wenn jenes Empfinden ununterbrochen hergestellt wird, dann spricht man von Wonne, nämlich dem Ergusse des Samens und dem gleichzeitig sich einstellenden Wollust genannten Erfolge. Ein damit verbundenes Empfinden gelegentlich besonderer Berührung ist ein sekundäres: sein Mittel ist eben das erste, erfolglose Empfinden. Also gibt es rücksichtlich des Gegenstandes und des Wesens ein zweifaches Empfinden. »Richtiges Empfinden«: selbst ein erfolgreiches Empfinden – das soll das »richtig« bedeuten – ist noch kein Kāma, da (z. B.) eine Berührung mit den Geschlechtsteilen im Schlafe nicht die richtige ist; weil sie dann Nebensache ist. Wenn es sich so verhält, dann ist eben solches richtiges Empfinden auch vorhanden bei unnatürlicher oder mechanischer Befriedigung und bei Abwesenheit von Zuneigung?

Darauf entgegnet der Verfasser: »Von der Wonne des Selbstbewusstseins begleitet.« Über die Wonne des Selbstbewusstseins, der Küsse usw., wird er noch sprechen! Wenn nämlich Küsse, Kratz- und Beißmale usw. hier und dort, jedes an seiner Stelle, angebracht werden, so gilt das als Wonne für Mann und Weib, da sie währenddem unter dem Banne leidenschaftlichen Verlangens stehen. Von dieser Wonne begleitet – ein bei so angedeuteten Zurüstungen vor sich gehendes richtiges Empfinden ist hauptsächlich Kāma: danach ist selbst ein erfolgreiches, richtiges Empfinden von Mann und Frau, bei unnatürlicher oder mechanischer Befriedigung und bei der Abwesenheit von Zuneigung, kein Kāma, da er der Wonne des Selbstbewusstseins entbehrt und nebensächlich ist. Darum also ist der besondere Kāma der, welcher zum Gegenstande Besonderheiten der zu berührenden Dinge hat.

Diesen lerne man aus dem Lehrbuche der Liebe und aus der Verbindung mit der Lebewelt.

»Diesen«, den eben gekennzeichneten allgemeinen und besonderen, hauptsächlichen und nebensächlichen. »Aus dem Lehrbuche der Liebe«: aus diesem hier. Das ist der im Lehrbuche behandelte Kāma: den andern »lerne man« aus »der Verbindung mit der Lebewelt«: aus der Berührung mit den Leuten, die sich auf Liebesgeschäfte verstehen. –

Da es also nicht angeht, den Dharma usw. auf einmal zu üben oder zu erfassen, so muss man auch deren Verhältnis zueinander betreffs ihrer relativen Wichtigkeit kennen. Darum sagt der Verfasser:

Bei einer Kollision derselben ist immer der Vorangehende der Wichtigere.

»Bei einer Kollision«, bei einem Zusammentreffen, wenn die Mittel dazu gegeben sind. – »Immer der Vorangehende«. Wichtiger als Kāma ist Artha, da der Kāma durch den Artha erst ermöglicht wird; und wichtiger als dieser ist der Dharma, da auch hierbei der Artha durch den Dharma erst ermöglicht wird.

Das ist aber nicht für alle die Reihenfolge der Regeln: deshalb sagt der Verfasser:

Für den König der Artha, weil darin der Gang der Welt wurzelt; und ebenso für die Hetäre. – Soweit die Erreichung der drei Lebensziele.

»Der Artha« aber ist »für den König« das wichtigste, »weil darin ... wurzelt«. Das Auftreten je nach den Kasten und Lebensstadien ist das Merkmal des Ganges der Welt. Darüber zu wachen, dass das nicht geändert werde, ist des Königs Pflicht; und das (kann nur geschehen), wenn er Herrschermacht besitzt. Diese beruht auf den Finanzen, dem Polizeiwesen und dem Heere; und da diese wiederum vom Gelde abhängen, so gründet sich auf dieses der Gang der Welt. – »Und ebenso für die Hetäre« ist das Geld das wichtigste, da ihr Lebensunterhalt vom Gelde abhängt. Einer Hetäre nämlich geht es so: sie lässt den ihr zusagenden Dharma und Kāma, nämlich einen liebeskranken Brahmanen und einen geliebten Lebemann, fallen, in der Meinung, dass diese ihr später auch noch zu Gebote stehen werden, und wendet sich zu einem wenn auch ungeliebten Manne, weil er Geld spendet.

»Soweit die Erreichung der drei Lebensziele«, d. h. gekennzeichnet nach der Seite der Theorie und Praxis.

Jetzt zeigt der Verfasser die richtige Auffassung unter Vorausschickung der falschen, indem er sagt:

Für den Dharma, der ja nicht dieser Welt angehört, ist ein Lehrbuch, welches darüber handelt, angebracht (und ebenso für den Artha), da er nur unter Beobachtung gewisser Regeln glücklich zustande gebracht wird. Die Regeln (aber) ersieht man aus dem Lehrbuche.

Im Lehrbuche der Liebe zeigt er gerade die falsche Auffassung davon: »der ja nicht dieser Welt angehört«, wie oben gesagt worden ist. »Welches darüber handelt«, belehrt. »Da er glücklich zustande gebracht wird«: Zustandebringen des Artha nennt man Erwerben und Mehren. – Sonst, wenn, man ohne Beobachtung von gewissen Regeln lebt, dürfte sich sogar Schaden einstellen und Gefahr.

Da ist also ein Lehrbuch für den Dharma und Artha am Platze; für den Kāma aber nicht! So sagt (der Verfasser):

Da jedoch sogar bei den Tieren der Kāma von selbst geübt wird und angeboren ist, so ist mit einem Lehrbuche (darüber) nichts anzufangen, sagen die Lehrer.

»Sogar bei den Tieren«: Bei den Kühen usw., die doch in tiefer Unkenntnis leben, sieht man, dass der Kāma ohne den Unterricht durch ein Lehrbuch geübt wird, und bei den Menschen, die so viel Intellekt besitzen, soll es nicht möglich sein?! Heißt es doch: »Ohne Unterricht, ungenannt und nicht gelehrt wird die Liebe doch mit Glück geübt: wer lehrt denn die Gazellen und Vögel das Mittel, die Geliebte zu ergötzen?« – »Und da er angeboren ist«: In der Seele, die zur Substanzkategorie gehört, wohnen immer Verlangen, Abneigung und andere Gefühle: darum ist auch der Kāma angeboren. Heißt es doch: »Die Herzen der Lebewesen hängen von Natur an dem Verlangen nach dem Sinnesgenusse, selbst nach Erlösung verlangend sind sie selig in ihrer Entsagung, die voller Leidenschaft ist!« Darum ist nicht das Handeln nach einem bestehenden Lehrbuche, sondern das Verzichten darauf in Ordnung. – »Die Lehrer«: die Kenner von Dharma, Artha und Erlösung.

Hier gibt der Verfasser die richtige Auffassung an:

Da (der Kāma) in der fleischlichen Vereinigung von Mann und Frau besteht, verlangt er ein Hilfsmittel.

»Da (der Kāma) in der fleischlichen Vereinigung besteht«: der besondere wie der gewöhnliche Kāma besteht in der fleischlichen Vereinigung. Diese nun ist von zweifacher Art: eine Vereinigung bezüglich des Gegenstandes und eine bezüglich der Attribute. Dabei ist der Gegenstand der Liebe das Substrat Frau, die Attribute sind Kränze usw. Heißt es doch: »Liebe ist Wonne, und ihre Attribute bilden Schmucksachen, Salben und Kränze; ferner ein Wäldchen, flaches Hausdach, Laute(nklang), berauschende Getränke usw. Ihr Gegenstand sind Frauen von ausgelassener Schönheit, Jugend und Koketterie, von artigem Wesen, die die Herzen der Menschen gewinnen.« – Hierbei ist nun die Vereinigung bezüglich des Gegenstandes von zweierlei Art: eine ist äußerlich und die andere innerlich. Die heimlich geschieht, ist die innerliche und heißt Beischlaf; sie ist das Anzeichen des besonderen Kāma. Die äußerliche hat als Kennzeichen das Zusammentreffen. Diejenige fleischliche Vereinigung, die durch die Vermittlung der einzelnen, jedes für sich wirkenden, empfindenden Organe entsteht, heißt die Vereinigung bezüglich der Attribute. Ihr Kennzeichen ist die nahe Beziehung zu den Objekten der Sinnesorgane; sie ist das Anzeichen des gewöhnlichen Kāma. Für diese beiden Fälle von Kāma ist, bei jedem einzelnen für sich, als Grundbedingung weiter oben das Verlangen genannt, weil dieses vorausgehen muss und, wo es fehlt, auch (der Kāma) nicht zustande kommt. – Da verlangt nun die erste Art der Vereinigung, die durch das Zusammentreffen gekennzeichnet ist, ein Hilfsmittel, wenn von Mann und Frau der eine Teil kein Verlangen empfindet, bewacht wird, sich schämt oder sich fürchtet, wenn die Frau einem andern gehört und so die Sache nicht glücken will. Und die zweite Art, genannt Beischlaf, wie soll die zustande kommen, wenn man die vierundsechzig Künste nicht kennt? Also das Lehrbuch ist das Hilfsmittel! Auch die zweite Art der fleischlichen Vereinigung erfordert Hilfsmittel, da sie ohne das alltägliche und besondere Treiben der Lebemänner nicht möglich ist.

Und die Kenntnis dieser Hilfsmittel schöpft man aus dem Lehrbuche der Liebe, sagt Vātsyāyana.

Man erfährt die Regeln aus dem Lehrbuche der Liebe, indem sie von diesem gelehrt werden. – »Vātsyāyana« ist der gemeinsame Name, den seine Familie trägt; und Mallanāga ist der Weihename.

Wie ist es nun bei den Kühen usw.? Darauf antwortet (der Verfasser):

Bei den Tieren dagegen findet die Ausübung (der geschlechtlichen Funktionen) ohne Hilfsmittel statt, da die Weibchen nicht versteckt gehalten werden, der Geschlechtstrieb während, der Brunstzeit bis zur Befriedigung gebracht wird und (der Akt) von keiner Überlegung begleitet ist.

Das Wort »dagegen« bezeichnet das Spezialisieren. »Da (die Weibchen) nicht versteckt gehalten werden«; da keine Verhüllung durch Bewachung usw. stattfindet. Die Weibchen leben selbständig; wozu braucht man da also ein Hilfsmittel? Darum »findet die Ausübung (der geschlechtlichen Funktionen) ohne Hilfsmittel statt«; so ist der Zusammenhang. – Mit dem Worte »Ausübung« sind beide Arten von Vereinigung gemeint, da sie in dem Entstehen der Liebe ihren Ursprung hat. – Da hier kein Verstecken stattfindet, so geschieht das Zusammentreffen ohne die von den Lehrern erwähnten Hilfsmittel; das ist der Sinn. – »Während der Brunstzeit bis zur Befriedigung«: die Tiere begatten sich nur in der Zeit nach der Menstruation; die Menschen aber, wenn sie Kinder haben wollen, in der Zeit (unmittelbar) nach der Menstruation, wenn sie aber bloß die Frau ergötzen wollen, auch außerhalb dieser Zeit. Das ist der Unterschied. So heißt es denn: »In der Zeit nach der Menstruation nahe man der Frau jederzeit, da es nicht verboten ist.« – Und dabei begatten sie sich »bis zur Befriedigung«, bis eben das Ziel erreicht ist, welches durch die Sättigung gekennzeichnet ist; nicht aber verlangen sie nach einem zweiten Begattungsgenossen, indem sie denken: »Ist der satt geworden oder nicht?«

Darum findet (bei den Tieren), da sie nicht das gleiche Ziel verfolgen (wie die Menschen), die innerliche Vereinigung ohne Hilfsmittel statt. Wenn es nun heißt, eine Liebe, die aus (der Verfolgung) gleicher Ziele entsteht, sei kein Mittel, die Weiber zu bewachen, wohl aber bei den Menschen, so lautet die Lehre davon allerdings so; denn sonst wäre das kein (rechtes) Mittel, wenn das eigene Ziel dem anderer gliche. Wenn eine Frau mit einem fremden Manne lebt, dann erreicht der betreffende gar kein Lebensziel: denn es heißt: »Wenn jemandes Geliebte, von Leidenschaft erfüllt, einen andern genießt, dann flieht der Dharma, stirbt der gute Wandel, weilt das Glück ferne und wird die Familie getötet.«

Deshalb ist eine aus der Verfolgung gleicher Ziele entstehende Liebe doch das Mittel, die Frau zu bewachen. Was Manu wegen der Bewachung der Frauen angibt, häusliche Arbeit, Stampfen usw., um sie unzart zu machen, so ist das kein rechtes Mittel, da es in der Anwendung Ärgernis erregt. So heißt es denn: »Manu nannte um der Bewachung der Frauen willen unzarte Arbeiten, gleichsam Kränze, die einem Fesselpfosten für wilde Elefanten entsprechen sollen. Das alles geschieht nur bei mangelnder Liebe; so verharren die Lehrer: aus der Gleichwertigkeit lernt man das, nicht aber aus einem Lehrbuche.« – »Da der Akt von keiner Überlegung begleitet ist«: sie handeln nicht in dem Gedanken, dass Dharma, Artha, Nachkommen, Verwandte und Mehrung des Anhanges sich ergeben werde. Einzig nach der bloßen tierischen Art geschieht es; also findet die Funktion, die innerliche Vereinigung, ohne Hilfsmittel statt, da sie des Mittels der Motive entbehrt. Gott hat die kimśuka-Blüten rot gefärbt: was sollen also die Tiere, ebenso wie die Menschen, die sich gewogen sind, ein Lehrbuch handhaben? Auf der anderen Seite aber findet umgekehrt die Annäherung vermittels Hilfsmitteln statt: da ist die Handhabung eines Lehrbuches am Platze.

Nun nennt (der Verfasser) eine irrige Auffassung auf dem Gebiete des Dharma:

Man vollbringe keine Taten des Dharma, da der Lohn dafür erst künftig kommen soll und wegen der Zweifelhaftigkeit.

»Da der Lohn dafür erst künftig kommen soll.« Gemeint sind Opfer usw., die nicht dieser Welt angehören und erst in einer späteren Geburt Früchte bringen. Ein Wissender wünscht nicht, das in seinen Händen befindliche Gut wegzugeben; vielmehr verschafft er sich damit hienieden Nutzen in Gestalt von Ländereien usw. und genießt es, ohne eine stete Folge zu verlangen. – »Wegen der Zweifelhaftigkeit«, nämlich des künftigen Lohnes. Es wird die Zweifelfrage getan: »Wenn unter den gebührenden Vorbereitungen, mit mühsamer Askese und Geldverschwendung ein Opfer usw. veranstaltet worden ist, wird dann als Lohn der Himmel usw. erlangt werden oder nicht?« – weil man die Notwendigkeit des Eintretens der Wirkung dieser Taten nicht sieht. Und wo ist der Mann, der an eine zweifelhafte Sache einen unzweifelhaften Besitz verschwenden möchte? – Das sind die zwei Gründe.

Für das erste davon gibt (der Verfasser) eine sprichwörtliche Redensart an:

Denn welcher Nichtkindische würde wohl das in der Hand Befindliche einem andern einhändigen?

»Denn welcher Nichtkindische«, Wissende. Sowenig jemand das in seinen Händen befindliche Geld wegwirft, indem er es einem andern einhändigt, wobei er gedenkt, in der Zeit der Not hingehen zu wollen und sich dafür Gemüse oder (anderes) Essen zu verschaffen, ebenso wenig wird einer dasselbe wegwerfen, indem er es auf Opfer usw. verwendet, in der Hoffnung, er werde es in einer anderen Existenz genießen.

Hier kann jemand sagen: Hienieden kann man mit Geld so viel oder so lange Erfolg erringen; im Jenseits ist es anders; so sagt man:

Besser heute eine Taube als morgen ein Pfau.

Wie für jemand, der Vogelfleisch essen will, der Gewinn einer Taube heute wichtiger ist als die bedeutende Errungenschaft eines Pfaues morgen, so ist es auch hier.

Für das zweite gibt der Verfasser eine sprichwörtliche Redensart an:

Besser als ein zweifelhafter Brustgoldschmuck ist ein unzweifelhaftes Goldstück – Das sind die Ansichten der Materialisten.

(Es sagt jemand:) »Nimm das Goldstück: wenn nicht, (dann warte:) ich werde heute hundert Goldstücke einnehmen; dann will ich dir einen Brustgoldschmuck geben!« Da ist das zwar kleine, aber sichere Goldstück für jemand, der in Verlegenheit ist, mehr wert als der zweifelhafte Goldschmuck. – »Materialisten« sind diejenigen, welche ihre Gedanken auf das Irdische richten.

Nun gibt der Verfasser die richtige Auffassung an:

Da das Lehrbuch zum Misstrauen keine Veranlassung geben kann; da man sieht, dass Behexung und Beschwörung, bisweilen Erfolg hat; da man sieht, dass die Mondhäuser, der Mond, die Sonne und der Kreis der Planeten gleichsam mit Überlegung für die Welt wirken; da das Treiben der Welt durch das Leben nach den Satzungen der Kasten und Stadien gekennzeichnet wird, und da man sieht, dass man den in der Hand befindlichen Samen um des künftigen Getreides willen auswirft, so vollbringe man die Handlungen des Dharma. So lehrt Vātsyāyana.

»Das Lehrbuch«: für den Dharma, der ja nicht dieser Welt angehört, ist ein Lehrbuch, welches darüber handelt, angebracht. Dieses Lehrbuch stammt entweder von den Menschen oder es stammt nicht von den Menschen. Da ist denn das erste misstrauisch zu betrachten: »Ist es Wahrheit oder Lüge?« Denn die Menschen reden auch Unwahres, wenn sie von den Leidenschaften usw. und von Unwissenheit verblendet sind. Das nicht von den Menschen stammende Lehrbuch, genannt Veda, ist nicht schlecht und darf kein Misstrauen erregen, weil es mit den Menschen keinen Zusammenhang zeigt. So heißt es denn: »Bei einem von Menschen herrührenden Werke ist es angebracht zu sagen, dass es Mängel hat oder keine Mängel hat; bei dem Veda aber, der nicht gemacht worden ist, haben wir keinen Mangel zu befürchten.« Über seinen nichtmenschlichen Ursprung ist anderwärts gehandelt. – Darum vollbringe man hier die Handlungen des Dharma, so ist der Zusammenhang.

So gilt jenes (oben Gesagte) also nicht, dass man von Zweifelhaftigkeit spricht. – »Behexung« ist eine Handlung, die in einer Schädigung an Leib oder Gut besteht; »Beschwörung« ist eine Zeremonie, die auf das Ausbleiben einer üblen Wirkung und auf das Gedeihen abzielt. Wenn diese beiden ausgesprochen werden, wie z. B.: »Wer behexen will, soll einen Falken opfern« usw. – »Bisweilen«: wo sie angewendet werden, da sieht man den Erfolg in Gestalt von Schädigung, Ausbleiben übler Wirkung und Gedeihen: darum wird auch das übrige, das Feueropfer usw., seinen Erfolg in Gestalt des Himmels usw. haben, und deshalb möge man die Handlungen des Dharma vollbringen. Denn da die einzelnen Glieder des Lehrbuches infolge ihres nichtmenschlichen Ursprungs nicht auseinandergerissen werden können, ist auch dabei die Annahme eines Unterschiedes von wahr und unwahr nicht am Platze: wenn das eine unwahr wäre, ergäbe sich auch für das andere Unwahrheit.

Nun nennt der Verfasser übernatürliches Wirken: »Mondhäuser«. Mondhäuser, Aśvinī usw. »Sonne und Mond« sind bekannt. »Die Planeten«, fünf, Mars usw. Deren radförmiger »Kreis«, die auf die zwölf Teile der Ekliptik verteilte, besondere Art der Stellung. »Für die Welt«, nicht für sich selbst. »Gleichsam mit Überlegung«: gerade als ob er1 Überlegung hätte. Wie irgendein Mensch mit Überlegung handelt, so sieht man auch jene, die Sonne usw., vereinigt mit dem Mondhause, bald so, bald so wandeln; und doch auch wieder nicht so, sagt das Wort »gleichsam«. Denn sie handeln nicht in der Absicht: »Das wollen wir für die Welt tun!« Das ist in einem anderen Lehrbuche sehr ausführlich behandelt. – Mit dem Ausdrucke »man sieht« wird gezeigt, dass man das deutlich durch die sinnliche Wahrnehmung erkennt. Der Erfolg für die Welt ist bei diesem Wirken ein günstiger oder ungünstiger und von zweierlei Art: ein allgemeiner und ein besonderer. Der allgemeine besteht in guten und schlechten Zeiten usw. und ist aus der Astrologie zu ersehen. Der besondere aber beschränkt sich auf das einzelne Wesen, auf Gewinn, Verlust, Glück, Unglück usw. und ist aus der Nativitätslehre zu ersehen. Dieses so beschaffene Wirken lässt auf eine besondere, übernatürliche Ursache schließen, deren Wirkung aus der Wohlfahrt oder dem Missgeschick der Welt ersehen werden kann.

Was sonst sollte das stete Wirken oder Nichtwirken dieser eingestaltigen, von anderen Wirkungen unabhängigen Körper sein? Etwa Schicksalsnotwendigkeit? Aber auch sie ist ja von Ursachen ewig unabhängig! Darum ist also deren Tätigkeit eine übernatürliche, und man liege deshalb dem Dharma ob. Es heißt: »Das Netz der Mondhäuser und Planeten ruht Tag und Nacht auf dem Treiben der Welt; zwischen Glück und Unglück schwankt das All und offenbart die Taten in den früheren Existenzen.« – »Kasten, Stadien usw.«: Kasten, Brahmanen usw.; »Stadien«; Brahmanenschüler, Hausherren usw. – Deren »Satzungen«: ihr Dharma.

»Das Leben darin«: der Zustand. »Das Treiben der Welt«, welches diesen als Kennzeichen besitzt, ist gemeint. Deutlich wird darauf abgezielt, dass es durch die Materialisten kein rand- und bandloses werden und keine »Fischordnung«2 bekommen solle: denn die Dreizahl3 dient nur zur Zügelung. – Die Kenner des Treibens der Welt, die danach handeln, um Zutrauen in der Welt zu erwecken – warum leben die nicht nach dem Dharma? Was ist das für eine Verkehrtheit, wenn einer, der den Sachverhalt kennt, handelt wie einer, der ihn nicht kennt! Mit jenem Worte: »Man vollbringe keine Taten des Dharma« zeigt der Verfasser, dass das ein Hindernis ist, die wahre Erkenntnis zu erlangen; und wenn gesagt worden ist: »da der Lohn dafür erst künftig kommen soll«, so beweist er, dass das auch bei sichtbaren Gegenständen geschieht, wenn er sagt: »den in der Hand befindlichen«. Wenn man auf der einen Seite handelt, auf der anderen sich zurückhält, während in gleicher Weise der Erfolg erst ein künftiger ist, so ist das Ungereimte dieser Handlungsweise gekennzeichnet. Wenn man niemals dabei also etwas sieht, warum dann die Verschiedenheit der Handlungsweise in der Welt? Denn nirgends erlangt man einen Erfolg wie Herrschaft usw. aus einer sichtbaren gleichartigen Ursache. Das wäre auch nicht natürlich, da immer die Möglichkeit des Gelingens oder Nichtgelingens vorhanden ist.

Nun nennt der Verfasser eine irrige Ansicht über den Artha:

Man vollbringe keine Taten des Artha: denn selbst mit Mühe erstrebt werden Gelder (bisweilen) niemals erlangt; sogar ohne dass man danach strebt, kommen sie ganz von selbst.

Geld erlangt man durch Anwendung von Hilfsmitteln. Der Sinn ist, man soll so streben, dass man dabei Hilfsmittel beobachtet, da Vermögen gemäß dem Ausschluss oder der Zulassung eines solchen glücklich erlangt wird. So sagt der Verfasser: »mit Mühe«. Der Sinn ist: Wenn man sie mit Gewalt zu erreichen sucht, werden sie niemals erlangt. Geschieht es doch, dann meinen die Leute, es geschehe nach Schicksalsverfügung. – »Ohne dass man danach strebt«, d. h. mit Mühe, »kommen sie ganz von selbst«, zufällig, durch Entdeckung eines Schatzes usw. Darum ist auch das Lehrbuch überflüssig, welches die Erkenntnis der Hilfsmittel zum Gegenstande hat. Wie ist es also hiermit? – Darauf lautet die Antwort:

Das alles wird vom Schicksal bewirkt.

»Schicksal«, das ewige, gehört zur Kategorie der Substanz. Von diesem »bewirkt« bedeutet, dass der Mensch davon abhängig ist, da das Wirken des Schicksals ein ursächliches ist.

Das zeigt (der Verfasser), indem er sagt:

Das Schicksal nämlich bringt die Menschen zu Reichtum und Armut, Sieg und Niederlage, Glück und Unglück.

Der Sinn ist: Bei diesen sechs Dingen, Gewinn – Verlust usw., die zu verwerfen oder zu wählen sind, ist eben das Schicksal die Grundursache; darum gebe man sich selbst keine Mühe wegen des Aufgebens oder Annehmens.

Nun nennt er eine sprichwörtliche Redensart:

Vom Schicksal wurde Bali zu Indra gemacht, vom Schicksal wurde er gestürzt; eben das Schicksal wird ihn auch wieder erhöhen. – Das ist die Meinung der Fatalisten.

Wiewohl er von zu meidender Art und infolge seines Halbgötterstandes unwürdig war, wurde er doch an die Stelle Sakras gesetzt, wo er weilte, bis er »gestürzt« wurde. Durch das umschlagende Schicksal wurde er aus dieser Stellung entfernt und in die Unterwelt gestürzt. – »Wird ihn wieder erhöhen«: der Sinn ist: wenn das Schicksal wieder umschlägt, wird es ihn (aus der Unterwelt wieder) entlassen und zu Indra machen. So sagt man denn: »Das Schicksal reift die Wesen, das Schicksal rafft die Geschöpfe weg; das Schicksal wacht bei den Schlafenden: dem Schicksal kann man ja nicht entgehen«. – »Fatalisten« sind diejenigen, welche ein Walten des Schicksals annehmen. Ebenso kann man die Deisten betrachten, weil sie jenen nach Erwerb und Erhaltung ihres Besitzes ähnlich sind.

Nun gibt der Verfasser die richtige Auffassung:

Die Grundlage aller Betätigungen sind die Hilfsmittel, da sie von der menschlichen Wirksamkeit abhängen.

Die Betätigungen eines nach der Erreichung von Reichtum, sei es durch Schicksalsgunst, sei es durch Hilfsmittel-Verlangenden, sind insgesamt als von menschlicher Wirksamkeit abhängig anzusehen, indem dieselbe in beiden Fällen dabei beteiligt ist. Die menschliche Tätigkeit vermag aber ohne Hilfsmittel keinen Reichtum zustande zu bringen; darum »sind die Hilfsmittel die Grundlage«, d. h. die Ursache des glücklichen Erwerbes von Reichtum. Denn gerade wie die menschliche Tätigkeit bei dem Erwerben von Reichtum auf das Schicksal angewiesen ist, ebenso auch die Fähigkeit, Gelegenheit und Ausführung auf die Hilfsmittel: wenn sie alle fehlen, kann auch das Schicksal nichts machen; und wenn das Schicksal fehlt, sind sie auch ohnmächtig. Darum sind diese aufeinander angewiesenen Faktoren: Fähigkeit, Gelegenheit, Schicksal und Ausführung der Hilfsmittel, die das Ziel erreichen helfen. So erlangt man also Reichtum, indem die menschliche Wirksamkeit sich auf dem Gebiete der Fähigkeit usw. betätigt. Bei dem Vorhandensein unendlich vieler Vorzüge kann es sicherlich auch einmal vorkommen, dass jemand zufällig in den Besitz von Reichtum kommt: das geschieht aber auch unter dem Einfluss eines Hilfemittels, nämlich des zufällig Geschehenden. So sagt der Verfasser:

Auch ein notwendig erfolgendes Vermögen ist durch Hilfsmittel bedingt: ein Untätiger hat kein Glück. – So lehrt Vātsyāyana.

Weil es so ist, deshalb hat »ein Untätiger«, der des Beobachtens der Hilfsmittel ermangelt, »kein Glück«, Wohlfahrt. Da soll man also die Taten in früheren Existenzen für nutzlos erachten? Nein! Es ist vielmehr die Sache so anzusehen, dass beides, einander erfordernd, wirksam ist; wie es denn heißt: »Götter- und Menschenwerk waltet über der Welt.« Damit ist auch die Theorie widerlegt, die nur das Göttliche gelten lässt.

Nun führt (der Verfasser) eine irrige Auffassung vom Kāma an:

Man vollbringe keine Taten des Kāma, wegen ihrer Rivalität mit den beiden Hauptsachen Dharma und Artha und anderen trefflichen Menschen. Sie bewirken bei dem Menschen Verkehr mit Niedrigen, schlechte Unternehmungen, Unreinlichkeit und Vernichtung der Zukunft.

Die »beiden Hauptsachen«, weil aus ihnen der Kāma ersteht. »Wegen ihrer Rivalität«: weil man, im Banne des Kāma, nicht nach dem Wandel im Dharma fragt, ja entgegengesetzt handelt und auch kein Geld zu erwerben sucht: der Kāma bildet dafür ein Hindernis, wegen der hässlichen Ausgaben für berauschende Getränke, Hurenlohn und Geschenke. »Treffliche Menschen«: eifrige Gelehrte und fromme Büßer, diese Trefflichen meiden den dem Kāma Ergebenen. – »Niedrige« sind solche, die diesen feindlich gegenüberstehen, Schauspieler, Tänzer, Sänger usw. Berührung mit diesen »bewirken« sie. »Schlechte Unternehmungen«, unrühmliche Beschäftigung, wie die nächtlichen Liebesbesuche, Überklettern über Mauern usw. »Unreinlichkeit« wegen der genannten Umgehung des Reinlichen. »Vernichtung der Zukunft«, Unfähigkeit bei dem »Liebesesel«4

Ferner Nachlässigkeit, Leichtsinn, Misstrauen (bei Anderen) und Meidung (seitens der Mitmenschen).

»Ferner Nachlässigkeit«, Beschädigung des Leibes beim Besuche usw. fremder Frauen usw. »Leichtsinn«, Wankelmut infolge ihres unbedachten Lebenswandels. »Misstrauen«: Verlust der Vertrauenswürdigkeit wegen des Umganges mit schlechten Menschen. »Meidung«, Verwerfung wegen ihres ehrlosen Treibens.

Man hört von vielen der Liebe Ergebenen, die sogar samt ihrer Begleitung untergegangen sind.

»Viele«, nicht nur einer, der Liebe Untertane »sind untergegangen«, so ist der Zusammenhang. »Samt ihrer Begleitung«: d. h. nicht nur die Verliebten selbst, sondern auch ihre Diener.

Um das zu erhärten, folgt noch eine kleine Geschichte:

So ging der Bhoja namens Dāndakya, welcher die Tochter eines Brahmanen beschlafen hatte, infolge der Liebe samt Sippe und Reich unter.

»Dāndakya« ist der Name. »Bhoja« bedeutet, aus dem Bhoja-Geschlechte stammend. »Beschlafen«, entehren. Als er nämlich auf die Jagd gegangen war, erblickte er in einer Einsiedelei die Tochter des Bhārgava, verliebte sich in sie und entführte sie auf seinem Wagen. Da kam Bhārgava mit Holz und heiligem Grase zurück, und als er jene nicht sah, erkannte er durch Meditation den wahren Sachverhalt und verfluchte den König. Da fand dieser »samt Sippe und Reich«, von einem Sandregen verschüttet, seinen Tod. Diese Stätte wird heute noch als Dandaka-Wald besungen.

Der Götterkönig, der die Ahalyā; der übermächtige Kīcaka, der die Draupadī, und Rāvana, der die Sītā (entehrte) und noch viele andere, die später lebten, sieht man, der Liebe ergeben, untergehen, – So ist die Meinung der Opportunisten.

»Der Götterkönig«, Indra, der die Ahalyā »beschlief«. So ist es zu konstruieren. In der Einsiedelei des Gautama nämlich verliebte er sich in dessen Gattin, Ahalyā. Als nun Gautama mit Holz und heiligem Grase heimkehrte, verbarg dessen Gattin Ahalyā den Indra im Mutterleibe, worauf sich Gautama samt seinem Weibe auf deren Einladung nach einer anderen Einsiedelei begab. Da er nun mit seinem übernatürlichen Auge sah, dass Indra da gewesen war und er die Dreizahl der Sitze bemerkte, die da für diesen zurechtgemacht worden waren, empfand er Argwohn: »Was soll das für mich, der ich mit meiner Frau allein bin?« Durch Meditation erkannte er den wahren Sachverhalt und vor Wut verfluchte er jenen mit den Worten: »Tausend Vulvas sollst du bekommen!« Da bekam er, trotzdem er der Götterkönig war, infolge der Liebe diesen Zustand, der dem Tode gleichkam. Dieser sein Makel, der Buhle der Ahalyā zu sein, ist auch heute noch nicht verlöscht. – »Der übermächtige«, weil er tausendfache Schlangenmacht besaß. Dieser wurde von Bhīmasena getötet, da er der Draupadī in Liebe begehrte. Das ist allbekannt. – »Man sieht untergehen« bedeutet, dass der Augenschein das beweist.

Warum also dabei von alten Geschichten erzählen? meinen sie.

Hier gibt der Verfasser die richtige Auffassung an:

Die Taten des Kāma stehen auf gleicher Stufe mit dem Essen, da sie das Gedeihen des Leibes bedingen; und sind die Frucht von Dharma und Artha.

»Auf gleicher Stufe mit dem Essen«, dem Essen gleichwertig. Wie das Essen, auch wenn es den Nachteil der Indigestion usw. nach sich ziehen kann, Tag für Tag um des Gedeihens des Körpers willen stattfindet, so auch der Kāma. Sonst kann der Leib nicht bestehen, weil dann infolge des Übermaßes an feuriger Leidenschaft Schäden wie Geistesverwirrung usw. entstehen. – »Und sind die Frucht von Dharma und Artha«. Um des Glückes willen dient man dem Dharma und Artha; unterlässt man diesen Dienst, so sind sie unnütz und bringen nur Mühe ein. So heißt es denn: »Als im Dharma wurzelnd gilt der Himmel; dort weilen die höchsten Frauen: unwiderstehlich ist für die Männer der Stand des Hausherrn, der aus der Mühe des Dharma erwächst. Geehrt durch die Fortpflanzung des Geschlechtes durch Kinder sind die Frauen hier und dort; aber das ist ganz klar: die Frauen sind da zum Zwecke außerordentlichen Genusses.«

Wenn es sich so verhält, so gibt es dabei doch möglicherweise Nachteile? Dazu sagt der Verfasser:

Wie an den Nachteilen muss man lernen. Denn man unterlässt die Bereitung der Topfspeisen nicht, weil es Bettler gibt (die sie wegessen könnten); man unterlässt die Aussaat des Getreides nicht, weil es Gazellen gibt (die es abweiden könnten). – So lehrt Vātsyāyana.

»Man muss lernen«: wie aus den Nachteilen der Indigestion usw. muss man lernen; Vorkehrungen zu treffen, ist zu ergänzen. Das gibt er an: Wo auch immer man Nachteile hat und doch notwendig der Liebe pflegen muss, da tue man es unter Vorkehrungen gegen Schädigungen. Dieser Brauch ist auch unter den Menschen gang und gebe, was er mit den Worten »denn« usw. zeigt. So heißt es denn auch:

»Wertlos wie das Dasein des Grases ist das Dasein der Menschen, die die Lust hassen; Nachteile freilich sind zu vermeiden: so haben es die Weisen festgesetzt.«

Nun nennt der Verfasser den Lohn eines Verfahrens, welches durch die Beschäftigung (mit den drei Lebenszielen) gekennzeichnet ist:

Hier folgen einige Sloken:

Der Mann, der so dem Artha, dem Kāma und dem Dharma obliegt, der erlangt hier wie dort dornenloses, unendliches Glück.

»So«: indem man nach der angegebenen Regel zuerst dem Artha obliegt, sobald man seinen Lebenswandel beginnt; dann, wenn man den Artha erlangt hat, dem Kāma und Dharma. – »Hier wie dort«: in dieser Welt und in jener Welt »erlangt er dornenloses Glück«, ohne Leid. Der Sinn ist: »Ich habe die gesamten Lebensziele erreicht: darüber empfindet das Herz Freude«. Denn wer die drei Ziele nicht verfolgt, der empfindet Reue, weil er, solange er hier weilte, das Glück dieser Welt durch die Beschäftigung mit der unendlichen Liebe nicht erlangt hat; und auch nicht in der andern Welt, durch emsiges Betreiben des Dharma: »Ich Tor habe früher keine lautere Tat vollbracht!« Atheisten, Weltfremde und Lusthasser aber erlangen das Glück nur mit Mühsal verbunden, indem je ein einzelnes Glied fehlt. So ist die Meinung.

In zwei Sloken fasst (der Verfasser) nun seinen Ausspruch zusammen: »Eins an das andere anknüpfend, ohne dass sie sich dabei untereinander beeinträchtigen«:

Bei einer Tat, wo die Befürchtung nicht entsteht, was anderswo geschehen mag, und wo ein Glück erlangt wird, welches den Artha nicht tötet, bleiben die Edlen stehen.

Was die drei Lebensziele erreichen hilft, zwei oder auch nur eines, die Tat vollbringe man, aber nicht eine, die die beiden anderen schädigt.